Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2019 - V ZB 108/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 466,72 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung rückständigen Hausgelds von 466,72 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt sowie festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe von 33 € erledigt ist. Die von dem Beklagten zuvor mit Schriftsätzen vom 12. Mai 2015 und vom 8. Januar 2018 eingereichten Widerklagen hatte das Amtsgericht abgetrennt. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
II.
- 2
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes 499,72 € (Zahlungsverurteilung 466,72 € zuzüglich Erledigungsfeststellung in Höhe von 33 €) und übersteigt deshalb die Berufungssumme von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht. Die durch das Amtsgericht abgetrennten Widerklagen seien bei der Berechnung der Berufungssumme nicht heranzuziehen. Die Prozesstrennung sei gemäß § 145 ZPO zulässig gewesen, da kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der auf Zahlung von Hausgeld gestützten Klage und den von dem Beklagten mit den Widerklagen geltend gemachten Gegenansprüchen bestehe. Ob der Einwand des Beklagten berechtigt sei, die Widerklagen hätten nicht abgetrennt werden dürfen, da sie mangels Zustellung noch nicht „erhoben“ worden seien, bedürfe keiner Entscheidung.Fehle es an der Erhebung der Widerklagen, könnten sie jedenfalls nicht für die Berechnung der Berufungssumme herangezogen werden.
III.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
- 4
- 1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
- 5
- 2. Das Berufungsgericht ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen. Einer Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es deshalb unter diesem Gesichtspunkt nicht. Hierfür kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht die Abtrennung der Widerklagen deshalb als unzulässig hätte ansehen müssen, weil das Amtsgericht - so die auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30. Oktober 1956 - I ZR 82/55, NJW 1957, 183) gestützte Ansicht des Beklagten - anstelle der Abtrennung ein Teilurteil über die entscheidungsreife Klage hätte erlassen müssen. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte sich hierdurch die Beschwer des Beklagten nicht um den Wert der Widerklagen erhöht.
- 6
- a) Anders als der Beklagte meint, führt nämlich eine unzulässige Trennung im Sinne von § 145 ZPO - hier gemäß Abs. 2 der Vorschrift - als solche nicht (gleichsam automatisch) dazu, dass sich die Rechtsmittelsumme aus dem Gesamtstreitwert der getrennten Verfahren errechnet. Eine solche Aussage lässt sich insbesondere dem Urteil des I. Zivilsenats vom 6. Juli 1995 (I ZR 20/93, NJW 1995, 3120) nicht entnehmen. Der Entscheidung lag eine willkürliche Trennung des Rechtsstreits in mehrere einzelne Verfahren durch ein Berufungsgericht zugrunde. Im Anschluss ergingen in sämtlichen durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren Urteile des Berufungsgerichts, die von der unterlegenen Partei angefochten wurden, so dass alle Einzelverfahren in die Revisionsinstanz gelangt waren. Bei dieser Sachlage konnten die aufgrund der willkürlichen und damit unwirksamen Verfahrenstrennung ergangenen Urteile des Berufungsgerichts als nur äußerlich getrennte Teile einer und derselben einheitlichen Entscheidung angesehen werden. Maßgebend für den Wert der Beschwer war hiernach die Summe der von der dortigen Klägerin in den jeweiligen Verfahren geltend gemachten Ansprüche (BGH, Urteil vom 6.
- 7
- b) Hier ist aber bislang nur eine Entscheidung über einen Teil des bisher einheitlichen Rechtsstreits ergangen und angefochten worden, nämlich über die Klage, während der abgetrennte Teil (Widerklagen) weiterhin in der unteren Instanz anhängig ist. Ob auch insoweit ein Urteil ergehen wird und welchen Inhalt dieses gegebenenfalls haben wird, insbesondere, ob und inwieweit der Beklagte dadurch beschwert werden wird, ist derzeit ungewiss. Deshalb ist es nicht möglich, den von dem hier angegriffenen Urteil des Amtsgerichts nicht erfassten Teil des Streitgegenstandes bei der Berechnung der durch das Urteil geschaffenen Beschwer des Beklagten zu berücksichtigen.
- 8
- 3. Der Rechtsstreit gibt auch keine Veranlassung, zur Fortbildung des Rechts eine Leitentscheidung zu der Frage der Bestimmung der Rechtsmittelfähigkeit von aus unzulässigen Verfahrenstrennungen resultierenden Urteilen zu treffen. Selbst wenn die Auffassung des Beklagten richtig wäre, dass sich eine wegen bestehender Entscheidungsreife unzulässige Verfahrenstrennung im Ergebnis als Teilurteil nach § 301 ZPO darstellte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Mai 1998 - 2Z BR 77/98, juris Rn. 12, 16), führte dies nicht zu einer höheren Beschwer des Beklagten. Abgesehen davon, dass der Erlass eines Teilurteils hier nicht unzulässig gewesen sein dürfte, liegt eine rechtskraftfähige Entscheidung nur bezogen auf die Klage vor (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216).
- 9
- 4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 30.01.2018 - 484 C 1997/15 WEG -
LG München I, Entscheidung vom 19.06.2018 - 36 S 2816/18 WEG -
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(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.
(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.
(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.
(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.
(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.