Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2010 - IX ZR 118/09

bei uns veröffentlicht am01.07.2010
vorgehend
Landgericht Freiburg, 1 O 389/07, 08.08.2008
Oberlandesgericht Karlsruhe, 9 U 122/08, 14.05.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 118/09
vom
1. Juli 2010
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 1. Juli 2010

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 440.356,71 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
2
1. Die Frage, ob es zu den Pflichten eines mit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde beauftragten Rechtsanwalts gehört, zu prüfen, ob die Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO in der Instanz eingelegt worden ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist ohne weiteres zu bejahen. Hiervon sind auch die Instanzgerichte ausgegangen.
3
2. Auf die Grundsatzfrage, ob im Lichte der justiziellen Grundrechte und des Art. 14 GG eine Umkehr der Beweislast oder jedenfalls Beweiserleichte- rungen geboten sind, wenn die Eigentümer den Kausalitätsnachweis über das Ausmaß von Wasserverunreinigungen, die sie für Schäden an ihrem Eigentum verantwortlich machen, wofür es weitere amtliche Hinweise gibt, nicht führen können, weil es die für den Zustand des Wassers verantwortliche Kommune pflichtwidrig unterlassen hat, die hierfür erforderlichen Messungen durchzuführen bzw. zu dokumentieren, kommt es nur an, wenn sie im Ausgangsrechtsstreit bereits zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist. Sie muss sich schon in dem Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg gestellt haben. Der erstmaligen Geltendmachung eines hierauf gestützten Verfassungsverstoßes in der Verfassungsbeschwerde hätte der Grundsatz der Subsidiarität entgegengestanden. Dieser verlangt neben der Erschöpfung des Rechtsweges, dass - sofern eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist, oder der Antrag auf Zulassung eines Rechtsmittels oder das Rechtsmittel selbst auf die Verletzung von Verfassungsrecht gestützt wird - der Verfassungsverstoß schon in den Instanzen geltend gemacht wird (BVerfGE 112, 50, 62).
4
Die Nichtzulassungsbeschwerde trägt nichts dazu vor, dass bereits im Verfahren vor dem Landgericht Weiden und dem Oberlandesgericht Nürnberg geltend gemacht worden ist, eine Umkehr der Beweislast sei aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Sie beschäftigt sich insoweit nur mit den Entscheidungen des Landgerichts Freiburg und des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Regressprozess gegen den Beklagten und den Anforderungen dieser Gerichte an die Beweislast. Dem mit der Einlegung der Verfassungsbeschwerde beauftragten Beklagten ist aber nur anzulasten, das Verfahren gemäß § 321a ZPO nicht durchgeführt zu haben. In diesem Verfahren hätte lediglich ein be- reits vorliegender Gehörsverstoß gerügt, also nicht erstmals die verfassungsrechtliche Argumentation in das Verfahren eingebracht werden können.
5
3. Im Übrigen sind die Voraussetzungen, unter denen ein durch öffentliche Versorgungsleistungen geschädigter Abnehmer sich auf eine Beweislastumkehr berufen kann, weil der Wasserversorger seinen Untersuchungs- und Dokumentationspflichten nicht nachgekommen ist, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt (BGH, Urt. v. 25. Januar 1983 - VI ZR 24/82, NJW 1983, 2935). Der Zulassung der Revision zur nochmaligen Klärung dieser Frage bedarf es nicht. Ob solche Untersuchungs- und Dokumentationspflichten verletzt worden sind und somit die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen; kommt es hierbei zu einem Subsumtionsirrtum , rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung geht selbst davon aus, dass sich das Berufungsgericht mit den Voraussetzungen für die Annahme einer Beweislastumkehr oder von Beweislasterleichterungen in dem hier gegebenen Einzelfall befasst hat. Die Unzufriedenheit der Kläger mit dem Ergebnis der - auch auf die gebotenen verfassungsrechtlichen Erwägungen - gestützten Entscheidung des Berufungsgerichts stellt keinen Grund dar, von einer Gehörsverletzung auszugehen.

6
Von 4. einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 08.08.2008 - 1 O 389/07 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 14.05.2009 - 9 U 122/08 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

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Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 04. Mai 2011 - 5 U 502/10 - 76

bei uns veröffentlicht am 04.05.2011

Tenor 1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28.09.2010 – Az: 8 O 92/09 – werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an den Kläger 10.500,00 EUR nebst Z

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.