Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2009 - V ZB 84/09

bei uns veröffentlicht am08.10.2009
vorgehend
Landgericht Karlsruhe, 2 OH 22/08, 15.12.2008
Oberlandesgericht Karlsruhe, 15 W 17/09, 30.04.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 84/09
vom
8. Oktober 2009
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In einem selbständigen Beweisverfahren kann dem Sachverständigen auch die Frage
vorgelegt werden, ob Schäden und Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer
bzw. Bewohner - aus sachverständiger Sicht - erkennbar waren.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - V ZB 84/09 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller werden der Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. April 2009 aufgehoben und die Beschlüsse der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 und vom 17. Februar 2009 abgeändert.
Unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im Übrigen wird die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des in dem Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 bestimmten Sachverständigen auch über folgende Fragen angeordnet: "3. Hätte der Eigentümer und/oder Bewohner des in der Antragsfrage zu Ziff. 1 näher bezeichneten Hauses die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden dieses Hauses aus sachverständiger Sicht bemerken können oder bemerken müssen, insbesondere vor dem 24. Mai 2006? Falls ja, auf Grund welcher Umstände hätte der Eigentümer/Bewohner die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit aus sachverständiger Sicht bemerken können bzw. müssen ? 10. Waren die Schäden an der Dachisolierung des in Ziff. 1 genannten Gebäudes und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer oder Bewohner dieses Hauses bereits vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar bzw. musste er diese erkennen? 13. Waren die Schornsteindurchfeuchtung und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer/Bewohner des in Ziff. 1 genannten Gebäudes vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar oder musste er diese erkennen? 14. ...War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems [scil. Kanalanschluss] bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden? War diese Verstopfung bzw. Versetzung für den Eigentümer bzw. Bewohner der in Ziff. 1 bezeichneten Immobilie vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar?" Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Antragsteller kauften von der Antragsgegnerin mit notariellem Vertrag vom 24. Mai 2006 ein Hausgrundstück. Sie machen Feuchtigkeits- und andere Schäden geltend, die ihrer Ansicht nach bereits bei Abschluss des Vertrags vorhanden waren. Diese möchten sie durch ein Sachverständigengutachten feststellen lassen. Das Landgericht hat die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens zu elf der insgesamt 15 in dem Antrag formulierten Fragen und dem ersten Teil der Frage 14 angeordnet. Die Einholung des Sachverständigengutachtens auch zu den Fragen 3, 10, 13 und dem zweiten Teil der Frage 14 hat es abgelehnt. Diese Fragen lauten: "3. Hätte der Eigentümer und/oder Bewohner des in der Antragsfrage zu Ziff. 1 näher bezeichneten Hauses die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden dieses Hauses bemerken können oder bemerken müssen, insbesondere vor dem 24. Mai 2006? Falls ja, auf Grund welcher Umstände hätte der Eigentümer /Bewohner die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit bemerken können bzw. müssen? 10. Waren die Schäden an der Dachisolierung des in Ziff. 1 genannten Gebäudes und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer oder Bewohner dieses Hauses bereits vor dem 24. Mai 2006 erkennbar bzw. musste er diese erkennen? 13. Waren die Schornsteindurchfeuchtung und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer/Bewohner des in Ziff. 1 genannten Gebäudes vor dem 24. Mai 2006 erkennbar oder musste er diese erkennen? 14. ...War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems [scil. Kanalanschluss] bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden? War diese Verstopfung bzw. Versetzung für den Eigentümer bzw. Bewohner der in Ziff. 1 bezeichneten Immobilie vor dem 24. Mai 2006 erkennbar ?"
2
Der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit folgender Ergänzung teilweise abgeholfen: "Der Sachverständige soll jeweils feststellen, wie sich die zu begutachtenden Schäden und Mängel (Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden, Verstopfung der Drainage, Schäden an der Dachisolierung, Schornsteindurchfeuchtung, Verstopfung bzw. Versetzung des Rohrsystems) bemerkbar machen."
3
Das Oberlandesgericht hat ihr durch die nachfolgende Ergänzung des Anordnungsbeschlusses und des Abhilfebeschlusses teilweise weiter abgeholfen : "Ziff. 14 des Beschlusses vom 15. Dezember 2008 [d. i. Anordnungsbeschluss ] wird um folgenden Satz ergänzt: War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden ? Ziff. 1 des Beschlusses vom 17. 2. 2009 [d. i. die oben referierten Ergänzung ] wird nach "bemerkbar machen" wie folgt ergänzt: "... und waren diese Umstände bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden?"
4
Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsteller, die die Einholung des Sachverständigengutachtens auch zu den zurückgewiesenen Teilen ihrer Fragen erreichen wollen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, hinsichtlich des zurückgewiesenen Teils der Beweisfragen lägen die Voraussetzungen für die Anordnung eines Beweisverfahrens nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass zu besorgen sei, dass das Beweismittel verloren gehe oder seine Benutzung erschwert werde. Die Frage nach der Erkennbarkeit der behaupteten Schäden und Mängel für bestimmte Personen stelle keine zulässige Beweisfrage dar. Sie beziehe sich weniger auf den Zustand der jeweiligen Sache als vielmehr auf die Fähigkeit der im Beweisantrag bezeichneten Personen, einen bestimmten Zustand wahrzunehmen. Dazu könne das Gutachten eines Bausachverständigen keine Aussagen machen. Außerdem unterliege diese Frage in erster Linie der Beurteilung des Gerichts.

III.

6
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
1. Das Beschwerdegericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass der Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens hinsichtlich der zurückgewiesenen Teile der Beweisfragen nicht nach § 485 Abs. 1 ZPO zuläs- sig ist. Insoweit ist nicht zu besorgen, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.
8
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens aber nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Die Antragsteller haben nämlich ein rechtliches Interesse daran, dass der Zustand des verkauften Hauses auch in dieser Hinsicht festgestellt wird. Diese Feststellung ist für die Prüfung etwaiger Ansprüche von wesentlicher Bedeutung. Außerdem kann sie der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen.
9
a) Die zurückgewiesenen Teile der Fragen sind tauglicher Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens.
10
aa) Sie schieden als solche allerdings aus, wenn sie im Kern auf die Beantwortung von Rechtsfragen zielten oder hinausliefen. Das selbständige Beweisverfahren hat in der hier maßgeblichen Fallgestaltung die Feststellung des tatsächlichen Zustands einer Sache zum Gegenstand. Als vorweggenommene Beweisaufnahme (vgl. MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 402 Rdn. 10) dient sie wie jede Beweisaufnahme der Aufklärung von Tatsachen, nicht der Beantwortung von Rechtsfragen (dazu: Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 401 Rdn. 1). Richtig ist auch, dass die Frage nach der Erkennbarkeit von Sachverhalten vor allem für die Beantwortung der Rechtsfragen von Bedeutung ist, ob die im Verkehr gebotene Sorgfalt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) angewandt worden ist oder ob Arglist (vgl. § 444 BGB) vorliegt. Die Beantwortung dieser Rechtsfragen ist Aufgabe des Gerichts, nicht des Sachverständigen.
11
bb) Deren Beantwortung wird indessen entscheidend durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt. Diese sind einem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglich. Der Sachverständige kann in diesem Rahmen auch dazu befragt werden, ob es besonderer Fähigkeiten oder tatsächlicher Möglich- keiten bedarf, um einen bestimmten Schaden oder Mangel zu erkennen. Denn auch das gehört zu den tatsächlichen Grundlagen der von dem (Prozess-) Gericht zu beantwortenden Rechtsfragen. Das Gericht wird bei seiner freien Würdigung des Beweisergebnisses indessen nicht nur die Einschätzung des Sachverständigen zu berücksichtigen haben. Es muss in seine Würdigung auch einbeziehen , ob die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Sachverständige ausgegangen ist, bestritten sind und was die Beweisaufnahme hierzu erbracht hat. Die Verteilung der Aufgaben zwischen dem Sachverständigen einerseits und dem Gericht anderseits ist in der Formulierung der Beweisfragen klarzustellen.
12
b) Die Frage nach der Erkennbarkeit von Bauschäden und Mängel von Gebäuden gehört, anders als das Beschwerdegericht meint, auch zu dem fachlichen Aufgabenbereich eines Bausachverständigen. Sie zielt nämlich erkennbar nicht darauf ab, die intellektuellen oder Wahrnehmungsfähigkeiten bestimmter Personen aufzuklären. Es geht vielmehr darum festzustellen, ob sich die zu prüfenden Schäden und Mängel dem Bewohner des Hauses mit den ihm typischerweise zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten von selbst erschließen oder ob es dazu besonderer Fähigkeiten oder Anstrengungen bedarf. Gegenstand der Begutachtung ist dabei nicht, wie das Beschwerdegericht offenbar meint, der Beobachter, sondern der Zustand des Gebäudes und die Aussagekraft der festzustellenden Schäden und Mängel. Deshalb hat das Landgericht in seiner Abhilfeentscheidung zu Recht auch die Frage danach zugelassen, wie sich die zu untersuchenden Schäden und Mängel bemerkbar machen. Nichts anderes gilt für die letztlich nur noch offene Frage danach, ob die Einordnung solcher Anzeichen besonderer Fachkunde oder tatsächlicher Erkenntnismöglichkeiten bedarf.

IV.

13
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des anschließenden Rechtsstreits (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2002, VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323; Senat, Beschl. v. 21. Oktober 2004, V ZB 28/04, NJW 2005, 294), bei deren Verteilung gegebenenfalls in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO berücksichtigt werden könnte, dass die Verteidigung der Antragsgegnerin gegen die Rechtsmittel im Beweisverfahren erfolglos war. Ansonsten kommt eine Erstattung der Kosten nur aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten oder unter den Voraussetzungen des § 494a ZPO in Betracht.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.12.2008 - 2 OH 22/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.04.2009 - 15 W 17/09 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Zivilprozessordnung - ZPO | § 485 Zulässigkeit


(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen is

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 444 Haftungsausschluss


Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sac

Zivilprozessordnung - ZPO | § 494a Frist zur Klageerhebung


(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat. (2) Kommt der Antragstel

Zivilprozessordnung - ZPO | § 96 Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel


Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt.

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(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/04
vom
21. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten
des Klageverfahrens, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbständigen
Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gegen den Antragsgegner
gemacht werden (Anschluß an BGH, Beschl. v. 24. Juni 2004, VII ZB
11/03, BauR 2004, 1485, 1486)

b) Das gilt auch dann, wenn der Antragsteller mehrere von einander unabhängige
Eigentumsstörungen zum Gegenstand eines einheitlichen selbständigen Beweisverfahrens
macht und nur eine davon zum Gegenstand der anschließenden Klage
wird (Fortführung von BGH, Beschl. v. 22. Juli 2004, VII ZB 9/03, EBE/BGH 2004,
299).

c) Soweit der Antragsteller und spätere Kläger den Gegenstand des selbständigen
Beweisverfahrens mit der Klage gegen den Antragsgegner des Beweisverfahrens
nicht aufgreift, können ihm dessen Kosten im Klageverfahren analog § 96 ZPO
anteilig auferlegt werden, wenn er in der Hauptsache obsiegen sollte. Das ist regelmäßig
angezeigt, wenn sich der Anspruch insoweit als unbegründet erwiesen
hat (Fortführung von BGH, Beschl. v. 24. Juni 2004, VII ZB 11/03, aaO).
BGH, Beschl. v. 21. Oktober 2004 - V ZB 28/04 - LG Frankenthal (Pfalz)
AG Frankenthal (Pfalz)
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Oktober 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal vom 21. Juni 2004 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Amtsgerichts Frankenthal vom 26. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegner tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 475 € festgesetzt.

Gründe


I.


Mit Antrag auf selbständige Beweissicherung vom 30. Januar 2003 machte der Antragsteller geltend, eine auf dem Grundstück der Antragsgegner stehende Fichte und dort stehende Birken seien umsturzgefährdet. Äste der
Fichte ragten bis zu 3 m auf sein Grundstück und störten auch durch Nadelwurf. Er werde in der Nutzung seines Grundstücks zudem von dem Blüten- und Laubfall der Birken beeinträchtigt. Der gerichtliche Sachverständige stellte die Standfestigkeit der Bäume fest. Innerhalb der ihm von dem Amtsgericht gesetzten Frist erhob der Antragsteller gegen die Antragsgegner Klage auf Beseitigung der überhängenden Äste der Fichte. Diese ist im Be rufungsverfahren bei dem Landgericht Frankenthal anhängig.
Die Antragsgegner haben beantragt, dem Antragsteller 9/10 der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht dem Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags 3/4 der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.


Das Beschwerdegericht ist der Meinung, wenn der Antragsteller nur wegen eines Teils der im selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Eigentumsstörungen Klage erhebe, seien über die Kosten der nicht weiter verfolgten Teile des Beweisverfahrens im Wege der Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO zu entscheiden. Diese machten hier 3/4 der Kosten aus, die dem Antragsteller aufzuerlegen seien.

III.


Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Eine Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist unzulässig.
1. Der Erlaß einer Teilkostenentscheidung scheidet nach Erhebung der Klage grundsätzlich aus. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören nämlich zu den Kosten des Klageverfahrens (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2002, VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323). Das steht nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung einer Entscheidung über einzelne Teile dieser Kosten außerhalb des Klageverfahrens entgegen. Voraussetzung ist aber, daß Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens wie des Klageverfahrens identisch sind (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2002, VIII ZB 97/02, aaO und v. 24. Juni 2004, VII ZB 34/03, BauR 2004, 1487, 1488). Ob Identität in diesem Sinne angenommen werden kann, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden, war streitig. Der Bundesgerichtshof hat dies nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung bejaht (Beschl. v. 24. Juni 2004, VII ZB 11/03, BauR 2004, 1485, 1486).
2. In dem dem Beschluß zugrunde liegenden Fall hatte der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens allerdings einen Teil eines einheitlichen Mängelbeseitigungsanspruchs im Wege der Teilklage geltend gemacht. Hier hat der Antragsteller demgegenüber ähnlich wie bei einer objektiven Klagehäufung vier einzelne, in ihren Voraussetzungen von einander unabhängige Eigentumsstörungen zum Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemacht und nur eine dieser Eigentumsstörungen im Klageverfahren weiterverfolgt. Das ändert an der Beurteilung nichts. Die Identität beurteilt sich nicht danach, ob die im selbständigen Beweisverfahren zu klärenden tatsächlichen Fragen einen
oder mehrere materiellrechtliche Ansprüche betreffen oder ob sie auch Gegenstand gesonderter selbständiger Beweisverfahren sein könnten. Entscheidend ist allein, was der Antragsteller zum Gegenstand des konkreten selbständigen Beweisverfahrens gemacht hat und ob er diesen Gegenstand mit der Klage ganz oder teilweise gegen den Antragsgegner des selbständigen Beweisverfahrens weiterverfolgt. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall der Geltendmachung mehrerer Mängel eines Werks entschieden (Beschl. v. 22. Juli 2004, VII ZB 9/03, EBE/BGH 2004, 299). Für den hier vorliegenden Fall der Abwehr mehrerer Eigentumsstörungen gilt nichts anderes. Sie bilden den einheitlichen Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens, das der Antragsteller gegen die Antragsgegner eingeleitet hat. Wie bei der Teilklage aus einem einheitlichen Anspruch besteht auch hier die Gefahr divergierender Kostenentscheidungen (dazu BGH Beschl. v. 24. Juni 2004, VII ZB 11/03, aaO). Die Klage kann auf andere Teile des Beweisverfahrens erweitert, der Wert der Klage kann anders als der Anteil des mit ihr verfolgten Anspruchs am selbständigen Beweisverfahren bestimmt werden. Den Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens hat der Antragsteller mit seiner Klage, wenn auch nur ausschnittweise , gegen die Antragsgegner als Beklagten weiterverfolgt. Damit ist Identität gegeben und eine selbständige Teilkostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen.
3. Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist deshalb insgesamt in dem anhängigen Klageverfahren zu entscheiden. Die Kosten eines im Klageverfahren nicht weiterverfolgten Teils des vorausgegangen selbständigen Beweisverfahrens können dem Antragsteller analog § 96 ZPO auch dann auferlegt werden, wenn er in der Hauptsache obsiegen sollte (BGH, Beschl. v. 24. Juni 2004, VII ZB 11/03, aaO). Das kann auch zu einer anteiligen Vertei-
lung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens führen. Eine Auferlegung der Kosten analog § 96 ZPO ist regelmäßig dann angezeigt, wenn der Gegenstand der Klage, wie hier, deshalb wesentlich hinter dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurückbleibt, weil sich dort ergeben hat, daß der geltend gemachte Anspruch insoweit unbegründet war.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt.

(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.

(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.