Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2011 - IX ZB 75/10

Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 72.900 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Auf Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 (fortan: Gläubiger) vom 7. Dezember 2009 ist mit Beschluss vom 30. Dezember 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2, der bereits als Gutachter tätig gewesen war, zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Anschrift der Schuldnerin ist im Beschluss mit "R. straße , B. " angegeben worden. Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 hat die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer die "sofortige Einstellung des eingeleiteten Insolvenzverfahrens" beantragt. Sie hat vor- getragen, ihr Geschäftssitz befinde sich nicht in der R. straße , sondern in der B. straße in B. ; die Geschäftsleitung der Schuldnerin wisse nichts von dem ganzen Vorgang und habe auch nie Kontakt zum Insolvenzverwalter gehabt. Mit weiterem Schreiben vom 4. Februar 2010 hat die Schuldnerin erklärt, die Forderung des Gläubigers sei zwischenzeitlich ausgeglichen worden; sie, die Schuldnerin, sei nie zahlungsunfähig gewesen. Das Insolvenzgericht hat die Eingabe als sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss behandelt, hat ihr nicht abgeholfen und hat die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt; dieses hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, hilfsweise die Einstellung des Insolvenzverfahrens erreichen.
II.
- 2
- Soweit die Rechtsbeschwerde mit dem Ziel der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses eingelegt worden ist, ist sie nach § 34 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Hinsichtlich der hilfsweise angestrebten Einstellung des Insolvenzverfahrens folgt ihre Statthaftigkeit aus § 216 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Insolvenzgerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 3
- 1. Das Beschwerdegericht ist nicht in einer die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründenden Weise von dem Senatsurteil vom 9. Januar 2003 (IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356) abgewichen. Der genannten Entscheidung zufol- ge muss der Insolvenzschuldner im Eröffnungsbeschluss eindeutig und zutreffend bezeichnet werden (vgl. § 27 Abs. 2 InsO); Bezugnahme auf Aktenbestandteile sind unzulässig. Das Beschwerdegericht hat den die postalische Anschrift der Schuldnerin betreffenden Einwand der Beschwerde nur unter dem (zutreffend verneinten) Gesichtspunkt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewürdigt. Damit hat es jedoch nicht - weder ausdrücklich noch konkludent - den unzutreffenden Obersatz aufgestellt, der Insolvenzschuldner brauche im Eröffnungsbeschluss nicht eindeutig und zutreffend benannt zu werden. Der Eröffnungsbeschluss vom 30. Dezember 2009 bezeichnete die Schuldnerin zutreffend mit Firma, Sitz sowie der Nummer, unter welcher sie im Handelsregister eingetragen ist. Er muss nicht aufgehoben werden, weil er die frühere Anschrift der Schuldnerin enthält, unter der jetzt noch ihr Geschäftsführer wohnhaft ist.
- 4
- Der 2. Anspruch der Schuldnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt.
- 5
- a) Die Rechtsbeschwerde meint, das Insolvenzgericht hätte den Schriftsatz vom 20. Februar 2010 als Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO auslegen müssen. Selbst wenn eine entsprechende Auslegung möglich gewesen wäre, läge darin, dass das Insolvenzgericht ihn nur als Begründung der bereits eingelegten sofortigen Beschwerde verstanden hat, kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Ein nachträglicher Wegfall des Eröffnungsgrundes wird in ihm weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, wie die Rechtsbeschwerde selbst nicht verkennt.
- 6
- b) Das Insolvenzgericht hat auch nicht, wie die Rechtsbeschwerde weiter meint, die Schuldnerin durch einen unzutreffenden rechtlichen Hinweis unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG von der Stellung eines erfolgversprechenden Antrags auf nachträgliche Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) abgehalten. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, welche Tatsachen die Schuldnerin vorgetragen und glaubhaft gemacht hätte, wenn das ihrer Ansicht nach irreführende Telefonat vom 21. Januar 2010 nicht stattgefunden hätte. Das Insolvenzverfahren ist nur dann auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, dass nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt (§ 212 Satz 1 InsO). Ein Wegfall der Forderung des antragstellenden Gläubigers reicht hierfür nicht aus (zuletzt BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - IX ZB 1/10, NZI 2011, 20 Rn. 4). Die Rechtsbeschwerde verweist im Übrigen nur auf Forderungen der Schuldnerin, auf die Zahlungseingänge zu erwarten gewesen seien. Dass es sich insoweit um aktuell verfügbare oder kurzfristig verfügbar werdende Mittel handelte, ist nach wie vor nicht hinreichend dargelegt.
- 7
- 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 30.12.2009 - 272 IN 128/09 b -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 09.03.2010 - 6 T 127/10 (019) -

moreResultsText
Annotations
(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so ernennt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter. § 270 bleibt unberührt.
(2) Der Eröffnungsbeschluß enthält:
- 1.
Firma oder Namen und Vornamen, Geburtsdatum, Registergericht und Registernummer, unter der der Schuldner in das Handelsregister eingetragen ist, Geschäftszweig oder Beschäftigung, gewerbliche Niederlassung oder Wohnung des Schuldners; - 2.
Namen und Anschrift des Insolvenzverwalters; - 3.
die Stunde der Eröffnung; - 4.
die Gründe, aus denen das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters abgewichen ist; dabei ist der Name der vorgeschlagenen Person nicht zu nennen; - 5.
eine abstrakte Darstellung der für personenbezogene Daten geltenden Löschungsfristen nach § 3 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet vom 12. Februar 2002 (BGBl. I S. 677), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 509) geändert worden ist.
(3) Ist die Stunde der Eröffnung nicht angegeben, so gilt als Zeitpunkt der Eröffnung die Mittagsstunde des Tages, an dem der Beschluß erlassen worden ist.
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.