Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Feb. 2005 - 5 StR 490/04

bei uns veröffentlicht am16.02.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 490/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Februar 2005

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten H gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 23. März 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten S wird das vorbezeichnete Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den AngeklagtenH wegen Mordes in zwei Fällen unter Einbeziehung einer vom Landgericht Rostock wegen Totschlags in einem besonders schweren Fall verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und festgestellt , daß die Schuld des Angeklagten besonders schwer ist. Das Schwurgericht hat ferner den Angeklagten S wegen erpresserischen Menschenraubes und (gemeinschaftlichen) Mordes unter Einbeziehung einer wegen Beihilfe zum Totschlag des H verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jahren zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und festgestellt, daß die Schuld auch dieses Angeklagten besonders schwer ist.
Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten H ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Landgericht hat fehlerfrei dargelegt, daß H den Asylbewerber Sh eigenhändig getötet hat, um vorangegangene Straftaten zu dessen Nachteil zu verdecken, und daß er die Tötung des W organisierte, um als Begünstigter dessen Lebensversicherung in Anspruch nehmen zu können. Die Revision des Angeklagten S hat dagegen mit der Sachrüge Erfolg, soweit dieser Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist. Dies zieht auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht ist überzeugt, daß der ein Alibi behauptende Angeklagte S am 6. März 1996 zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr unter der Regie von H den W in dessen Pkw auf dem Universitätsparkplatz in Bremen durch zwei Kopfschüsse getötet hat. Dies stützt das Landgericht nach umfangreicher Beweiswürdigung insbesondere auf die vom Angeklagten durchgeführte, zur Tatzeit passende Fahrt vom Alibiort Köln zum Tatort und zurück und ferner darauf, daß der sich in der Hauptverhandlung auf § 55 StPO berufende Zeuge B als Schütze aus- scheide. Das Schwurgericht folgt hier einer früheren Zeugenaussage B s, S habe ihm in der Tatnacht den Geldbeutel des Opfers und die Tatwaffe auf einem Parkplatz in der Nähe von Delmenhorst zur Entsorgung übergeben.
Diese Würdigung der Verstrickung des Zeugen B enthält einen sachlichrechtlichen Fehler, weil das Landgericht nicht alle Fragwürdigkeiten der Bekundungen dieses Zeugen in seine Gesamtschau aufgenommen hat (vgl. BGH StV 1997, 513, 514; Sander StV 2000, 45, 47 m.w.N.). Zwar kann deren umfassende Würdigung zur Mittäterschaft des Angeklagten S – bei Anwesenheit am Tatort ohne gesicherte eigenhändige Tatausführung – führen. Es kann aber – auch eingedenk der Feststellungen zur Rolle S bei s den beiden anderen Kapitalverbrechen – nicht sicher ausgeschlossen werden, daß eine fehlerfreie Beweiswürdigung lediglich zu einer Mitwirkung des Angeklagten S als Gehilfe an dem Tötungsverbrechen hätte führen können.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden zwischen dem Zeugen B und den Angeklagten H und S jahrelange persönliche Bindungen bis hin zur gemeinsamen Begehung auch schwerster Straftaten und zu nachfolgend falschen Tatbezichtigungen.
(1) So hatten sie am 18. Dezember 1995 unter Mitwirkung und nach Weisungen des H den jungen Asylbewerber Sh entführt, der sich in eine Freundin des H verliebt hatte. S glaubte der von H entwickelten Legende, Sh habe für H bestimmte Drogen unterschlagen und müsse nun den Schaden ersetzen. Nach Mißhandlungen, deren Entdeckung H fürchtete und zu deren Begehung B und S Hilfe geleistet hatten , tötete H den Sh , um die bisherigen Straftaten zu verdecken. B verwahrte die Leiche mehrere Tage in seinem Transporter, mit dem er regelmäßig zu seiner Arbeitsstätte fuhr, und versenkte den Leichnam kurz vor Weihnachten 1995 mit großem Aufwand gemeinsam mit H in einem Baggersee bei Delmenhorst.
(2) In der Tatnacht des 6. März 1996 telefonierte B zwischen 19.02 Uhr und 23.18 Uhr achtmal mit dem Organisator dieser Tat, dem Angeklagten H . Dazu machte B in zwei polizeilichen Vernehmungen im März 1996 und Mai 1996 widersprüchliche, H entlastende Angaben. Nach dem Tod von W war H als Tatverdächtiger über seinen Verteidiger in den Besitz der kompletten Ermittlungsakte gelangt. H zeigte B Kopien von Obduktionsfotos und machte Witze über den Getöteten. Gegenüber der Zeugin P räumte er ein, für die Tötung des W „seine Leute“ gehabt zu haben.
(3) Nach dem hier in Frage stehenden Tatgeschehen transportierte der Angeklagte H dann am 6. September 2001 einen von ihm konstruierten Verbrennungsofen von Bremen in eine in der Nähe von Rostock gelegene Ferienwohnungsanlage. Er hatte vor, die in ihn verliebte Prostituierte Po zu töten und ihren Leichnam in dem Ofen zu verbrennen. Der von H aus Düsseldorf herbeigerufene S half bei der Inbetriebnahme des Ofens und der Verbrennung der von H getöteten Frau.
Am 13. September 2001 traf H während seiner Flucht vor der Polizei mit B zusammen. H äußerte gegenüber B , er werde S massiv belasten, und stimmte mit B dessen Falschaussage im Fall Sh ab, mit der B den Angeklagten S zu Unrecht als Alleintäter bezichtigte. Auch für den Fall W verlangte H eine entlastende Aussage von B . Bei seiner Festnahme am 14. September 2001 bezichtigte H den Angeklagten S als Alleintäter hinsichtlich der Tötung des W . B bekundete während seiner polizeilichen Zeugenvernehmung am 2. Oktober 2001 erst- und letztmalig, daß er am 6. März 1996 auf dem Autobahnparkplatz von S eine Plastiktüte mit dem Portemonnaie des Getöteten und eine Pistole zur Entsorgung erhalten hätte. Anschlie- ßend zeigte B der Polizei von ihm verborgene Waffenreste, darunter ein Griffstück der Tatwaffe.

b) Das Landgericht hält die polizeiliche Aussage B s, S habe ihm die Waffe zur Entsorgung übergeben, für glaubhaft, weil B für den Fall der Nichterweislichkeit einer Tatbegehung durch S mit seiner Offenbarung ein hohes Selbstbelastungsrisiko eingegangen wäre. Die Alibilücke des S , daß am 6. März 1996 eine Fahrt von Köln nach Bremen und zurück doch möglich war, sei ihm nämlich nicht bekannt gewesen. Diese Erwägung hätte bei der Besonderheit der vorliegenden Beweislage angesichts der Verstrickung des B in das kriminelle Umfeld des H und in die von H konzipierten Falschaussagen zum Nachteil des Angeklagten S aber nur nach besonders kritischer Prüfung zur Grundlage der Beweiswürdigung gemacht werden dürfen. Solches hat das Landgericht aber unterlassen, weshalb es das hier naheliegende Motiv für eine Falschaussage , ein von H konzipiertes Komplott zum Nachteil S s, nicht in den Blick genommen hat (vgl. BGHR StGB § 176 Abs. 1 Beweiswürdigung 3; BGH, Urt. vom 26. November 1996 – 1 StR 405/96). Damit entfällt auch die Tragfähigkeit der Waffenübergabe für einen Schluß auf die unmittelbare Tatausführung des S .
Nach den Feststellungen des Landgerichts ist B ein Gefolgsmann des die jeweiligen Tatausführungen beherrschenden Angeklagten H , der, ausgestattet mit überlegener Intelligenz und Durchsetzungsvermögen, wiederholt die polizeilichen Aussagen ihm nahestehender Personen erfolgreich steuerte. Vor dem Hintergrund vollständiger Aktenkenntnis des H und der den Ermittlungsbehörden und H bekannten möglichen Alibilücke des S ist angesichts des Inhalts und der Entwicklung dieser Aussagen eine Einbindung des die Anweisungen H s stets befolgenden Zeugen B in ein Komplott zum Nachteil des Angeklagten S hinsichtlich der Übergabe der Waffe zur Entsorgung so naheliegend, daß dieser Gesichtspunkt der Erörterung bedurft hätte.
Daran vermag die Feststellung, daß sich B zur Tatzeit im Besitz der Tatwaffe befand und diese entsorgte, nichts zu ändern. Denn das Landgericht hat seiner Bekundung zur Waffenübergabe durch S zu eine große indizielle Bedeutung – jedenfalls für eine alleinige unmittelbare Tatausführung durch S – beigemessen (vgl. für den umgekehrten Fall zur Annahme eines zu starken Gewichts eines Indizes zur Entlastung BGH wistra 2002, 260, 262; BGH, Urt. vom 16. März 2004 – 5 StR 490/03). Zwar stellt das Landgericht zutreffend darauf ab, daß eine Fahrt des Angeklagten S von Köln nach Bremen überflüssig gewesen wäre, falls B die Tat unmittelbar allein ausgeführt hätte. Das Landgericht hat aber bei seinem hieraus und aus B s Bekundung zur Waffenübergabe gezogenen Schluß, S habe W allein erschossen, dem entgegenstehende erhebliche Bedenken außer acht gelassen. In diesem Fall wäre nämlich die Übergabe der Tatwaffe an einen unbeteiligten Dritten zur bloßen Entsorgung ein für die erstrebte Tatverschleierung unsinniger, das Entdeckungsrisiko für den Angeklagten S erheblich steigernder Vorgang gewesen. Angesichts der Verstrickung des B in das kriminelle Umfeld des Angeklagten H , seiner Einbindung in von H gesteuerte unrichtige Belastungen des S und der vom Landgericht festgestellten, auf die Telefongespräche am Tattag gestützten konspirativen Verbindung zwischen beiden und schließlich der Berufung B s auf § 55 StPO, die schon allein zu besonders vorsichtiger Beweiswürdigung nötigt (vgl. BGHSt 47, 220, 223 f.), kann die vom Landgericht ohne kritische Wertung dieser Umstände in ihrer Gesamtheit hingenommene Aussage des Zeugen B keine tragende Grundlage für den Schuldspruch wegen Mordes sein.
2. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung, soweit der Angeklagte S wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt worden ist. Der Senat kann die für sich fehlerfrei getroffenen Feststellungen, mit denen das Landgericht das Alibi S s widerlegt hat, nicht aufrechterhalten.
3. Zur Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB weist der Senat auf folgendes hin: Für den Fall, daß die gegen den Angeklagten durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24. November 1999 verhängte und zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sechs Monaten am Tag der Verkündung des angefochtenen Urteils (23. März 2004) noch nicht erlassen war, begründet die Verurteilung durch das Amtsgericht eine Zäsur. Es ist dann eine Gesamtfreiheitsstrafe aus der rechtskräftigen Einzelfreiheitsstrafe von zehn Jahren (erpresserischer Menschenraub im Fall Sh ), der sechsmonatigen Freiheitsstrafe und einer (möglichen) Strafe wegen des Verbrechens zum Nachteil des W zu bilden. Die vom Landgericht Rostock am 25. März 2003 verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren würde bestehen bleiben. Allerdings würde § 358 Abs. 2 StPO einen Nachteil in Gestalt einer härteren Bestrafung verbieten (BGHSt 45, 308, 310 m.w.N.). Ein solcher würde nicht vorliegen, falls der Angeklagte S in dem aufgehobenen Fall zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt und folglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe bis zu 15 Jahren erkannt würde; dann stünde er angesichts insgesamt zeitiger Strafen und niedrigerer Mindestverbüßungszeiten nach § 57 StGB jedenfalls günstiger als durch die bisher verhängte lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Wird jedoch in dem aufgehobenen Fall wiederum auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt, gebietet § 358 Abs. 2 StPO allerdings die erneute Einbeziehung der siebenjährigen Freiheitsstrafe in eine dann wieder zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, damit der Angeklagte durch seine Revision nicht schlechter als bislang gestellt wird.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

5 StR 490/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 16. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
16. März 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Kö
als Vertreter der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 7. April 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , seinen Schwager E am 29. August 2002 gegen 23.25 Uhr in dessen Pizzeria in Schlettau mit einem Pistolenschuß in den Kopf heimtük- kisch getötet zu haben. Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und die Revisionen der Witwe sowie der Schwester des Getöteten, die sich als Nebenklägerinnen dem Verfahren angeschlossen haben, führen mit der Sachrüge zur Aufhebung des Freispruchs. Auf die von den Nebenklägerinnen erhobenen formellen Rügen kommt es nicht an.

I.


1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Der seit 1979 in Deutschland lebende Angeklagte heiratete 1985 die Schwester des Getöteten E . Nachdem der Angeklagte gegen seine Ehefrau tätlich geworden war und er die Ehe durch große Eifersucht belastet hatte, zog seine Ehefrau im September 1999 mit den damals elf und neun Jahre alten ehelichen Kindern mit Hilfe des E von Rheinstetten nach Lüdenscheid zu einem Onkel und betrieb das Scheidungsverfahren. Der Angeklagte , dem lediglich ein monatliches Besuchsrecht eingeräumt war, litt stark unter der Trennung von seiner Familie. Er gab seinem Schwager eine erhebliche Mitschuld, wenn nicht die Hauptschuld am Scheitern seiner Ehe. Dies begründete seine besondere Motivationslage zur Abreaktion von Wut und Haß durch entsprechende verbale Äußerungen im Familien- und Bekanntenkreis , die Familie des Schwagers zu zerstören, weil dieser die eigene Familie zerstört habe, bis hin zu Androhungen, den Bruder seiner Frau töten zu wollen.
E übernahm im Februar 2002 die in der Buchholzstraße 9 in Schlettau (Vogtland) gelegene Pizzeria „A “. Der Angeklagte beauftragte im August 2002 seinen Freund At , den E wegen einer Forderung über 15.000 DM anzusprechen. At wandte sich ungefähr am 15. August 2002 telefonisch an seinen Freund Ö , der auch mit E befreundet war und erkundigte sich nach Telefonnummer und Adresse des E . Ö teilte At aber lediglich mit, daß E ein Lokal in Schlettau betreibe. Über den Inhalt dieses Anrufs informierte At den Angeklagten.
Am 29. August 2002 sprach auf dem Marktplatz in Schlettau gegen 21.15 Uhr ein 1,65 m bis 1,70 m großer Mann, ca. 40 bis 45 Jahre alt, von normaler Figur, in sehr gebrochenem Deutsch die Zeuginnen G und L an und fragte nach einem Lokal und danach, ob er sich in Schlettau befinde. Die Zeuginnen hielten den Mann für einen Türken, und wiesen ihn, nachdem er bestätigt hatte, eine Pizzeria zu suchen, den Weg zum Lokal des E . Gegen 22.45 Uhr traf der Zeuge Ki an der Ecke
Buchholz/Breitscheidstraße auf einen ca. 1,75 m großen Mann südländischen Aussehens, der durch den Blick des Zeugen merklich irritiert wurde und leicht zuckte. Der Zeuge S beobachtete von seiner Wohnung aus gegen 23.20 Uhr einen ca. 1,70 bis 1,75 m großen Mann, der mit einer Schirmmütze und einem grauen T-Shirt bekleidet in die Pizzeria ging. Die im Lokal beschäftigten Zeugen I und D nahmen einen 1,65 bis 1,70 m großen Mann von schlanker Gestalt wahr, der eine Schirmmütze trug und etwa 35 Jahre alt war. Diese Person schoß mit einer Pistole FN Kaliber 7,65 mm dem auf einem Barhocker am Kassentresen sitzenden E in Höhe des rechten oberen Ohrmuschelansatzes aus geringer Entfernung in den Kopf, wodurch eine Hirnverletzung entstand, die um 3.43 Uhr trotz ärztlicher Bemühungen zum Tod führte. Der Zeuge S sah unmittelbar nach der Schußabgabe den gleichen Mann, der kurz zuvor die Pizzeria betreten hatte, aus dem Lokal kommen, die Buchholzstraße überqueren und in die Breitscheidstraße einbiegen. Letzteres wurde von dem Augenzeugen Sü bestätigt. Die Zeugin Se sah unmittelbar nach der Schußabgabe einen 1,60 m bis 1,70 m großen Mann von normaler Gestalt ca. 50 m in die Breitscheidstraße rennen. Diese Person stieg in ein am rechten Fahrbahnrand abgestelltes Fahrzeug ein und fuhr sehr schnell davon.
Der Zeuge Ki erkannte am 5. September 2002 unter 13 vorgelegten Wahllichtbildern, die allesamt Männer südländischen Aussehens darstellten und worunter sich zwei Bilder des Angeklagten befanden, den Angeklagten auf beiden Bildern „zu 80 %“ als die Person, auf die er um 22.45 Uhr in Schlettau getroffen war. Auch die Zeuginnen G und L bezeichneten die Bilder, die den Angeklagten zeigten als demjenigen Mann ähnlich, der sie auf dem Marktplatz um 21.15 Uhr angesprochen hatte. Der Zeuge D erkannte eine solche Ähnlichkeit mit dem Täter lediglich auf einem Bild.
Der Angeklagte bestreitet, seine Ehefrau jemals bedroht oder geschlagen zu haben. Seinen Schwager habe er nicht getötet. Er sei am Tattag
nach einem Spaziergang im Karlsruher Schloßpark um 21.00 Uhr zu Hause mit dem Pkw in Rheinstetten angekommen und habe seine Wohnung bis zum Mittag des nächsten Tages nicht mehr verlassen.
2. Das Landgericht hält die Einlassung des Angeklagten für widerlegt. Sein Pkw Honda Concerto sei in der Tatnacht nicht in der Tiefgarage gesehen worden. Ferner hätten sich die Angaben des Angeklagten über das von ihm verfolgte türkische Fernsehprogramm als unzutreffend herausgestellt. Von einer Täterschaft des Angeklagten hat es sich aber nicht überzeugen können. Die Ergebnisse der Wahllichtbildvorlagen seien hinsichtlich der Wiedererkennungsmerkmale Oberlippenbart, Haarkranz und männliche Person mit südländischem Aussehen nicht ausreichend, um eine Verwechslung auszuschließen. In der Hauptverhandlung hätten die Zeugen nur eine Ähnlichkeit des Angeklagten – der freilich sein Aussehen durch Tragen eines Vollbartes verändert hatte – mit der von ihnen in Schlettau jeweils beobachteten Person feststellen können. Die beim Angeklagten erkennbare besondere Motivationslage werde durch das Fehlen objektiver Beweismittel relativiert.

II.


Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Freispruchs, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
Zwar muß das Revisionsgericht es grundsätzlich hinnehmen, daß der Tatrichter einen Angeklagten deshalb freispricht, weil der Tatrichter Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
1. Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lükkenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, daß sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl – wie hier – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen einen Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muß es allerdings in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen (BGH wistra 2002, 430; 260, 261; BGH NStZ-RR 2000, 171) und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH NJW 2002, 2188, 2189; 2002, 1811, 1812; BGH NStZ 2002, 48). Dem wird das angefochtene Urteil hinsichtlich der Identifizierung des Tatverdächtigen durch Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht gerecht. Das Landgericht hat naheliegende Umstände , die auf den Angeklagten hindeuten, nicht in seine Abwägung mit einbezogen.

a) Das Schwurgericht hat das Alibi des Angeklagten mit fehlerfreier Beweiswürdigung widerlegt. Es hat allerdings die Prüfung der naheliegenden Frage unterlassen, ob der Angeklagte entgegen seiner Einlassung eine weitere Reise unternommen hat, die es ihm ermöglicht hätte, mit seinem Pkw bis 21.15 Uhr am Tatort einzutreffen und nach der Tatausführung gegen 23.25 Uhr wieder nach Rheinstetten zurückzukehren. Dafür hätte auf den von der Zeugin B bekundeten Umstand abgestellt werden können, daß der Angeklagte am Tattag gegen 15.30 Uhr in Rheinstetten eine Reisetasche in seinen Pkw verbrachte, anschließend wegfuhr und daß der Pkw nach den Angaben der Zeugin Sc am 29. August nicht mehr, sondern vielmehr erst gegen 11.00 Uhr des Folgetages auf dem Parkplatz des Angeklagten gesehen wurde.

b) Bei einer – ersichtlich möglichen – Anwesenheit des Angeklagten in Schlettau gegen 21.15 Uhr hätten die von den Zeuginnen G und L bekundeten Äußerungen des von ihnen angetroffenen Ausländers (Frage in gebrochenem Deutsch nach einem Lokal oder Pizzeria und der Nachfrage, ob er sich in Schlettau befinde) zu den Sprachkenntnissen und dem Sprechverhalten des Angeklagten in Beziehung gesetzt werden müssen. Das Landgericht hätte ferner mit in die Bewertung einbeziehen müssen, daß durch die Aussagen der Zeugen Ö und At der Angeklagte über den Aufenthaltsort seines Schwagers nur unzureichend informiert war.

c) Das Schwurgericht hat es ferner unterlassen, eine ausreichende Verbindung der Aussagen der Zeugen G , L , Ki und D , die eine Ähnlichkeit der von ihnen wahrgenommenen Person mit den in der Wahllichtbildvorlage enthaltenen Bildern des Angeklagten bekundeten , mit den Personenbeschreibungen der Zeugen herzustellen, die einen unbekannten Mann vor und in der Pizzeria sowie auf der Flucht gesehen haben (S UA 13, I UA 9, Sü UA 13, Se UA 12). Dazu hätte nahegelegen, das Erscheinungsbild des Angeklagten zur Tatzeit zu ermitteln und mit dem jeweiligen Erscheinungsbild der von den Zeugen in den verschiedenen Beweisstationen (Vorbereitung 21.15 Uhr bis 22.45 Uhr; Betreten der und Agieren in der Pizzeria; Flucht aus der Pizzeria) geschilderten Person zu vergleichen. Die Wahrnehmungen der Zeugin Se zur Beschaffenheit des Fluchtautos hätten dann in Beziehung gesetzt werden können zum äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs des Angeklagten.
2. Es besteht auch die Besorgnis, daß das Landgericht insoweit überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH wistra 2002, 260, 262 m.w.N.), als es die besondere, den Angeklagten belastende Motivationslage durch das Fehlen objektiver Beweismittel relativiert hat. Es besteht Anlaß anzunehmen, das Landgericht könnte das Mißlingen der Gewinnung objektiver Beweise zugunsten des Angeklagten überbewertet haben. Die Schwurgerichtskammer wür-
digt als den Angeklagten erheblich entlastend, daß weder Schmauchspuren an den Händen des Angeklagten festgestellt wurden noch an der aufgefundenen Patronenhülse festgestelltes DNA-Material auf den Angeklagten hindeutete. Bei dieser Wertung wird übersehen, daß wegen der erfolgten fehlerhaften Anwendung der Schmauchprobenträger durch die ermittelnden Polizeibeamten ein solcher Sachbeweis überhaupt nicht erhoben werden konnte. Das an der Patrone festgestellte DNA-Material ergab zwar eine auf drei Personen – darunter nicht der Angeklagte – hindeutende Mischspur. Für den Angeklagten wesentlich entlastend wäre dieser Befund aber nur zu werten, falls der Pistolenschütze die Patrone mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hätte berühren müssen. Dazu wären die waffentechnischen Besonderheiten der verwendeten Pistole zu betrachten gewesen. Wäre – wie üblich – die Ladung der Waffe mittels eines Magazins erfolgt, hätte der Schütze bei Vorhandensein eines aufmunitionierten Magazins die Patrone nicht berühren müssen. Fehlende Täterspuren an der Patrone hätten dann nur ein geringes entlastendes Gewicht.

III.

Die Sache bedarf insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Sollte sich der neue Tatrichter von einer Täterschaft des Angeklagten überzeugen
können, wird eine Prüfung des aktuellen seelischen Zustandes des Angeklagten bei Begehung der Tat naheliegen (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 4).
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.