Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2013 - I ZR 94/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hat das als übergangen gerügte Vorbringen bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vollständig berücksichtigt. Auf zwei Gesichtspunkte weist der Senat zur Ergänzung hin:
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- 1. Die Anhörungsrüge ist unbegründet, soweit sie meint, der Senat habe dadurch gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen, dass er - dem Berufungsgericht folgend - den Hinweis auf der Startseite des Internetauftritts der Beklagten, wonach „die wesentlichen Grundlagen des Denkmodells der Bioresonanztherapie … durch die neuesten Erkenntnisse in der Quanten- und Biophysik bestätigt, jedoch von der derzeit herrschenden Lehrmeinung der Schulmedizin noch nicht akzeptiert“ seien, als nicht ausreichend angesehen habe, um dem Erfordernis zu genügen, mit gesundheitsbezogenen Aussagen zu werben , die nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, ohne gleichzeitig die Gegenmeinung anzuführen. Der Senat hat das Vorbringen der Beklagten in der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft und hierin keinen Zulas- sungsgrund gesehen. Dabei kam es nicht entscheidend auf die Erwägung des Berufungsgerichts an, dass derjenige, der auf die Werbeaussagen der Beklagten stoße, zuvor nicht notwendig über die Startseite des Internetauftritts geführt worden sei, auf dem sich der zitierte Hinweis befand. Denn der fragliche Hinweis war - was aus der Sicht des Senats auf der Hand lag und worauf bereits die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen hatte - schon deswegen völlig unzureichend, weil die Beklagte nicht lediglich mit den „wesentlichen Grundlagen des Denkmodells der Bioresonanztherapie“ geworben hatte, sondern eine Vielzahl konkreter Anwendungsbereiche ihrer „B. “-Geräte mit anpreisenden Werbeaussagen angeführt worden waren, die ihrerseits umstritten sind und auf die sich die auf der Startseite angeführte Gegenmeinung nicht unmittelbar bezieht.
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- Für die von der Beklagten für ihr Produkt in Anspruch genommene Heilwirkung der Rückleitung elektromagnetischer Wechselfelder in den Organismus liegt nach den von der Nichtzulassungsbeschwerde unbeanstandet getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kein wissenschaftlicher Nachweis vor. Die Beklagte hätte daher nach der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1991 - I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 849 - Rheumalind II; Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, Rn. 32 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil) die Darlegungs - und Beweislast für die Richtigkeit ihrer Werbeaussagen nur dann nicht zu tragen, wenn sie diese Aussagen jeweils durch den klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die Gegenmeinung abgeschwächt hätte. Aus diesem Grund kam es entgegen der Ansicht der Anhörungsrüge auch nicht darauf an, ob der Kläger das Fehlen eines solchen Hinweises im Rechtsstreit geltend gemacht hatte, was zudem der Fall war (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 23. April 2007 S. 8 = GA III 402).
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- 2. Der Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs, den die Anhörungsrüge im Hinblick auf die Nichteinholung des von der Beklagten zur Frage der Irreführung beantragten Sachverständigengutachtens geltend macht, liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht den streitgegenständlichen Werbeaussagen entnommen hat, dass der angesprochene Verkehr die Aussagen (auch) dahin verstehen werde, dass niemand sie ohne qualifizierte Grundlage aufstellen werde, und die Beklagte diese Beurteilung mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen hat. Das Berufungsgericht konnte daher von seinem gedanklichen Ausgangspunkt aus das Vorliegen einer Irreführung bereits durch die Auswertung des von der Beklagten zu den Akten gereichten Materials feststellen. Der Beauftragung eines Sachverständigen hätte es nur bedurft, wenn das Berufungsgericht nicht imstande gewesen wäre, die entsprechende Prüfung dieses Materials selbst vorzunehmen. Hierfür ist aber nichts ersichtlich; die Beklagte hat dies auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht.
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2006 - 17 HKO 6798/05 -
OLG München, Entscheidung vom 14.05.2009 - 6 U 2187/06 -
Annotations
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.