Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Feb. 2013 - II ZR 119/11

bei uns veröffentlicht am19.02.2013
vorgehend
Landgericht Potsdam, 6 O 58/09, 27.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 119/11
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn, die
Richterin Dr. Reichart, die Richter Dr. Drescher und Born

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 4. Mai 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 223.969,41 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Kläger gründete zusammen mit seiner Ehefrau am 28. März 2001 die G. GmbH (im Folgenden: GGmbH). Ende 2001 mietete die GGmbH ein Ladenlokal in B. . Das Mietverhältnis begann am 1. März 2002 und war bis zum 28. Februar 2007 befristet. Der Kläger übernahm für alle Verpflichtungen aus dem Mietvertrag die persönliche Haftung. Am 27. Februar 2002übernahm die Beklagte Geschäftsanteile in Höhe der Hälfte des zuvor verdoppelten Stammkapitals der GGmbH. Aufgrund einer notariellen Vereinbarung vom 16./18. Dezember 2004 schieden der Kläger und seine Ehefrau aus der GGmbH aus.
2
Die Vermieterin des Ladenlokals nahm in der Folge den Kläger aus seiner persönlichen Haftübernahme für Mietschulden erfolgreich in Anspruch. Der Kläger hat mit der Behauptung, zwischen den Parteien sei eine stillschweigende Vereinbarung zustande gekommen, dass die Beklagte ihn und seine Ehefrau von sämtlichen Gesellschaftsschulden freistelle, Ausgleich von der Beklagten verlangt.
3
Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Der Kläger begehrt mit der Beschwerde die Zulassung der Revision und die Aufhebung des Berufungsurteils.
4
II. Die Beschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
5
1. Im Ausgangspunkt zu Recht hält das Berufungsgericht die vom Landgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur stillschweigenden Entlassung eines ausscheidenden Gesellschafters aus seiner internen Mithaftung für eine von den Gesellschaftern zugunsten der Gesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung (BGH, Urteil vom 11. Juli 1973 - VIII ZR 178/72, MDR 1973, 927; Urteil vom 19. Dezember 1988 - II ZR 101/88, NJW-RR 1989, 685) im Streitfall für nicht anwendbar, weil die Beklagte nicht bereits vor dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft auch persönlich für die Mietschulden der GGmbH gehaftet hat. Das Berufungsgericht hat aber - abweichend vom Landgericht - weiter ausgeführt, die Beweisaufnahme vor dem Landgericht habe nicht den vom Kläger zu führenden Beweis erbracht, die Parteien hätten vereinbart, dass die Beklagte den ausscheidenden Kläger von seiner persönlichen Haftung gegenüber der Vermieterin freizustellen habe. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4). Das Berufungsgericht durfte ohne erneute Vernehmung der Zeugen das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht anders würdigen als das Landgericht.
6
Grundsätzlich steht es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen , die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist zur nochmaligen Vernehmung jedoch verpflichtet, wenn es die protokollierten Zeugenaussagen anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz. Eine erneute Vernehmung kann in diesem Fall allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen. Insbesondere wenn das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen hat und es auf Grund einer Würdigung der Aussagen zu einem bestimmten Ergebnis gekommen ist, kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen erneut vernommen zu haben. So hat der Bundesgerichtshof etwa eine Pflicht zur nochmaligen Vernehmung eines Zeugen angenommen, wenn das erstinstanzliche Gericht die Worte "es war besprochen worden" dahin verstanden hat, der Zeuge habe damit ausdrücken wollen, die Parteien seien sich im Gespräch über den besprochenen Punkt einig geworden, während das Berufungsgericht diese Äußerung lediglich im Sinne einer ergebnislosen Erörterung werten will (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 - II ZR 103/10, WM 2011, 1533 Rn. 7 mwN).
7
Das Berufungsgericht hat hier insbesondere den Bekundungen des Zeugen B. einen anderen Sinn beigemessen als das Landgericht. So hat das Landgericht die Aussage des Zeugen dahin gewürdigt, dass zumindest stillschweigend die Freistellung des Klägers und seiner Ehefrau von den Gesellschaftsverbindlichkeiten vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht nimmt eine eigene abweichende Würdigung vor, wenn es ausführt, die Aussage des Zeugen B. , die Beklagte habe „damals alles übernehmen“ wollen, besage nicht, dass die Beklagte auch die persönlichen Verpflichtungen des Klägers ge- genüber der Vermieterin habe „übernehmen“ wollen, weil die Bedeutung einer Erklärung im Sinne von „alles übernehmen“ bei einer alleinigen Geschäftsübernahme nicht eindeutig genug sei, um damit auch die „Übernahme“ von Ver- pflichtungen mit einzuschließen. Das Berufungsgericht ist folglich zu einer von derjenigen des Landgerichts abweichenden Würdigung der Zeugenaussage gelangt, die es nicht ohne eine Wiederholung der Beweisaufnahme hätte vornehmen dürfen.
8
Sollten die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts dahin zu verstehen sein, dass es der Aussage des Zeugen bereits deshalb keine Relevanz beimisst, weil er beim Abschluss der notariellen Vereinbarung vom 16./18. Dezember 2004 nicht anwesend war, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Waren sich die Parteien im Vorfeld stillschweigend darüber einig, dass die Beklagte den Kläger von den Gesellschaftsverbindlichkeiten freistelle, ist zunächst einmal nicht davon auszugehen, dass diese vom Zeugen geschilderte Bedingung des Klägers für sein Ausscheiden aus der Gesellschaft bis zum Vertragsschluss wieder weggefallen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2010 - IV ZR 172/09 Rn. 6, juris).
9
2. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurtei- lung gelangt wäre, wenn es den Zeugen erneut vernommen und sich einen eigenen Eindruck verschafft hätte.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born

Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 27.04.2010 - 6 O 58/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 04.05.2011 - 7 U 96/10 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 398 Wiederholte und nachträgliche Vernehmung


(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen. (2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Proze

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Tenor Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Januar 2013 aufgehoben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

4
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es deren Aussagen anders gewürdigt hat als das Landgericht. Diese rechtsfehlerhafte Anwendung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1487; BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IV ZR 253/05, FamRZ 2006, 946).

(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.

(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

7
Grundsätzlich steht es allerdings im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist zur nochmaligen Vernehmung jedoch verpflichtet, wenn es die protokollierten Zeugenaussagen anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz. Eine erneute Vernehmung kann in diesem Fall allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (st. Rspr., siehe etwa BGH, Beschluss vom 24. März 2010 - VIII ZR 270/09, BauR 2010, 1095 Rn. 7). Insbesondere wenn das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen hat und es auf Grund einer Würdigung der Aussagen zu einem bestimmten Ergebnis gekommen ist, kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen erneut vernom- men zu haben (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05, NJW 2007, 372 Rn. 23). So hat der Bundesgerichtshof etwa eine Pflicht zur nochmaligen Vernehmung eines Zeugen angenommen, wenn das erstinstanzliche Gericht die Worte "es war besprochen worden" dahin verstanden hat, der Zeuge habe damit ausdrücken wollen, die Parteien seien sich im Gespräch über den besprochenen Punkt einig geworden, während das Berufungsgericht diese Äußerung lediglich im Sinne einer ergebnislosen Erörterung werten will (BGH, Urteil vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00, NJW-RR 2002, 1500 f.; ebenso BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5 f.).
6
b) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es insbesondere die als Zeugen vernommenen Steuerberater T. und L. nicht erneut vernommen hat. Diese haben übereinstimmend angegeben, es habe anlässlich der Krise der Ehe zwischen der Beklagten und dem Geschäftsführer der Klägerin ein Klärungsge- spräch bezüglich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung gegeben. Dabei seien die Darlehen unstrittig gewesen bzw. für die weitere Berechnung ungeprüft zugrunde gelegt worden. Soweit das Berufungsgericht ausführt, der Zeuge T. habe nach seinen Angaben der Besprechung nicht bis zu ihrem Ende beigewohnt, ist dies nicht geeignet, Zweifel an seiner Aussage zu wecken, da weder festgestellt ist, noch es sich aus dem sonstigen Streitstoff ergibt, dass nach dem Weggang des Zeugen T. die Parteien uneinig über den Bestand der Darlehen geworden wären. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, die unbeanstandete Einführung der Darlehensverträge in die Verhandlungen lasse sich auch dann erklären, wenn sie nur fingiert worden seien, um günstige Steuertatbestände zu schaffen, beruht dies nicht auf entsprechenden Feststellungen. Ohne konkrete Anhaltspunkte durfte das Berufungsgericht nicht erwägen, bei den Darlehen habe es sich nur um Scheingeschäfte gehandelt. Ebenso wenig steht die vom Berufungsgericht weiter aufgeführte Möglichkeit fest, zu den Geldflüssen sei es gekommen, weil der Pensionsbetrieb der Beklagten Verluste erwirtschaftet habe und durch als Darlehen bezeichnete Zuschüsse der Klägerin hätten ausgeglichen werden sollen. Aus dem Prozessstoff ergibt sich an keiner Stelle, dass Zahlungen der Klägerin als verlorene Zuschüsse und nicht lediglich als Darlehen behandelt werden sollten.