vorgehend
Amtsgericht Halle (Saale), XIV B 38/17, 12.07.2017
Landgericht Halle, 1 T 234/17, 08.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 190/17
vom
24. November 2017
in der Abschiebungshaftsache
ECLI:DE:BGH:2017:241117BVZB190.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Das Rechtsbeschwerdeverfahren wird bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Ergänzungsantrag der Betroffenen vom 9. August 2017 ausgesetzt.

Gründe:


1
Das Verfahren über die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 21 Abs. 1 FamFG auszusetzen, weil sein Ausgang davon abhängt, wie das Beschwerdegericht über den Ergänzungsantrag der Betroffenen vom 9. August 2017 entscheidet.
2
Hat ein Betroffener, wovon die Rechtsbeschwerde ausgeht, die Beschwerde gegen die Haftanordnung mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG verbunden, muss das Beschwerdegericht beide Anträge bescheiden. Hebt es die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne zugleich über den Feststellungsantrag zu entscheiden, ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur zulässig, wenn aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat. Enthalten die Beschlussgründe dagegen, wie hier, keine Ausführungen zu dem Feststel- lungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG auf Antrag um eine Sachentscheidung zu ergänzen; lediglich letztere kann ggf. mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden (vgl. Senat , Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13, FGPrax 2014, 188 Rn. 3). Nur wenn die Entscheidung über den Feststellungsantrag aus rechtlichen Erwägungen , also bewusst unterblieben ist, scheidet ein Ergänzungsantrag aus (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, InfAuslR 2014, 281 Rn. 4).
3
Ob das Beschwerdegericht den Feststellungsantrag versehentlich oder bewusst nicht beschieden hat, lässt der Beschluss vom 8. August 2017 nicht erkennen. Folglich ist zunächst von einem Übergehen des Antrags im Sinne von § 43 FamFG und damit von der Notwendigkeit einer Beschlussergänzung auszugehen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 12.07.2017 - 70 XIV B 38/17 -
LG Halle, Entscheidung vom 08.08.2017 - 1 T 234/17 -

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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 21 Aussetzung des Verfahrens


(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bild

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 43 Ergänzung des Beschlusses


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(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. § 249 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, beantragt werden.

3
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Betroffene neben der Aufhebung der Haftanordnung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (Beschlüsse vom 30. August 2012 - V ZB 12/12, InfAuslR 2013, 37 und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12 f.). Hebt das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Anordnung der Abschiebungshaft auf, ohne zugleich über den aktenkundigen Feststellungsantrag zu entscheiden, so ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nur dann zulässig, wenn aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass das Gericht über den Feststellungsantrag bewusst nicht entschieden hat (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 17/14, zur Veröffentlichung bestimmt). Enthalten die Entscheidungsgründe dagegen - wie hier - keine Ausführungen zu dem Feststellungsantrag, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über diesen Antrag versehentlich unterblieben ist. Dann ist der Beschluss des Beschwerdegerichts gemäß § 43 FamFG insoweit auf Antrag nachträglich um eine Sachentscheidung zu ergänzen; nur letztere kann ggf. mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden. Wird ein solcher Ergänzungsantrag nicht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags mit Ablauf der in § 43 Abs. 2 FamFG bestimmten Frist von zwei Wochen. Er kann dann lediglich zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden; anders liegt es nur, wenn er im Wege einer zulässigen Erweiterung erneut in das noch anhängige Verfahren eingeführt werden kann (Keidel /Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 43 Rn. 12; zu § 321 ZPO BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790, 791 f.).
4
Ein auf Beschlussergänzung gemäß § 43 FamFG gerichtetes Verfahren kommt hier nicht in Betracht. Denn das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der Haftanordnungsbeschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, nicht versehentlich übergangen (dazu Senat, Beschluss vom 6. März 2014 - V ZB 205/13) . Vielmehr ist eine Entscheidung aus der (unzutreffenden ) rechtlichen Erwägung unterblieben, infolge der Aufhebung des Anordnungsbeschlusses bedürfe es einer solchen Feststellung nicht. Dies stellt kein Übergehen im Sinne von § 43 Abs. 1 FamFG dar. Ein Antrag ist nur „übergangen“ , wenn er versehentlich nicht beachtet worden ist, nicht dagegen, wenn - wie hier - aus den Gründen hervorgeht, dass die Entscheidung bewusst unter- blieben ist (vgl. zur gleichartigen Bestimmung zur Urteilsergänzung in § 321 ZPO: Senat, Urteil vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 9; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12. Juli 2013 - V ZB 74/12, FamRZ 2013, 1572). In einem derartigen Fall scheidet eine Beschlussergänzung aus; die Beschwerdeentscheidung muss vielmehr - wie vorliegend mit der Rechtsbeschwerde auch geschehen - mit dem jeweils statthaften Rechtsmittel angefochten werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 70; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 171/04, NJW-RR 2008, 851 Rn. 28).

(1) Wenn ein Antrag, der nach den Verfahrensakten von einem Beteiligten gestellt wurde, ganz oder teilweise übergangen oder die Kostenentscheidung unterblieben ist, ist auf Antrag der Beschluss nachträglich zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt, beantragt werden.