Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Apr. 2011 - IX ZB 68/10

published on 07/04/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Apr. 2011 - IX ZB 68/10
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Amtsgericht Wiesbaden, 10 IN 484/02, 19/11/2009
Landgericht Wiesbaden, 4 T 24/10, 02/03/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 68/10
vom
7. April 2011
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill, Raebel,
Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 7. April 2011

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 2. März 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners hat das Insolvenzgericht dem Schuldner auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 die Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO versagt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die Entscheidung des Insolvenzgerichts aufgehoben und den Versagungsantrag verworfen mit der Begründung, die weitere Beteiligte zu 1 sei aufgelöst und damit nicht mehr existent und parteifähig. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Sache ist jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.
3
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Die weitere Beteiligte zu 2 hat unter Vorlage einer entsprechenden Anmeldung zum Handelsregister dargelegt, dass sie als einzige Kommanditistin der weiteren Beteiligten zu 1 deren Handelsgeschäft nach dem Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven übernommen hat. Als Rechtsnachfolgerin der Versagungsantragstellerin ist sie befugt, Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts einzulegen.
4
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist erforderlich, weil das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der weiteren Beteiligten zu 2 auf rechtliches Gehör verletzt hat (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Beschwerdegericht hat den Verfahrens- bevollmächtigten der Versagungsantragstellerin, deren Vollmacht analog § 86 Halbsatz 1 ZPO auch für die weitere Beteiligte zu 2 galt, weder die Begründung der sofortigen Beschwerde des Schuldners noch den Nichtabhilfebeschluss des Insolvenzgerichts zur Kenntnisnahme übersandt. Sie konnte sich daher zu den dort erstmals geäußerten Zweifeln an ihrer Parteifähigkeit nicht äußern.
5
3. Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist bereits dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Beschwerdegericht bei Gewährung des Gehörs anders entschieden hätte (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005 - V ZR 271/04, NJW 2005, 2624, 2625; vom 25. Oktober 2005 - V ZR 241/04, NJW-RR 2006, 428 Rn. 12). Hätte die weitere Beteiligte zu 2 Gelegenheit gehabt, sich zur Begründung der Beschwerde und zum Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses des Insolvenzgerichts zu äußern, hätte sie zur Rechtsnachfolge vorgetragen. Es ist zumindest möglich, dass das Beschwerdegericht dann den Versagungsantrag nicht verworfen hätte.
6
4. Die angefochtene Entscheidung war danach aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde wird nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen.
Vill Raebel Pape Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 19.11.2009 - 10 IN 484/02 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 02.03.2010 - 4 T 24/10 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
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Annotations

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.