Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2019 - 5 StR 467/19

bei uns veröffentlicht am27.11.2019
vorgehend
Landgericht Bremen, 211 , s 47797/15

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 467/19
vom
27. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:271119B5STR467.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29. Mai 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Als Entschädigung für überlange Verfahrensdauer hat es vier Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt erkannt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts plante der unbestrafte, zur Tatzeit 22-jährige Angeklagte gemeinsam mit einem Mittäter, einen Kiosk zu überfallen, um Geld für eine Silvesterfeier zu erlangen. Sie hatten den Hinweis erhalten, dass der Inhaber des Kiosks aufgrund eines Drogenverkaufs etwa 12.000 Euro in einem Umschlag unter der Kasse lagere. Während sein Komplize als Fluchtfahrer agieren sollte, wollte der Angeklagte den Kiosk maskiert betreten und von der Angestellten unter Vorhalt einer ungeladenen Schreckschusspistole insbesondere die Herausgabe des Umschlags mit vermeintlichem Drogengeld verlangen.
3
Nachdem der Angeklagte am Abend des 28. Dezember 2014 den Kiosk betreten hatte, erkannte er in dem zu dieser Zeit wider Erwarten dort beschäftigten Mitarbeiter seinen ehemaligen Klassenkameraden wieder. Er überlegte kurz, ob er so tun solle, als ob es sich um einen scherzhaften Überfall handele, um so von dem Überfall Abstand nehmen zu können. „Letztlich entschied er sich jedoch unter Berücksichtigung, dass er nun schon einmal so weit sei und das Geld für die Silvesternacht brauche, zur weiteren Durchführung der Tat“ (UA S. 7). Er richtete seine ungeladene Pistole auf den Mitarbeiter und forderte ihn zur Herausgabe des Bargelds aus der Kasse, des Geldumschlags unter der Kasse und von Zigaretten auf. Der um sein Leben fürchtende Geschädigte legte in eine vom Angeklagten mitgeführte Tüte der Kasse entnommenes Bargeld, zehn Zigarettenschachteln und den Umschlag, in dem sich entgegen der Erwartung des Angeklagten allerdings nur etwa 100 Euro Wechselgeld befanden. Nach anschließender kurzer Flucht, bei der sein Komplize das Fluchtfahrzeug in eine Sackgasse gesteuert hatte, beschloss der Angeklagte, sich der Polizei zu stellen.
4
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch und hinsichtlich der Kompensation für den Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrensgestaltung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
5
Das Landgericht hat zur Begründung der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 255, § 250 Abs. 3 StGB unter anderem ausgeführt: „Zu Lasten des Angeklagten sprach auch, dass er die Tat trotz des Umstandes, dass er den Mitarbeiter zwar als ehemaligen Schulkameraden erkannte und aufgrund dessen kurzfristig erwog, sein bisheriges Vorgehen als scherzhaftes Verhalten auszugeben, (…) gleichwohl fortsetzte, obwohl er alternative Handlungsmöglichkeiten zur weiteren Tatfortsetzung für sich erkannte“ (UA S. 35). Bei der konkreten Strafzumessung ist die Strafkammer erneut von allen bei der Prüfung des minder schweren Falles berücksichtigten Umständen ausgegangen.
6
Die vorgenannte Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht schon bei der Strafrahmenwahl fehlerhaft dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt davon Abstand zu nehmen und damit vom Versuch der räuberischen Erpressung zurückzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – 5 StR 299/19; Beschlüsse vom 25. August 1989 – 3 StR 286/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14; vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 530/01, NStZ-RR 2002, 106; vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 332/03, BeckRS 2003, 9605; vom 7. September 2015 – 2 StR 124/15, NStZ-RR 2016, 74; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 692 mwN).
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich bereits dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung ausgewirkt hat, zumal die Strafkammer bei der Prüfung, ob die von dem bis dahin und auch in der Folgezeit unbestraften Angeklagten begangene, mehrere Jahre zurückliegende Tat als minder schwerer Fall zu werten ist, eine Vielzahl gewichtiger Strafmilderungsgründe angeführt hat.
8
Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, ob auch der als ein Anzeichen krimineller Energie strafschärfend gewertete Gesichtspunkt, dass er bereit gewesen sei, sich „für eine rauschende Silvesternacht“ mit einem vermeintli- chen Drogendealer anzulegen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Bei dieser Erwägung hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass der zum Tatzeitpunkt noch junge Angeklagte, dem es ohnehin eine „gewisse Unreife“ attestierte (UA S. 34), nach den Feststellungen bei dem geplanten Überfall nicht mit einer Anzeige rechnete, da bei illegal erworbenem Drogengeld als Beute sich der Inhaber des Kiosks andernfalls selbst der Strafverfolgung aussetzen würde (UA S. 5). Damit trug das Vorstellungsbild des Angeklagten von dem durch seine Tat Geschädigten eher zu einer Senkung seiner Hemmschwelle bei.
9
4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler bei der Strafzumessung nicht betroffen und haben daher Bestand. Weitergehende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen , können getroffen werden.
10
5. Die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch lässt die Kompensationsentscheidung unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 137 f.; Beschlüsse vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950, und vom 16. März 2016 – 1 StR 402/15, wistra 2016, 357).
Sander König Berger
Mosbacher Köhler
Vorinstanz:
Bremen, LG, 29.05.2019 - 211 Js 47797/15 7 KLs (19/19)

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 299/19
vom
9. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:091019U5STR299.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober 2019, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander,
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Mosbacher,
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 2. Januar 2019 mit den Feststellungen – ausgenommen diejenigen zum objektiven Tatgeschehen – aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbenannte Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Seine weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die zur Aufhebung des Strafausspruchs führt. Die – vom Generalbundesanwalt vertretene und ebenfalls mit der Sachrüge begründete – Revision der Staatsanwaltschaft hat zu Lasten des Angeklagten die überwiegende Aufhebung des Urteils zur Folge.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der Angeklagte ist seit vielen Jahren alkoholabhängig und hat bereits mehrere Therapiemaßnahmen erfolglos durchlaufen. Seit 1985 musste er zahlreiche Haftstrafen u.a. wegen Nötigung, Diebstahls, räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, gefährlicher Körperverletzung, Vergewaltigung und räuberischer Erpressung verbüßen. Zuletzt wurde im März 2018 eine sechsmonatige Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung und anderer Delikte gegen ihn verhängt.
4
In einer betreuten Wohneinrichtung für suchtkranke Menschen hatte er 2014 das spätere Tatopfer kennengelernt, die 18 Jahre jüngere K. ; auch sie war dem Alkohol verfallen und litt zudem an einer BorderlineStörung. Beide waren seitdem liiert, stritten sich aber immer wieder. Ein im Februar 2017 geborenes gemeinsames Kind wurde Anfang 2018 auf Drängen des Jugendamtes dauerhaft in eine Pflegefamilie gegeben. Der Angeklagte machte hierfür insbesondere seine Partnerin verantwortlich, weil diese durch ihre zahlreichen Alkoholrückfälle auch ihn wieder zu eigenem Alkoholkonsum verführt hätte. Er entwickelte schließlich, zumindest wenn er Alkohol getrunken hatte, Hassgefühle gegen sie.

5
Nach einem Gerichtstermin gab es erneut erheblichen Streit zwischen beiden. Die Gedanken des Angeklagten kreisten darum, dass er sich von seiner Partnerin ausgenutzt fühle, sie sein Leben zerstöre, sich an diesem Tag „un- möglich“ benommen habe und er sich eigentlich von ihr trennen wolle. In einer Grünanlage unmittelbar vor dem Polizeirevier gab es nach einer vorübergehenden räumlichen Trennung ein letztes Gespräch, bei dem der Angeklagte zunächst noch wünschte, hieraus die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft wiedererlangen zu können. Das Gespräch verlief aber in eine andere Richtung. Während der Angeklagte seiner Lebensgefährtin vorwarf, dass sie ihn nur „verarsche“ und benutze, brachte sie ihm gegenüber ihre Verachtung zum Aus- druck.
6
Der gekränkte und enttäuschte Angeklagte beschloss nunmehr unvermittelt , dass K. für das, was sie ihm angetan hatte, sterben müsse. Er führte im Hosenbund ein Küchenmesser mit 20 cm langer Klinge bei sich. Ohne dass sie zu einer Abwehrreaktion fähig war, stach er mit Tötungsabsicht zweimal in Richtung ihres Körpers. Dabei sagte er: „Jetzt bekommst du, was du verdienst!“. Er traf sie jedoch lediglich am linken Oberschenkel. Sie sprang schreiend auf und lief davon, wurde aber nach wenigen Metern vom Angeklagten eingeholt, der ihr unmittelbar nachgesetzt hatte. Er stach ihr – wiederum mit Tötungsabsicht – mit voller Wucht das Messer von hinten im Bereich der rechten Schulter in den Rücken. An der hierdurch verursachten schweren Verletzung starb K. kurze Zeit später. Der Angeklagte rief die Polizei und stellte sich, wobei er die Tat sogleich zugab.
7
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat der alkoholisierte, jedoch voll schuldfähige Angeklagte (maximal 2,1 Promille Blutalkoholkonzentration) zwar objektiv heimtückisch gehandelt. Es hat sich aber nicht davon zu überzeugen vermocht, dass er sich bei seinem Angriff auf das Leben seines Opfers des Umstandes bewusst war, dass er es überraschte und seine Überraschung zur Überwindung der Gegenwehr ausnutzte.

II.


8
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Revision zu Recht die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke.
9
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung bei Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist dabei, dass der Täter das sich keines erheblichen Angriffs versehende, mithin arglose Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Auch ein offen feindseliger Angriff kann heimtückisch sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verbleibt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ-RR 2018, 45 mwN).
10
Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff auf Leib und Leben schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – 2 StR 530/18, NStZ 2019, 520). Das Ausnutzungsbewusstsein kann im Einzelfall bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens abgeleitet wer- den, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter zur Tatzeit auf der Hand liegt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – 5 StR 580/17, NStZ 2019, 26). Das gilt in objektiv klaren Fällen selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – 2 StR 530/18 aaO mwN). Bei erhaltener Fähigkeit zur Unrechtseinsicht ist auch die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, aaO mwN). Anders kann es zwar bei heftigen Gemütsbewegungen liegen, jedoch sprechen auch eine Spontaneität des Tatentschlusses sowie eine affektive Erregung des Angeklagten nicht zwingend gegen ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. Maßgeblich sind die in der Tatsituation bestehenden tatsächlichen Auswirkungen des psychischen Zustands des Täters auf seine Erkenntnisfähigkeit (BGH, aaO mwN). Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Frage (vgl. BGH, aaO mwN).
11
2. Auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsmaßstabes erweist sich die Ablehnung des Ausnutzungsbewusstseins als rechtsfehlerhaft. Die zugrundeliegende Würdigung weist Lücken auf und wird deshalb dem genannten Maßstab nur teilweise gerecht.
12
a) Das Landgericht hat folgende Gründe zur Ablehnung des Ausnutzungsbewusstseins angeführt: Der zu affektivem Verhalten neigende und nur eingeschränkt zur Impulskontrolle fähige Angeklagte sei emotional aufgewühlt und aufs Äußerste frustriert sowie alkoholisiert gewesen. Er habe sich Beleidigungen und Vorhalten des Tatopfers ausgesetzt gesehen. Unter Alkoholeinfluss baue er ein starkes Aggressionspotential auf und sei dann zu vernünftigen Problemlösungen nicht mehr in der Lage. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass der stets fahrige Angeklagte sich des Umstandes, sein Opfer durch einen Angriff mit dem Messer zu überraschen und seine Abwehr dadurch zu beeinträchtigen , nicht bewusst gewesen sei. Tatgrund sei allein ein von ihm bilanzier- tes, rein subjektives „Jetzt reicht es“ und kein objektives „Die Gelegenheit passt“ gewesen. Die Tatsituation sei auch nicht so eindeutig, dass die Annahme des Ausnutzungsbewusstseins „zwingend“ erscheine. Zudem sei der Angeklag- te ohne Tötungsgedanken in das Gespräch gegangen.
13
b) Damit hat die Strafkammer ganz wesentlich auf Punkte abgestellt, die das Hemmungsvermögen des Angeklagten betreffen, ohne darzulegen, weshalb diese unmittelbare Auswirkungen auf seine Fähigkeit gehabt haben sollen, die Tatsituation realistisch einzuschätzen. Dies versteht sich bei einem einfach gelagerten Geschehen wie dem vorliegenden auch nicht von allein. Nicht einmal der Angeklagte selbst hat angegeben, er sei sich nicht bewusst gewesen, sein Opfer mit dem Messerangriff zu überraschen, obwohl er ansonsten die Tatumstände detailliert und umfassend dargelegt hat. Die Ausführungen des Sachverständigen zu etwaigen psychischen Einschränkungen des Angeklagten bei der Tatbegehung enthalten auch keine Hinweise auf tat-relevante Defizite bei der Wahrnehmung oder Einschätzung der Tatsituation. Vor diesem Hintergrund hätte die Strafkammer näher darlegen müssen, weshalb trotz erhaltener Unrechtseinsicht ausnahmsweise die Fähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt war, die übersichtliche Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für sein Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen.
14
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Tatgeschehen, die rechtsfehlerfrei getroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

III.


15
Die Revision des Angeklagten führt zu seinen Gunsten zur Aufhebung des Strafausspruchs und ist im Übrigen unbegründet.
16
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er sein Ziel energisch verfolgt habe, indem er nach den ersten beiden Stichen seinem Opfer nachgerannt sei und ihm den tödlichen dritten Stich versetzt habe. Damit lastet die Schwurgerichtskammer dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB an, dass er die Tat überhaupt vollendet hat und nicht vom Tötungsversuch zurückgetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 332/03, mwN). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten bei der Strafzumessung ausgewirkt hat.
17
Soweit im angefochtenen Urteil nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls wann die Verurteilung vom 21. März 2018 (Bewährungsstrafe von sechs Monaten) rechtskräftig geworden ist, wird dies in der neuen Entscheidung nachzuholen sein.
Sander Schneider König
Mosbacher Köhler

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 332/03
vom
15. Oktober 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Oktober 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 22. April 2003 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat die Bedenkenlosigkeit des Angeklagten strafschärfend gewertet, welche sie darin erblickt, daß er mehrfach Gelegenheit gehabt hätte,
die Tat abzubrechen. Damit wertet sie zu Lasten des Angeklagten, daß er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14). Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil der Senat hier trotz der an sich angemessenen Strafe nicht ausschließen kann, daß diese bei fehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wäre. Denn hinzu kommt folgendes: der Tatrichter wirft dem Angeklagten bei der Strafzumessung und der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung seinen Charakter und seine Lebensführung mit einer Vielzahl von drastischen und moralisierenden Wendungen wie beispielsweise "Hai im Haifischbecken", "Lebensphilosophie , sich zu schnappen, was zu schnappen ist", "in seiner Lebensführung über keine moralischen Maßstäbe verfügt", "bei dem ihn leitenden Bestreben nach seinem rücksichtslosen Vorteil ist Übles zu erwarten" vor. Diese Wendungen begründen in ihrer Gesamtheit die Besorgnis, daß der Tatrichter eine gefühlsmäßige , auf unklaren Erwägungen beruhende Strafzumessung vorgenommen
hat (vgl. BGH StraFo 2003, 215; NStZ 2002, 646; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Be- gründung 2), und daß er dabei von einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Angeklagten beeinflußt worden sein könnte. Bode Detter Otten Rothfuß Roggenbuck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 124/15
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:070915B2STR124.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 7. September 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. und R. wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 12. Dezember 2014, soweit es sie betrifft, jeweils im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Den Angeklagten R. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Strafzumessung bezüglich des Angeklagten K. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung die Tatausführung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt und dabei unter anderem strafschärfend darauf abgestellt, dass „er, der einstige Polizeischüler“ sich wenige Stunden vor der Tat im Internet darüber informiert habe, „welche Strafe auf einen bewaffneten Überfall“ stehe, und dass er die Tat „in Kenntnis der hohen Strafandrohung“ begangen habe. Damit ist dem Angeklagten im Ergebnis als straferhöhend der Umstand angelastet worden, dass er sich trotz positiver Kenntnis von der hohen Straferwartung nicht von der Begehung der Tat abhalten ließ, hierin liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB.
4
b) Strafschärfend hat das Landgericht außerdem berücksichtigt, dass der Angeklagte „Zweifel, die bei ihm und dem Angeklagten R. “ unmittelbar vor Tatbegehung aufgekommen waren, schließlich beiseite gewischt habe. Auch diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht die Tatbegehung als solche strafschärfend berücksichtigt hat, und verstößt daher gegen § 46 Abs. 3 StGB.
5
c) Soweit das Landgericht schließlich zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er die Tatbeute nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern für eine Urlaubsreise verwendet habe, lässt dies besorgen, dass der Tatrichter – ungeachtet des ihm insoweit eingeräumten Spielraums – dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfend angelastet hat.
6
2. Auch die Strafzumessung bezüglich des Angeklagten R. ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Erwägungen der Kammer zum Ausmaß seiner Tatbeteiligung sind jedenfalls unklar. Einerseits ist strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte während des unmittelbaren Tatgeschehens „nicht die aktive Rolle“ eingenommen habe (UA S. 48). Andererseits hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass ihm eine „entscheidende Rolle“ mit „herausgehobener Bedeutung für die Tatdurchführung“ zugekommen und seine Tatbeteiligung im Vergleich zum Mitangeklagten K. „gleichgewichtig“ (UA S. 49) gewesen sei. Diese Erwägungen lassen besorgen, dass dem Angeklagten schon die mittäterschaftliche Tatbeteiligung selbst strafschärfend angelastet worden ist. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB.
7
3. Einer Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen, die rechtsfehlerfrei getroffen sind, bedarf es nicht. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die zu den in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
12
3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer