Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2012 - 5 StR 49/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch bleibt bestehen. Die Beweiswürdigung hält trotz der unaufgelösten Widersprüche zwischen den Angaben der Nebenklägerin und der Einlassung des Angeklagten einerseits und der Aussage des Zeugen H. andererseits angesichts der vorhandenen objektiven Beweismittel (DNA-Spuren, Verletzungen der Nebenklägerin und Fundort ihrer Brille) im Ergebnis sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
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- 2. Jedoch begegnet der Strafausspruch unter mehreren Gesichtspunkten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
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- a) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, „dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholkonsums enthemmt war und dies mit ein Grund dafür war, dass er sich entschloss, die Tat zu begehen“ (UA S. 19). Die Voraussetzungen des § 21 StGB hat es allerdings ebenso verneint, wie diejenigen des § 177 Abs. 5 StGB. Eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht alleine im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass „weder der Angeklagte noch die Nebenklägerin bzw. der Zeuge H. schilderten, dass der Angeklagte stark betrunken war. Es wurde von keinem von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie Lallen, Torkeln etc. berichtet“ (UA S. 11).
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- Diese Erwägungen tragen den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht. Nach den Feststellungen betrieb dieser im Tatzeitraum in erheblichem Maße Alkoholmissbrauch. Der Tat ging eine „Feier“ in der Wohnung des Zeugen H. voraus, an der neben dem Zeugen die Nebenklägerin sowie der Angeklagte teilnahmen und bei der die Nebenklägerin Champagner, der Zeuge und der Angeklagte Wodka tranken. Nach der Einlassung des Angeklagten, auf welche die Strafkammer ihre Feststellungen „zum Alkoholkonsum“ stützt (UA S. 11), hat dieser am Tattag bis zum Abend „wohl einen Liter Wodka getrunken“ (UA S. 10). Die vom An- geklagten beabsichtigte vaginale Vergewaltigung der Nebenklägerin konnte er infolge von Erektionsstörungen nicht ausführen.
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- Angesichts dieser Umstände, die Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung des nur relativ geringfügig und nicht einschlägig vorbestraften Angeklagten bieten, konnten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht alleine aufgrund der bekundeten Wahrnehmungen der ebenfalls nicht unerheblich alkoholisierten Zeugen ausgeschlossen werden. Auch unternimmt das Landgericht, das keinen medizinischen Sachverständigen zugezogen hat, keinen Versuch einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten.
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- Da der Angeklagte sich selbst als „angetrunken“ beschrieben hat und die Tat einzelne Merkmale eines gezielten Vorgehens aufweist (Mitnahme des Mantels und der Schuhe der Nebenklägerin in die Wohnung des Angeklagten , um sie dorthin zu locken), kann der Senat zwar eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tat ausschließen. Jedoch bedarf es erneuter Prüfung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung erheblich vermindert war oder hiervon zumindest aufgrund des Zweifelssatzes auszugehen ist. Obgleich die verhängte Strafe maßvoll ist, kann der Strafausspruch auf dem fehlerhaften Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beruhen.
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- b) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er versuchte, den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin auszuführen, „obwohl bereits ein halbes Jahr vor der Tat es zu einem nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin gekommen war“ (UA S. 19). Abgesehen davon, dass zur Feststellung dieser Tat im angefochtenen Urteil jegliche Beweiswürdigung fehlt, war die Strafkammer auch nicht befugt, diese Feststellung gegen den Angeklagten zu verwerten. Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 5. Dezember 2008 am 27. Juni 2011 in Polen festgenommen. Die Auslieferungsbewilligung des Bezirksgerichts Lublin umfasst nur die abgeurteilte Tat vom 28. Dezember 2007, nicht jedoch die ursprünglich mitangeklagte Tat vom Sommer 2007, für die dementsprechend die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde. Die Verwertung dieser Tat zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung verletzt den Grundsatz der Spezialität nach Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI) in Verbindung mit § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG. Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung im Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe (BGH, Urteile vom 19. Februar 1969 – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11 Rn. 19; Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 179).
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- c) Schließlich wird das neue Tatgericht nach § 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB einen Ausspruch über die Anrechnung der vom Angeklagten in Polen erlittenen Auslieferungshaft zu treffen haben.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Von einem Mitgliedstaat aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebene Personen dürfen
- 1.
wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen Tat als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt, weder verfolgt noch verurteilt noch einer freiheitsentziehenden Maßnahme unterworfen werden und - 2.
nicht an einen dritten Staat weitergeliefert, überstellt oder in einen dritten Staat abgeschoben werden.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn
- 1.
die übergebene Person den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, oder nach Verlassen in ihn zurückgekehrt ist, - 2.
die Straftat nicht mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung bedroht ist, - 3.
die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt, - 4.
die übergebene Person der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung ohne Freiheitsentzug unterzogen wird, selbst wenn diese Strafe oder Maßnahme die persönliche Freiheit einschränken kann, oder - 5.
der ersuchte Mitgliedstaat oder die übergebene Person darauf verzichtet hat.
(3) Der nach Übergabe erfolgte Verzicht der übergebenen Person ist zu Protokoll eines Richters oder Staatsanwalts zu erklären. Die Verzichtserklärung ist unwiderruflich. Die übergebene Person ist hierüber zu belehren.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.