Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2019 - 5 StR 3/19

published on 17/07/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2019 - 5 StR 3/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 3/19
vom
17. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170719B5STR3.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 17. Juli 2019 gemäß § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Angeklagten Y. wird auf ihren Antrag und ihre Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2018 gewährt. 2. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2018 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen. 3. Die Revisionen der Angeklagten E. und Y. werden verworfen. Es wird davon abgesehen, den Beschwerdeführerinnen die Kosten ihres Rechtsmittels aufzuerlegen. Die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen haben sie zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten E. und Y. hat es wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu Jugendstrafen von einem Jahr und neun Monaten bzw. einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten R. führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die weitergehende Revision des Angeklagten

R.

und die ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten E. und Y. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hat betreffend den Angeklagten R. keinen Bestand, weil die Ablehnung einer Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
3
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Bereits wenige Tage nach der Tat wies eine Vertrauensperson die Polizei darauf hin, dass es sich bei dem Haupttäter um den gesondert Verfolgten

A.

handle. Knapp eine Woche später ging ein weiterer, inhaltsgleicher Hinweis bei der Polizei ein. Am darauffolgenden Tat stellte sich der Angeklagte R. den Strafverfolgungsbehörden und bezichtigte A. des – nicht vom Tatplan
umfassten – tödlichen Einsatzes des Tatmessers. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen machte der Angeklagte R. zudem Angaben zum Verbleib des Messers, die zu dessen Auffinden führten. Darüber hinaus wurden noch vor Abschluss der Ermittlungen in einem Schriftsatz seines Verteidigers die Mitangeklagten

E.

und Y. als Mitfahrerinnen des Tatfahrzeugs benannt, was diese allerdings bereits zuvor gegenüber der Polizei eingeräumt hatten.
5
Das Landgericht hat diese Information nicht als wesentlich für die Tataufklärung bewertet und deshalb das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint. Hinsichtlich der Aussage zum gesondert Verfolgten A. folge dies daraus, dass dessen Tatbeteiligung den Ermittlungsbehörden schon aufgrund der genannten Hinweise bekannt gewesen sei. Betreffend die Mitangeklagten E. und Y. habe R. lediglich deren „Dabeisein“, nicht aber deren Zustimmung zur Tat und ihr Verhalten am Tatort selbst geschildert.
6
b) Die Verneinung einer wesentlichen Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1044). Sie ist zu bejahen, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Angeklagten jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2016 – 5 StR 26/16, BGHR StGB § 46b Voraussetzungen 5 mwN). Dass Letzteres bereits für die Anwendung von § 46b StGB ausreichen kann, hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht.
8
2. Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler, da der Senat trotz der durchaus maßvollen Strafe nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender Rechtsanwendung eine mildere Strafe verhängt hätte.
9
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.
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published on 15/03/2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 26/16 vom 15. März 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:150316B5STR26.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2016 beschlossen: Auf die Revisionen der
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(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.