Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2019 - 5 AR (VS) 31/19

29.08.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 AR (Vs) 31/19
vom
29. August 2019
in der Justizverwaltungssache
des
wegen Akteneinsicht
hier: Rechtsbeschwerde des Antragstellers
ECLI:DE:BGH:2019:290819B5AR.VS.31.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. August 2019 beschlossen :

Die Rechtsbeschwerde gegen die Verfügungen des Vorsitzenden des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Februar und 11. März 2019 werden auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:


1
Die angegriffenen Verfügungen sind nicht anfechtbar, da das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat (§ 29 Abs. 1 EGGVG). Zwar hat der Vorsitzende als funktional unzuständige Stelle über das Akteneinsichtsgesuch des Beschwerdeführers entschieden. Denn nach Abschluss des Verfahrens ist dies grundsätzlich nicht Aufgabe des Spruchkörpers, der mit ihm befasst war (BGH, Beschluss vom 29. April 2015 – XII ZB 214/14, NJW 2015,

1827).


2
Aber auch nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung erwachsen dem Beschwerdeführer hieraus keinerlei Rechte. Zwar stünde ihm demgemäß auch das Rechtsmittel zu, welches bei einer in der richtigen Form und in funktionaler Zuständigkeit erlassenen Entscheidung zulässig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015 – XII ZB 214/14, aaO). Das wäre vorliegend der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre (BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2012 – XII ZR 77/10, FamRZ 2012, 1293; vom 8. Juli 2015 – XII ZB 586/14, NJW-RR 2015, 1346).
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10

bei uns veröffentlicht am 13.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 77/10 Verkündet am: 13. Juni 2012 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2015 - XII ZB 586/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 586/14 vom 8. Juli 2015 in der Unterbringungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 70 Abs. 4 Zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen eine in der zugestellten Ausfertigung.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2015 - XII ZB 214/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 214/14 vom 29. April 2015 in der Justizverwaltungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 117 Abs. 2 Satz 2 § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewährt dem Gegner eines Antrags auf Prozess- oder.

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 214/14
vom
29. April 2015
in der Justizverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewährt dem Gegner eines Antrags auf Prozess- oder
Verfahrenskostenhilfe kein subjektives Recht auf Akteneinsicht in die Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers.
BGH, Beschluss vom 29. April 2015 - XII ZB 214/14 - OLG Koblenz
AG Idar-Oberstein
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. NeddenBoeger
und Dr. Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 7. Zivilsenats - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. März 2014 aufgehoben. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Beschwerdewert: 1.000 €

Gründe:

I.

1
In dem Ausgangsverfahren, einem rechtskräftig abgeschlossenen Scheidungsverfahren , war dem Ehemann Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Nach Abschluss des Verfahrens hat die Ehefrau beantragt, ihr die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemanns (§ 117 Abs. 2 ZPO) zugänglich zu machen.
2
Das Familiengericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht als unzulässig ver- worfen hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Interesse auf Einsichtnahme weiter.

II.

3
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch.
4
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beschwerde sei nicht statthaft, da die Ehefrau durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert sei. Sie sei am Verfahren der Verfahrenskostenhilfe für den Ehemann nicht beteiligt. Beteiligt seien nur der Antragsteller , der Verfahrenskostenhilfe begehre, und das Gericht als Bewilligungsstelle. Nicht beteiligt sei der Gegner, auch wenn ihm nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sei. Daran habe sich durch Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nichts geändert. Die Vorschrift schränke lediglich das gesetzliche Verbot ein, dem Gegner die Erklärung zugänglich zu machen, wenn diesem nach allgemeinen Vorschriften ein Auskunftsrecht zustehe; sie gewähre jedoch keinen eigenständigen Anspruch auf Einsichtnahme in die Erklärung und Belege.
5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nur insoweit stand, als wegen ihrer der Antrag der Ehefrau auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen ist.
6
a) Gegen die im Beschwerdeverfahren ergangene Entscheidung ist das vom Oberlandesgericht zugelassene und von der Ehefrau eingelegte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft.
7
aa) Nach allgemeiner Auffassung dürfen Verfahrensbeteiligte dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Dieser Schutzgedanke der Meistbegünstigung führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom vorinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 7 mwN).
8
bb) Im vorliegenden Fall ist die Rechtsbeschwerde nach § 29 EGGVG das statthafte Rechtsmittel.
9
(1) Während eines laufenden Verfahrens richtet sich die Einsicht der Parteien in die Verfahrensakten nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO. Danach können die Beteiligten die Verfahrensakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
10
(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Beteiligten die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 299 Abs. 2 ZPO; vgl. auch § 13 Abs. 2 FamFG). Diese Entscheidung stellt einen Justizverwaltungsakt dar, gegen dessen Ablehnung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung statthaft ist (§ 23 Abs. 1 EGGVG).
11
Nach zutreffender Auffassung unterfällt auch das Einsichtsgesuch eines Verfahrensbeteiligten in ein bereits abgeschlossenes Verfahren der Regelung des § 299 Abs. 2 ZPO. Das Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 1 ZPO dient allein der Prozessführung und erlischt, sobald das betreffende Verfahren endgültig abgeschlossen ist. Hingegen ist die Aufbewahrung und Verwaltung von Gerichtsakten nach Abschluss eines Verfahrens grundsätzlich nicht Aufgabe des Spruchkörpers, der mit ihm befasst war, sondern der Gerichtsverwaltung. Dementsprechend muss gegebenenfalls die Gerichtsverwaltung eine Entscheidung darüber treffen, ob einem Beteiligten nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens Akteneinsicht gewährt werden soll (BFH NJW 2006, 399, 400; OLG München MDR 2009, 1065; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 299 Rn. 6c; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Rn. 16 "Rechtskraft"; vgl. auch BVerfG NJW 2015, 610, 611; aA OLG Schleswig FamRZ 2013, 233; OLG Nürnberg Beschluss vom 13. Februar 2015 - 4 VA 2462/14 - juris; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 299 Rn. 21; MünchKommZPO/Prütting 4. Aufl. § 299 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Assmann ZPO 4. Aufl. Rn. 9; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 36. Aufl. § 299 Rn. 1; Hk-ZPO/Saenger 6. Aufl. § 299 Rn. 3).
12
Im Übrigen ist der Gegner, soweit es im Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren um die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen geht, von vornherein kein Beteiligter mit eigenenVerfahrensrechten (BGHZ 89, 65, 67 = FamRZ 1984, 373, 374), sondern steht, wenn er die Einsicht in die Unterlagen beantragt, einem "Dritten" im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO gleich. Über ein solches Einsichtsgesuch hat - jedenfalls nach Abschluss des Verfahrens - die Gerichtsverwaltung zu entscheiden.
13
(3) Zwar hat im vorliegenden Fall tatsächlich nicht die Gerichtsverwaltung , sondern das Familiengericht und damit eine funktional unzuständige Stel- le über das Akteneinsichtsgesuch entschieden. Auch diesbezüglich gilt jedoch der Meistbegünstigungsgrundsatz, wonach die auf Akteneinsicht antragende Ehefrau dadurch keinen Rechtsnachteil erleiden darf. Ihr stand deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft war, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form und in funktionaler Zuständigkeit erlassenen Entscheidung zulässig gewesen wäre. Nach Einlegung eines der danach statthaften Rechtsmittel - hier Einlegung der Beschwerde - hätte das Oberlandesgericht das Verfahren weiter so betreiben müssen, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre, nämlich als Justizverwaltungssache gemäß § 23 ff. EGGVG. Soweit die vom Oberlandesgericht tatsächlich getroffene Beschwerdeentscheidung in der falschen Verfahrensart ergangen ist, kann sie deshalb als solche mit der Beschlussformel einer Beschwerdezurückweisung keinen Bestand haben.
14
b) In der Sache selbst ist die Rechtsbeschwerde allerdings nicht begründet.
15
aa) Über den Antrag der Ehefrau auf gerichtliche Entscheidung kann der Senat in der Sache abschließend entscheiden, da diese zur Endentscheidung reif ist (§ 29 Abs. 3 EGGVG i.V.m. § 74 Abs. 6 FamFG).
16
Dass die an sich zuständige Gerichtsverwaltung noch keine Ausgangsentscheidung nach Maßgabe des § 299 Abs. 2 ZPO getroffen hat, hindert eine Sachentscheidung des Senats nicht. Denn die Rechtsbeschwerde kann gemäß § 29 Abs. 3 EGGVG i.V.m. § 72 Abs. 2 FamFG nicht darauf gestützt werden, dass das Familiengericht seine Zuständigkeit für die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch zu Unrecht angenommen hat.
17
bb) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet, da die Ehefrau ein rechtlich geschütztes Interesse an der Einsicht in die Erklärung des Ehemanns über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht hat (§ 299 Abs. 2 ZPO).
18
(1) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, hat der Gegner des Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren kein Anhörungsrecht bei der vom Gericht neben der Erfolgsaussicht weiter vorzunehmenden Prüfung, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen (BGHZ 89, 65, 67 = FamRZ 1984, 373, 374). Die Prüfung dieser Voraussetzung ist allein Sache des Gerichts, das nach eigener Beurteilung etwaige zusätzliche Ermittlungen zu führen hat. Mit dem diesbezüglich fehlenden Anhörungsrecht des Gegners korrespondiert, dass dieser bereits während des noch laufenden Verfahrens kein Recht nach § 299 Abs. 1 ZPO auf Einsichtnahme in die diese Angaben enthaltenden, gesondert geführten Teile der Prozessakten hat (BGHZ 89, 65, 67 = FamRZ 1984, 373, 374).
19
(2) An den insoweit fehlenden Verfahrensrechten des Gegners hat auch die Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch Art. 29 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) nichts geändert, wonach die Erklärung und die Belege dem Gegner auch ohne Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden können, wenn der Gegner gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat.
20
Die eingefügte Bestimmung begründet kein Anhörungs- und auch kein Akteneinsichtsrecht des Gegners, sondern beschreibt die Modalitäten, unter denen die Erklärung und die Belege zugänglich gemacht werden können. Zweck der eingefügten Bestimmung ist, dem Gericht im Interesse der Richtigkeitsgewähr bezüglich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers grundsätzlich die Befugnis zu geben, die Erklärung des Antragstellers dem Gegner zur Stellungnahme zuzuleiten. Unter der Voraussetzung, dass zwischen den Parteien ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen besteht, erschien es verfahrensökonomisch , den Gegner sogleich in das Verfahren einzubeziehen, um etwaige Unrichtigkeiten in der Erklärung so früh wie möglich korrigieren zu können (BTDrucks. 16/6308 S. 325; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2011, 389; OLG Naumburg Beschluss vom 20. September 2013 - 8 WF 140/13 - juris Rn. 10 mwN).
21
Die Regelung hat somit lediglich objektiv-rechtlichen Charakter; sie dient allein einer verbesserten Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch das Gericht im Interesse zutreffender Ergebnisse bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 167, 325). Die Bezugnahme auf bestehende materiell-rechtliche Auskunftsansprüche als Voraussetzung für die Zugänglichmachung der Erklärung dient lediglich der Gewährleistung datenschutzrechtlicher Belange (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 181 f.).
22
Eine Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung des Verfahrensgegners war damit nicht beabsichtigt. Das hätte nämlich eine Rechtsnorm erfordert, die nicht nur der Verwirklichung von Gemeinschafts- und Gemeinwohlinteressen dient, sondern zumindest auch bezweckt, Interessen des Einzelnen zu verwirklichen. Die eingefügte Regelung bezweckt dies jedoch nicht (Schürmann FamRB 2009, 58, 59; BeckOK ZPO/Reichling [Stand: 1. März 2015] § 117 Rn. 42; aA BeckOK ZPO/Kratz [Stand: 1. März 2015] § 127 Rn. 9a). Sie dient nicht der Befriedigung von - im Einzelfall streitigen - privatrechtlichen Auskunftsansprüchen der Parteien, sondern nur der verbessertenAmtsaufklärung. Subjektive Ansprüche auf Auskunftserteilung sind weiterhin in einem darauf gerichteten Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Sie in das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren eines anderen Verfahrens zu verlagern, entspricht erkennbar nicht der mit Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfolgten Absicht des Gesetzgebers.
23
(3) Wenn aus den vorstehenden Gründen aber schon während des laufenden Verfahrens dem Gegner kein rechtlich geschütztes Interesse auf Einsicht in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zusteht, entsteht ein solches Recht erst recht nicht nach Abschluss des Verfahrens. Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Idar-Oberstein, Entscheidung vom 23.01.2014 - 812 F 205/13 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 18.03.2014 - 7 WF 186/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 77/10 Verkündet am:
13. Juni 2012
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 281, 543; FGG §§ 27, 28, 56 f; BGB § 1771

a) Durch die Zulassung der Revision wird ein - gesetzlich nicht vorgesehener - Instanzenzug
nicht eröffnet (im Anschluss an BGH Beschluss vom 1. Oktober 2002
- IX ZB 271/02 - NJW 2003, 70).

b) Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte
Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum
Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung
des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens
nicht statthaft wäre (im Anschluss an BGH Beschluss vom 5. Juli 1990 - LwZR 7/89 -
NJW-RR 1990, 1483).

c) Wenn in solchen Fällen das nach der Form der tatsächlich ergangenen Entscheidung
eingelegte Rechtsmittel ausnahmsweise unstatthaft ist, ist es - jedenfalls im Rahmen
des § 281 Abs. 1 ZPO bei Vorliegen eines Verweisungsantrages - als das Rechtsmittel
zu behandeln, das gegen eine korrekte Entscheidung zulässig wäre. Insoweit besteht
ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 281 ZPO (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 FamRZ 1996, 1544).
BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10 - LG Karlsruhe
AG Philippsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Mai 2012 durch die Richter Dose, Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Der Bundesgerichtshof ist für das Rechtsmittel unzuständig. Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Karlsruhe verwiesen.

Gründe:

A.

1
Die Kläger begehren mit ihrer Klage, die vom Vormundschaftsgericht im September 2003 ausgesprochene Adoption der volljährigen Beklagten durch den im Mai 2005 verstorbenen S. B. für nichtig zu erklären beziehungsweise aufzuheben. Der Annehmende, Sohn der verstorbenen Klägerin zu 1 und Bruder der Kläger zu 2 und 3, war italienischer Staatsangehöriger.
2
Die Kläger haben ihr Begehren damit begründet, dass bei der Adoption, die nach italienischem Recht zu beurteilen sei, Formvorschriften nicht beachtet worden seien. Die danach erforderliche Zustimmungserklärung des Vaters der Beklagten habe nicht in rechtsgültiger Form vorgelegen; im Übrigen sei die vorgelegte Zustimmungserklärung gefälscht gewesen. Aufgrund möglicher Erbansprüche nach dem Tod des verstorbenen Annehmenden seien sie prozessfüh- rungsbefugt. In einem solchen Fall eröffne das italienische Recht die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage, welche auch in Deutschland zulässig sein müsse.
3
Das Amtsgericht - Zivilabteilung - hat die Klage durch Urteil als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger ebenfalls durch Urteil zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
4
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger hilfsweise beantragt, das Verfahren an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen.

B.

5
Auf den Hilfsantrag der Kläger ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen. Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel nicht berufen.
6
Zwar hat das Landgericht die Revision zugelassen. An die Zulassung ist der Senat indes nicht gebunden, weil gegen die Entscheidung des Landgerichts eine Revision nicht statthaft ist. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO umfasst nur die in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen; die Zulassung des Rechtsmittels kann dagegen nicht dazu führen, dass ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (BGH Beschluss vom 1. Oktober 2002 - IX ZB 271/02 - NJW 2003, 70).

I.

7
Gegen die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist allein die weitere Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG an das Oberlandesgericht statthaft.
8
Gegenstand des "Klagebegehrens" ist die Nichtigkeitserklärung beziehungsweise die Aufhebung der Adoption der Beklagten. Da die Kläger das Verfahren bereits im Mai 2009 anhängig gemacht haben, ist noch das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) anzuwenden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2012 - XII ZB 436/11 - juris Rn. 10 und vom 6. Juli 2011 - XII ZB 100/11 - FamRZ 2011, 1575 Rn. 7).
9
1. Gemäß § 1771 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung war für die Aufhebung der Volljährigenadoption das Vormundschaftsgericht zuständig. Vormundschaftssachen waren in dem - ebenfalls bis zum 31. August 2009 geltenden - Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt (§§ 56 d ff. FGG), wobei § 56 f. FGG die Bestimmungen für das Aufhebungsverfahren enthielt (vgl. nunmehr § 198 Abs. 2 FamFG). Eine Bestimmung, nach der ein Adoptionsbeschluss für nichtig erklärt werden kann, enthielt das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Allerdings wird bei Vorliegen besonders schwerer, offensichtlicher Mängel wegen einer möglicherweise daraus folgenden Nichtigkeit des Annahmebeschlusses die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erwogen (Palandt/ Diederichsen BGB 71. Aufl. § 1759 Rn. 2; vgl. auch NK-BGB/Finger 2. Aufl. § 1759 Rn. 2; zweifelnd MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1759 Rn. 5 ff.).
10
Unbeschadet der vom Landgericht als grundsätzlich erachteten Frage, ob gegebenenfalls durch die Anwendung ausländischen Sachrechts eine über die vorstehenden Möglichkeiten hinausgehende Rechtsschutzmöglichkeit besteht , wäre für die Entscheidung über ein solches Begehren wegen des engen Sachzusammenhangs das Vormundschaftsgericht zuständig. Denn der Gesetzgeber hat durch die Ansiedlung der Adoptionsverfahren einschließlich des entsprechenden Aufhebungsverfahrens beim Vormundschaftsgericht zu erkennen gegeben, dass dieses wegen seiner besonderen Sachkunde für alle die Adoption - jedenfalls in ihrem Bestand - betreffenden Verfahren zuständig sein soll. Hinzu kommt, dass die Kläger zweitinstanzlich zusätzlich einen Aufhebungsantrag gestellt haben, der gemäß § 1771 BGB aF ausdrücklich in die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts fiel.
11
Schon weil vorliegend die Aufhebung bzw. Nichtigkeitserklärung einer inländischen Adoption im Streit steht, es also nicht um die Feststellung einer (von vornherein) unwirksamen Adoption geht, findet § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aF (s. jetzt § 169 Nr. 1 FamFG) entgegen der Auffassung der Beklagten keine Anwendung (vgl. Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 640 Rn. 8; s. auch zum neuen Recht MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1759 Rn. 14 f.). Deshalb handelt es sich nach dem hier maßgeblichen Verfahrensrecht nicht um eine Familiensache.
12
2. Demgemäß hätte über das Begehren der Kläger erstinstanzlich das Vormundschaftsgericht entscheiden müssen, und zwar durch Beschluss im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hiergegen wäre dann die Beschwerde gemäß § 19 Abs. 1 FGG statthaft gewesen, über die gemäß § 19 Abs. 2 FGG (ebenfalls) das Landgericht hätte entscheiden müssen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts wiederum wäre die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht statthaft gewesen (§§ 27 ff. FGG); die Zulassung eines Rechtsmittels zum Bundesgerichtshof durch das Landgericht sah das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dagegen nicht vor.
13
Der Umstand, dass das Amtsgericht im Zivilprozess durch Urteil entschieden hat und die Kläger hiergegen Berufung eingelegt haben, stand einer verfahrensgemäßen Entscheidung durch das Landgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss nicht entgegen. Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, dass das Landgericht die Berufung als - in diesem Fall - zulässig erachtet hat; dies folgt aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN). Dieser führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben , wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 und vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12; s. auch BGHZ 72, 182, 190 ff. = FamRZ 1978, 873).
14
Von daher ist entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Verfahren ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nicht eröffnet.

II.

15
Die Revision ist auch nicht unter Beachtung des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes statthaft.
16
1. Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlassen hat, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb grundsätzlich sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Die Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN).
17
Der Grundsatz der Meistbegünstigung findet ebenso Anwendung, wenn - wie hier - das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsform zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung falschen Verfahrensrechts beruht (Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 13 und vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 13).
18
Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre. Die Meistbegünstigung führt nämlich nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzugs (BGH Beschlüsse vom 5. Juli 1990 - LwZR 7/89 - NJW-RR 1990, 1483 mwN; vom 27. Januar 2010 - AnwZ (B) 104/09 - juris Rn. 4; vom 8. Mai 2006 - II ZB 10/05 - NJW-RR 2006, 1184 f.; BGHZ 124, 192, 194 f. = WM 1994, 257 und Senatsbeschluss vom 3. November 1993 - XII ZR 135/92 - FamRZ 1994, 237, 238; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPO 17. Aufl. § 135 Rn. 13).
19
2. Ausgehend von dem vom Landgericht einzuhaltenden (FGG-) Verfahren und der damit einhergehenden Entscheidungsform (Beschluss) stellt die Zulassung der Revision eine vom Meistbegünstigungsgrundsatz nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht erfasste Erweiterung des Rechtsmittelzugs dar.
20
Richtigerweise hätte das Landgericht über das Rechtsmittel der Kläger gemäß § 19 Abs. 2 FGG als Beschwerdegericht entscheiden müssen, woran es nach dem oben Gesagten trotz des erstinstanzlichen Urteils und der hiergegen eingelegten Berufung nicht gehindert gewesen wäre. Gegen die Entscheidung des Landgerichts wäre die weitere Beschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft gewesen, über die das Oberlandesgericht gemäß § 28 Abs. 1 FGG hätte befinden müssen. Ein Rechtsmittel der Beteiligten zum Bundesgerichtshof sah das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit insoweit nicht vor. Allenfalls wäre eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG zum Bundesgerichtshof in Betracht gekommen. Die Voraussetzungen einer solchen Vorlage unterscheiden sich von den Voraussetzungen der Zulassung einer Revision jedoch dadurch, dass § 28 Abs. 2 FGG eine Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung bzw. zur Fortbildung des Rechts nicht kennt. § 28 Abs. 2 FGG lässt die Vorlage nur zu, wenn das Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will.
21
Von daher wäre bei Einhaltung des richtigen Verfahrens und der zutreffenden Entscheidungsform die Anrufung des Bundesgerichtshofs durch die Parteien nicht möglich gewesen.

III.

22
Weil der Bundesgerichtshof nicht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen ist, ist das Verfahren auf den Hilfsantrag der Kläger in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen. Dabei ist die von den Klägern gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision als - gemäß §§ 27 ff. FGG statthafte - weitere Beschwerde zu behandeln.
23
Der Rechtsmittelführer kann - wie bereits ausgeführt - neben dem gegen eine korrekte Entscheidung zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich auch das nach der Form der tatsächlich ergangenen Entscheidung zulässige Rechtsmittel einlegen. Wenn letzteres aber - wie hier - ausnahmsweise unstatthaft ist, ist es - jedenfalls im Rahmen des § 281 Abs. 1 ZPO bei Vorliegen eines Verweisungsantrages - als das Rechtsmittel zu behandeln, das gegen eine korrekte Entscheidung zulässig wäre. Andernfalls könnte in diesen Fällen der Zweck der Meistbegünstigung nicht erreicht werden, nämlich die beschwerte Partei vor Nachteilen zu schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (s. hierzu Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN).
24
Insoweit besteht ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 281 ZPO; denn einer Partei, die ein (an sich) zulässiges Rechtsmittel eingelegt hat, ist daran gelegen, ohne vermeidbare Umwege und Kosten eine Entscheidung in der Sache selbst von Seiten des nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung wirklich zuständigen Rechtsmittelgerichts zu erhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 FamRZ 1996, 1544 und BGHZ 72, 182, 192 ff. = FamRZ 1978, 873).
25
Einer Verweisung an das Oberlandesgericht steht § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht entgegen. Danach muss die - durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegte - weitere Beschwerde von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; es muss sich indes nicht um einen beim Beschwerdegericht oder beim Gericht der weiteren Beschwerde zugelassenen Rechtsanwalt handeln. Viel- mehr genügt es, wenn die Beschwerde von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben ist (BayObLG MDR 1980, 56; Keidel/Kuntze/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 29 Rn. 14). Diesem Erfordernis wird die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger unterschriebene Revision gerecht. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Philippsburg, Entscheidung vom 02.10.2009 - 1 C 169/09 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.04.2010 - 9 S 568/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 586/14
vom
8. Juli 2015
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen eine in der zugestellten Ausfertigung
fälschlicherweise nicht als solche bezeichnete einstweilige Anordnung.
BGH, Beschluss vom 8. Juli 2015 - XII ZB 586/14 - LG Saarbrücken
AG Homburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Oktober 2014 wird verworfen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.
2
Für die Betroffene wurde am 5. September 2014 eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht mit einstweiliger Anordnung vom 11. September 2014 die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 22. Oktober 2014 genehmigt. Die der Betroffenen zugestellte Ausfertigung der Entscheidung lässt den Charakter einer vorläufigen Anordnung nicht erkennen. Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse von Amts- und Landgericht sie in ihren Rechten verletzt haben.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft, da der angefochtene Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung ergangen ist. Denn das Amtsgericht hat in dem dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung nur über die vorläufige Unterbringung der Betroffenen gemäß § 331 FamFG entschieden.
4
1. Allerdings weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass der der Betroffenen zugestellten Ausfertigung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, dass das Amtsgericht nur eine vorläufige Unterbringung der Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 331 FamFG genehmigen wollte.
5
a) Die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels richtet sich jedoch allein nach der Rechtsnatur der vom Gericht erlassenen Entscheidung. Nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG wird in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Beschluss durch die Übergabe an die Geschäftsstelle oder durch Verlesen der Beschlussformel erlassen. Mit ihrem Erlass wird eine Entscheidung existent (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 88; MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl. § 38 Rn. 31). Das Gericht ist ab diesem Zeitpunkt an seine Entscheidung gebunden und kann diese nicht mehr außerhalb eines gesetzlich dafür vorgesehenen Verfahrens abändern (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 88). Zudem kann eine Entscheidung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses auch Gegenstand eines Rechtsmittels sein (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Wegen dieser Wirkungen können Fehler bei der anschließenden Erstellung der zur Bekanntgabe an die Verfahrensbeteiligten dienenden Ausfertigung durch den Urkundsbe- amten der Geschäftsstelle die Rechtsnatur der gerichtlichen Entscheidung nicht verändern. Nur für die Frage der Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfristen kommt es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - NJW 2001, 1653, 1654 mwN zu § 317 ZPO).
6
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in der Akte befindlichen Urschrift des angefochtenen Beschlusses zweifelsfrei, dass das Amtsgericht nur im Wege einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Unterbringung der Betroffenen entschieden hat. Der vom Richter unterzeichnete und an die Geschäftsstelle übergebene Formularbeschluss ist als "Vorl. Unterbringung d. einstw. Anordnung incl. Beschlussfassung nach § 1846 BGB" überschrieben. Im Beschlusstext ist ausgeführt, dass "die vorläufige Unterbringung d. Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung" genehmigt werde. Zusätzlich ist auf dem vorgedruckten Formblatt der Textbaustein markiert, wonach "die Notwendigkeit der vorläufigen Unterbringung durch die Anhörung d. Betroffenen und den unmittelbaren Eindruck des Gerichts … bestätigt" werde. Schließlich wird in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses auf die für die Anfechtung einer Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) hingewiesen.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht unter Beachtung des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes statthaft.
8
Danach dürfen die Verfahrensbeteiligten dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlassen hat, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb grundsätzlich sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechts- mittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Der Grundsatz der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN). Er kann daher auch herangezogen werden, wenn der Inhalt einer Entscheidung im Hinblick auf ihre Anfechtbarkeit falsch oder unklar ist (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 58 Rn. 109).
9
Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre. Die Meistbegünstigung führt nämlich nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzugs (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10 - FamRZ 2012, 1293 Rn. 18 mwN). Daher kann die Betroffene im Hinblick auf den Ausschluss der Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 70 Abs. 4 FamFG die Statthaftigkeit ihrer Rechtsbeschwerde auch nicht aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung herleiten.
10
3. Schließlich rechtfertigt die Erledigung der Unterbringung keine andere Beurteilung. Die Möglichkeit, das Verfahren mit einem geänderten Antrag fortzusetzen , eröffnet nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel, sondern besteht nur innerhalb des für die jeweilige Verfahrensart vorgesehenen Instanzenzuges. Dieser ist vorliegend mit der Beschwerdeentscheidung erschöpft (vgl. BGH Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10 - FGPrax 2011, 253 Rn. 6).
Dose Weber-Monecke Schilling Günter Botur

Vorinstanzen:
AG Homburg, Entscheidung vom 11.09.2014 - 10 XVII 106/14 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 13.10.2014 - 5 T 394/14 -