Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2015 - III ZR 204/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
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- Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Senat hat das Vorbringen der Klägerin in dem dem Senatsurteil vom 16. Juli 2015 zugrunde liegenden Verfahren vollumfänglich berücksichtigt, ihre Rechtsauffassungen jedoch in den entscheidenden Punkten nicht geteilt. Die Parteien haben nach Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch darauf, dass die Gerichte ihre Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage übernehmen.
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- Hervorzuheben sind folgende Gesichtspunkte:
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- 1. Insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Klägerin zur Fahrlässigkeit der Amtsträger des Beklagten und zu dem Erfordernis des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, dass der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert ist, hat der Senat der Klägerin das rechtliche Gehör vollumfänglich gewährt. Anders als sie in ihrer Anhörungsrüge beanstandet, hat sich der Senat auch mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte befasst, die sie für ihren Rechtsstandpunkt angeführt hat, dass für die Amtsträger des Beklagten auch vor den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 die Unionsrechtswidrigkeit der Durchsetzung des Sportwettenmonopols erkennbar gewesen sei (siehe Randnummern 20, 22 des Senatsurteils). Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die Rüge der Klägerin, der Senat habe den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 28. Juni 2006 übergangen. Insoweit wird auf Randnummer 22 des Senatsurteils verwiesen. Dass der Senat nicht jede weitere Entscheidung, auf die sich die Klägerin bezogen hat, in seinem Urteil einzeln aufgeführt hat, bedeutet nicht, dass er sie nicht in Erwägung gezogen hat. Dies war vielmehr der Fall.
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- Der Senat hat die Aussagekraft der von der Klägerin für ihre Auffassung angeführten Entscheidungen angesichts der entgegen stehenden, in Randnummer 18 a.E. zitierten Judikate lediglich abweichend gewertet (siehe im Übrigen Randnummer 20 des Senatsurteils a.E.). Hierin liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
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- Unerheblich wäre es, wenn der Senat mit seiner beiläufigen Bemerkung eingangs der Randnummer 19 seines Urteils, die Revision habe nicht in Abrede gestellt, dass die verfassungs- und unionsrechtlichen Kriterien für die Kohärenz des Sportwettenmonopols identisch gewesen seien, den Standpunkt der Klägerin missverstanden haben sollte. Auch wenn die Klägerin eine andere Rechtsauffassung geäußert hätte, hätte der Senat denselben Rechtsstandpunkt eingenommen.
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- Den übrigen als übergangen gerügten Vortrag der Klägerin zur Fahrlässigkeit beziehungsweise zum qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht hat der Senat ebenfalls in Erwägung gezogen. Dies gilt insbesondere auch für die Ausführungen in dem Aufsatz von Hilf/Salomon (EuR 2013, 549), der ausweislich seiner Eingangsfußnote vom vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin inspiriert wurde.
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- 2. Der Senat hat auch die Kritik der Klägerin an seinen Urteilen vom 18. Oktober 2012 (III ZR 197/11, NJW 2013, 168 und III ZR 196/11, EuZW 2013, 194) zur Kenntnis genommen und erwogen, die vorgebrachten Argumente jedoch für nicht durchgreifend erachtet.
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- 3. Desgleichen hat der Senat das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten für die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols ab dem 1. Januar 2008 zur Kenntnis genommen, jedoch nach Prüfung für nicht durchgreifend angesehen.
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- 4. Unbegründet ist die Anhörungsrüge auch, soweit die Klägerin geltend macht, der Senat habe hinsichtlich des Zeitraums nach Veröffentlichung der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 eine Überraschungsentscheidung gefällt. Die Rüge, die Begründung des Senats zur Haftung der Beklagten für diesen Zeitraum (Rn. 24 des Urteils) sei nicht vorher- sehbar gewesen, ist nicht nachvollziehbar. Das Berufungsgericht hat sich auf Seiten 55 unten bis 62 oben eingehend mit den auch vom Senat für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkten befasst, dass der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ungeachtet der Unzulässigkeit des in den bisherigen Staatsverträgen enthaltenen Sportwettenmonopols fortbestand und dass das von der Klägerin zu vermittelnde Wettangebot auch unabhängig von dem Monopol nicht erlaubnisfähig war. Eines Hinweises, dass dieser Aspekt im dritten Rechtszug ebenfalls von Bedeutung sein könnte, bedurfte es gegenüber der durch einen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof vertretenen Klägerin nicht mehr.
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 09.09.2011 - 5 O 5/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.05.2013 - I-11 U 88/11 -
Annotations
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.