Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2003 - I ZR 68/01

published on 11/12/2003 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2003 - I ZR 68/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 68/01
vom
11. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert für die Revision wird für die Zeit bis zur Erledigterklärung auf 51.129,19 100.000 DM) und für die Zeit danach auf 19.103,14 37.362,50 DM) festgesetzt.

Gründe:


I. Die Beklagte vertreibt als Einzelhandelsunternehmen u.a. Lebensmittel und Lebensmittel-Zusatzprodukte. Sie verteilte im Frühjahr 1999 in ihren D. Filialen Hefte, in die als "Treue-Punkte" bezeichnete Marken eingeklebt werden konnten. Der Kunde erhielt bei jedem Einkauf für einen Warenwert von 10 DM eine Marke. Eine jeweils festgelegte Anzahl von Marken berechtigte den Kunden, Geschirr der Marken "Pyrex" oder "OMEGA" zu erwerben. Diese Artikel wurden zum größten Teil eigens für die "Treue-Aktion" hergestellt und nur in ihrem Rahmen angeboten.
Der klagende Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hat die "Treue-Aktion" als wettbewerbswidrig, insbesondere als Verstoß gegen die Zugabeverordnung und das Rabattgesetz, beanstandet. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine sogenannte "Treue-Aktion" anzukündigen und/oder durchzuführen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Kunde beim Einkauf "Treue-Punkte" sammeln kann, die auf eine "Treue-Karte" aufzukleben sind und beim Erreichen einer bestimmten Anzahl von "Treue-Punkten" zum Erwerb bestimmter Produkte zum "Treue-Preis" berechtigen, insbesondere wenn dies geschieht wie aus den (im Antrag wiedergegebenen ) Anlagen K 2 und K 3 ersichtlich. Die Beklagte hat ihr Vorgehen als zulässiges Mittel der Kundenbindung verteidigt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Kläger hat nach der Aufhebung der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigterklärung angeschlossen.
II. 1. Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsverfahren erklärt werden (vgl. BGHZ 123, 264, 265 f.). Der Senat hat somit gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluß über die Kosten zu entschei-
den. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu treffen (§ 128 Abs. 3 ZPO).
2. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Beklagten aufzuerlegen, weil ihre Revision keinen Erfolg gehabt hätte, wenn die Zugabeverordnung nicht durch Art. 1 des Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1661) mit Wirkung vom 25. Juli 2001 aufgehoben worden wäre.

a) Bei der Entscheidung nach § 91a ZPO ist darauf abzustellen, ob das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre (vgl. BGHZ 50, 197, 199; BGH, Beschl. v. 26.9.2001 - I ZR 3/01, Umdruck S. 3, unveröffentlicht). Es würde nicht billigem Ermessen entsprechen, den Kläger nur deshalb mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten, weil die Aufhebung der Zugabeverordnung die Rechtslage während des Revisionsverfahrens zugunsten der Beklagten verändert hat. Die bis zur Änderung der Rechtslage angefallenen Verfahrenskosten wären nicht entstanden, wenn die Beklagte nicht zu der Klage, die bis zum erledigenden Ereignis begründet war, Anlaß gegeben hätte (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a Rdn. 25).

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger vor der Aufhebung der Zugabeverordnung der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustand (§ 2 Abs. 1 i.V. mit § 1 Abs. 1 ZugabeVO).
aa) Durch die Werbung und die Ausgabe der "Treue-Punkte" hat die Beklagte eine Zugabe angeboten und gewährt.
Eine Zugabe im Sinne des § 1 Abs. 1 ZugabeVO liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berechnung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware gewährt wird, der Erwerb der Nebenleistung vom Abschluß des Geschäfts über die Hauptware abhängig ist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, daß die Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware gewährt wird und das Angebot wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Zugabe kann in den Augen des angesprochenen Verkehrs, auf dessen Verständnis es ankommt, jeder wirtschaftliche Vorteil sein, der nicht als Teil der Hauptleistung angesehen wird, weil er über das üblicherweise Gewünschte und Erwartete hinausgeht und nicht durch die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, hier die Zahlung des Kaufpreises, ausgeglichen wird (BGH, Urt. v. 28.9.2000 - I ZR 201/98, GRUR 2001, 358, 359 = WRP 2001, 258 - Rückgaberecht , m.w.N.).
Aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrs sind bereits die "Treue-Punkte" wirtschaftliche Vorteile in diesem Sinn. Bei Gutscheinen, die einen Anspruch auf eine Zuwendung vermitteln, wird allerdings nicht etwa der Gutschein selbst, sondern die auf den Gutschein erbrachte Leistung als Zugabe angesehen (vgl. BGHZ 11, 274, 278 - Orbis; BGH, Urt. v. 30.4.1968 - I ZR 20/66, GRUR 1968, 600, 601 - Ratio-Markt II, m.w.N.). Von Gutscheinen dieser Art unterscheiden sich die "Treue-Punkte" aber dadurch, daß sie - auch bei Sammlung einer ausreichenden Zahl von "Treue-Punkten" - kein Anrecht auf eine bestimmte Zuwendung verbriefen (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 17.9.1998 - I ZR 117/96, GRUR 1999, 515, 516 = WRP 1999, 424 - Bonusmeilen). Welche Ware unter Einsatz der "Treue-Punkte" erworben werden kann, hängt vielmehr von der späteren Auswahl des Kunden unter den Angeboten der "Treue-Aktion" sowie davon ab, ob die betreffende Ware dann noch vorrätig ist. Die "Treue-Punkte"
verkörpern jedoch wegen der Möglichkeit, mit ihrer Hilfe bestimmte Waren zu günstigen Preisen zu erwerben, einen wirtschaftlichen Wert.
bb) Nach der rechtsfehlerfreien Feststellung des Berufungsgerichts sind die "Treue-Punkte" auch keine geringwertige Kleinigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a 2. Altern. ZugabeVO. Kleinigkeit in diesem Sinn sind Gegenstände oder Leistungen, die von niemand, auch nicht von Käufern, die nur über geringe Mittel verfügen, wirtschaftlich sonderlich geachtet werden (vgl. BGHZ 11, 260, 268 - Kunststoff-Figuren I). Maßgebend dafür ist die Sicht des Verkehrs , die auch durch die Art der konkreten Werbung beeinflußt wird. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führte das Sonderbezugsrecht hier nach dem Kauf anderer Waren im Wert von 50 bis 250 DM bei jedem Sonderbezugsartikel zu einer Preisvergünstigung von etwa 5 bis 10 DM. "Treue-Punkte", die zur Inanspruchnahme solcher Vergünstigungen berechtigen, können nicht mehr als geringwertige Kleinigkeit angesehen werden.
cc) Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß die Gewährung der "Treue-Punkte" nicht als handelsübliche Nebenleistung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. d ZugabeVO anzusehen ist (vgl. dazu BGH GRUR 1999, 515, 517 - Bonusmeilen). Weder bestand zur Zeit der Werbemaßnahme (im Jahr 1999) eine entsprechende tatsächliche Übung noch konnte damals angenommen werden, daß sich eine solche Werbemaßnahme nach den Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten hielt. Zu beurteilen ist diese Frage der Anwendung des § 1 Abs. 2 Buchst. d ZugabeVO noch nach den Maßstäben, die von der Zugabeverordnung für den Umfang des Verbraucherschutzes gegen Irreführung, unsachliche Beeinflussung und Preisverschleierung gesetzt wurden. Nach diesen Maßstäben war es unzulässig, Kunden im Rahmen eines "Treue-Punkte"-
Systems, wie es die Beklagte beworben hat, durch Vergünstigungen, deren Ausmaß nicht offengelegt wird, zu "belohnen". Dabei ist entscheidend, daß ein Anreiz, wie ihn die Beklagte durch ihre "Treue-Punkte" gegeben hat, in keiner inneren Beziehung zu den Hauptwaren steht, bei deren Kauf "Treue-Punkte" vergeben werden.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Bergmann
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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V
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Annotations

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.