Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2008 - IX ZB 115/06

bei uns veröffentlicht am24.04.2008
vorgehend
Landgericht Halle, 2 T 6/06, 14.06.2006
Amtsgericht Halle (Saale), 59 IN 1527/03, 05.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 115/06
vom
24. April 2008
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel und Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 24. April 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 14. Juni 2006 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Auf Antrag des Schuldners vom 10. Dezember 2003 wurde über sein Vermögen am 26. Januar 2004 das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Das durch das Finanzamt N. vertretene beteiligte Land hat im Schlusstermin beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Es hat den Antrag unter anderem darauf gestützt, dass der seit Juli 2002 beim staatlichen Schulamt W. als Gewerbelehrer angestellte Schuldner am 9. September 2002 gegenüber dem Vollziehungsbeamten des beteiligten Landes schriftlich erklärt habe, selbständig als Kaufmann tätig zu sein und seine Einkünfte aus Provisionen für die "A. " zu bestreiten. Seine Tätigkeit als Gewerbelehrer habe er verschwiegen. Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Landes hat das Landgericht dem Antrag stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren auf Restschuldbefreiung weiter.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie keinen Zulässigkeitsgrund aufdeckt.
3
1. Die Rechtsbeschwerde meint, die von dem Vollziehungsbeamten anlässlich des Vollstreckungsversuchs gegen den Schuldner am 9. September 2002 gestellten Fragen zu seinen Vermögensverhältnissen seien unzulässig gewesen, weil die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung auf der Grundlage des für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Sachverhalts nicht vorgelegen hätten. Indes fehlt es an dieser Prämisse, weil der Schuldner in den Tatsacheninstanzen nicht in Abrede gestellt hatte, dass gegen ihn mit Recht vollstreckt wurde. Bei dieser Sachlage durften die Vorinstanzen davon ausgehen, dass der Schuldner die unrichtigen Angaben seiner Einkommensverhältnisse gegenüber einem zuständigen Vollstreckungsorgan in der von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorausgesetzten Form abgegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 19/05, WM 2006, 1296, 1297).

4
2. Nach der bereits ergangenen Rechtsprechung des Senats ist auch hinreichend klar, dass die Berichtigung unrichtiger Angaben vor dem Schlusstermin die Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausschließt. Der zweigliedrige subjektive Tatbestand der Vorschrift erfordert, dass der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat, um einen Kredit oder öffentliche Leistungen zu erhalten oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Neben vorsätzlich oder grob fahrlässig gemachten unrichtigen Angaben verlangt die Vorschrift, wie der Wortlaut "um ... zu" verdeutlicht, ein finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung , hier einer Leistungsvermeidung. Nach der eindeutigen Tatbestandsfassung kann auch im Fall grob fahrlässiger Falschangaben auf diesen - eher mit vorsätzlichem Handeln korrespondierenden - finalen Zusammenhang nicht verzichtet werden. Da sich die Unredlichkeit des Schuldners in dem zielgerichteten Handeln bereits hinreichend manifestiert, ist es, wenn zwischen den unrichtigen Angaben und den vom Schuldner erstrebten Leistungen ein objektiver Zusammenhang besteht, ohne Bedeutung, ob der Schuldner mit Hilfe der Falschangaben sein Ziel tatsächlich erreicht hat (BGH, Beschl. v. 20. Dezember 2007 - IX ZB 189/06, ZInsO 2008, 157, 158). Wäre, wie von der Rechtsbeschwerde gefordert, eine Berichtigung der Angaben noch bis zum Schlusstermin möglich, nachdem die Sachverständige das unredliche Verhalten des Schuldners bereits in ihrem Gutachten aufgedeckt hatte, liefe die Bestimmung weitgehend leer und könnte ihren Zweck nicht erfüllen, den Kreis von Schuldnern, die innerhalb der Drei-Jahres-Frist vor dem Eröffnungsantrag Krediterschleichungen durch falsche schriftliche Erklärungen zumindest versucht haben, von den Vergünstigungen der Restschuldbefreiung auszuschließen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und bedarf keiner (weiteren) höchstrichterlichen Klarstellung.

5
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

III.


6
Da die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 4 InsO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).
Ganter Raebel Kayser Pape Lohmann
Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 05.12.2005 - 59 IN 1527/03 -
LG Halle, Entscheidung vom 14.06.2006 - 2 T 6/06 -

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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 19/05
vom
5. Mai 2006
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 5. Mai 2006

beschlossen:
Der Leitsatz zum Beschluss vom 9. März 2006 wird gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, dass es statt 9. Februar 2006 richtig "9. März 2006" heißt.
Fischer Raebel Vill Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 20.09.2004 - 72 IK 97/01 -
LG Köln, Entscheidung vom 07.12.2004 - 1 T 485/04 -

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 189/06
vom
20. Dezember 2007
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben des Schuldners zu seinen
wirtschaftlichen Verhältnissen begründen die Versagung der Restschuldbefreiung
nur dann, wenn sie subjektiv dem Zweck dienen, Leistungen zu erhalten
oder zu vermeiden.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZB 189/06 - LG Halle
AG Halle (Saale)
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Vill
am 20. Dezember 2007

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 10. Oktober 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Auf Antrag des Schuldners vom 14. Oktober 2003 wurde über sein Vermögen am 25. November 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung begehrt. Das durch das Finanzamt Naumburg vertretene beteiligte Land hat im Schlusstermin am 6. März 2006 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Der Antrag ist darauf gestützt, dass der Schuldner anlässlich einer von der Finanzverwaltung gegen ihn erwirkten fruchtlosen Pfändung am 12. Februar 2001 ein in seinem Eigentum stehendes - bereits seinerzeit sowohl der Zwangsversteigerung als auch der Zwangsverwaltung unterstelltes und inzwischen von der Treuhänderin mangels eines zu erwartenden Erlöses freigegebenes - Hausgrundstück verschwiegen hat.
2
Das Amtsgericht hat den Versagungsantrag zurückgewiesen; auf die Beschwerde des Landes hat das Landgericht dem Antrag stattgegeben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren auf Restschuldbefreiung weiter.

II.


3
Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) ist begründet.
4
1. Das Landgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung in Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO versagt, weil er das ihm gehörende Grundstück nicht als Vermögenswert angegeben habe. Den Schuldner entlaste es nicht, dass die Zwangsversteigerung über das Grundstück angeordnet worden sei, weil der Gläubiger berechtigt gewesen sei, in diesem Verfahren seine Ansprüche anzumelden. Ferner komme es nicht auf den Willen einer Gläubigerbenachteiligung an.
5
2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.
6
a) Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde freilich, im Rahmen einer Zwangsvollstreckung gemachte unrichtige Angaben seien nicht geeignet, den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 Variante 3 InsO auszulösen. Falls der von dem subjektiven Tatbestand vorausgesetzte Zusammenhang, Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, tatsächlich gegeben ist, erfüllen - wie der Senat bereits entschieden hat (Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 19/05, WM 2006, 1296 f) - auch unrichtige Angaben gegenüber den Vollstreckungsbeamten des Finanzamts den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde geben keine Veranlassung, von dieser Gesetzesauslegung abzugehen.
7
Jedoch b) beeinträchtigt die angefochtene Entscheidung - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - den Schuldner in seinem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
8
aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Zwar muss das Gericht nicht jeden Sachvortrag in den Urteilsgründen ausdrücklich erörtern. Wenn das Gericht aber auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (BGH, Beschl. v. 11. September 2007 - X ZB 15/06 Tz. 17 zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Beschl. v. 21. Juli 2005 - IX ZB 80/04, NZI 2005, 687).
9
bb) So verhält es sich im Streitfall. Das Beschwerdegericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen des Schuldners, mit dem er auf den Versagungs- antrag des beteiligten Landes erwidert hat, ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen.
10
(1) Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO greift durch, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder - wie im Streitfall - Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Der zweigliedrige subjektive Tatbestand erfordert, dass der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat, um einen Kredit oder öffentliche Leistungen zu erhalten. Neben vorsätzlich oder grob fahrlässig gemachten unrichtigen Angaben verlangt die Vorschrift, wie der Wortlaut "um … zu" verdeutlicht , ein finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung, hier einer Leistungsvermeidung (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 aaO; Braun/Lang, InsO 3. Aufl. § 290 Rn. 13; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl. § 290 Rn. 20; FK-InsO/ Ahrens, InsO 4. Aufl. § 290 Rn. 24; Römermann in: Nerlich/Römermann, InsO § 290 Rn. 54). Nach der eindeutigen Tatbestandsfassung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann auch im Fall grob fahrlässiger Falschangaben auf diesen - eher mit vorsätzlichem Handeln korrespondierenden - finalen Zusammenhang nicht verzichtet werden (Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung 1997 S. 126; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 40; Kübler/ Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn. 13). Da sich die Unredlichkeit des Schuldners in dem zielgerichteten Handeln hinreichend manifestiert, ist es, wenn zwischen den unrichtigen Angaben und den tatbestandlich vorausgesetzten Leistungen ein objektiver Zusammenhang besteht, ohne Bedeutung, ob der Schuldner mit Hilfe der Falschangaben sein Ziel tatsächlich erreicht hat (MünchKommInsO /Stephan, § 290 Rn. 41; FK-InsO/Ahrens, aaO).
11
(2) Das Landgericht hat zu den subjektiven Anforderungen keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Seine konkludente Annahme, die subjektiven Voraussetzungen seien erfüllt, lässt wesentliches Vorbringen des Schuldners außer Betracht.
12
Der Schuldner hat zu dem Vorwurf, das Grundstück nicht angegeben zu haben, ausgeführt, er habe sich wegen der angeordneten Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung "wahrscheinlich davon leiten lassen", dass das Grundstück für ihn nicht mehr "verfügbar" gewesen sei. Keinesfalls habe dadurch jemand "geschädigt oder bevorteilt" werden sollen. Diese Äußerung lässt für sich genommen keine sichere Schlussfolgerung darauf zu, ob der Schuldner vorsätzlich, grob fahrlässig oder lediglich fahrlässig gehandelt hat. Überdies ging der Schuldner nach dem Inhalt seines die fehlende Verfügbarkeit betonenden und jeden Schädigungswillen in Abrede stellenden Vorbringens möglicherweise davon aus, dass weitere Gläubiger in dem Zwangsvollstreckungsverfahren über das Hausgrundstück - wie auch die Freigabe durch die Treuhänderin belegt – ohnehin keinen Erlös erzielen würden. Hatte der Schuldner dieses Bewusstsein , deutet dies darauf hin, dass mit den unrichtigen Angaben nicht der Zweck verfolgt wurde, Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Die Zurückweisung der Sache gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, die übergangene Stellungnahme zu würdigen und gegebenenfalls zu dem von dem Antragsteller nachzuweisenden Versagungsgrund weitere Feststellungen zu treffen (vgl. BGHZ 156, 139, 147).
Fischer Ganter Kayser
Gehrlein Vill

Vorinstanzen:
AG Halle (Saale), Entscheidung vom 28.07.2006 - 59 IK 229/03 -
LG Halle, Entscheidung vom 10.10.2006 - 2 T 601/06 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.