Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2004 - III ZR 369/03

bei uns veröffentlicht am30.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 369/03
vom
30. September 2004
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. November 2003 - 11 U 129/02 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 22.345,59 €

Gründe:


Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch er fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Insbesondere ist der Kläger nicht in seinem Recht auf ei n faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) oder in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

Die Parteivernehmung des Klägers oder seine Anhörung n ach § 141 ZPO waren zur Wahrung seiner Rechte und der Waffengleichheit nicht erforderlich. Nach der auf die Entscheidung des EGMR vom 27. Oktober 1993 (NJW 1995, 1413 ff) zurückgehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsbeschluß vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 - NJW 2003, 3636; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - NJW-RR 2003, 1002, 1003; Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, 364 m.w.N.; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 2531 f; OLG Frankfurt am Main OLGR 2003, 81, 82 f) haben die Gerichte zwar grundsätzlich zur Wahrung der Waffengleichheit im Zivilprozeß in Situationen, in denen nach Gesprächen unter vier Augen nur der einen Partei ein Zeuge zur Verfügung steht, der Beweisnot der anderen Seite dadurch Rechnung zu tragen, daß sie die prozessual benachteiligte Partei nach § 448 ZPO vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anhören. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Der Zeuge G. stand nicht ausschließlich im Lager der Beklagten. Er hatte vielmehr bei den Verhandlungen über die Modalitäten des Ausscheidens des Klägers aus der Anwaltskanzlei die Stellung eines Vermittlers zwischen beiden Seiten, wie sich aus Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages vom 15. Juni 1999 - "In Zweifelsfällen wird eine Klärung unter Vermittlung von Rechtsanwalt G. erfolgen." - ergibt. Zudem war G. , ersichtlich an diese Position anknüpfend, von dem Kläger als Zeuge benannt worden.
Überdies hatte der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, ausreichende Gelegenheit, seine Darstellung der umstrittenen Vertragsverhandlungen persönlich in den Rechtsstreit einzubringen. Er war in beiden mündlichen Verhandlungen des Berufungsgerichts anwesend. Sein Prozeßbevollmächtigter
hatte sogar um eine - bewilligte - Terminverlegung gebeten, um dem Kläger die Teilnahme an der Verhandlung zu ermöglichen. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Kläger in den Verhandlungsterminen gehindert war, seine Sicht der Dinge zu schildern (vgl. Senatsbeschluß vom 25. September 2003 aaO).
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens


(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins

Zivilprozessordnung - ZPO | § 448 Vernehmung von Amts wegen


Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Ta

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 384/02
vom
25. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Erforderlichkeit, eine Partei im Rahmen der Beweisaufnahme über ein
Vier-Augen-Gespräch von Amts wegen anzuhören oder zu vernehmen.
BGH, Beschluß vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick
und Dörr

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. November 2002 - 6 U 1998/99 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 74.137,32

Gründe:


Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 543 Abs 2 Satz 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme für erwiesen angesehen,
daß spätestens bei der Besichtigung des Grundstücks am 24. September 1998 ein Maklervertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Es hat sich dabei auf die Aussage des Zeugen B. gestützt, der dies vor dem Landgericht bestätigt hat. Hiergegen erhebt die Beschwerde die Verfahrensrüge, die Vorinstanzen hätten dem Antrag der Beklagten, gegenbeweislich den Beklagten zu 2 als Partei zu vernehmen, hilfsweise anzuhören, stattgeben müssen. Indem sie dies unterlassen hätten, hätten sie gegen das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen. Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf die neuere Rechtsprechung zur Waffengleichheit bei Vier-Augen-Gesprächen, die im Anschluß an die Entscheidung des EGMR NJW 1995, 1413, ergangen ist, insbesondere BVerfG NJW 2001, 2531; BGH, Urteile vom 16. Juli 1998 (I ZR 32/96 = NJW 1999, 363) und vom 7. Oktober 1997 (VI ZR 144/96 = NJW 1998, 307). Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben.
2. Allerdings mag zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, daß der entscheidende Teil jener Besprechung, die Provisionsforderung und -zusage, unter vier Augen, nämlich zwischen dem Beklagten zu 2 und dem Zeugen B. , stattgefunden hat. Insoweit konnte es sich also in der Tat um die Konstellation gehandelt haben, daß der Verhandlungsführer der Klägerin uneingeschränkt als Zeuge zur Verfügung stand, während die Beklagten lediglich auf den Beklagten zu 2 verweisen konnten. Dies stellt in einem späteren Gerichtsverfahren eine Benachteiligung dar, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO berücksichtigt werden kann. Dabei kann offenbleiben, ob es geboten ist, in einem solchen Fall einer Anregung zur Parteivernehmung nachzukommen. Denn dem Grundsatz der Waffengleichheit kann auch dadurch genügt werden, daß die durch ihre prozessuale Stellung bei der Aufklä-
rung des Vier-Augen-Gesprächs benachteiligte Partei nach § 141 ZPO persönlich angehört wird. Das Gericht ist nicht gehindert, einer solchen Parteierklärung den Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen zu geben (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 aaO). Damit hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Zulässigkeit der Parteivernehmung abgesenkt, ohne auf die Notwendigkeit der Anfangswahrscheinlichkeit (des "Anbewiesenseins") ausdrücklich zu verzichten, und hat den Anwendungsbereich und Beweiswert einer Parteianhörung erweitert (BVerfG aaO S. 2532 m.w.N.). Dies nützt den Beklagten im vorliegenden Fall indessen nichts. Denn das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung auch die Reaktion der Beklagten auf die beiden Schreiben der Klägerin vom 5. und 14. Oktober 1998, nämlich daß sie der darin erhobenen Provisionsforderung mit keinem Worte widersprochen hatten, als Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen B. gewertet. Daß die Provisionsforderung der Klägerin in Höhe von 5 v.H. von vornherein "im Raum stand", wird auch durch den in der ersten Instanz weiter vernommenen Zeugen Be. bestätigt, der keineswegs einseitig dem Lager der Klägerin, sondern eher demjenigen der Beklagten zuzuordnen ist. Zwar hat Be. seine Aussage durch eine privatschriftliche Erklärung zur Vorlage beim Berufungsgericht abzuschwächen versucht, das betrifft aber nicht diesen zentralen Punkt.
3. Liegen aber sonstige Beweismittel und Indizien vor, die die der Gegenseite günstige Zeugenaussage objektiv stützen, so entfällt die Notwendigkeit einer formellen Vernehmung oder auch nur einer zu protokollierenden Anhörung der benachteiligten Partei. Um so mehr gilt dies, als keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß etwa der Beklagte zu 2 gehindert gewesen wäre, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 29. Oktober 1999, bei der er persönlich anwesend war, seine Sicht der Dinge zu schildern.
Dasselbe gilt für die mündliche Berufungsverhandlung vom 17. Oktober 2002, wo zwar sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, er aber gleichwohl Gelegenheit gehabt hätte, diejenigen Erklärungen abzugeben, die aus seiner Sicht zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich waren.
4. Richtig ist, daß das Berufungsgericht sich mit den Anträgen auf Parteivernehmung oder -anhörung in den Urteilsgründen nicht näher auseinandergesetzt hat, soweit sie das Zustandekommen des Maklervertrages betreffen. Gleichwohl ist dem Urteil mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß und aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen B. für glaubhaft gehalten hat und damit inzidenter, wieso es auf eine förmliche Vernehmung oder Anhörung des Beklagten zu 2 glaubte verzichten zu können.
Rinne Wurm Streck Galke Dörr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 176/02 Verkündet am:
19. Dezember 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Unterbrechung eines Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen wegen
der Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO berührt
das Verfahren der übrigen Streitgenossen nicht.

b) Dieses Verfahren kann regelmäßig durch Teilurteil abgeschlossen werden.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner Zahlung von Restwerklohn aus einem Bauvertrag. Die Beklagte zu 1 sowie die in der Objektgesellschaft Auepark GbR zusammengeschlossenen Beklagten zu 2 und 3 beauftragten die Klägerin mit Erschließungsleistungen. Die Klägerin hat die nach ihrer Auffassung vertraglich geschuldete Vergütung für die Bereitstellung von Containern verlangt. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 158.527,50 DM nebst Zinsen verurteilt. Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Anhö-
rung des Geschäftsführers der Klägerin die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage durch Teilurteil abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht kommt aufgrund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 hätten sich während der Baumaßnahmen dahin geeinigt, daß die Klägerin aus der Position für die Bereitstellung des Baucontainers ungeachtet einer längeren Nutzungsdauer lediglich eine Vergütung für 4 Wochen verlangen könne. Das ergebe sich aus der Aussage des Zeugen G. und dem damit in Übereinstimmung zu bringenden Akteninhalt. Die Angaben des als Partei gehörten Geschäftsführers der Klägerin seien dagegen nicht glaubhaft. Für eine von der Klägerin angeregte Parteivernehmung ihres Geschäftsführers lägen die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vor. Gegen die Richtigkeit der Sachdarstellung der Klägerin sprächen in Würdigung der Gesamtumstände weitaus überwiegende und letztlich überzeugende Gesichtspunkte. Die Parteivernehmung zum Zwecke des Gegenbeweises sei nicht zulässig. Der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit rechtfertige keine andere Beurteilung. Dieser sei
durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet. Die Vernehmung des nicht gehörten Geschäftsführers der Beklagten zu 2 sei ebenfalls entbehrlich, wie sich bereits aus dem in § 445 Abs. 2 ZPO normierten Rechtsgedanken ergebe. Die Klägerin habe keine Ansprüche mehr, weil die sich aus der nachträglichen Einigung ergebende Vergütung bezahlt sei. Die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 könne durch Teilurteil abgewiesen werden. Der Grundsatz, dass ein Teilurteil nur ergehen dürfe, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten Anspruchs unabhängig sei, gelte bei einer subjektiven Klagehäufung nur eingeschränkt. Den Beklagten zu 1 und 3 sei es nicht zumutbar, nach der Beweisaufnahme die Verfahrensverzögerung bis zur Beendigung der Unterbrechung hinsichtlich der Beklagten zu 2 hinzunehmen. Ohne diese Unterbrechung hätte der Senat die Verfahren gemäß § 145 ZPO trennen können.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Verfahrensfehlerfrei hat das Berufungsgericht durch Teilurteil entschieden (1.) und von einer Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 abgesehen (2.). 1. Das Berufungsurteil hat die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 ohne Verfahrensfehler durch Teilurteil abgewiesen.
a) Zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich ein Teilurteil nur dann ergehen darf, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander
widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 2002 - XII ZR 194/00, MDR 2002, 1068 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Klage über einen Anspruch gegen mehrere Personen erhoben wird (BGH, Urteil vom 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035). In diesem Fall darf sich jedenfalls dann, wenn eine Beweisaufnahme stattzufinden hat, ein Gericht grundsätzlich nicht auf ein Prozeßrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden. Denn die Beweise sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nur einmal zu erheben und einheitlich frei zu würdigen, so daß unterschiedliche Ergebnisse gegen einzelne Streitgenossen ausgeschlossen sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 341/89, WM 1992, 242, 243).
b) Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen worden ist. Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen nicht berührt. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof trotz der jeweils offen liegenden Gefahr, daß bei Aufnahme des durch den Konkurs bzw. die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte, stets die Möglichkeit bejaht, gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214, 216; Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113; Urteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86, NJW 1987, 2367, 2368). Diese Ausnahme von dem Grundsatz, daß ein Teilurteil dann nicht ergehen soll, wenn die Gefahr widerstreitender Erkenntnisse besteht, ist im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs oder Insolvenz eines einfachen Streitgenossen regelmäßig gerechtfertigt, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Die Dauer der Unterbrechung ist in der Regel ungewiß. Sie endet, wenn das Verfahren nicht nach den für das
Konkurs- oder Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird, erst dann, wenn das Konkurs- oder Insolvenzverfahren beendet ist. Dieses Verfahren kann sich in Einzelfällen viele Jahre lang hinziehen. Ob und gegebenenfalls wann eine Aufnahme des Verfahrens erfolgt, ist in aller Regel nicht voraussehbar. Die übrigen Streitgenossen haben keine prozessuale Möglichkeit , die Aufnahme des Verfahrens und damit auch den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozeßbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werden kann. Solche Anhaltspunkte lagen nicht vor. 2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht hätte aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit die Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 von Amts wegen als Partei vernehmen müssen.
a) Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO liegt im Ermessen des Tatrichters und ist im Revisionsverfahren nur daraufhin nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die in § 448 ZPO geregelten
Voraussetzungen für eine Parteivernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 2 verneint. Es ist zu der Überzeugung gekommen, daß die im einzelnen festgestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme überzeugend gegen die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sprächen. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, daß die Behauptung der Klägerin unwahrscheinlich ist. Die von der Revision angeführten Gründe, die für eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Behauptung der Klägerin sprechen sollen, hat das Berufungsgericht umfassend berücksichtigt.
b) Durch die Ablehnung der Vernehmung der Geschäftsführer der Klägerin und, soweit zulässig, der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen, wie er aus dem Gleichheitssatz, dem Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet werden kann (vgl. die Entscheidung des EGMR, NJW 1995, 1413, 1414 - Dombo Beheer B.V.; BVerfG, Beschluß vom 25. Juli 1979 - 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 156; Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531, 2532). aa) Erfordert der Grundsatz der Waffengleichheit, daß der Partei, die für ein Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozeß persönlich einzubringen, so ist dem grundsätzlich Genüge getan, wenn die Partei nach § 141 ZPO angehört wird. Die dagegen von der Revision und teilweise auch von der Literatur erhobenen Bedenken (Kluth/Böckelmann, MDR 2002, 476, 480; Messer, Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof , S. 67, 81 f.) sind unbegründet. Sie tragen nicht dem Umstand Rechnung, daß der Bundesgerichtshof einerseits den Anwendungsbereich und den Beweiswert einer Parteianhörung gesteigert und andererseits die Anforderungen an die Zulässigkeit der Vernehmung einer Partei, die sich in Beweisnot befindet, abgesenkt hat (vgl. BVerfG, Beschluß vom 21. Februar 2001 - 2 BvR
140/00, aaO; BGH, Urteil vom 9. März 1990 - V ZR 244/88, BGHZ 110, 363, 365 f.). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gewährleistet, daß das Ergebnis der Anhörung ausreichend Gewicht hat (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998, aaO). Durch die Anhörung der Partei wird das Gericht freilich nicht von der Prüfung der Frage entbunden, ob nach § 448 ZPO eine förmliche Parteivernehmung stattzufinden hat. Bei dieser Prüfung kann es jedoch unter Heranziehung aller Umstände wie auch der Anhörung der Partei nach § 141 ZPO zu dem Ergebnis kommen, daß keine Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Behauptung besteht (vgl. Lange, NJW 2002, 476, 482). Das Berufungsgericht hat den Geschäftsführer der Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Es hat seine Angaben bei der persönlichen Anhörung in der Beweiswürdigung ausführlich berücksichtigt. bb) Der Grundsatz der Waffengleichheit wird nicht verletzt, wenn das Gericht nach Vernehmung eines Zeugen davon absieht, die Gegenpartei gemäß § 448 ZPO von Amts wegen zu vernehmen, weil es keine Wahrscheinlichkeit für die Parteibehauptung erkennt (BGH, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 90/01, NJW 2002, 2247).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.