Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2017 - V ZR 201/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Damit ist der Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19. August 2015 - 3 U 4888/03 - einstweilen einzustellen, gegenstandslos.
Gründe:
- 1
- 1. Die nach § 321a Abs. 1 ZPO statthafte Anhörungsrüge ist unbegründet. Das als übergangen gerügte Vorbringen ist vom Senat berücksichtigt worden.
- 2
- a) Einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin hat der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dargelegt. Angesichts der von dem Gesellschafter zu 1 abgegebenen Drittschuldnererklärung, wonach die Kaufpreis- und Nebenforderungen an die finanzierende Bank abgetreten seien, hat das Berufungsgericht die Klägerin für die nicht erfolgte Abtretung als beweisbelastet und diesen Beweis als durch Zeugen geführt angesehen. Dem Beweisantritt des Beklagten nach § 424 ZPO musste das Berufungsgericht nicht nachgehen. Diesen konnte es als unzulässig ansehen, weil er mit einer pauschalen Bezugnahme auf etwaige Kreditverträge, Sicherungsvereinbarungen und ähnliche Unterlagen auf eine Ausforschung gerichtet war. Zudem zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Vortrag des Beklagten zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 810 BGB auf, die nach § 424 Nr. 5 ZPO i.V.m. § 422 ZPO glaubhaft zu machen gewesen wären.
- 3
- b) Hinsichtlich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beschränkt sich das Berufungsgericht nicht darauf, aus dem Fehlen einer vertraglichen Regelung darauf zu schließen, dass die Erlangung von Fördermitteln nicht Geschäftsgrundlage gewesen sein könne. Es übersieht auch nicht, dass die Subventionen für beide Seiten von Bedeutung waren. Vielmehr führt es aus, dass es im vorliegenden Fall besonders nahe gelegen hätte, eine entsprechende Fälligkeitsregelung in § 3 des Kaufertrages zu treffen. Das ist eine angesichts der Bedeutung dieses Punktes zwar sehr knappe tatrichterliche Würdigung der Gesamtumstände ; sie ist aber keinesfalls als willkürlich anzusehen. Denn es reicht zur Annahme eines gemeinsamen Geschäftswillens nicht aus, dass eine Partei ihre Kalkulationsgrundlagen offenlegt und die andere Partei diese zur Kenntnis nimmt (vgl. Senat, Urteil vom 17. Januar 2003 - V ZR 137/02, WuM 2004, 211, 212), und ist zudem grundsätzlich Sache der Parteien, sich gegen voraussehbare Störungen der Geschäftsgrundlage und die dadurch drohenden Nachteile abzusichern; für eine nachträgliche Berücksichtigung solcher Störungen ist regelmäßig kein Raum (Senat, Urteil vom 3. November 2000 - V ZR 306/99, WM 2001, 475, 477).
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- c) In Bezug auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen des Verlusts der Fördermittel ist eine Obersatzabweichung nicht dargelegt wor- den. Das Berufungsgericht hat keine hypothetische Reserveursache herangezogen , sondern ist aufgrund umfassender Beweisaufnahme und -würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der fehlende Eigentumserwerb des Beklagten und nicht die fehlende Abtretungsvereinbarung zwischen Klägerin und Beklagtem maßgeblicher Grund für die Kündigung der Förderverträge war. Dies ist eine nachvollziehbare, jedenfalls aber nicht willkürliche tatrichterliche Würdigung.
- 5
- d) aa) Die Wirksamkeit der Mahnung trotz Zuvielforderung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben danach zu beurteilen, ob der Schuldner die Erklärung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist (vgl. Senat, Urteil vom 25. Juni 1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115, 3116). Diese Würdigung setzt entsprechenden Vortrag voraus. Der Beklagte zeigt aber mit der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Vortrag aus erster oder zweiter Instanz auf, mit dem er behauptet hat, dass die Wirksamkeit der Mahnung an einer unverhältnismäßig hohen Zuvielforderung scheitere, dass er den seiner Meinung nach verbleibenden Rest nicht ohne weiteres berechnen konnte und dass die Klägerin die Annahme eines Teilbetrages in jedem Fall verweigert hätte. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kommt daher unter diesem Aspekt nicht in Betracht. Mangels entsprechenden Vortrages kann in dem Schweigen des Berufungsgerichts zu dieser Frage auch keine stillschweigende Obersatzabweichung erblickt werden.
- 6
- Soweit das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss vom 21. Juli 2010 angekündigt hat, sich mit der Problematik der Zinsen auf die Nebenkosten noch zu befassen, steht dies im Zusammenhang mit dem Hinweis an die Klägerin, diese müsse im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen, welche Nachweise zu welchen Nebenkostenpositionen sie zu welchem Zeitpunkt dem Beklagten zugeleitet habe. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010, auf den das Berufungsgericht ausdrücklich Bezug nimmt, hierzu ergänzend vorgetragen, und der Beklagte hat nicht bestritten, die dort genannten Rechnungen und Belege erhalten zu haben (Berufungsurteil Seite 131). Eines weiteren Hinweises, dass die Belege nunmehr zur Feststellung von Fälligkeit und Verzug ausreichten, bedurfte es nicht.
- 7
- bb) Hinsichtlich der Fälligkeit des durch Schuldübernahme abzulösenden Kaufpreises setzt die Nichtzulassungsbeschwerde der nach revisionsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstandenden und im Übrigen auch gut nachvollziehbaren Auslegung der Fälligkeitsregelung in § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages lediglich eine eigene, abweichende Auslegung entgegen, ohne einen Zulassungsgrund aufzuzeigen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts überzeugen auch deshalb, weil der Beklagte bei beiden Alternativen nach § 3 Abs. 3 a) und
b) des Kaufvertrages hinreichend gesichert war. Er konnte entweder vom Vertrag zurücktreten oder den Ablösebetrag hinterlegen mit der Folge, dass der Notar über diesen nicht ohne Ablösung oder Abtretung der Grundpfandrechte, jedenfalls aber nur auf gemeinsame Anweisung der Parteien, verfügen durfte (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 26 f.).
- 8
- Was die Fälligkeit des Restkaufpreises durch Bankbürgschaft betrifft, wäre ein möglicherweise vorliegender Verstoß des Berufungsgerichts gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze nicht entscheidungserheblich, weil der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Vortrag zu den Voraussetzungen von Seite 15 Abs. 2 des Kaufvertrages aufzeigt. Dass dem Beklagten eine Finanzierung nicht möglich gewesen und die Klägerin diese vereitelt haben soll, würde hierfür nicht ausreichen. Es müssten drei von dem Käufer ange- sprochene Banken die Finanzierung abgelehnt haben, und der Verkäufer darf keine Ersatzfinanzierung angeboten haben. Zudem erfolgt die Stundung nur "auf Verlangen des Käufers".
- 9
- 2. Da die Anhörungsrüge keinen Erfolg hat und das Verfahren nicht fortzusetzen ist, kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem - rechtskräftigen - Berufungsurteil nicht in Betracht.
Göbel Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 19.09.2003 - 3 O 1923/99 (3 O 2849/98) -
OLG München, Entscheidung vom 19.08.2015 - 3 U 4888/03 -
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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
Der Antrag soll enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Urkunde; - 2.
die Bezeichnung der Tatsachen, die durch die Urkunde bewiesen werden sollen; - 3.
die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; - 4.
die Angabe der Umstände, auf welche die Behauptung sich stützt, dass die Urkunde sich in dem Besitz des Gegners befindet; - 5.
die Bezeichnung des Grundes, der die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt. Der Grund ist glaubhaft zu machen.
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.
Der Antrag soll enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Urkunde; - 2.
die Bezeichnung der Tatsachen, die durch die Urkunde bewiesen werden sollen; - 3.
die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; - 4.
die Angabe der Umstände, auf welche die Behauptung sich stützt, dass die Urkunde sich in dem Besitz des Gegners befindet; - 5.
die Bezeichnung des Grundes, der die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt. Der Grund ist glaubhaft zu machen.
Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann.