Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2019 - 5 StR 627/18

bei uns veröffentlicht am20.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 627/18
vom
20. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:200219B5STR627.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 20. Februar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juli 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe und die Kosten des Rechtsmittels nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines am 18. April 2009 begangenen Totschlags unter Einbeziehung von Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Mai 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt; davon hat es als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung neun Monate für vollstreckt erklärt. Daneben hat es die Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die vom Landgericht vorgenommene Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben.
3
Der Senat vermag anhand der Urteilsgründe nicht zu prüfen, ob hinsichtlich der Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Mai 2010 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Strafen bei Erlass des angefochtenen Urteils schon bezahlt oder auf andere Weise erledigt gewesen wären, weil dann die Zäsurwirkung , die dem vom Landgericht als frühestes Judikat herangezogenen Strafbefehl zukommen konnte, entfallen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 – 5 StR 388/07, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 18, und vom 26. Juli 2017 – 5 StR 301/17 mwN). Der Vollstreckungsstand hinsichtlich der Gesamtgeldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Mai 2010 wird jedoch vom Landgericht nicht mitgeteilt. Insoweit lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nur entnehmen (UA S. 14), dass eine Erledigung durch Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nicht eingetreten ist.
4
Der Angeklagte wäre bei einem Wegfall der vorgenannten Zäsurwirkung auch beschwert, da dann eine Gesamtstrafe mit der 15-jährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2011 hätte gebildet werden müssen. Der Senat hebt daher die Gesamtstrafe auf. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, die neue Gesamtstrafe im Beschlusswege (§§ 460, 462 StPO) bilden zu lassen (§ 354 Abs. 1b Satz 1 StPO).
Mutzbauer Sander Berger
Mosbacher Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2017 - 5 StR 301/17

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5 StR 388/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 11. September 2007 in der Strafsache gegen wegen Urkundenfälschung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urte

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

5 StR 388/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. April 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum elffachen Betrug, uneidlicher Falschaussage und Urkundenfälschung in 19 Fällen unter Einbeziehung rechtskräftiger Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg hat.
2
Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat nicht erkennbar erwogen, ob im Hinblick auf die für die Urkundenfälschungen verhängten Einzelgeldstrafen (19 Strafen zu je 30 Tagessätzen ) die gesonderte Verhängung einer Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt.
3
Diese Möglichkeit musste schon deshalb ausdrücklich erörtert werden, weil nahe liegt, dass bei der gesonderten Festsetzung einer Geldstrafe die danach zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe – aus Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, sechs Monaten sowie (einbezogen) fünfmal einem Monat und dreimal drei Monaten – noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können und deswegen die Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe als das schwerere Übel erscheint (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung 1; Einbeziehung, nachteilige 1, 2 und 4; Nichteinbeziehung 2).
4
Die Anwendung der durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eröffneten Strafzumessungsentscheidung drängte sich hier besonders auf, um einen angemessenen Härteausgleich für die an sich gebotene, aber durch die Vollstreckung einer Vorverurteilung nicht mehr mögliche Gesamtstrafenbildung zu ermöglichen. Die Tathandlungen, die der Verurteilung wegen Urkundenfälschung zugrunde liegen, beging der Angeklagte sämtlich vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin vom 22. Juli 2005 zu einer Geldstrafe. Die Tatzeiten der uneidlichen Falschaussage und der Beihilfe zum Betrug lagen nach dieser Verurteilung, aber vor der – ebenfalls wegen Taten nach dem vorgenannten Urteil erfolgten – Verurteilung vom 30. März 2006 zu den einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Urteil vom 22. Juli 2005 wegen der vollständigen Vollstreckung keine Zäsurwirkung mehr entfalten kann (st. Rspr. vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 S. 1 Zäsurwirkung 2, 3, 5, 7) und dies der Bildung einer Gesamtstrafe aus der darin erkannten Strafe und den Einzelstrafen für die Urkundenfälschungen entgegensteht. Es hat aber nicht ausreichend bedacht , in welcher Form der durch die getrennte Aburteilung entstandene Nachteil auszugleichen ist. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Angeklagte in diesem Fall weder besser noch schlechter gestellt werden sollte als bei gemeinsamer Verhandlung (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 14; § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13), hätte das Landgericht den dem Angeklagten konkret entstandenen Nachteil in den Blick nehmen müssen. So ist diesem durch die zwischenzeitliche Vollstreckung der Vorverurteilung die andernfalls zwingend gesondert vorzunehmende Bildung einer Gesamtgeldstrafe und einer – wohl noch bewährungsfähigen – Gesamtfreiheitsstrafe entgangen. Dieser Nachteil kann durch die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ausgeglichen werden.
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(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 301/17
vom
26. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260717B5STR301.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 14. März 2017 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes (Tatzeit 21. Juli 2015), Diebstahls sowie in Tateinheit mit Nötigung begangener Körperverletzung (Tatzeit jeweils 19. Dezember 2015) unter Einbeziehung von Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März und 3. August 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht vorgenommene Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben.
3
a) Der Senat vermag nicht zu prüfen, ob hinsichtlich aller Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März 2016 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Denn zwei der drei Taten hat der Angeklagte am 30. Oktober und 14. November 2014 verübt. Es kommt daher in Betracht , dass die hierfür verhängten Freiheitsstrafen von sechs und drei Monaten bereits bei einer der weiteren Verurteilungen vom 10. April und 23. Juni 2015 sowie 4. August 2016 (jeweils zu Geldstrafe) oder aber vom 6. Juli 2015 (fünfmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde ) hätten einbezogen werden müssen. Das wäre freilich nicht der Fall, wenn die genannten Strafen bei Erlass des angegriffenen Urteils schon vollstreckt oder auf andere Weise erledigt gewesen wären, weil dann die dem jeweils frühesten Judikat zukommende Zäsurwirkung entfallen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 – 5 StR 388/07, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 18, und vom 22. Januar 2015 – 3 StR 585/14). Die einzelnen Vollstreckungsstände werden jedoch vom Landgericht nicht mitgeteilt.
4
b) Es hat zudem die durch das Urteil vom 3. August 2016 verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr zu Unrecht in die Gesamtstrafe einbezogen. Denn die zugrunde liegende Tat hat der Angeklagte am 21. April 2016 und damit nach der ihrerseits eine Zäsur bildenden Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 15. März 2016 begangen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Angeklagte in der hierauf anberaumten Hauptverhandlung zurückgenommen , so dass die tatsächlichen Feststellungen auch in keinem der Entscheidung vom 3. August 2016 nachfolgenden Urteil mehr zu prüfen waren (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB).
5
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte jedenfalls durch eine unzutreffende Einbeziehung der beiden genannten Einzelstrafen aus dem Urteil vom 15. März 2016 beschwert ist, und hebt daher die Gesamtstrafe auf. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, die neue Gesamtstrafe im Beschlusswege (§§ 460, 462 StPO) bilden zu lassen (§ 354 Abs. 1b Satz 1 StPO).
6
2. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtlicher Überprüfung stand. Zwar hat das Landgericht insofern ausgeführt , dass „der Erfolg einer Entziehungskur nicht von vornherein aussichtslos erscheint“ und damit einen falschen Maßstab angelegt. Denn der am 20. Juli 2007 in Kraft getretene § 64 Satz 2 StGB verlangt ebenso wie schon der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1) eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für die Behandlung. Diese vermag der Senat jedoch den Urteilsgründen noch hinreichend zu entnehmen. Der relativ junge, sich seit 2009 in Deutschland aufhaltende Angeklagte hat bislang noch keine Langzeittherapie, aber einen Sprach- sowie andere Integrationskurse gemacht; er ist nach den Feststellungen zudem krankheitseinsichtig und behandlungsbereit.
7
3. Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher feststeht, dass das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten allenfalls einen geringfügigen Teilerfolg haben kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 – 4 StR 513/15, und vom 1. Juli 2010 – 1 StR 196/10 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider König Mosbacher

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.