Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2012 - I ZR 35/11

bei uns veröffentlicht am28.06.2012
vorgehend
Landgericht Köln, 28 O 229/09, 05.05.2010
Oberlandesgericht Köln, 6 U 101/10, 28.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 35/11 Verkündet am:
28. Juni 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hi Hotel
Verordnung (EG) 44/2001 Art. 5 Nr. 3
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3
der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S.

1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 dahin auszulegen, dass das
schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten ist,
wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus
der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat

B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat
(Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht
?
BGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - I ZR 35/11 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 dahin auszulegen, dass das schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat
A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht?

Gründe:


1
I. Der Kläger ist Fotograf. Die Beklagte betreibt in Nizza das „Hi Hotel“. Im Februar 2003 fertigte der Kläger im Auftrag der Beklagten 25 Dias mit Innenansichten verschiedener Räume des Hotels. Er räumte der Beklagten jedenfalls das Recht zur Nutzung der Fotografien in Werbeprospekten und auf ihrer Internetseite ein. Eine schriftliche Vereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten gibt es nicht. Ende Februar 2003 stellte der Kläger der Beklagten mit der Bemerkung „include the rights - only for the hotel hi“ 2.500 € für 25 Fotoaufnahmen in Rechnung. Die Beklagte zahlte diesen Betrag. Sie verwendete die Lichtbilder in Prospekten und auf ihrer Homepage.
2
Im Jahr 2008 bemerkte der Kläger in einer Buchhandlung in Köln den im Phaidon-Verlag mit Sitz in Berlin erschienenen Fotoband „Innenarchitektur weltweit“, der Abbildungen von neun seiner Innenaufnahmen des „Hi Hotels“ enthält. Die Fotografien sind auch in anderen Bildbänden, darunter dem im Taschen -Verlag mit Sitz in Köln erschienenen Band „Architecture in France“, veröffentlicht.
3
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die Weitergabe der Fotografien an Dritte wie den Phaidon-Verlag seine urheberrechtlich geschützten Rechte an den Fotografien verletzt. Er habe der Beklagten allein das Recht eingeräumt, die Fotografien zur Werbung für ihr Hotel in Prospekten und im Internet zu nutzen.
4
Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits Auskunft erteilt hat, hat der Kläger die Auskunftsanträge für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
5
Der Kläger hat zuletzt beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen , die von ihm überlassenen Fotografien, nämlich neun Innenaufnahmen des „Hi Hotels“ gemäß der Anlage K 1, ohne seine vorherige Zustimmung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen oder auszustellen oder ausstellen zu lassen; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu ersetzen , der ihm aus den im Antrag zu 1 genannten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird; 3. festzustellen, dass die zunächst gestellten Auskunftsanträge in der Hauptsache erledigt sind.
6
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Phaidon -Verlag habe auch einen Sitz in Paris. Ihrem Hoteldirektor sei es nicht verwehrt gewesen, die Bilder einem französischen Verlag zur Verfügung zu stellen. Es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob dieser Verlag die Bilder an seine deutsche Schwestergesellschaft weitergegeben habe.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
8
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 - nachfolgend Brüssel-I-VO) ab. Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
9
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht seien nach § 97 UrhG begründet; dem Kläger hätten auch die zunächst erhobenen Ansprüche auf Auskunftserteilung zugestanden. Dazu hat es ausgeführt :
10
Da der Kläger für die Fotografien urheberrechtlichen Schutz in Deutschland beanspruche, sei nach dem Schutzlandprinzip für das Bestehen und den Umfang der Rechte sowie den Tatbestand der Rechtsverletzung deutsches Recht zugrunde zu legen. Die Fotografien seien jedenfalls als Lichtbilder gemäß § 72 Abs. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt. Der Kläger habe die Bilder selbst angefertigt und sei daher deren Urheber. Die Beklagte sei hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert, weil sie die Bilder weitergegeben habe. Die Frage, ob sie auch ohne ausdrückliche Gestattung des Klägers befugt gewesen sei, Dritten das Recht zur eigenen Nutzung der Lichtbilder einzuräumen , sei nach deutschem Urheberrecht zu beurteilen. Gemäß Art. 28 EGBGB aF sei zwar grundsätzlich französisches Recht anzuwenden, weil der Vertrag mit Frankreich engere Verbindungen als mit Deutschland aufweise. Gleichwohl sei die Übertragungszweckregel des § 31 Abs. 5 UrhG anwendbar, da sie den Sachverhalt im Sinne des Art. 34 EGBGB aF unabhängig vom auf den Vertrag anzuwendenden Recht zwingend regele. Bei Anwendung der Übertragungszweckregel könne kein Zweifel bestehen, dass der Kläger der Beklagten nicht das Recht eingeräumt habe, die Bilder in Bildbänden zu verwenden, die nicht der Bewerbung des Hotels dienten, oder sie Dritten für eine solche Verwendung zu überlassen. Die Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz seien nicht verjährt. Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden der Beklagten liege vor.
11
2. Die deutschen Gerichte können über die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nur dann sachlich entscheiden, wenn sie dafür international zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich im Streitfall allein aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO ergeben.
12
a) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a Brüssel-I-VO besteht nicht. Nach dieser Regelung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Der Kläger nimmt die Beklagte nicht wegen Vertragsverletzung, sondern wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. Zudem liegt der Erfüllungsort nicht in Deutschland, sondern in Frankreich.
13
b) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 24 Brüssel-I-VO scheidet gleichfalls aus. Nach dieser Bestimmung wird ein Gericht zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen. Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts bereits mit dem ersten Verteidigungsvorbringen ausdrücklich gerügt.
14
3. Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung, eine Handlung , die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
15
a) Die beklagte Gesellschaft hat ihren Wohnsitz im Sinne der Verordnung in Frankreich. Gesellschaften haben gemäß Art. 60 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-IVO für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes. Der satzungsmäßige Sitz der Beklagten ist Nizza.
16
b) Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-IVO zählen auch Urheberrechtsverletzungen. Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung wegen Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte des Klägers.
17
c) Für die internationale Zuständigkeit der nationalen Gerichte kommt es grundsätzlich nur darauf an, ob der Kläger schlüssig vorgetragen hat, dass im Inland ein im Sinne des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO schädigendes Ereignis eingetreten ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654 Rn. 26 - Wintersteiger/Products 4U; BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 19; zum gleichlautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - I ZR 114/04, BGHZ 171, 151 Rn. 17 - Wagenfeld-Leuchte, mwN).
18
aa) Nach dem Vorbringen des Klägers ist sein urheberrechtlich geschütztes Recht an den Lichtbildern dadurch in Deutschland verletzt worden, dass der in Berlin ansässige Phaidon-Verlag diese Lichtbilder in seinem Fotoband „Innenarchitektur weltweit“ über eine Buchhandlung in Köln verbreitet hat (§ 17 Abs. 1 UrhG). Zu weiteren Verletzungen seines Rechts im Inland hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Insbesondere lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, durch welche konkreten Handlungen sein Recht zur Vervielfältigung (§ 16 Abs. 1 UrhG) oder Ausstellung (§ 18 UrhG) der Fotografien im Inland verletzt sein könnte oder andere Verlage in sein Recht zur Verbreitung der Fotografien in Deutschland eingegriffen haben könnten.
19
Der Kläger hat im Blick auf die Veröffentlichung seiner Fotografien im Fotoband des in Berlin ansässigen Phaidon-Verlages behauptet, die Beklagte habe die Fotografien an den Phaidon-Verlag weitergegeben. Die Beklagte hat da- raufhin vorgetragen, der Phaidon-Verlag habe auch einen Sitz in Paris. Ihrem Hoteldirektor sei es nicht verwehrt gewesen, die Bilder einem französischen Verlag zur Verfügung zu stellen. Es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob dieser Verlag die Bilder an seine deutsche Schwestergesellschaft weitergegeben habe. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten und hat insbesondere nicht dargelegt , dass die Beklagte die Fotografien nicht dem Phaidon-Verlag in Paris, sondern dem Phaidon-Verlag in Berlin ausgehändigt hat. Für die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, dass er sich das Vorbringen der Beklagten, sie habe dem in Paris ansässigen Phaidon-Verlag die Lichtbilder übergeben, zu eigen gemacht hat und behauptet, dieser Verlag habe die Bilder an seine deutsche Schwestergesellschaft weitergegeben.
20
Folglich ist der Prüfung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO der Vortrag des Klägers zugrunde zu legen , dass der in Berlin ansässige Phaidon-Verlag die in Rede stehenden Lichtbilder unbefugt im Inland verbreitet und die Beklagte dazu durch Übergabe der Lichtbilder an den in Paris ansässigen Phaidon-Verlag Hilfe geleistet hat.
21
bb) Nicht als geklärt angesehen werden kann, ob ein schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat
A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche hergeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen worden ist (vorliegend die Übergabe der Lichtbilder in Frankreich an den in Paris ansässigen Phaidon-Verlag durch die Beklagte) und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat
A) erfolgten unerlaubten Handlung des Haupttäters (hier die Verbreitung der Lichtbilder in Deutschland durch den in Berlin ansässigen PhaidonVerlag ) besteht.
22
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO bezeichnet der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, sowohl den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415 = GRUR Int. 1998, 298 Rn. 20 f. - Shevill; EuGH, GRUR 2012, 300 Rn. 41 - eDate Advertising/X und Martinez/MGN).
23
Im vorliegenden Revisionsverfahren ist nach dem Vortrag des Klägers davon auszugehen, dass der in Berlin ansässige Phaidon-Verlag die in Rede stehenden Lichtbilder unbefugt in Deutschland verbreitet hat und Handlungsund Erfolgsort insoweit in Deutschland liegen.
24
Kommt es für die Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auf den Handlungs- und Erfolgsort an, ist zu erwägen, ob am Handlungs- oder Erfolgsort der Haupttat zugleich auch ein Handlungs- oder Erfolgsort der Verletzungshandlung eines Teilnehmers begründet ist (vgl. österr. OGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - 4 Ob 122/03z, ZfRV 2003, 226; OLG Frankfurt, ZIP 2006, 2385, 2386 f.; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 22; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 236; Kropholler/ v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 83b; Stein/ Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 153; Simotta in Fasching/ Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Wien 2008, Art. 5 EuGVVO Rn. 297; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht , 2007, S. 226; aA Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 20a; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht , 2011, Art. 5 Brüssel-I-VO Rn. 88f; Weller, IPRax 2000, 202, 205; vgl. auch Vorabentscheidungsersuchen LG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2011 - 15 O 601/09, RIW 2011, 810, anhängig beim EuGH unter C-228/11). Da einem Teilnehmer die Verletzungshandlungen des Haupttäters zuzurechnen sind, könnte für die Frage, wo die Verletzungshandlung des Teilnehmers begangen ist, auch der Handlungsort der Haupttat maßgeblich sein. Dementsprechend hat der österreichische Oberste Gerichtshof die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für eine Klage gegen ein italienisches Unternehmen bejaht, das durch den Verkauf markenrechtsverletzender Waren in Italien an österreichische Händler eine Beihilfe zu einem Markenrechtseingriff der Händler in Österreich geleistet hat (OGH, ZfRV 2003, 226).
25
Im vorliegenden Fall ist das Urheberrecht nach dem Vortrag des Klägers durch den in Berlin ansässigen Phaidon-Verlag in Deutschland verletzt worden. Handlungs- und Erfolgsort liegen insoweit im Inland. Ist der Beklagten als Teilnehmerin diese Verletzungshandlung auch im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 BrüsselI -VO zuzurechnen, wäre die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vorliegend begründet.
26
Kommt es für die Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auch auf den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs an (Erfolgsort), kommt in Betracht, den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs durch den Haupttäter zugleich als den Ort anzusehen, an dem der Schadenserfolg der Teilnahmehandlung eingetreten ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 2011 - XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 Rn. 31 ff.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - Gleiches gilt für Art. 5 Nr. 3 Brüssel -I-VO - das Ziel der Verwirklichung einer geordneten Rechtspflege zugrunde. Danach ist das Gericht jedes Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlung erfolgt ist, örtlich am besten geeignet, um die in diesem Staat erfolgte Handlung zu beurteilen und den Umfang des entsprechenden Schadens zu bestimmen (vgl. EuGH, NJW 1995, 1881 Rn. 31 - Shevill). Dieser Gedanke ist nach Ansicht des Senats auch auf die Zuständigkeit der nationalen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO wegen Verletzung eines Urheberrechts übertragbar. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Senats ein beachtenswertes Interesse, die Zuständigkeit des nationalen Gerichts nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht auf Ansprüche gegen den Haupttäter zu beschränken, sondern auch die Handlungen eines Gehilfen zu erfassen, dessen Tatbeitrag zur Verwirklichung des Schadenserfolgs im Inland beigetragen hat.
27
(2) Gegen die Annahme einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO spricht nicht das Rechtsinstitut der Konsumtion. Es kann nicht angenommen werden, die Haftung der Beklagten als Täterin einer etwaigen Urheberrechtsverletzung in Frankreich schließe ihre Haftung als Teilnehmerin einer Urheberrechtsverletzung des Phaidon-Verlages in Deutschland aus, weil die leichtere Begehungsform der Beihilfe durch die schwerere der Haupttat konsumiert werde.
28
Das Rechtsinstitut der Konsumtion entstammt dem Strafrecht und stellt einen Unterfall der Gesetzeseinheit dar. Der Konsumtion unterfallen mit abgegoltene Begleit-, Vor- oder Nachtaten, deren Unrechts- und Schuldgehalt durch die Bestrafung der Haupttat ausgeglichen ist, etwa weil die Tatbestandsverwirklichung der Begleittat regelmäßige Folge der Haupttat ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 - 2 StR 146/55, BGHSt 8, 54; Beschluss vom 23. April 2002 - 1 StR 95/02, NStZ-RR 2002, 235; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 104 und 124 ff.).
29
Das für den Schuldausspruch und die Strafzumessung bedeutsame Rechtsinstitut der Konsumtion ist auf die Frage des Ortes der Verletzungshandlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht sinngemäß übertragbar. Die Konsumtion beruht auf Erwägungen zum Unrechts- und Schuldgehalt verschie- dener Straftatbestände. Diesen liegt kein verallgemeinerungsfähiges Prinzip des zivilrechtlichen Deliktsrechts zugrunde.
30
Dagegen, dass die Teilnahme der Beklagten an einer Urheberrechtsverletzung in Deutschland hinter einer Urheberrechtsverletzung in Frankreich zurücktritt , sprechen auch die unterschiedlichen Rechtsfolgen, die sich aus einer Urheberrechtsverletzung in Frankreich und der Teilnahme an einer Urheberrechtsverletzung in Deutschland ergeben. Beteiligt sich die Beklagte an einer Urheberrechtsverletzung in Deutschland, ist sie für den aus dieser Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden mitverantwortlich. Dieser wird häufig nicht deckungsgleich sein mit dem durch die Urheberrechtsverletzung in Frankreich verursachten Schaden.
31
(3) Einer Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auf denjenigen, der Beihilfe zu einer im Inland begangenen Urheberrechtsverletzung geleistet hat, steht aus Sicht des Senats nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO entgegen , wonach die Gerichte jedes Mitgliedstaats regelmäßig nur für die Entscheidung über diejenigen Schäden zuständig sind, die in diesem Staat entstanden sind (vgl. EuGH, NJW 1995, 1881 Rn. 30 - Shevill; GRUR 2012, 300 Rn. 51 - eDate Advertising/X und Martinez/MGN). Daraus lässt sich nach Ansicht des Senats nicht der Schluss ziehen, dass eine internationale Zuständigkeit eines nationalen Gerichts nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht für die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Unterstützungshandlung eines Gehilfen an einer im Staat des Sitzes des Gerichts durch den Haupttäter begangenen Urheberrechtsverletzung besteht. Dagegen spricht zum einen, dass dem Gehilfen nach § 830 BGB der Tatbeitrag des Täters zuzurechnen ist und daher auch der Gehilfe für den gesamten im Inland entstandenen Schaden verantwortlich ist. Zum anderen steht dem die Überlegung entgegen, dass der Gehilfe mit seinem Tatbeitrag die Verwirklichung des Schadenserfolgs im Inland gefördert hat.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 05.05.2010 - 28 O 229/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.01.2011 - 6 U 101/10 -

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Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz


(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch a

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 830 Mittäter und Beteiligte


(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 31 Einräumung von Nutzungsrechten


(1) Der Urheber kann einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eing

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 16 Vervielfältigungsrecht


(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl. (2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vo

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 17 Verbreitungsrecht


(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. (2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitu

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 72 Lichtbilder


(1) Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt. (2) Das Recht nach Absatz 1 steht dem Lichtbildner zu. (3

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 18 Ausstellungsrecht


Das Ausstellungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines unveröffentlichten Werkes der bildenden Künste oder eines unveröffentlichten Lichtbildwerkes öffentlich zur Schau zu stellen.

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(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

(2) Das Recht nach Absatz 1 steht dem Lichtbildner zu.

(3) Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

(1) Der Urheber kann einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden.

(2) Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk auf die erlaubte Art zu nutzen, ohne dass eine Nutzung durch andere ausgeschlossen ist.

(3) Das ausschließliche Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und Nutzungsrechte einzuräumen. Es kann bestimmt werden, dass die Nutzung durch den Urheber vorbehalten bleibt. § 35 bleibt unberührt.

(4) (weggefallen)

(5) Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt.

19
a) Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die, wie die Beklagte, ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht mit dem Ort identisch, an dem durch dieses Ereignis ein Schaden entstanden ist, kann der Beklagte nach Wahl des Klägers sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 24 f. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 20 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 11 - Marinari, vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 16 - Kronhofer und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 23 - Zuid-Chemie BV). Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Die Feststellung dieser Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (vgl. BGHZ 167, 91, Tz. 21; BGH, Urteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, WM 2008, 479, Tz. 14 und vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils m.w.N.).
17
Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung fallen auch Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen (vgl. Katzenberger in Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rdn. 172; zum gleichlautenden Art. 5 Abs. 3 Brüssel-I-VO Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rdn. 61). Erfolgsort i.S. von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist jeder Ort, an dem die behauptete Verletzung des geschützten Rechtsgutes eingetreten ist. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME; BGHZ 167, 91 Tz. 21 - Arzneimittelwerbung im Internet). Ist die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ durch den Ort des schädigenden Ereignisses begründet, erstreckt sie sich auch auf Unterlassungsansprüche, die aus der behaupteten Verletzung hergeleitet werden (vgl. EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - C-167/00, Slg. 2002, I-8111 = NJW 2002, 3617 Tz. 48, 49 - Henkel; BGH, Urt. v. 24.10.2005 - II ZR 329/03, NJW 2006, 689 Tz. 7).

(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.

(3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken

1.
von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder
2.
im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichen Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden.

(1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

(2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt.

Das Ausstellungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines unveröffentlichten Werkes der bildenden Künste oder eines unveröffentlichten Lichtbildwerkes öffentlich zur Schau zu stellen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 54/09 Verkündet am:
15. November 2011
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der Beklagten, einem britischen Brokerunternehmen mit Sitz in L. , Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Börsenoptionsgeschäften.
2
Die der englischen Finanzaufsicht unterliegende Beklagte bietet neben institutionellen Kunden auch Privatkunden ihre Execution- und Clearingdienste für den Handel mit Derivaten an. Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die von der Beklagten abgewickelt werden.
3
Einer dieser Vermittler war W. , D. (im Folgenden: W.), der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. lag ein als "Introducing Broker Agreement" bezeichnetes Abkommen vom 12. Juli 2001 zugrunde, das nach seiner Präambel den Zweck verfolgte, ein einträgliches Brokergeschäft aufzubauen. Die Beklagte hatte W. jede erdenkliche Unterstützung bei der Entwicklung des Geschäfts zu geben, für die von W. geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. W. war verpflichtet , größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um der Beklagten Kunden zuzuführen. Dabei hatte er aufsichts- und privatrechtliche Pflichten einzuhalten. In einem Schreiben vom 12. Juli 2001 bestätigte die Beklagte W., dass sie angeworbenen Kunden für jeden gehandelten Kontrakt eine Roundturn -Provision von 120 US-Dollar berechne, von der sie 25 US-Dollar und W. 95 US-Dollar erhalte.
4
Der Kläger schloss im August 2002 mit W. einen formularmäßigen Vertrag über die Vermittlung von Börsengeschäften. Nach einer Vergütungstabelle, die dem Vertrag beigefügt war, schuldete der Kläger für jeden gehandelten Kontrakt W. eine Roundturn-Provision von 100 US-Dollar und der Beklagten weitere 20 US-Dollar.
5
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vermittlungsvertrages erhielt der Kläger von der Beklagten das Formular "Private Customer Dealing Agreement /Handelsvereinbarung für Privatkunden" und das Merkblatt "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften".
6
W. eröffnete zur Durchführung der Geschäfte bei der Beklagten ein Konto für den Kläger. Dieser überwies von seinem in Deutschland geführten Konto auf das ebenfalls in Deutschland geführte Konto der Beklagten in der Zeit vom 27. August bis 18. Dezember 2002 insgesamt 218.000 €. Die Beklagte führte die von W. vermittelten Optionsgeschäfte aus und überwies dem Kläger in der Zeit vom 23. September 2002 bis 15. April 2003 insgesamt 30.591,92 € zurück. Den Differenzbetrag von 187.408,08 € zuzüglich Zinsen vom Zeitpunkt der einzelnen Überweisungen an sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.622,68 € macht dieser mit der Klage geltend.
7
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 187.408,08 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit sowie weiterer 1.409,49 € stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der die Zinsforderung in voller Höhe weiter verfolgt worden ist, zurück- und auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
8
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in Höhe von 187.408,08 € nebst Zinsen vom Zeitpunkt der einzelnen Überweisungen an sowie in Höhe weiterer 1.409,49 € weiter.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision ist begründet.

I.

10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
11
Die ausschließlich auf deliktische Schadensersatzansprüche gestützte Klage sei zulässig, aber unbegründet.
12
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ergebe sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Der Handlungsort des der Beklagten zur Last gelegten Delikts befinde sich in Deutschland. Die Beklagte müsse sich die Anwerbung des Klägers durch W. in Deutschland zurechnen lassen. Nr. 30 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (gemeint: Private Customer Dealing Agreement), der die ausschließliche Zuständigkeit englischer Gerichte vorsehe , erfülle nicht die Voraussetzungen einer wirksamen Prorogation gemäß Art. 23 EuGVVO.
13
Auf die geltend gemachten deliktischen Ansprüche sei gemäß Art. 40 f. EGBGB aF deutsches Recht anwendbar, da D. als maßgeblicher Handlungsort anzusehen sei. Die Parteien hätten das deutsche Deliktsrecht in Nr. 30 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (gemeint: Private Customer Dealing Agreement) nicht wirksam abbedungen. Eine Rechtswahl vor Eintritt des schädigenden Ereignisses sei gemäß Art. 42 EGBGB aF unwirksam.
14
Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß §§ 826, 830 Abs. 2 BGB wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des W. durch unterlassene Risikoaufklärung. Der Kläger habe bereits eine entsprechende Haupttat des W. gemäß § 826 BGB nicht dargelegt. Allerdings habe W. den Kläger nicht in der erforderlichen Weise aufgeklärt. Der Vermittlungsvertrag enthalte zwar Risikohinweise, nicht aber den Hinweis auf die von Anfang an bestehende praktische Chancenlosigkeit der Optionsgeschäfte aufgrund der dem Vermittler und dem Broker zu zahlenden Prämienaufschläge. Dieser Hinweis fehle auch in den "Wichtigen Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften". Die Aufklärungspflicht entfalle auch nicht wegen angeblicher Marktüblichkeit der Aufschläge von 120 US-Dollar. Dies könne allenfalls bei geringfügigen Aufschlägen in Betracht kommen. Die von der Beklagten und W. erhobenen Aufschläge seien jedoch nicht geringfügig gewesen, sondern hätten durchschnittlich 31% betragen.
15
Der Kläger sei jedoch nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Kläger bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung zu W. bereits termingeschäftserfahren gewesen sei. Zu einer weiteren Substantiierung sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, weil der Kläger ihren Vortrag nicht bestritten habe. In erster Instanz sei er dem Vortrag der Beklagten gar nicht entgegengetreten. In zweiter Instanz habe er ihn zunächst in sich widersprüchlich und damit unwirksam bestritten. Der nach einem gerichtlichen Hinweis erfolgte Vortrag des Klägers, er habe keine Anlageerfahrung mit Optionsgeschäften besessen , sei mangels Zulassungsgrundes gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
16
Die Klage sei auch nicht gemäß §§ 826, 830 Abs. 2 BGB wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch churning begründet. Die von W. und der Beklagten erzielten Provisionen hätten zwar einen Umfang erreicht , der einem erfolgreichen churning entspreche. Gleichwohl habe der Kläger den objektiven Tatbestand der Provisionsschinderei durch W. nicht dargetan. In erster Instanz sei unstreitig gewesen, dass der Kläger alle Anlageentscheidungen selbst getroffen habe. Auch in zweiter Instanz habe der Kläger nicht vorgetragen, dass W. durch Ausnutzen der ihm erteilten Vollmacht oder durch Missbrauch seiner Vertrauensstellung durch Rat oder Empfehlung Einfluss auf das Kapitalvermögen des Klägers genommen habe.
17
Ein Anspruch gemäß §§ 826, 830 Abs. 2 BGB sei auch nicht wegen einer sittenwidrigen kick-back-Vereinbarung begründet. Eine solche Vereinbarung könne einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nur rechtfertigen, wenn sie dem Anleger verheimlicht werde. W. habe dem Kläger aber bereits bei Abschluss des Vermittlungsvertrages offen gelegt, dass er von den Provisionen, die die Beklagte einbehalte, den größten Teil zurückerstattet bekomme.
18
Mangels Hauptforderung sei auch der Zinsanspruch des Klägers unbegründet.

II.

19
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
20
1. Das Berufungsgericht ist allerdings im Ergebnis zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es hat die - auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff., vom 9. Juli 2009 - Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 Rn. 9; Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 17 und BGH, Urteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928 Rn. 8, jeweils mwN) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 bis 23, berichtigt in ABl. EG Nr. L 307 vom 24. November 2001, S. 28; im Folgenden: EuGVVO) zu Recht bejaht.
21
a) Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die, wie die Beklagte, ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht mit dem Ort identisch, an dem durch dieses Ereignis ein Schaden entstanden ist, kann der Beklagte nach Wahl des Klägers sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (vgl. EuGH, Slg. 1976, 1735 Rn. 24 f. - Mines de potasse d'Alsace; Slg. 1995, I-415 Rn. 20 - Shevill; Slg. 1995, I-2719 Rn. 11 - Marinari; Slg. 2004, I-6009 Rn. 16 - Kronhofer; RIW 2009, 719 Rn. 23 - Zuid-Chemie BV). Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Die Feststellung dieser Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 2006, BGHZ 167, 91 Rn. 21, vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, WM 2008, 479 Rn. 14 und vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928 Rn. 8, jeweils mwN).
22
aa) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger eine Schadenshaftung aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO geltend macht.
23
Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft. Der Begriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Slg. 2002, I-7357 Rn. 23 - Tacconi; Slg. 2005, I-481 Rn. 50 f. - Engler, jeweils mwN).
24
Gemessen hieran bildet eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Kläger verlangt Ersatz eines Vermögensschadens , den ihm W. durch die Vermittlung von vornherein chancenloser Börsentermingeschäfte vorsätzlich und unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten zugefügt haben soll (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 19, 24 ff.). Damit knüpft die Klage nicht entscheidend an die zwischen den Parteien geschlossene Handelsvereinbarung an. Die geltend gemachte Teilnehmerhaftung der Beklagten ist nicht Ausdruck von Schwierigkeiten , die bei der Erfüllung einer aus der Handelsvereinbarung folgenden Verpflichtung auftreten können (vgl. hierzu Generalanwalt Darmon, Schlussanträge vom 15. Juni 1988 in der Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565 Rn. 30 - Kalfelis). Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich beteiligt hat, stehen vielmehr im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten und des W., ihrer Geschäftsbeziehung und dem zwischen ihnen geschlossenen Abkommen, an dem der Kläger nicht beteiligt war.
25
bb) Bei der Auslegung des somit anwendbaren Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dessen Regelungszweck zu berücksichtigen. Die Vorschrift trägt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden : EuGH) zu der nahezu gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. II 1972, S. 773, 774 ff.; im Folgenden: EuGVÜ) dem Umstand Rechnung, dass zwischen Streitigkeiten über unerlaubte Handlungen und den nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständigen Gerichten eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und sachgerechten Prozessgestaltung eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (vgl. EuGH, Slg. 1976, 1735 Rn. 8 ff. - Mines de Potasse d'Alsace; Slg. 1990, I-49 Rn. 17 - Dumez France und Tracoba; Slg. 1995, I-415 Rn. 19 - Shevill; Slg. 1995, I-2719 Rn. 10 - Marinari; Slg. 2004, I-6009 Rn. 15 - Kronhofer). Dieser Erwägung, die auch für die Auslegung der EuGVVO maßgeblich ist (vgl. 19. Erwägungsgrund zur EuGVVO; EuGH, RIW 2009, 719 Rn. 18 f. - Zuid-Chemie BV), liegt die Annahme zugrunde, dass das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. EuGH, RIW 2009, 719 Rn. 24 - Zuid-Chemie BV).
26
Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hat im Rahmen des Zuständigkeitssystems der EuGVVO Ausnahmecharakter und ist grundsätzlich eng auszulegen. Die EuGVVO baut auf einer durch Art. 2 Abs. 1 begründeten allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates auf, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und schließt in Art. 3 Abs. 2 die Anwendung nationaler Bestimmungen aus, die Gerichtsstände am Wohnsitz des Klägers gegenüber Beklagten begründen , die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben (vgl. EuGH, Slg. 1990, I-49 Rn. 16 - Dumez France und Tracoba; Slg. 1995, I-2719 Rn. 13 - Marinari). Besonderen Zuständigkeitsregelungen wie Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist daher eine enge Auslegung zu geben, die nicht über die ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Fälle hinausgeht (EuGH, Slg. 1988, 5565 Rn. 19 - Kalfelis; Slg. 1990, I-49 Rn. 19 - Dumez France und Tracoba; Slg. 2004, I-6009 Rn. 14 - Kronhofer) und insbesondere nicht zur Erstreckung der dem Kläger eröffneten Wahlmöglichkeiten über die sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus führen darf. Andernfalls würde der in Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aufgestellte allgemeine Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates , in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, unterlaufen und im Ergebnis über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte am Klägerwohnsitz anerkannt, der die Verordnung außer in den von ihr ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenüber steht (vgl. EuGH, Slg. 1995, I-2719 Rn. 13 - Marinari; Slg. 2004, I-6009 Rn. 14 ff. - Kronhofer). Insbesondere darf die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht zu einer Zuständigkeit führen, die von ungewissen Umständen abhängt und damit einem der Ziele der Verordnung zuwiderliefe, nämlich den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und dass für einen verständigen Beklagten erkennbar ist, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-6009 Rn. 20 - Kronhofer mwN).
27
b) Ob nach diesen Maßstäben der Auffassung des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte könne auf den Handlungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gestützt werden, bedarf keiner Entscheidung.
28
Das Berufungsgericht hat die schädigende Tätigkeit des W. in Deutschland , zu der die Beklagte vorsätzlich Beihilfe geleistet haben soll, der Beklagten zuständigkeitsrechtlich zugerechnet und so die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 32 ZPO (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 19, vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463 und vom 22. November 1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 102) auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO übertragen.
29
Die Frage, ob im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei einer grenzüberschreitenden Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung für die Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine wechselseitige Handlungsortzurechnung zulässig ist, ist umstritten (bejahend: Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation , Art. 5 Rn. 221; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 22; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , 3. Aufl., A. 1 Art. 5 Rn. 250; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 25; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20; verneinend: LG Mönchengladbach, Urteil vom 5. Februar 2009 - 10 O 422/07, juris Rn. 21 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20a; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 88c; zweifelnd auch: MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 5 Rn. 62; Wagner/Gess, NJW 2009, 3481, 3484 f.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: Weller, IPRax 2000, 202, 205 ff.). Diese Frage, die der Senat bereits in seinen Urteilen vom 13. Juli 2010 (XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 27 und XI ZR 28/09, WM 2010, 1590, Rn. 29) sowie vom 12. Oktober 2010 (XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 29) offen gelassen hat, bedarf auch hier keiner Entscheidung.
30
c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nämlich jedenfalls deshalb gegeben, weil der Erfolgsort in Deutschland liegt. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers ist der Vermögensschaden , den er mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf seinem bei einem Kreditinstitut in Deutschland geführten Girokonto eingetreten, von dem er infolge der mit Beihilfe der Beklagten verübten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des W. das angelegte Kapital auf ein Konto der Beklagten bei einem Kreditinstitut in Deutschland überwiesen hat. Aus den "Vertraulichen Kundeninformationen" und dem "Antrag zur Weiterleitung an den Broker", die der Kläger in den Tatsacheninstanzen zu den Akten gereicht hat und deren Inhalt zwischen den Parteien unstreitig ist, ergibt sich, dass der Kläger seine Einlagen von seinem Girokonto bei der Stadtsparkasse M. auf das Konto der Beklagten bei der Bank in F. überwiesen hat.
31
aa) Der Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des EuGH restriktiv ausgelegt (vgl. EuGH, Slg. 1990, I-49 Rn. 17 - Dumez France und Tracoba und Slg. 1995, I-2719 Rn. 21 - Marinari). Der Wohnsitz eines Klägers als sein Vermögensmittelpunkt kann nach einer Entscheidung des EuGH zu Gerichtsständen bei Kapitalanlagedelikten (EuGH, Slg. 2004, I-6009 Rn. 21 - Kronhofer) nicht bereits deshalb als Erfolgsort angesehen werden, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist. Diesem Urteil lag allerdings ein wesentlich anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil dort die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. OGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 Ob 40/02i; Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 204 f.). Der Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass unter anderen Umständen der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht , 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; ferner Blobel, EuLF 2004, 187, 190 f.; Huber, IPRax 2009, 134, 136 f.).
32
Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat seinem Vortrag zufolge das Anlagekapital erst als Folge einer unerlaubten Handlung von seinem in Deutschland geführten Girokonto auf ein Konto der Beklagten bei einem Kreditinstitut in Deutschland überwiesen, so dass die durch die unerlaubte Handlung verur- sachte Minderung des Kontoguthabens den für die Bestimmung des Erfolgsortes maßgeblichen Schaden darstellt. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend , die Beklagte habe sich bedingt vorsätzlich zumindest als Gehilfin an einem Geschäftsmodell des W. beteiligt, das darauf angelegt gewesen sei, zur ausschließlich dem eigenen Vorteil dienenden hohen Gewinnerzielung möglichst viele Geschäfte zu vermitteln, die für den Anleger aufgrund der Gebührenhöhe und -struktur von vornherein chancenlos seien. Bei einem solchen Geschäftsmodell , das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26, vom 2. Februar 1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541 und vom 22. November 2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 87), und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die Geldanlage nicht eingelassen hätte, erweist sich bereits die durch den Anleger veranlasste Überweisung des Anlagekapitals als Deliktserfolg, so dass gerichtsstandsbegründender Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (Senatsurteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 30 und vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 32; vgl. auch Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 205 f.; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239 f.; ders., RIW 2005, 561, 562; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht , 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24). Diese Rechtsprechung des Senats steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 6. November 2007 (VI ZR 34/07, WM 2008, 479 ff.). Diese befasst sich mit dem Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (der Vorgängerregelung der EuGVVO) bei Ansprüchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB und dem Begriff des Handlungsorts bei Ansprüchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Den hier relevanten Begriff des Erfolgsortes bei Ansprüchen gemäß § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB behandelt die Entscheidung des VI. Zivilsenats nicht.
33
Der von der Revisionserwiderung erhobene Einwand, der in der Minderung des Kontoguthabens liegende Schaden werde dadurch kompensiert, dass der Kläger bis zur Durchführung der einzelnen Optionsgeschäfte einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Anlagekapitals gehabt habe, greift nicht durch. Dem für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblichen Sachvortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger ein solcher Anspruch zustand und werthaltig war, d.h. dass die Beklagte insoweit zahlungswillig war.
34
bb) Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entspricht dem Zuständigkeitssystem der EuGVVO und dem Ausnahmecharakter des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Sie führt zwar bei Kapitalanlagedelikten der vorliegenden Art in Abweichung von der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO regelmäßig zu einem Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Anlegers. Dies ist aber aufgrund der - hier unterstellten - unerlaubten Handlung der Beklagten, die unmittelbar einen Schaden des im Wohnsitzstaat des Klägers belegenen Vermögens verursacht hat, gerechtfertigt. Das gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständige Gericht hat in Fällen der vorliegenden Art die erforderliche Nähe zum Streitgegenstand, die für eine geordnete Rechtspflege und sachgerechte Prozessgestaltung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt der Beweisnähe. Soll etwa über den Inhalt von Gesprächen zwischen Vermittler und Anleger oder über Ausmaß und Höhe des Schadens Beweis erhoben werden, dürften nicht selten Zeugen benannt werden, die bei den Gesprächen zwischen Anlagevermittler und Anleger in dessen Wohnsitzstaat zugegen waren (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Kiethe, NJW 1994, 222, 226; Mankowski, RIW 2005, 561, 562).
35
Auch der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts erfordert keine andere Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Für ein Brokerunternehmen , das, wie die Beklagte, mit Vermittlern in anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und sich durch die Ausrichtung seiner gewerblichen Tätigkeit auf diese Staaten ausländische Märkte erschließt, ist vorhersehbar, dass auf diese Weise geworbene Anleger durch Überweisung von Anlagegeldern gegebenenfalls selbstschädigende Vermögensverfügungen in ihren Heimatstaaten treffen (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Mankowski in Magnus/ Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239; Muir Watt, Rev. crit.dr.i.pr. 94 [2005], 330, Rn. 10).
36
cc) Eine wirksame Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 23 EuGVVO hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revisionserwiderung unangegriffen verneint.
37
dd) Die Beschlüsse des Landgerichts Düsseldorf vom 29. April 2011 - 15 O 601/09 - und des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. Oktober 2011 - 10 O 120/09 -, durch die diese Gerichte dem EuGH Rechtsfragen zur Auslegung des Art. 5 EuGVVO, insbesondere zu den Begriffen des Handlungs- und des Erfolgsortes, zur Vorabentscheidung vorgelegt haben, geben keine Veranlassung , im vorliegenden Verfahren ebenfalls eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen oder das Verfahren auf den Antrag der Revisionserwiderung vom 13. Mai 2011 entsprechend § 148 ZPO auszusetzen.
38
(1) Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Frage nicht entscheidungserheblich ist oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (BVerfG, ZIP 2010, 642 Rn. 18 und 20; EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 21; st.Rspr.). Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 29. April 2011 - 15 O 601/09 - gibt demnach bereits deshalb keine Veranlassung zu einer Vorlage an den EuGH, weil er allein den Begriff des Handlungsorts betrifft, der im vorliegenden Fall, wie dargelegt, nicht entscheidungserheblich ist.
39
Der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. Oktober 2011 - 10 O 120/09 - erfasst zwar auch die Begriffe der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO und des Erfolgsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Die Auslegung dieser Begriffe ist aber, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 13. Juli 2010 (XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 35), vom 13. Juli 2010 (XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 33) und vom 12. Oktober 2010 (XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 36) entschieden hat, derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat sich der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVVO, die auch in der Literatur allgemeine Zustimmung gefunden hat (Pfeiffer in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 2; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 90; v. Hein, EuZW 2011, 369, 371; Ulmer, WuB IV A. § 826 BGB 1.11; Engert/Groh, IPRax 2011, 458, 463 f.; Thole, ZBB 2011, 399, 402), angeschlossen (Beschluss vom 15. Februar 2011 - VI ZR 189/10). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verneinung einer Vorlagepflicht an den EuGH durch Beschluss vom 29. August 2011 - 1 BvR 3108/10 - bestätigt. Vor diesem Hintergrund gibt der Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. Oktober 2011 - 10 O 120/09 - keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.
40
(2) Der Senat sieht auch davon ab, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorlageersuchen des Landgerichts Mönchengladbach in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Aussetzung: BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378). Ausschlaggebend für diese nach § 148 ZPO zu treffende Ermessensentscheidung ist, dass die richtige Auslegung des entscheidungserheblichen Gemeinschaftsrechts, wie dargelegt, derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung angeführten Entscheidungen anderer Gerichte (BVerwG, NVwZ 2001, 319, 320; BAG, NJW 2011, 1836; BFH, BFH/NV 1999, 840; BPatG, GRUR 2002, 734, 735), die die Antwort auf die jeweils entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage als nicht offenkundig angesehen und das jeweilige Verfahren ausgesetzt haben.
41
Auch die Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und der EU-Kommission bzw. den Gemeinschaftsgerichten rechtfertigt keine andere Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR Int. 2001, 333 Rn. 55 f.) folgt in Fällen, in denen die Entscheidung des bei einem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreits von der Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission abhängt, aus der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit , dass das nationale Gericht, um nicht eine der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufende Entscheidung zu erlassen, das Verfahren aussetzen sollte, bis die Gemeinschaftsgerichte eine endgültige Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission erlassen haben , es sei denn, es hält es unter den gegebenen Umständen für gerechtfertigt, dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit der Entscheidung der Kommission vorzulegen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Fall ist entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. In dem vom EuGH entschiedenen Fall lag bereits eine Entscheidung eines maßgeblichen Gemeinschaftsorgans, nämlich der Kommission, vor, zu der sich das nationale Gericht mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch setzen sollte. Im vorliegenden Fall, in dem es eine solche Entscheidung der Kommission nicht gibt, steht auch die Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und den Gemeinschaftsgerichten einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den erkennenden Senat, die derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, nicht entgegen.
42
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat.
43
a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 29 ff., vom 13. Juli 2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 37 und vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 38, jeweils mwN).
44
b) Hingegen hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch W. aufgrund unterlassener Risikoaufklärung verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
45
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht aufklärungsbedürftig gewesen, ist rechtsfehlerhaft. Hierfür reicht der bloße Vortrag der Beklagten , der Kläger sei bereits termingeschäftserfahren gewesen, nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt bei Geschäften der vorliegenden Art eine Verneinung der Aufklärungsbedürftigkeit dann in Betracht, wenn der Anleger die negativen Auswirkungen der hohen Gebührenaufschläge des Ver- mittlers auf sein Verlustrisiko positiv kennt (Senatsurteil vom 21. Oktober 2003 - XI ZR 453/02, ZIP 2003, 2242 Rn. 23 ff.), er also weiß, dass er praktisch chancenlos ist. Dafür enthalten die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Sachvortrag der Parteien, namentlich der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten, keinen Anhaltspunkt.
46
Unabhängig davon ist das Berufungsurteil auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil es auf eine unzureichende Risikoaufklärung nicht entscheidend ankommt. Denn neben der - hier nicht maßgeblichen - Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet der Vermittler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Einem solchen Vermittler geht es allein darum, hohe Gewinne zu erzielen, indem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf ihre Kosten zu bereichern. Auf eine solche Haupttat müssen sich die objektiven und subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung beziehen (st.Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26 f. und vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 37 f., jeweils mwN).
47
c) Rechtsfehlerfrei ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen Anspruch gemäß § 826 BGB wegen churning verneint hat. Churning bedeutet den durch das Interesse des Kunden nicht gerechtfertigten häufigen Umschlag eines Anlegerkontos, durch den der Broker oder der Vermittler oder beide sich - unter Ausnutzung einer erteilten Vollmacht oder durch Emp- fehlung und Ratschläge - zu Lasten der Gewinnchancen des Kunden Provisionseinnahmen verschaffen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1769 mwN). Dass W. oder die Beklagte einen solchen Umschlag des Kontos des Klägers veranlasst haben, indem sie aufgrund einer entsprechenden Vollmacht entsprechende Geschäfte getätigt oder den Kläger durch Empfehlungen und Ratschläge zu solchen Geschäften veranlasst haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Der von der Revision in Bezug genommene Vortrag des Klägers, er sei von W. betreut worden, außerdem habe eine Bevollmächtigung W.'s vorgelegen, die einzelnen Anlagegeschäfte für den Kläger tätigen und steuern zu können, reicht hierfür nicht aus.
48
d) Einen Anspruch gemäß § 826 BGB wegen Verheimlichung einer kickback -Abrede (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1051; vgl. zur Aufklärungspflicht über Rückvergütungen auch: Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 22 f. und Senatsbeschluss vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5, jeweils mwN) hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint. Dem Kläger ist in der von ihm unterschriebenen Vergütungstabelle, die dem Vermittlungsvertrag mit W. vom August 2002 beigefügt war, offen gelegt worden, dass W. für jeden gehandelten Kontrakt eine Roundturn-Provision erhielt. Diese Provision ist in der Vergütungstabelle mit 100 US-Dollar sogar um 5 US-Dollar höher als zwischen W. und der Beklagten vereinbart beziffert worden. In dem Vermittlungsvertrag wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Provisionen des W. und der Beklagten aus buchungstechnischen Gründen zusammengefasst werden können und dass in diesem Fall der Anteil W.'s an der Gesamtprovision den Angaben in der Vergütungstabelle entspreche.

III.

49
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich, soweit es einen Anspruch gemäß § 826 BGB wegen Beihilfe zur Vermittlung praktisch chancenloser Geschäfte verneint hat, nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
50
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wegen vorsätzlicher Teilnahme der Beklagten an einem auf eine sittenwidrige Schädigung des Anlegers ausgerichteten Geschäftsmodell des W. (§§ 826, 830 BGB) nicht verjährt. Da ein etwaiger Anspruch erst nach dem 1. Januar 2002 entstanden ist, ist seine Verjährung nach den am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen §§ 195, 199 BGB nF zu beurteilen.
51
Die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB nF war bei Klageerhebung im August 2007 noch nicht abgelaufen, so dass diese zur Hemmung der Verjährung geführt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach §§ 195, 199 BGB nF beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.
52
a) Die erforderliche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen , nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (vgl. BGH, Ur- teil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89 Rn. 15; Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 32 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27, jeweils mwN).
53
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; Senatsurteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158 Rn. 34, jeweils mwN).
54
b) Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger vor dem 1. Januar 2004 weder positive Kenntnis von einer Beteiligung der Beklagten am sittenwidrigen Geschäftsmodell von W., noch beruhte seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
55
Geht es, wie hier, um die Frage einer deliktischen Haftung eines Brokers wegen bedingt vorsätzlicher Teilnahme an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell , kann von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers nur ausgegangen werden, wenn ihm sowohl die Umstände, die in Bezug auf dieses Geschäftsmodell einen Ersatzanspruch begründen, als auch die Umstände , aus denen sich ergibt, dass auch der das Transaktionskonto führende und die einzelnen Aufträge des Anlegers ausführende Broker als möglicher Haftender in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind (Senatsurteile vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 46 und vom 25. Januar 2011 - XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 59).
56
Beides war hier vor der im März 2007 erfolgten Mandatierung seiner Prozessbevollmächtigten durch den Kläger nicht der Fall. Dem Kläger waren mit der bloßen Kenntnis davon, dass in den Jahren 2002 und 2003 Verluste realisiert wurden, noch keine Umstände bekannt, die auf die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells von W. schließen ließen oder zu weiteren Nachforschungen oder der Einholung von Rechtsrat Anlass gaben. Die Verluste konnten aus Sicht des Klägers auch auf den Marktgegebenheiten beruhen. Ferner waren dem Kläger keine Umstände bekannt, die die Beklagte als mögliche deliktisch Haftende in Frage kommen ließen. Da die Beklagte nicht Vertragspartnerin des Vermittlungsvertrages vom August 2002 war und gegenüber dem Kläger nur als kontoführendes Institut auftrat, konnten die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB allenfalls vorliegen, wenn dem Kläger zusätzlich zu der - hier nicht vorhandenen - Kenntnis von Umständen, die den Schluss auf die Chancenlosigkeit der von W. vermittelten Geschäfte zuließen, Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wären , aus denen sich ergab, dass die Beklagte sich bedingt vorsätzlich an dem von W. praktizierten Geschäftsmodell beteiligte. Dafür ist nichts ersichtlich. Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. gemäß § 826 BGB in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich im Sinne von § 830 BGB beteiligt hat, stehen im Zusammenhang mit der Begründung der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. und ergeben sich unter anderem aus dem Abkommen vom 12. Juli 2001. Dass der Kläger hiervon vor dem 1. Januar 2004 Kenntnis erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat, ist weder festgestellt noch dem Parteivortrag zu entnehmen.
57
2. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen vorsätzlicher Teilnahme am Geschäftsmodell des W. gemäß §§ 826, 830 BGB ist auch nicht verwirkt.
58
Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berech- tigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er hierzu in der Lage war, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juni 1982 - IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280, 281 und vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, 298, jeweils mwN).
59
Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Dabei kann dahinstehen , ob der zwischen der letzten Rückzahlung und der Klageerhebung liegende Zeitraum von etwa vier Jahren und vier Monaten als solcher die Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Zeitmoments bereits vor Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB überhaupt rechtfertigt (vgl. Palandt /Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 242 Rn. 97 mwN). Jedenfalls ist weder ersichtlich noch dem Parteivortrag zu entnehmen, dass der Kläger bei der Beklagten in zurechenbarer Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Beklagte sich berechtigterweise darauf einrichten durfte, der Kläger werde ihr gegenüber seine Rechte nicht mehr geltend machen. Der in diesem Zusammenhang stehende Hinweis der Beklagten auf die nach britischem Aufsichtsrecht für sie maßgebliche und zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufene dreijährige Aufbewahrungsfrist für Kundenunterlagen greift nicht durch. Die Beklagte konnte bei dem Kläger, einem ausländischen Privatanleger, keine Kenntnis von den Bestimmungen des britischen Aufsichtsrechts voraussetzen.

IV.

60
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
61
1. Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (siehe nur Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 24 ff., bestätigt durch BVerfG, WM 2011, 924, und vom 8. Februar 2011 - XI ZR 168/08, WM 2011, 650 Rn. 33 ff.) Feststellungen zu einer Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch W. gemäß §§ 826, 830 BGB zu treffen haben.
62
a) Von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch W. gemäß § 826 BGB ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Danach war das Geschäftsmodell des W., namentlich aufgrund der Gebührenstruktur, darauf angelegt, den Anlegern chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand, dass der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sämtliche Anlageentscheidungen selbst getroffen und W. nur auf seine Weisung hin gehandelt hat, keine Bedeutung zu, weil der Kläger von W. nicht in der erforderlichen Weise über die praktische Chancenlosigkeit der Geschäfte aufgeklärt war und die Folgen seines Tuns deswegen nicht richtig einschätzen konnte. Die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Sachvortrag der Parteien, namentlich der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, enthalten auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger nicht aufklärungsbedürftig war, weil er die negativen Auswirkungen der hohen Gebührenaufschläge des W. auf sein Verlustrisiko positiv kannte.
63
b) Zu einer Teilnahme der Beklagten an der danach begebenen Haupttat des W. sind weitere Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlich. Dabei kommen als objektive Beihilfehandlungen der Beklagten die Eröffnung des Transaktionskontos für den Kläger, die Ausführung der erteilten Einzelaufträge und die Abführung von Provisionen und Gebühren an W. in Betracht. Für die Beurteilung, ob die Beklagte mit Gehilfenvorsatz handelte, sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte das Geschäftsmodell des W., namentlich die Gebührenstruktur, gekannt hat. Die Kenntnis der Gebührenstruktur, für die das Schreiben der Beklagten vom 12. Juli 2001 an W. spricht, in der die Gebühren mitgeteilt werden, reicht für die Bejahung des Gehilfenvorsatzes aus (st.Rspr., siehe nur Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 53). Aber auch das Fehlen dieser Kenntnis stünde einem bedingten Vorsatz nicht entgegen. In diesem Fall sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte mit der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells rechnete, weil sie Kenntnis vom maßgeblichen deutschen Recht, insbesondere von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, sowie von den zahlreichen zurückliegenden Missbrauchsfällen hatte (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 42). Die W. erteilte aufsichtsrechtliche Erlaubnis entlastet die Beklagte gegebenenfalls nicht (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 46).
64
Auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Aufklärungspflichten bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Senatsurteil vom 8. Mai 2001 - XI ZR 192/00, BGHZ 147, 343, 353) steht der Annahme eines Teilnehmervorsatzes nicht entgegen, weil es vorliegend um die mögliche Haftung der Beklagten wegen einer bedingt vorsätzlichen Beteiligung an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell eines Optionsvermittlers und nicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten geht (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26 f.). Zudem kann bei vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen und hierzu vorsätzlich geleisteter Beihilfe, d.h. bei kollusivem Zusammenwirken der beteiligten Wertpapierdienst- leistungsunternehmen, ohnehin kein Unternehmen auf eine ausreichende Aufklärung des Anlegers durch das andere Unternehmen vertrauen.
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2. Falls sich die Hauptforderung als begründet erweisen sollte, wäre auch die mit der Berufung des Klägers verfolgte Zinsforderung vom Zeitpunkt der Überweisung der einzelnen Anlagebeträge an gemäß § 849 BGB begründet (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, WM 2008, 291).
Wiechers Joeres Mayen Ellenberger Matthias

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.02.2008 - 13 O 215/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.01.2009 - I-16 U 32/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 95/02
vom
23. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. April 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 26. November 2001 im Schuldspruch dahin geändert, daß
a) im Fall B. 1. (Tat vom 4./5. April 2001) die tateinheitliche Verurteilung wegen Nötigung und
b) im Fall B. 2. (Tat vom 23. April 2001) die Verurteilung wegen tateinheitlicher Bedrohung entfallen. Die §§ 240, 241 StGB werden in der Liste der angewendeten Vorschriften gestrichen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Vergewalti-
gung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Das Landgericht hat in beiden abgeurteilten Fällen das Konkurrenzverhältnis unzutreffend beurteilt. Es hat den Angeklagten jeweils wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, im Falle B. 1. zudem wegen tateinheitlich begangener Nötigung, im Falle B. 2. wegen tateinheitlicher Bedrohung. Die hierzu getroffenen Feststellungen ergeben, daû der Angeklagte das Tatopfer, seine in derselben Wohnung von ihm getrennt lebende Ehefrau, im Kinderzimmer aufsuchte, die sich Wehrende unter Anwendung körperlicher Gewalt zum Geschlechtsverkehr zwang und sie schlug. Im ersten Fall sagte er ihr während des Geschehens, sie solle aufhören zu schreien, sonst werde er sie umbringen, "da ihm ihr Schreien auf die Nerven ging". Das Opfer nahm die Drohung ernst und schrie aus Angst nicht mehr, versuchte aber, den über ihr knienden Angeklagten wegzudrücken. Darin sieht das Landgericht auch eine vollendete Nötigung (§ 240 StGB). Im zweiten Falle erklärte er ihr wiederum, er werde sie umbringen, wenn sie schreie, weil "ihm auch hier ihr Schreien auf die Nerven ging". Seine Frau schrie aber dennoch (UA S. 6). Dies beurteilt das Landgericht als Bedrohung (§ 241 StGB). Der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) tritt hinter den der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (§ 177 StGB) zurück, wenn das Opfer zur Durchführung der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung mit dem Tode bedroht wird (BGH bei Holtz MDR 1979, 281; BGH, Beschl. vom 21. September 1993 - 1 StR 510/93; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 27). Die Drohung ist hier Mittel der sexuellen Nötigung. Gleiches gilt für das Verhältnis
von Nötigung zu sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung (BGH NStZ-RR 1996, 227 = BGHR StGB § 177 Abs. 1 Konkurrenzen 12; BGH, Beschl. vom 8. April 1998 - 3 StR 25/98). Anders könnte es sich für die vorliegende Fallgestaltung nur dann verhalten, wenn die Nötigung und auch die Bedrohung einem anderen Zweck als dem der Erzwingung sexueller Handlungen gedient hätte, wenn der Täter also damit ein weiteres, von § 177 StGB nicht erfaûtes Ziel verfolgt hätte (vgl. Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240 Rdn. 124, 126). Die Strafkammer nimmt ersichtlich an, ein solches anderweitiges Ziel sei es hier gewesen, die Schreie des Tatopfers zum Verstummen zu bringen, die dem Angeklagten "auf die Nerven gingen". Die getroffenen Feststellungen ergeben indessen unbeschadet dieser konkreten Empfindung des Angeklagten ("auf die Nerven gehen") ohne weiteres, daû er im Zusammenhang des Geschehens kein den Tatbestandsrahmen des § 177 Abs. 1 StGB überschreitendes Ziel im Auge hatte. Die Drohung, die Geschädigte umzubringen, wenn sie schreie, war Teil einer einheitlichen physischen und psychischen Einwirkung auf das Opfer, die ersichtlich auch nach dem Willen des Angeklagten im Ergebnis dazu diente, die Duldung des Geschlechtsverkehrs zu erzwingen. Dem Ziel, die Schreie des Opfers zu unterbinden, kann bei dem festgestellten Ablauf kein in tatbestandsmäûiger Hinsicht eigenständiger Unrechtsgehalt zukommen. Die Drohungen erfolgten während der Gewaltanwendung und bezweckten so erkennbar, den - auch durch Schreien geleisteten - Widerstand der Frau zu brechen. 2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Er schlieût aus, daû der Rechtsfehler den Rechtsfolgenausspruch zum Nachteil des Angeklagten beeinfluût haben kann. Die Drohungen dürfen im Rahmen der konkreten Strafzumessung zur Kennzeichnung des konkret verwirklichten Unrechts
ohnehin berücksichtigt werden (vgl. § 46 Abs. 2 StGB: Art der Ausführung). Soweit die Strafkammer die neben den Vergewaltigungen verwirklichten Tatbestände in den Strafzumessungserwägungen anspricht, hebt sie ausdrücklich hervor, daû diese neben den Hauptdelikten "unbedeutend" waren (UA S. 19 unten). 3. Die Strafzumessung ist auch sonst von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Der Senat schlieût aus, daû der Kammer Alter und Gesundheitszustand des Angeklagten in diesem Zusammenhang aus dem Blick geraten sein könnten, zumal da sie der Straffindung nicht den Strafrahmen für den besonders schweren Fall, sondern den Normalstrafrahmen zugrundegelegt hat. Daû das Opfer die Ehefrau des Angeklagten war, erwähnt die Strafkammer ausdrücklich. Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.