Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2008 - 5 StR 549/07

bei uns veröffentlicht am09.01.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 549/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 16. Juli 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den wegen schweren Raubes angeklagten Revisionsführer wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und mit anderweitig verhängten Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat sich seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten – nach Ausfall einer vom Tatopfer angegebenen Tatzeugin, der das Landgericht nicht geglaubt hat – allein durch die als glaubhaft bewertete Aussage des Opfers gebildet, dessen Anzeige eines schweren Raubes freilich nicht zur Verurteilung geführt hat. Der Verteidiger des – schweigenden – Angeklagten hat am Ende der eintägigen Beweisaufnahme unter anderem mit zwei Anträgen darauf abgezielt, die Angaben des Belastungszeugen zum Tatgeschehen und zum Tatort in Zweifel zu ziehen. Ausgehend vom Inhalt zweier in den Akten befindlicher ärztlicher Atteste, die Erklärungen des Verletzten enthielten, er sei nicht auf offener Straße – wie vom Verletzten bei seiner Zeugenaussage angegeben –, sondern „in einer Pizzeria mit einem Krückstock geschlagen worden“, hat der Verteidiger nach Präzisierung in einer Gegenvorstellung die Vernehmung des bestimmt benannten Inhabers der Pizzeria und eines attestierenden Arztes als Zeugen beantragt, dass der Belastungszeuge in der Pizzeria verletzt worden sei bzw. gegenüber dem Arzt erklärt habe, er sei in der Pizzeria geschlagen worden.
3
Diese Anträge hat das Landgericht abgelehnt: Bezüglich des Inhabers der Pizzeria handele es sich um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein; bezüglich des Arztes könne es als wahr unterstellt werden, „dass sich der Geschädigte in der Sprechstunde bei Dipl.-med. … so äußerte, dass dieser verstehen konnte, der Geschädigte sei in einer Pizzeria … mit einem Krückstock geschlagen worden“.
4
2. Die Ablehnung des Antrags auf Vernehmung des Arztes ist verfahrensfehlerhaft.
5
Es handelt sich um einen Beweisantrag, weil über eine bestimmte Äußerung einer bestimmten Person Aufklärung begehrt worden ist (vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 16; BGH StV 2005, 254, 255). Die Behandlung des Antrags wird indes den Anforderungen nicht gerecht, die an eine Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 7. Variante StPO zu stellen sind.
6
Eine Wahrunterstellung muss die behaupteten Tatsachen in ihrem wirklichen Sinn und vollen Inhalt ohne jede Einschränkung oder Verschiebung oder sonstige Änderung erfassen (BGH NJW 1968, 1293; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 33; BGH NStZ 2003, 101). Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat die auf eine alternative Bekundung des Tatopfers zur Tatausführung und zum Tatort abzielende Äußerung mit Hinweisen auf nicht etwa offensichtlich vorliegende Artikulations- oder Verständigungsprobleme ohne Angabe tatsächlicher Anhaltspunkte hierfür – etwa aus der Zeugenaussage des Opfers – derart relativiert, dass die Beweisbehauptung in der Sache als völlig bedeutungslos behandelt wurde. Damit hat das Landgericht eine vereinfachte Ablehnung des Beweisantrags als bedeutungslos gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO praktiziert, ohne den Angeklagten ausreichend über die Tatsachen zu informieren, welche die Annahme einer Bedeutungslosigkeit gerechtfertigt hätten (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26; BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 5 StR 272/07 Rdn. 6).
7
Der Angeklagte hat entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts sein Rügerecht nicht dadurch verwirkt, dass er die fehlerhafte Verbescheidung in der Hauptverhandlung hingenommen hat. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass auch Verteidiger verpflichtet sind, Missverständnissen des Gerichts über den Umfang der von ihnen gestellten Anträge entgegenzutreten (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 2; § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3, 30, 42; BGH wistra 2007, 259, 260). Hier liegt indes kein Missverständnis des Gerichts über tatsächliche Umstände , sondern eine mangelhafte Ablehnung eines Beweisantrags vor. Dem Verteidiger obliegt keine allgemeine Hinweispflicht zur Einhaltung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens (vgl. zu Art und Umfang der Pflichten des Verteidigers Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. vor § 137 Rdn. 1 und 2). Ein Sonderfall (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 42) liegt nicht vor.
8
3. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Entscheidung, ob der Verteidiger wegen seiner Darlegung, er halte es für möglich, dass der Inhaber der Pizzeria zur Tatzeit anwesend war, vom Landgericht zu Unrecht der Spekula- tion bezichtigt worden ist (Revisionsbegründung S. 2; vgl. BGHSt 46, 53, 55; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 25). Ein Verfahrensmangel liegt freilich auch insoweit nahe.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2007 - 5 StR 272/07

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2017 - 3 StR 48/17

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 272/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 3. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht – Schwurgerichtskammer – hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt, ferner das sichergestellte Messer eingezogen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Beweisantragsrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat sich aufgrund der – insgesamt nicht für vollständig glaubhaft gehaltenen – Aussage des Tatopfers, die im Kern weitgehend von dem Zeugen S. und im Randgeschehen von weiteren Zeugen bestätigt worden ist, davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen D. während zweier Streitigkeiten zunächst eine leere Bierflasche auf den Kopf geschlagen und danach mit seinem Taschenmesser dem Zeugen eine 2 cm lange Schnittwunde seitlich am Hals zugefügt hat.
3
2. Das Landgericht hat einen Antrag des Verteidigers, die Blutanhaftungen an der Klinge des zusammengeklappt in der Hosentasche des Angeklagten aufgefundenen Messers dahingehend zu untersuchen, ob es sich um Blut des Zeugen D. handelt, als Beweisermittlungsantrag mit der Erwägung zurückgewiesen, nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme und der Einlassung des Angeklagten gäbe es keine Hinweise, dass die Anhaftungen von einer anderen Person als von dem Zeugen D. stammen könnten. Den daraufhin gestellten Antrag, dass eine DNA-Untersuchung von an der Hand des Angeklagten sichergestellten Blutanhaftungen ergebe, dass diese nicht vom Zeugen D. stammen würden, hat das Landgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen: „Die unter Beweis gestellte Tatsache (ist) für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Selbst wenn es sich bei den Blutanhaftungen nicht um das Blut des Zeugen D. handeln sollte, ließe dies keine Rückschlüsse darauf zu, ob der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Messerstich geführt hat.“
4
3. Dies beanstandet die Revision zu Recht.
5
a) Das Begehren, die sichergestellten Blutanhaftungen einer DNAAnalyse zu unterziehen, die keine Urheberschaft des Opfers ergebe, stellt – weil es sich um die Widerlegung von Zeugenaussagen und die Zuordnung von am Tatort tatsächlich aufgefundenen Spuren handelt – einen Beweisantrag dar und nicht eine aufs Geratewohl aufgestellte, aus der Luft gegriffene Behauptung (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 25).
6
b) Die Zurückweisung dieses Antrags erfüllt die für den Zurückweisungsgrund der Bedeutungslosigkeit im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltenden Anforderungen nicht. Der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, muss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26 m.w.N.). Die erforderliche Be- gründung hat grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch eine Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen zu entsprechen (vgl. BGH aaO). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH aaO).
7
Zwar ist vorliegend die Erwägung des Landgerichts, die Urheberschaft des Blutes an der Hand des Täters lasse keinen Rückschluss auf die Täterschaft des Angeklagten zu, bei lediglich abstrakter Betrachtung richtig. Die Darlegung tatsächlicher Bedeutungslosigkeit erfordert aber darüber hinaus eine Einfügung und Würdigung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH aaO). Daran fehlt es hier; die tatsächliche Bedeutungslosigkeit versteht sich auch nicht etwa von selbst.
8
Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Ablehnung des Beweisantrags nicht im Einklang mit der sachlich und zeitlich eng zusammenhängenden Zurückweisung des Beweisermittlungsantrags bezüglich der Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten steht. Hieraus konnte die Verteidigung mithin nicht etwa eine Ergänzung der Ablehnungsbegründung des Beweisantrags entnehmen, die dem Angeklagten die gebotene Information über die Beweiserwägungen des Tatrichters transparent gemacht haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2007 – 3 StR 114/07 Rdn. 8), im Gegenteil: Das Landgericht hat dort pauschal auf das bisherige Beweisergebnis abgestellt und auf dieser Grundlage die Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten vom Opfer als zweifelsfrei gegeben und nicht weiter aufklärungsbedürftig angesehen. Solches steht aber in Widerspruch zur postulierten Bedeutungslosigkeit der Urheberschaft des Blutes an der Hand des Angeklagten, mit der dieser ersichtlich die Tat verübt haben soll. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich an dem Messer Blut des Geschädigten , an der Hand des Angeklagten, mit der er das Messer geführt haben soll, hingegen Blut eines anderen befunden haben könnte.
9
4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Bei der gegebenen Sachlage drängte die Aufklärungspflicht ohnehin bei Bestreiten des Angeklagten, den vorhandenen Sachbeweis auszuschöpfen. Da eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsverbrechens nach dem angefochtenen Urteil fern liegt, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.