Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2003 - IV ZR 198/02

bei uns veröffentlicht am10.09.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 198/02
vom
10. September 2003
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert und Wendt
sowie die Richterin Dr. Kessal-Wulf
am 10. September 2003

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Juni 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 511.291,88

Gründe:


Die von der Beschwerde für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage, ob eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit des Versicherers diesem auch die Arglistanfechtung verwehrt, ist nicht entscheidungserheblich. Wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, hat die Beklagte die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB versäumt. Sie hatte Ende 1995 umfassende Kenntnis von den früheren Beschwerden, Krankheiten und ärztlichen Behandlungen von Herrn G. , die bei Schließung der Verträge über die Kapitallebensversicherung mit einge-

schlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vom Dezember 1992 und der hier im Streit befindlichen Risikolebensversicherung vom Dezember 1991 nicht angegeben worden sind. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29. November 1995 nur ihre Annahmeerklärung zum Vertrag vom Dezember 1992 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Anfechtung umfaßte nicht nur die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, aus der damals Leistungen verlangt wurden, sondern auch die Kapitallebensversicherung , bei der der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Angesichts der von der Beklagten als besonders schwerwiegend angesehenen arglistigen Täuschung hätte es sich Ende 1995 aufgedrängt zu prüfen, ob sich im Bestand der im Mai 1994 verschmolzenen beiden Gesellschaften weitere Verträge auf das Leben von Herrn G. befinden und ob diese ebenfalls von den Anfechtungsgründen betroffen sind. Da somit Anlaß bestand, die in den eigenen Datenbanken und Akten gesammelten Daten abzurufen, ist die bei der Beklagten allgemein vorhanden gewesene Kenntnis von der Risikolebensversicherung aktuelles und von ihr zu berücksichtigendes Wissen geworden (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1993 - IV ZR 153/92 - VersR 1993, 1089 unter II 2; vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 299/90 - VersR 1992, 217 unter 2 und vom 13. Dezember 1989 - IVa ZR 177/88 - VersR 1990, 258 unter 3; vgl. ferner BGHZ 132, 30, 36 ff. und BGHZ 135, 202, 205 f.). Ein Lebensversicherer kann sich der dokumentierten Kenntnis von bestehenden Verträgen nicht dadurch entziehen, daß er - wie die Beklagte - mehrere

Verträge, in denen dieselbe Person versichert ist und auf deren Gesundheitsverhältnisse es für Rücktritt und Arglistanfechtung ankommt, in verschiedenen Abteilungen so verwaltet, als handele es sich bei diesen um jeweils selbständige Unternehmen, die nichts miteinander zu tun haben.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 124 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im F

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Tenor 1. Die Berufung der Kläger gegen das am 18.01.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 14 O 445/03, wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) zu jeweils

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(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.