Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2012 - V ZB 48/12

bei uns veröffentlicht am14.06.2012
vorgehend
Landgericht Trier, 6 T 10/12, 10.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 48/12
vom
14. Juni 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bitburg vom 7. Dezember 2011 und der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 10. Februar 2012 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Eifelkreis BitburgPrüm auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene reiste nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Der Antrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid des zuständigen Bundesamts vom 11. Februar 2004 zurückgewiesen. Zugleich wurde der Betroffene unter Androhung der Abschiebung aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Dem kam er nicht nach. Mehrere Versuche der beteiligten Behörde, ihn abzuschieben, scheiterten an seinem Widerstand. Ende November/Anfang Dezember 2011 erteilten die Behörden des Staats Guinea ihm ein neues bis zum 27. Februar 2012 gültiges Heimreisedokument , das die beteiligte Behörde zum Anlass nahm, erneut die Abschiebung zu betreiben und zur Sicherung ihrer Durchführung die Anordnung von Abschiebungshaft zu beantragen.
2
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 die Abschiebungshaft bis zum 27. Februar 2012 angeordnet. Die Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach Entlassung aus der Abschiebungshaft wegen vorläufigen Scheiterns der Abschiebung mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung durch das Amtsgericht und ihrer Aufrechterhaltung durch das Landgericht festzustellen.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Anordnung von Abschiebungshaft für rechtmäßig. Da der Betroffene schon wiederholt die Abschiebung vereitelt habe , bestehe der begründete Verdacht, er wolle sich der Abschiebung auch diesmal entziehen. Die Haft dürfe ungeachtet der zur Sicherung früherer Abschiebungsversuche angeordneten Haft angeordnet werden. Eine Abschiebung sei zeitnah möglich. Die Haft sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Heimreisedokumente lägen vor. Die Heimreise selbst sei zwar nicht sicher organisiert, lasse sich aber in wenigen Wochen realisieren. Die bestehenden Unsicherheiten müsse der Betroffene hinnehmen, weil er frühere Abschiebungsversuche vereitelt habe. Einer erneuten Anhörung bedürfe es nicht.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts als auch die des Beschwerdegerichts haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
5
1. Die Anordnung der Sicherungshaft war rechtswidrig.
6
a) Die Anordnung von Abschiebungshaft setzt nach § 417 Abs. 1 FamFG einen zulässigen Haftantrag voraus (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 12 und Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 jeweils mwN). An diesem fehlte es.
7
aa) Zulässig ist der Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich , aber auch ausreichend wäre. Vielmehr müssen in dem Haftantrag die in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bezeichneten Gesichtspunkte sämtlich behandelt werden (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 f. Rn. 9). Die Darlegungen dürfen knapp sein. Sie müssen aber auf den konkreten Fall zugeschnitten sein und dürfen sich nicht in Leerformeln und Textbausteinen erschöpfen (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 13 f.).
8
bb) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag in zwei entscheidenden Punkten nicht. Die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG darzulegende erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung und die Durchführbarkeit der Abschiebung werden nicht erläutert. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass die Heimreisedokumente nicht erst beschafft werden mussten, sondern schon vor- lagen. Weshalb dann aber für die Buchung des Flugs und die Durchführung der Reise mehr als zwei Monate benötigt werden, ob die Heimreise begleitet erfolgen soll, ob die für das Begleitpersonal etwa erforderlichen Visa schon erteilt oder beantragt waren oder in welchem Zeitraum sie üblicherweise zu erlangen sind, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen. Er verhält sich auch nicht dazu, wie die Durchführung der - schon mehrfach gescheiterten - Rückreise sichergestellt werden kann. Die fehlenden Angaben hat die beteiligte Behörde auch nicht während der Anhörung des Betroffenen vor dem Amtsgericht nachgeholt.
9
b) Diese war zudem fehlerhaft.
10
aa) Das Amtsgericht hat den Betroffenen zwar persönlich angehört. Mit der Verpflichtung zur persönlichen Anhörung in § 420 FamFG soll aber sichergestellt werden, dass sich der Betroffene vor dem Haftrichter selbst rechtliches Gehör verschaffen kann. Dieses Ziel wird verfehlt, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt und, soweit er des Deutschen nicht hinreichend mächtig ist, auch übersetzt wird. Denn es kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde (vgl. § 417 Abs. 2 FamFG) zu äußern (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8). Der Haftantrag muss dem Betroffenen nicht immer vor dem Anhörungstermin ausgehändigt werden. In einfach gelagerten Sachverhalten kann es genügen, ihm diesen erst zu Beginn der Anhörung auszuhändigen (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 118/10, FGPrax 2011, 199 [Ls.] Rn. 20). Spätestens in diesem Zeitpunkt muss er ihm (in Kopie) ausgehändigt und erforderlichenfalls übersetzt werden (Senat, Beschluss vom 3. November 2011 - V ZB 169/11, juris Rn. 5).
11
bb) Nach dem Inhalt des Anhörungsprotokolls ist der Betroffenen "mit dem Gegenstand des Verfahrens vertraut gemacht" worden. Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, dass ihm der Antrag in Kopie ausgehändigt und übersetzt worden ist. Eine Übersetzung war hier entbehrlich, weil sich der Richter vergewissert hat, dass eine Verständigung mit dem Betroffenen in deutscher Sprache möglich ist. Nicht entbehrlich war indes die Aushändigung des Antrags. Sie muss aus den Akten ersichtlich sein. Fehlt es daran, entspricht die Anhörung nicht dem Gesetz. Eine Haftanordnung darf dann nicht ergehen.
12
2. Auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
13
a) Eine Haftanordnung, die auf einem unzulässigen Haftantrag beruht, darf nur aufrechterhalten werden, wenn dieser Mangel, was - für die Zukunft - möglich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11), nachträglich geheilt wird. Das ist hier nicht geschehen. Die beteiligte Behörde hat allerdings ihre Angaben im Beschwerdeverfahren ergänzt und dargestellt, dass sich eine Rückführung des Betroffenen auch gegen dessen Widerstand ermöglichen lässt, wenn ein Charterflug genutzt wird. Sie hat aber weiterhin nicht erklärt, weshalb die Buchung eines Charterflugs mehr als zwei Monate Zeit in Anspruch nimmt und weshalb sie während des Beschwerdeverfahrens nicht gelungen war, sondern eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Heimreisedokuments erforderlich machen sollte. Diese Darlegung wird auch nicht dadurch ersetzt, dass dem Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht gewährt wird. Diese verschafft dem Betroffenen keine Kenntnis von den Überlegungen, die die beteiligte Behörde zu den nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu behandelnden Gesichtspunkten angestellt hat.
14

b) Mit Recht rügt der Betroffene, dass er in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden ist. Die persönliche Anhörung ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254, 255 Rn. 14). Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung in erster Instanz stattgefunden hat und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 8; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 329 Rn. 13; Beschluss vom 28. Januar 2010 - V ZB 2/10, FGPrax 2010, 163). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Die Anhörung des Betroffenen war schon mangels Aushändigung des Haftantrags fehlerhaft.

IV.

15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Bitburg, Entscheidung vom 07.12.2011 - 1 c XIV 20/11.B -
LG Trier, Entscheidung vom 10.02.2012 - 6 T 10/12 -

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(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

9
b) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Der Gesetzgeber hat sich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es dabei bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks 16/6308 S. 291) – dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG in BT-Drucks 16/9733 S. 299). Diese müssen in dem Haftantrag behandelt werden. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. seine Entscheidung zugänglich werden (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Eine solche Darlegung gibt dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der dazu notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.

(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.

(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

9
b) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Der Gesetzgeber hat sich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es dabei bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks 16/6308 S. 291) – dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG in BT-Drucks 16/9733 S. 299). Diese müssen in dem Haftantrag behandelt werden. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. seine Entscheidung zugänglich werden (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Eine solche Darlegung gibt dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der dazu notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.
13
aa) Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Der Gesetzgeber hat sich nämlich - abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es auch für Abschiebungshaftsachen bei den Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/6308 S. 291) - bewusst dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung zum FGG-ReformG, aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Auch gibt eine solche Darlegung dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 – V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

8
b) Ob dieser zweite Fall hier vorliegt, ist zweifelhaft. Den Zweifeln braucht jedoch nicht nachgegangen zu werden. Denn dem Protokoll über die Anhörung ist nicht zu entnehmen, dass der vollständige Haftantrag dem Betroffenen übersetzt und ausgehändigt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben worden ist. Eine solche Bekanntgabe ist jedoch Voraussetzung für die ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs. Anderenfalls - und so liegt es hier - kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht in der Lage war, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde (vgl. § 417 Abs. 2 FamFG) zu äußern.
20
(a) Den Zeitpunkt, zu dem das Gericht des ersten Rechtszugs dem Betroffenen den Haftantrag der beteiligten Behörde zuzuleiten hat, legt die Vorschrift des § 23 Abs. 2 FamFG zwar nicht verbindlich fest. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich einerseits danach, was zu der dem Richter im Freiheitsentziehungsverfahren obliegenden Sachaufklärung erforderlich ist, andererseits danach , was den Betroffenen in die Lage versetzt, das ihm von Verfassungs wegen zukommende rechtliche Gehör auch effektiv wahrzunehmen. Der Haftantrag muss dem Betroffenen aber jedenfalls dann vor der Anhörung übermittelt werden, wenn er ohne vorherige Kenntnis des Antragsinhalts nicht in der Lage ist, zur Sachaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 Rn. 16). So lag es hier.
11
cc) Richtig ist allerdings, dass ein unzulässiger Haftantrag und die damit einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden kann (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, Umdruck S. 5, zur Veröffentlichung bestimmt; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 14, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19). Liegt jedoch im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) vor, kann das dazu führen, dass insoweit erstmals ein zulässiger Haftantrag vorhanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Das ist dann der Fall, wenn die den Haftantrag stellende Behörde die Antragsbegründung um die Darlegungen zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Ab diesem Zeitpunkt fehlt es jedenfalls im Hinblick auf das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) nicht mehr an einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

14
Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen , wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 – V ZB 3/10 Rn. 8, FGPrax 2010, 261; Beschluss vom 4. März 2010 – V ZB 222/09 Rn. 13, BGHZ 184, 323; Beschluss vom 28. Januar 2010 – V ZB 2/10, FGPrax 2010, 163). An diesen Voraussetzungen fehlte es. Dabei kann dahinstehen, ob eine http://www.juris.de/jportal/portal/t/25ep/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313142010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/25ep/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313142010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - Anhörung schon im Hinblick auf den möglichen Eingriff in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK erfolgen musste. Denn jedenfalls musste der Betroffene zu der unterlassenen Anzeige des Aufenthaltswechsels an die Ausländerbehörde angehört werden. Dies war in der Beschwerdeinstanz nicht wegen der in erster Instanz erfolgten Anhörung entbehrlich. Diese Frage ist ausweislich des Protokolls nicht thematisiert worden und die im Anschluss daran ergangene Haftanordnung lässt schon nicht erkennen, auf welchen Haftgrund sich das Amtsgericht gestützt hat.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

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aa) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG (dazu: BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; BVerfG, Beschl. v. 1. April 2008, 2 BvR 1925/04, juris Rdn. 18) auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrieben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt ; Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, juris Rdn. 7; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246 = juris Rdn. 13). Diese Voraussetzungen lagen hier ersichtlich nicht vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 2/10
vom
28. Januar 2010
in der Abschiebehaftsache
Beteiligte:
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen, ihm für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2009 Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene ist algerischer Staatsangehöriger. Nach seiner Einreise nach Deutschland am 31. März 2008 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter. Der Antrag wurde von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. April 2009 abgelehnt. Der Betroffene war seit dem 15. Mai 2009 vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel sind erfolglos geblieben.
2
Nachdem der Betroffene am 29. September 2009 und am 30. September 2009 jeweils nicht in seiner Wohnung angetroffen wurde, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen die Sicherungshaft bis längstens 5. Oktober 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
3
Hiergegen will sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde wenden. Für die Durchführung des Verfahrens beantragt er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
4
Am 5. Oktober 2009 ist der Betroffene nach Algerien abgeschoben worden.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, die Entscheidung des Amtsgerichts sei rechtmäßig. Es habe der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bestanden , Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Eine Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht erforderlich.

III.

6
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg.
7
1. Das Beschwerdegericht war nicht zu einer Anhörung des Betroffenen verpflichtet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Sie ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich. Davon kann aber - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK - abgesehen werden, wenn der Betroffene in erster Instanz persönlich angehört worden ist, der Sachverhalt einfach gelagert ist und das Rechtsmittelgericht nach Aktenlage entscheiden kann (EGMR NJW 1992, 1813, 1814 Tz. 31 ff. - Helmers gegen Schweden; Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226 - insoweit in BGHZ 129, 383 nicht abgedruckt; KG InfAuslR 2009, 356, 357; Hoppe ZAR 2009, 209, 213). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der Betroffene war am 1. Oktober 2009 durch das Amtsgericht angehört worden. Der Sachverhalt war einfach gelagert. Die Beteiligten hatten keine neuen Tatsachen vorgetragen. Der bekannte Sachverhalt war lediglich erneut zu würdigen.
8
2. Das Beschwerdegericht musste dem Betroffenen keine Akteneinsicht gewähren. Denn er wollte keine Einsicht in die diesem Verfahren zugrunde liegenden Akten, sondern allein in die dem Verwaltungsverfahren vor der Ausländerbehörde zugrunde liegenden Akten nehmen. Für die Gewährung von Einsicht in Verwaltungsakten sind jedoch die jeweiligen Verwaltungsbehörden zuständig.
9
3. Weder das Amtsgericht noch das Landgericht mussten die Rechtmäßigkeit der durch die Verwaltungsbehörde angeordneten Abschiebung prüfen, weil sich die Ausreisepflicht des Betroffenen aus einer bestandskräftigen Abschiebungsverfügung ergab (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09 Rz. 7 - zur Veröffentlichung bestimmt). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Westerburg, Entscheidung vom 01.10.2009 - 7 XIV 11/09 B -
LG Koblenz, Entscheidung vom 30.11.2009 - 2 T 763/09 -

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.