Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 5 StR 301/17

bei uns veröffentlicht am26.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 301/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260717B5STR301.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. März 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes (Tatzeit 21. Juli 2015), Diebstahls sowie in Tateinheit mit Nötigung begangener Körperverletzung (Tatzeit jeweils 19. Dezember 2015) unter Einbeziehung von Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März und 3. August 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht vorgenommene Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben.
3
a) Der Senat vermag nicht zu prüfen, ob hinsichtlich aller Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März 2016 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Denn zwei der drei Taten hat der Angeklagte am 30. Oktober und 14. November 2014 verübt. Es kommt daher in Betracht , dass die hierfür verhängten Freiheitsstrafen von sechs und drei Monaten bereits bei einer der weiteren Verurteilungen vom 10. April und 23. Juni 2015 sowie 4. August 2016 (jeweils zu Geldstrafe) oder aber vom 6. Juli 2015 (fünfmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde ) hätten einbezogen werden müssen. Das wäre freilich nicht der Fall, wenn die genannten Strafen bei Erlass des angegriffenen Urteils schon vollstreckt oder auf andere Weise erledigt gewesen wären, weil dann die dem jeweils frühesten Judikat zukommende Zäsurwirkung entfallen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 – 5 StR 388/07, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 18, und vom 22. Januar 2015 – 3 StR 585/14). Die einzelnen Vollstreckungsstände werden jedoch vom Landgericht nicht mitgeteilt.
4
b) Es hat zudem die durch das Urteil vom 3. August 2016 verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr zu Unrecht in die Gesamtstrafe einbezogen. Denn die zugrunde liegende Tat hat der Angeklagte am 21. April 2016 und damit nach der ihrerseits eine Zäsur bildenden Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März 2016 begangen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Angeklagte in der hierauf anberaumten Hauptverhandlung zurückgenommen , so dass die tatsächlichen Feststellungen auch in keinem der Entscheidung vom 3. August 2016 nachfolgenden Urteil mehr zu prüfen waren (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB).
5
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte jedenfalls durch eine unzutreffende Einbeziehung der beiden genannten Einzelstrafen aus dem Urteil vom 15. März 2016 beschwert ist, und hebt daher die Gesamtstrafe auf. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, die neue Gesamtstrafe im Beschlusswege (§§ 460, 462 StPO) bilden zu lassen (§ 354 Abs. 1b Satz 1 StPO).
6
2. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtlicher Überprüfung stand. Zwar hat das Landgericht insofern ausgeführt , dass „der Erfolg einer Entziehungskur nicht von vornherein aussichtslos erscheint“ und damit einen falschen Maßstab angelegt. Denn der am 20. Juli 2007 in Kraft getretene § 64 Satz 2 StGB verlangt ebenso wie schon der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1) eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für die Behandlung. Diese vermag der Senat jedoch den Urteilsgründen noch hinreichend zu entnehmen. Der relativ junge, sich seit 2009 in Deutschland aufhaltende Angeklagte hat bislang noch keine Langzeittherapie, aber einen Sprach- sowie andere Integrationskurse gemacht; er ist nach den Feststellungen zudem krankheitseinsichtig und behandlungsbereit.
7
3. Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher feststeht, dass das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten allenfalls einen geringfügigen Teilerfolg haben kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 – 4 StR 513/15, und vom 1. Juli 2010 – 1 StR 196/10 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider König Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 388/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. April 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum elffachen Betrug, uneidlicher Falschaussage und Urkundenfälschung in 19 Fällen unter Einbeziehung rechtskräftiger Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg hat.
2
Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat nicht erkennbar erwogen, ob im Hinblick auf die für die Urkundenfälschungen verhängten Einzelgeldstrafen (19 Strafen zu je 30 Tagessätzen ) die gesonderte Verhängung einer Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt.
3
Diese Möglichkeit musste schon deshalb ausdrücklich erörtert werden, weil nahe liegt, dass bei der gesonderten Festsetzung einer Geldstrafe die danach zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe – aus Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, sechs Monaten sowie (einbezogen) fünfmal einem Monat und dreimal drei Monaten – noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können und deswegen die Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe als das schwerere Übel erscheint (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung 1; Einbeziehung, nachteilige 1, 2 und 4; Nichteinbeziehung 2).
4
Die Anwendung der durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eröffneten Strafzumessungsentscheidung drängte sich hier besonders auf, um einen angemessenen Härteausgleich für die an sich gebotene, aber durch die Vollstreckung einer Vorverurteilung nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung zu ermöglichen. Die Tathandlungen, die der Verurteilung wegen Urkundenfälschung zugrunde liegen, beging der Angeklagte sämtlich vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin vom 22. Juli 2005 zu einer Geldstrafe. Die Tatzeiten der uneidlichen Falschaussage und der Beihilfe zum Betrug lagen nach dieser Verurteilung, aber vor der – ebenfalls wegen Taten nach dem vorgenannten Urteil erfolgten – Verurteilung vom 30. März 2006 zu den einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Urteil vom 22. Juli 2005 wegen der vollständigen Vollstreckung keine Zäsurwirkung mehr entfalten kann (st. Rspr. vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 S. 1 Zäsurwirkung 2, 3, 5, 7) und dies der Bildung einer Gesamtstrafe aus der darin erkannten Strafe und den Einzelstrafen für die Urkundenfälschungen entgegensteht. Es hat aber nicht ausreichend bedacht , in welcher Form der durch die getrennte Aburteilung entstandene Nachteil auszugleichen ist. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Angeklagte in diesem Fall weder besser noch schlechter gestellt werden sollte als bei gemeinsamer Verhandlung (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 14; § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13), hätte das Landgericht den dem Angeklagten konkret entstandenen Nachteil in den Blick nehmen müssen. So ist diesem durch die zwischenzeitliche Vollstreckung der Vorverurteilung die andernfalls zwingend gesondert vorzunehmende Bildung einer Gesamtgeldstrafe und einer – wohl noch bewährungsfähigen – Gesamtfreiheitsstrafe entgangen. Dieser Nachteil kann durch die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ausgeglichen werden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 8 5 / 1 4
vom
22. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. August 2014
a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen und mit Vergewaltigung sowie der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen und mit Körperverletzung schuldig ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe und über die Kosten des Rechtsmittels nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen und mit "schwerer" Vergewaltigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. September 2011 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Wegen "schwerer" Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen und mit Körperverletzung hat es gegen ihn eine weitere Freiheitsstrafe von acht Jahren verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und auf eine Verfahrensbeanstandung gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch ist wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu berichtigen.
3
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht bei beiden Taten auch die Merkmale des § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB als verwirklicht angesehen. Diese veranlassen eine rechtliche Kennzeichnung der Tat in der Urteilsformel als "Vergewaltigung" (BGH, Beschluss vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, NJW 1998, 2987, 2988). Die Bezeichnung "schwere Vergewaltigung" bleibt demgegenüber der hier nicht gegebenen Qualifikation der Tat nach § 177 Abs. 3 StGB vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2003 - 3 StR 51/03, StraFo 2003, 281, 282).
4
2. Der Gesamtstrafenausspruch hat keinen Bestand.
5
Wie im Urteil darlegt, hat das Landgericht bei der Urteilsverkündung von einer Einbeziehung beider der für die abgeurteilten Taten verhängten (Einzel-)Strafen in eine Gesamtstrafe deshalb abgesehen, weil es einer zwischen den Taten liegenden, indes bereits erledigten Verurteilung des Angeklagten versehentlich Zäsurwirkung beigemessen hatte.

6
Die neu zu treffende Entscheidung über die Gesamtstrafe kann dem Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen werden (§ 354 Abs. 1b Satz 1 StPO). Diesem Verfahren bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels vorbehalten.
Becker Hubert Schäfer
Mayer Spaniol

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 513/15
vom
4. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040216B4STR513.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 10. Juli 2015 aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe aus den Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Münster vom 26. August 2014 und vom 2. Dezember 2014 unterblieben ist, mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang einen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch begegnet insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken , als es das Landgericht versäumt hat, aus den nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB aufrechterhaltenen Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Münster vom 26. August 2014 und vom 2. Dezember 2014 eine Gesamtgeldstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. September 1974 - 3 StR 217/74, BGHSt 25, 382; vom 21. März 2012 - 4 StR 29/12). Der Senat macht von der im Revisionsverfahren - auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 1 StR 196/10) - eröffneten Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die nachträglich zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.
3
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Sie musste nicht dem Nachverfahren vorbehalten bleiben, weil sicher fest steht, dass die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten nur einen geringfügigen Teilerfolg hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 196/10
vom
1. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2009 aufgehoben, soweit ein Ausspruch über die Gesamtstrafe unterblieben ist, und zwar mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 16. November 2007 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II. 1. der Urteilsgründe; zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Diebstahl (Tat II. 2. der Urteilsgründe; drei Jahre Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, 800 € als Wertersatz für verfallen erklärt und den Angeklagten vom Vorwurf freigesprochen, sich in weiteren acht Fällen nach dem Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht zu haben.
2
Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat dieses Urteil durch sein Urteil vom 4. September 2008 (NStZ-RR 2009, 22) lediglich aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat II. 1. verurteilt worden war, sowie im Gesamtstrafenausspruch. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie diejenige des Angeklagten hat er verworfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
3
2. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 15. Dezember 2009 wegen der Tat II. 1. erneut wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, zwei Monate dieser Strafe „zur Entschädigung für überlange Verfahrensdauer“ für vollstreckt erklärt sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 800 € angeordnet. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen eingelegten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
4
3. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs , soweit die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unterblieben ist; im Übrigen erweist es sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. April 2010 als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
Das Landgericht hat die Bildung einer Gesamtstrafe zu Unrecht unterlassen. Denn die nunmehr ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und die durch das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2007 für die Tat II. 2. verhängte dreijährige Freiheitsstrafe waren miteinander gesamtstrafenfähig. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB sind erfüllt, insbesondere ist die Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat II. 2. seit dem Urteil des Senats vom 4. September 2008 rechtskräftig (vgl. Beschluss des Senats vom heutigen Tag - 1 StR 195/10).
6
4. Der Senat macht von der - auch im Falle einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung eröffneten (vgl. Kuckein in KK, StPO 6. Aufl. § 354 Rdn. 26i) - Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, so dass das erkennende Gericht eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO zu treffen haben wird (vgl. BGH, Beschl. vom 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08 m.w.N.). Er weist vorsorglich daraufhin, dass die vom Landgericht vorgenommene Kompensation der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auf die Gesamtstrafe zu beziehen sein wird und der Angeklagte hierdurch im Vergleich zum angefochtenen Urteil nicht schlechter gestellt werden darf (vgl. BGHSt - GS - 52, 124, 147).
7
5. Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung auch hinsichtlich des Schuldspruchs umfassend angegriffen hat, mit der allein die unterlassene Bildung einer Gesamtstrafe betreffenden Aufhebung nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann (vgl. BGH NStZ 2005, 163; BGH, Beschl. vom 14. Februar 2008 - 1 StR 542/07).
Nack Wahl Hebenstreit Elf Sander