Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11

bei uns veröffentlicht am13.09.2012
vorgehend
Landgericht München I, 15 O 2549/10, 04.05.2011
Oberlandesgericht München, 1 U 2268/11, 20.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 249/11
vom
13. September 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Durch die Vollziehung von (unrichtigen) Steuerbescheiden entstandene Schäden
sind nicht nach § 945 ZPO zu ersetzen (im Anschluss an Senatsurteil vom
31. Januar 1963 - III ZR 138/61, BGHZ 39, 77).

b) Dies gilt auch dann, wenn dem Erlass der Steuerbescheide ein Arrestverfahren
vorausgegangen ist, das zur Pfändung einer Forderung geführt hat. Denn mit
Erlass der Steuerbescheide ist das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren
übergeleitet und als solches fortgesetzt worden mit der Folge,
dass das Arrestpfandrecht sich in ein (rangwahrendes) Pfändungspfandrecht
umgewandelt hat (im Anschluss an BFH NV 1987, 702; 2001, 458).
BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZR 249/11 - OLG München
LG München
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2012 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink
und Dr. Remmert

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Oktober 2011 - 1 U 2268/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO) zu tragen.
Streitwert: 883.000 €

Gründe:


1
Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
1. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Ersatz des Schadens (Kursverluste ab dem Jahr 2001), der ihm dadurch entstanden sein soll, dass sich die Finanzverwaltung im Sommer 2001 weigerte, der Übertragung eines - von ihr im Wege des Steuerarrestes gepfändeten - Wertpapierdepots des Klägers bei der H. AG auf ein "aktiv gemanagtes" Depot bei einer Schweizer Bank zuzustimmen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dabei haben sie insbesondere einen - von der Beschwerde in den Vordergrund gestellten - Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO (analog) verneint.
3
a) Zu Unrecht rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe übersehen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 945 ZPO auch auf Fälle des Steuerarrestes anzuwenden ist. Die von der Beschwerde zitierte (ältere) Rechtsprechung bezieht sich noch auf § 378 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung , der auf die §§ 930 ff ZPO verwies (s. Senatsurteil vom 25. Mai 1959 - III ZR 39/58, BGHZ 30, 123, 128 ff unter Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. RGZ 108, 253, sowie BGH, Urteil vom 26. November 1974 - VI ZR 124/72, BGHZ 63, 277 f). Ob an dieser Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977, die in § 324 Abs. 3 Satz 4 lediglich die §§ 930 bis 932 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt, festzuhalten ist, hat der Senat bisher offen gelassen (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1986 - III ZR 168/86, BGHR ZPO § 945 Steuerarrest 1; Urteil vom 3. Oktober 1985 - III ZR 168/86, VersR 1986, 289, 292). Der Gesetzgeber ist allerdings mit Einführung der Abgabenordnung ersichtlich von einer Anwendbarkeit ausgegangen. Denn er hat von einer ausdrücklichen Bezugnahme (auch) auf § 945 ZPO zum einen mit der Begründung Abstand genommen, die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung durch die Rechtsprechung sei gesichert, so dass eine Rechtsunsicherheit nicht zu befürchten sei. Zum anderen hat er auf die anstehende umfassende Reform des Staatshaftungsrechts hingewiesen und es für nicht angezeigt gehalten, der Arbeit der von der Bundesregierung Anfang 1970 eingesetzten Staatshaftungsrechtskommission vorzugreifen (BT-Drucks. VI/1982 S. 184 zu §§ 307 bis 309 AO-E).
4
b) Die Frage der analogen Anwendung des § 945 ZPO bedarf freilich auch im Streitfall keiner abschließenden Beantwortung. Denn das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Vollstreckungsmaßnahmen auf der Grundlage der Arrestanordnung den behaupteten Schaden nicht herbeigeführt haben und schon deshalb ein Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift nicht gegeben ist.
5
aa) Vorliegend ergingen zwar aufgrund der Arrestanordnungen der Finanzverwaltung vom 15. Februar 1999 beziehungsweise 30. Mai 2000 (auch) das Wertpapierdepot erfassende Pfändungsverfügungen gegen die H. AG als Drittschuldnerin. Aber noch vor der Verweigerung der Zustimmung durch die Finanzverwaltung und erst recht noch vor Entstehen der vom Kläger als Schaden geltend gemachten Kursverluste sind im Juni und August 2000 Steuerbescheide ergangen, die auch die durch die Arrestanordnung und Pfändungsverfügung gesicherten Steuerforderungen für das Jahr 1994 betrafen.
6
Durch diese Steuerbescheide ist das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgeführt worden. Das Arrestpfandrecht wandelte sich in ein - den Rang wahrendes - Pfändungspfand- recht um, ohne dass es einer erneuten Pfändung und einer Aufhebung der Arrestanordnung bedurfte (vgl. ausführlich BFH, NV 1987, 702 f, NV 2001, 458, 459; ebenso Bittner, in Pump/Fittkau, AO, Stand März 2009, § 324 Rn. 62 ff.).
7
bb) Da mithin vorliegend die Rechtslage nicht anders zu beurteilen ist, als wenn die Pfändung des Wertpapierdepots erst beziehungsweise nur aufgrund der Steuerbescheide ausgesprochen worden wäre, es also am Zurechnungszusammenhang zwischen der vorausgegangenen (erledigten) Arrestpfändung und dem geltend gemachten Schaden fehlt, hat das Berufungsgericht zutreffend § 945 ZPO für nicht einschlägig erachtet.
8
Auf kraft Gesetzes (vgl. §§ 251, 361 AO, § 69 FGO) sofort vollziehbare Steuerbescheide, deren Wirksamkeit durch die Einlegung eines Rechtsmittels nicht gehemmt wird, sind weder § 717 Abs. 2 ZPO noch § 945 ZPO anwendbar (vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1963 - III ZR 138/61, BGHZ 39, 77, 79 f und vom 11. März 1982 - III ZR 174/80, BGHZ 83, 190, 196 f). Diesen Bestimmungen liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger aus einem nur vorläufigen Titel auf eigenes Risiko vollstreckt und die Folgen zu tragen hat, falls der Titel letztlich keinen Bestand hat. Die Vollziehbarkeit eines Steuerbescheids beruht demgegenüber auf dem Vorrang des Allgemeininteresses vor dem Einzelinteresse und lässt einen Vergleich mit vorläufig vollstreckbaren Titeln aus dem Bereich des Zivilprozesses nicht zu (Senatsurteile vom 11. März 1982, aaO; vom 31. Januar 1963, aaO sowie Urteil vom 16. November 2000 - III ZR 1/00, NJW 2001, 1067, 1068).
9
2. Auch im Übrigen enthält die angefochtene Entscheidung keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Schlick Herrmann Hucke
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 04.05.2011 - 15 O 2549/10 -
OLG München, Entscheidung vom 20.10.2011 - 1 U 2268/11 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11 zitiert 11 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Zivilprozessordnung - ZPO | § 717 Wirkungen eines aufhebenden oder abändernden Urteils


(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. (2) Wi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Abgabenordnung - AO 1977 | § 361 Aussetzung der Vollziehung


(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheide

Zivilprozessordnung - ZPO | § 945 Schadensersatzpflicht


Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung er

Zivilprozessordnung - ZPO | § 930 Vollziehung in bewegliches Vermögen und Forderungen


(1) Die Vollziehung des Arrestes in bewegliches Vermögen wird durch Pfändung bewirkt. Die Pfändung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie jede andere Pfändung und begründet ein Pfandrecht mit den im § 804 bestimmten Wirkungen. Für die Pfändung einer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 307 Anschlusspfändung


(1) Zur Pfändung bereits gepfändeter Sachen genügt die in die Niederschrift aufzunehmende Erklärung des Vollziehungsbeamten, dass er die Sache für die zu bezeichnende Forderung pfändet. Dem Vollstreckungsschuldner ist die weitere Pfändung mitzuteilen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2012 - III ZR 249/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Nov. 2000 - III ZR 1/00

bei uns veröffentlicht am 16.11.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 1/00 Verkündet am: 16. November 2000 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht.

(2) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 sind auf die im § 708 Nr. 10 bezeichneten Berufungsurteile, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird.

Erweist sich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 1/00 Verkündet am:
16. November 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zur Frage, inwieweit ein Steuerpflichtiger ein Rechtsmittel gegen die Vollziehung
eines noch nicht bestandskräftigen und später aufgehobenen Haftungsbescheids
einlegen muß, um einen Schadensersatzanspruch wegen
amtspflichtwidriger Vollziehung erheben zu können.
Auch nach Einführung der sog. Vollverzinsung für die in § 233 a AO genannten
Steuerarten kann der Steuerpflichtige im Fall der Vollziehung eines
nicht bestandskräftigen Haftungsbescheids nach dessen Aufhebung
keinen Schadensersatz in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2
ZPO fordern (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 39, 77 und BGHZ 83,
190).
BGH, Urteil vom 16. November 2000 - III ZR 1/00 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. November 2000 durch die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 13. Zivilsenat in Freiburg - vom 8. Dezember 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage insoweit unzulässig ist, als mit ihr ein auf eine analoge Anwendung des § 236 AO gestützter Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen verfolgt wird.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger wurde durch Haftungsbescheide des Finanzamts vom 28. August 1984 und 11. Januar 1985 gemäß § 42 d EStG auf Zahlung der Lohnsteuer, die er als Arbeitgeber hätte einbehalten und abführen müssen, in Anspruch genommen. Hintergrund war der aufgekommene Verdacht, der Kläger habe für den Bau seines Hauses Schwarzarbeiter aus der Schweiz beschäftigt. Die Ermittlungen hierzu waren aufgrund einer Kontrollmitteilung in Gang gekommen, aus der sich ergab, daß der Kläger seinen Schwippschwager als Bauführer für dieses Vorhaben gegen Entgelt zugezogen hatte. Der zunächst höhere Haftungsbetrag wurde in der Einspruchsentscheidung vom 13. April 1988 für die Lohnsteuer auf 60.082,22 DM und für die ev. und rk. Kirchenlohnsteuer auf jeweils 2.403,29 DM herabgesetzt. Das Finanzamt pfändete mit Verfügungen vom 25. Juli 1985 Gehaltsansprüche und Bankguthaben des Klägers. Nachdem der Kläger am 1. und 7. August 1985 Sicherheit durch Hinterlegung eines Geldbetrages über insgesamt 50.000 DM geleistet hatte, setzte das Finanzamt am 7. August 1985 die Vollziehung nach § 361 AO aus. Durch Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. August 1997 wurde der Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufgehoben. Das Finanzamt zahlte darauf an den Kläger 50.000 DM zurück.
Mit der Behauptung, er habe die an das Finanzamt gezahlten Beträge finanziert, begehrt der Kläger vom beklagten Land Ersatz der dafür entrichteten Zinsen in Höhe von 39.118 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. Die
Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist im wesentlichen unbegründet. Lediglich soweit der Kläger Rechtshängigkeitszinsen in entsprechender Anwendung des § 236 AO begehrt , kann ihm dieser Anspruch durch die ordentlichen Gerichte nicht in der Sache aberkannt werden.
1. Das Berufungsgericht hat Amtshaftungsansprüche des Klägers im Ergebnis zutreffend verneint.

a) Soweit die Revision geltend macht, nicht erst die Vollziehung, sondern bereits der Erlaß des Haftungsbescheids stelle eine Amtspflichtverletzung dar, auf die der eingetretene Schaden zurückzuführen sei, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässige Einführung eines zusätzlichen Klagegrundes. Zwar steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Finanzgerichts mit Bindung auch für das vorliegende Verfahren fest, daß der gegen den Kläger erlassene Haftungsbescheid rechtswidrig gewesen ist. Gleichwohl hat der Kläger in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht, den Beamten des Finanzamts seien im Zusammenhang mit dem Erlaß des Haftungsbescheids vorwerfbare Fehler unterlaufen. Da das Urteil des Finanzgerichts Hinweise darauf enthält, der Kläger habe sich erst in einem späteren Verfahrensstadium dahin eingelassen, daß man nicht ihn als den Bauherrn, sondern den von ihm als Bauführer zugezogenen Schwippschwager als Arbeitgeber der beschäftigten Schwarzarbeiter habe ansehen müssen, hätte der Kläger zu den
Tatbestandsvoraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs Näheres vortragen müssen, wenn er den Erlaß des Haftungsbescheids zum Gegenstand seiner Klage machen wollte. Dies ist aber in den Tatsacheninstanzen nicht geschehen , auch nicht in der Berufungsbegründung, auf die die Revision insoweit Bezug nimmt. Gleiches gilt für den in der Revisionsverhandlung hervorgehobenen Gesichtspunkt, das Finanzamt habe spätestens im Jahr 1993 erkannt, daß nicht der Kläger als Arbeitgeber der Beschäftigten in Betracht gekommen sei.

b) Der Kläger hat in den Vorinstanzen nicht bezweifelt, daß das Finanzamt für die Durchsetzung des Haftungsanspruchs die Bestandskraft des Haftungsbescheids nicht unbedingt abwarten mußte. Die Revision ist jedoch der Auffassung, die Vollstreckungsbehörde habe ihr Ermessen nicht ausgeübt, anstelle der ausgebrachten Pfändungen eine Sicherungshypothek auf dem Grundstück des Klägers eintragen zu lassen. Der Kläger habe nämlich unwidersprochen vorgetragen, das von ihm gebaute Haus hätte als Sicherheit ausgereicht.
Der Streitfall gibt keinen Anlaß, näher darauf einzugehen, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckungsstelle eine Gehalts- und Kontenpfändung vornehmen darf und inwieweit sie verpflichtet ist, vorrangig andere pfändbare Vermögenswerte in Anspruch zu nehmen. Abschnitt 23 Absatz 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung vom 13. März 1980 (BStBl. 1980 I S. 112) stellt die Entscheidung hierüber in das pflichtgemäße Ermessen der Vollstreckungsstelle. Nach Satz 2 und 3 dieser Bestimmung sollen in erster Linie solche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, von denen nach den besonderen Umständen des Falles bei angemessener Berücksichtigung der Belange des Vollstrek-
kungsschuldners am schnellsten und sichersten ein Erfolg zu erwarten ist. Die beabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme muß in angemessenem Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg stehen, die Höhe der Forderung den mit ihr verbundenen Verwaltungsaufwand rechtfertigen. Das beklagte Land hat sich zur konkreten Ermessensausübung nicht näher geäußert, die Pfändungsverfügungen aber als verhältnismäßig bezeichnet, weil die Eintragung einer Sicherungshypothek teuerer sei und bei neu bebauten Grundstücken im Hinblick auf in der Regel erhebliche Vorbelastungen keine hinreichende Sicherheit biete. Deshalb werde der Vollstreckungsschuldner in der Vollstreckungsankündigung - wie auch hier - auf Lohn- und Forderungspfändungen hingewiesen.
Der Senat muß nicht entscheiden, ob diese allgemeinen Erwägungen genügen, um die Entschließung der Vollstreckungsstelle im vorliegenden Fall zu rechtfertigen. Selbst wenn man annehmen wollte, die Vollstreckungsstelle habe ihr Ermessen, welche Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten seien, überhaupt nicht ausgeübt, scheitert eine Inanspruchnahme des beklagten Landes auf Schadensersatz jedenfalls daran, daß der Kläger es unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Die Pfändungsverfügungen vom 25. Juli 1985 waren Verwaltungsakte, die nach § 349 AO in der damals geltenden Fassung mit der Beschwerde anfechtbar waren (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl. 1996, § 249 AO Rn. 22); im Rahmen dieses Verfahrens hätte die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen überprüft werden können. Zwar hat der Kläger - offenbar im Hinblick auf die ausgebrachten Pfändungen - einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO gestellt, dem das Finanzamt gegen und nach Hinterlegung der Barsicherheit in Höhe von 50.000 DM entsprochen hat. Da dem schon früher durch seinen Prozeßbevollmächtigten der Vorinstanzen
vertretenen Kläger bekannt sein mußte, daß die hinterlegte Barsicherheit nach § 242 Satz 2 AO nicht zu verzinsen ist, durfte er sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden geben, wenn er damals bereits - wie jetzt - die Auffassung vertrat , die Vollstreckungsstelle müsse sich mit einer Sicherheit begnügen, die ihn weniger belaste, gleichwohl aber auch das mit dem Erlaß des Haftungsbescheids zu verfolgende Allgemeininteresse hinreichend wahre. Insoweit kann im Hinblick auf die Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater ein schuldhaftes Verhalten nicht verneint werden, wenn es sich - wie der Kläger im anhängigen Rechtsstreit geltend macht - tatsächlich so verhielt , daß sich die Vollstreckungsstelle mit der Eintragung einer Sicherungshypothek (siehe jedoch die Einschränkung auf erstrangige Sicherheiten in § 241 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AO) hätte zufrieden geben müssen.
2. Ersatz für seine Zinsbelastung kann der Kläger auch nicht in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO verlangen, weil der zunächst vollziehbare Haftungsbescheid später aufgehoben worden ist. Zwar beruht die Norm des § 717 Abs. 2 ZPO auf dem Grundsatz, daß der Gläubiger, der aus einem nicht rechtsbeständigen Titel vollstreckt, dies auf seine Gefahr tut und deshalb die Folgen zu tragen hat, wenn der Vollstreckungstitel im Ergebnis keinen Bestand hat (vgl. BGHZ 54, 76, 80; 62, 7, 9). Wie der Senat jedoch bereits früher entschieden hat, ist dieser Grundsatz weder auf die Vollstreckung aus einem Steuerbescheid (BGHZ 39, 77) noch aus einem noch nicht rechtsbeständigen Verwaltungsakt (BGHZ 83, 190, 196) zu übertragen. Während es Sache des Gläubigers, der eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung erlangt hat, ist, sich mit Risiko für oder ohne Risiko gegen einen vorzeitigen Gebrauch des Titels zu entscheiden, liegt die Vollziehung eines Steuer- oder Haftungsbescheids im überwiegenden öffentlichen Interesse, so daß auch die Einlegung
eines Rechtsmittels den Vollzug nicht hemmt. Diese auf dem Vorrang des Allgemeininteresses vor dem Einzelinteresse abstellende Regelung der Vollziehbarkeit läßt einen Vergleich mit vorläufig vollstreckbaren Titeln des Zivilprozesses nicht zu (Senatsurteile BGHZ 39, 77, 79 f; BGHZ 83, 190, 196).
Der Umstand, daß für einige wichtige Steuerarten ab dem Erhebungszeitraum 1989 durch die Vorschrift des § 233 a AO die sogenannte Vollverzinsung in das Steuerrecht eingeführt worden ist, nach der - unter Berücksichtigung eines Karenzzeitraums - die betreffenden Steuern vor ihrer durch die Steuerfestsetzung begründeten Fälligkeit von ihrer Entstehung an zu verzinsen sind und auch zuviel gezahlte Steuern verzinst werden (vgl. Gesetzentwurf eines Steuerreformgesetzes 1990 BT-Drucks. 11/2157, S. 118), ändert an den vorbeschriebenen grundsätzlichen Unterschieden zwischen der Vollstreckung eines im Zivilprozeß erlangten Titels und von Abgabebescheiden nichts. Zwar mag der eingetretene Schaden eines zunächst auf einen zu hohen Steuerbetrag in Anspruch genommenen Pflichtigen durch die angeführte Zinsregelung ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Dennoch läßt sich die Regelung des § 233 a AO, die vor allem mehr Steuergerechtigkeit bewirken wollte, indem der erst spät Veranlagte hieraus keine Vorteile ziehen sollte - die Verzinsung von Erstattungsansprüchen ist nur die Kehrseite dieses Gedankens -, nicht auf den Grundsatz zurückführen, der Gläubiger müsse das Risiko tragen, das sich aus der Vollstreckung eines noch nicht rechtsbeständigen Titels ergibt. Es ist daher auch nicht Aufgabe der Zivilgerichte, im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO wirkliche oder vermeintliche Lücken zu schließen , die sich nach Auffassung des Klägers daraus ergeben, daß ein Teil der Verzinsungsvorschriften der Abgabenordnung, namentlich die §§ 233 a und
236 AO, auf Haftungsbescheide nicht anzuwenden sind (vgl. BFHE 157, 322, 324 = BStBl. II 1989, 821, 822).
3. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, ihm stehe in entsprechender Anwendung des § 236 AO für die Dauer der Rechtshängigkeit des finanzgerichtlichen Verfahrens ein Anspruch auf Verzinsung des zur Sicherheit hinterlegten Betrages zu, ist die Klage nicht zulässig.
Der insoweit erhobene Anspruch müßte - für sich allein betrachtet - beim Finanzamt geltend gemacht und von ihm beschieden werden; im Streitfall müßte das Finanzgericht über ihn befinden. Bei isolierter Geltendmachung wäre eine unmittelbar auf Zahlung gerichtete Leistungsklage - wie sie auch hier verfolgt wird - erst zulässig, wenn der Anspruch vorher durch Verwaltungsakt verbindlich festgestellt worden wäre und es nur noch um die Erfüllung dieses Anspruchs ginge (vgl. BFHE 147, 1, 3 = BStBl. II 1986, 702, 703; BFH/NV 1992, 678; Tipke/Kruse, § 40 FGO Rn. 17). An einem entsprechenden Verwaltungsakt des Finanzamts fehlt es hier.
Der bezeichnete Weg ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger den Anspruch auf Zinsen in entsprechender Anwendung des § 236 AO neben dem auf Amtshaftung gestützten Anspruch zur Entscheidung der ordentlichen Gerichte stellt. Der Senat ist daher - wie in anderen Fällen eines fehlenden behördlichen Vorverfahrens (vgl. Senatsbeschl. v. 19. Dezember 1995 - III ZR
190/94 - NVwZ-RR 1997, 204, 205 zum Vorverfahren nach §§ 5, 6 DDRStHG ) - mangels Vorliegens einer Sachurteilsvoraussetzung insoweit an einer Sachentscheidung gehindert.
Wurm Schlick Kapsa Dörr Galke