Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2018 - 4 StR 81/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:280318B4STR81.18.0
bei uns veröffentlicht am28.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 81/18
vom
28. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:280318B4STR81.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2, § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 9. November 2017 wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Einziehung der Mobiltelefone iPhone 6 (Ass.Nr. 1) und iPhone 5 schwarz (Ass.Nr. 2) abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen, gefährlicher Körperverletzung in 13 Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung verschiedener Gegenstände, unter anderem eines iPhone 6 und eines iPhone 5, angeordnet. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersicht- lichen Beschränkung der Einziehungsanordnung. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung der Mobiltelefone iPhone 6 (Ass.Nr. 1) und iPhone 5 schwarz (Ass.Nr. 2) abgesehen, weil die Einziehung neben der Strafe nicht ins Gewicht fällt.
3
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB in den Fällen II. 6 und 7 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
4
a) Nach den Feststellungen besprühte der Angeklagte das T-Shirt oder Hemd des Nebenklägers B. mit einer alkoholhaltigen Flüssigkeit und setzte es anschließend in Brand. Dies führte bei dem Nebenkläger zu erheblichen Verletzungen (Fall II. 6 der Urteilsgründe). Bei einer weiteren Gelegenheit entzündete der Angeklagte zweimal das Hemd des Nebenklägers P. im Brustbereich, das daraufhin längere Zeit brannte. Der Nebenkläger erlitt dadurch erhebliche Schmerzen und trug großflächige Narben davon (Fall II. 7 der Urteilsgründe).
5
b) Danach sind in beiden Fällen die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt.
6
aa) Andere gesundheitsschädliche Stoffe im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind Substanzen, die nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zu einer erheblichen Gesundheitsbeschädigung geeignet sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 22). Ob die Wirkung dabei mechanisch, biologisch, chemisch oder thermisch erfolgt, ist ohne Belang (vgl. Hardtung in: MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 224 Rn. 6; Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl., § 224 Rn. 2c; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 224 Rn. 5; Rengier, Strafrecht, Besonderer Teil II, 17. Aufl., § 14 Rn. 9; Hilgendorf, ZStW 112, 811, 828 mwN). Der gesundheitsschädliche Stoff ist dem Opfer beigebracht, wenn er durch den Täter so mit dem Körper in Verbindung gebracht worden ist, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann. Dafür kann ein äußerlicher Kontakt ausreichend sein, sofern die Schwere der möglichen Auswirkung auf die Gesundheit der Gefährdung durch einen eingeführten Stoff gleichkommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 289/83, BGHSt 32, 130, 132 f.; Urteil vom 30. Juni 1976 – 3 StR 469/75, NJW 1976, 1851; Urteil vom 12. August 1960 – 4 StR 294/60, BGHSt 15, 113, 115 [jeweils zu § 229 StGB aF]; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23. Februar 2012 – 1 Ss 90/11, NStZ-RR 2012, 371, 372 [Ls]; OLG Dresden, Beschluss vom 29. Juni 2009 – 2 Ss 288/09, NStZ-RR 2009, 337, 338; Engländer in: Matt/ Renzikowski, StGB, § 224 Rn. 4; Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl., § 224 Rn. 2d; Hardtung in: MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 224 Rn. 10 f. mwN).
7
bb) Das auf den Körpern der Nebenkläger aufliegende brennende Material , aus dem die Kleidungsstücke (Hemd/T-Shirt) gefertigt waren, war in beiden Fällen geeignet, durch die von ihm ausgehende thermische Wirkung erhebliche Verletzungen auszulösen und damit ein gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dass zwischen ihm und den Körpern der Nebenkläger bereits ein äußerlicher Kontakt bestand, als es von dem Angeklagten in Brand gesetzt wurde, steht der Annahme eines „Beibringens“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen. Ausreichend ist es, dass der Ange- klagte eine Ursache dafür gesetzt hat, dass die brennende Substanz ihre gesundheitsschädliche thermische Wirkung an den Körpern der Nebenkläger entfalten konnte.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Strafprozeßordnung - StPO | § 421 Absehen von der Einziehung


(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn 1. das Erlangte nur einen geringen Wert hat,2. die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Be

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. März 2006 - 4 StR 536/05

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Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Feb. 2012 - 1 Ss 90/11

bei uns veröffentlicht am 23.02.2012

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. September 2011 im Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen eines Vergehens gegen das Gewaltschutzge

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 536/05
vom
16. März 2006
Veröffentlichung: ja
BGHSt: ja
Nachschlagewerk: ja
StGB § 224 Abs.1 Nr. 1
§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst auch Stoffe des täglichen Bedarfs, wenn ihre Beibringung
mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden
ist.
§ 354 Abs. 1 a StPO findet auch Anwendung, wenn das von der Staatsanwaltschaft
zu Ungunsten des Angeklagten angefochtene Urteil den Angeklagten begünstigende
Rechtsfehler aufweist.
BGH, Urteil vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05 – LG Frankenthal
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. März
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin Jessica Sch. ,
die Nebenklägerin Jessica Sch. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 15. Juli 2005 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Angeklagten und der Nebenklägerin Jessica Sch. werden verworfen.
3. Die Angeklagte und die Nebenklägerin tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel, die Angeklagte darüber hinaus auch die durch ihre Revision dem Nebenkläger Franz L. entstandenen notwendigen Auslagen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft tragen die Staatskasse und die Angeklagte je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wenden sich die Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und als Nebenklägerin die Mutter der durch die Tat zu Tode gekommenen Angelina mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Während die Angeklagte das Urteil insgesamt zur Überprüfung durch das Revisionsgericht stellt, erstrebt die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel eine Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und möchte die Nebenklägerin mit ihrem Rechtsmittel eine Verurteilung der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) erreichen. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat zum Schuldspruch Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten und der Nebenklägerin als unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagte lebte seit Ende 2002 zusammen mit Franz-Josef L. und dessen aus einer anderen Beziehung stammenden, im März 2000 geborenen Tochter Angelina. Ende November 2003 bekamen sie einen gemeinsamen Sohn. Am Nachmittag des Tattages (25. März 2004) befand sich die Angeklagte spätestens ab 16.30 Uhr allein mit beiden Kindern in ihrer Wohnung. Während sie im Wohnzimmer damit beschäftigt war, den Säugling zu füttern, begab sich Angelina in die Küche und holte sich einen 200-Gramm-Becher Schokoladenpudding mit Sahne aus dem Kühlschrank. Ersichtlich um den Pudding zusätzlich zu süßen, wie sie es zuvor bei Erwachsenen im Umgang mit Joghurt beobachtet hatte, wollte sie Zucker darüber streuen, nahm stattdessen aber irrtümlich eine Salzpackung und rührte ca. 32 Gramm Kochsalz in die Süßspeise. Gleich beim ersten Kosten bemerkte sie, dass der Pudding ungenießbar war, und ließ ihn stehen. Als nunmehr die Angeklagte in die Küche kam und die auf dem Boden liegende Salzpackung sowie den ungegessenen Pudding sah, stellte sie Angelina zur Rede, die ihr bedeutete, dass der Pudding "widerwärtig" schmecke und sie ihn nicht essen wolle. Die Angeklagte wurde zornig. Obgleich sie richtig folgerte, dass das Mädchen versehentlich Salz in die Süßspeise ein- gerührt hatte, veranlasste sie das sich sträubende Kind zu dessen Erziehung und Bestrafung, die Schokoladencreme vollständig auszulöffeln. Sie nahm dabei zumindest billigend in Kauf, dass der Konsum dieser Speise bei dem Mädchen zu Magenverstimmungen, Bauchschmerzen oder Unwohlsein führen würde. Jedoch wusste sie weder, wie viel Salz genau die Süßspeise enthielt, noch war ihr bekannt, dass die Aufnahme von 0,5 bis 1 g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht (Angelina wog 15 kg) in aller Regel zum Tode führt. Wenig später klagte Angelina über Übelkeit und musste erbrechen; auch setzte bei ihr alsbald starker Durchfall ein. Als sich der Zustand des Kindes im Verlauf der nächsten halben Stunde zusehends verschlechterte und es schließlich kaum mehr Reaktionen zeigte, brachte die Angeklagte das Mädchen ins Krankenhaus , wo es um 17.30 Uhr bereits im komatösen Zustand eintraf. Dort wurde sogleich eine extreme Hypernatriämie (Kochsalzintoxikation) festgestellt. Trotz Notfallbehandlung verstarb das Mädchen 34 Stunden nach seiner Aufnahme.
4
Das Landgericht hat die Tat lediglich als "einfache" Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) gewertet. Die Angeklagte habe den Tatbestand erfüllt, indem sie das vierjährige Mädchen trotz Protesten und Abwehrversuchen entweder mittels Drohungen dazu gebracht habe, einen stark versalzenen Pudding zu essen, oder indem sie ihm die fragliche Speise selbst eingeflößt habe; das Hervorrufen von Abscheu, Ekel und körperlichem Widerwillen bei dem Mädchen stelle bereits für sich genommen eine üble, unangemessene Behandlung dar, die dessen physisches Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt habe; darüber hinaus seien in der Folge bei dem Kind - wie von der Angeklagten vorhergesehen und zur Erreichung ihres Erziehungs- und Bestrafungszweckes in Kauf genommen - auch weitergehende gesundheitliche Schädigungen in Gestalt von Bauchschmerzen und Übelkeit aufgetreten. Eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts hat das Landgericht bereits mangels jegli- chen Anhalts für einen auch nur bedingten Tötungsvorsatz ausgeschlossen. Auch eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) hat es verneint; zwar sei der Tod kausal auf die der Angeklagten anzulastende Körperverletzung zurückzuführen, jedoch habe nur eine in Gesundheitsfragen überdurchschnittlich sachkundige Person die Todesfolge vorauszusehen vermocht; dass bereits verhältnismäßig geringe Mengen Kochsalz im Körper letale Folgen haben können, gehöre weder zum vorauszusetzenden Allgemeinwissen noch sei der Angeklagten eine solche Voraussehbarkeit nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten anzulasten. Letztlich hat das Landgericht aber auch eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung (in der Tatvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verneint, weil der Angeklagten nicht nachzuweisen sei, dass sie bei der Beibringung des Salzes vorausgesehen und gebilligt habe, dass selbiges eine Verletzung von Angelinas „körperlicher Substanz“ oder eine erhebliche (über bloße Magenverstimmungen hinausgehende ) Schädigung ihrer Gesundheit verursachen würde.

II.


5
Revision der Angeklagten
6
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung der Angeklagten hat keinen sie benachteiligenden Rechtsfehler aufgedeckt. Die zum äußeren Sachverhalt und zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen beruhen auf einer tragfähigen Grundlage. Soweit die Beschwerdeführerin demgegenüber einen Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz rügt und insbesondere geltend macht, es stehe "noch nicht einmal (fest), ob die Salzmenge tatsächlich in dem Pudding vorhanden war oder möglicherweise das Salz direkt von Angelina aufgenommen wurde", unternimmt sie lediglich den in der Revisi- on unbeachtlichen Versuch, die dem Tatrichter obliegende Würdigung des Beweisergebnisses (§ 261 StPO) durch eigene Erwägungen in Frage zu stellen, wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Zuschrift an den Senat vom 23. November 2005 zutreffend ausgeführt hat.

III.


7
Revision der Nebenklägerin
8
Die Revision der Nebenklägerin ist gemäß § 400 Abs. 1 i.V.m. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
9
Das angefochtene Urteil weist keinen die Angeklagte begünstigenden Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht einen Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht angenommen und deshalb eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts ausgeschlossen hat.
10
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) verneint. Des Verbrechens nach § 227 StGB macht sich schuldig, wer eine vorsätzliche Körperverletzungshandlung begeht, der das Risiko eines tödlichen Ausgangs anhaftet , sofern sich das der Handlung eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes des Angegriffenen verwirklicht und dem Täter hinsichtlich der Verursachung des Todes zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist; da der Täter schon durch die schuldhafte Verwirklichung eines der Grunddelikte der §§ 223 f. StGB stets objektiv und subjektiv pflichtwidrig handelt, ist dabei alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (st. Rspr.; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1 m.w.N.). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des Todes des Opfers - im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahinführenden Kausalverlaufs - vorausgesehen werden konnte (BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 6 m.w.N.) oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 96, 100; BGH NStZ 1997, 82 f. und 341). Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Angeklagte – und zwar nicht vorwerfbar – keine Kenntnis besaß, dass bereits geringe Mengen an Kochsalz bei einem Kleinkind lebensgefährliche Vergiftungserscheinungen hervorzurufen vermögen ; denn das Wissen hierum sei wenig verbreitet und gehöre keinesfalls zu jener medizinischen Sachkenntnis, welche sich fast jede Mutter über kurz oder lang aneigne. Auch wenn es sich nicht um den Fall einer "medizinischen Rarität" (vgl. dazu BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9) handelt, lässt dabei auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht besorgen, die Schwurgerichtskammer habe hinsichtlich der individuellen Vorhersehbarkeit des Todeseintritts zu hohe Anforderungen gestellt.

IV.


11
Revision der Staatsanwaltschaft
12
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revision zu Recht, dass das Landgericht die Angeklagte nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt hat.
13
1. a) Der objektive Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist - was das Landgericht ersichtlich auch nicht verkannt hat - erfüllt. Die Vorschrift erfasst das Beibringen von Gift und allen gesundheitsschädlichen Stoffen, die im konkreten Fall die Eigenschaft eines Giftes haben. Abweichend von der Vorgängervorschrift § 229 Abs. 1 StGB in der Fassung vor Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes (StrRG), setzt § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht mehr voraus , dass das Gift oder die ihm gleichgestellten Stoffe die Gesundheit zu zerstören geeignet sind. Anders als dies noch in der Entwurfsfassung des 6. StrRG als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der „einfachen“ Körperverletzung vorgesehen war, verlangt die Gesetz gewordene Vorschrift als Folge der Beibringung von Gift auch nicht mehr die dadurch verursachte Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 27/28, 36 und BTDrucks. 13/9064 S. 15). Vielmehr genügt danach für den objektiven Tatbestand bereits die Gesundheitsschädlichkeit des Stoffes, dessen Beibringung das Opfer im Sinne des § 223 StGB an der Gesundheit schädigt. Dafür erforderlich , aber auch genügend ist, dass die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet ist. Entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung (Nachweise bei Tröndle /Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 5) werden danach – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne der Nr. 2 des § 224 Abs. 1 StGB – auch an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs erfasst, wenn ihre Beibringung nach der Art ihrer Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist (vgl. Tröndle /Fischer aaO a.E.; Horn/Wolters in SK StGB 7. Aufl. § 224 Rdn. 8a; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 2d a.E.). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall durch das Zuführen der versalzenen Speise und der dadurch bei dem Mädchen eingetretenen Kochsalzintoxikation mit unmittelbar darauf zurück zu führendem tödlichen Ausgang vorliegen, versteht sich von selbst.
14
b) Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist - insoweit entgegen der Auffassung der Schwurgerichtskammer – aber auch der subjektive Tatbestand hinreichend belegt. Auch wenn die Angeklagte die konkrete Menge des von dem Mädchen aufgenommenen Salzes und das Ausmaß der durch den Verzehr der versalzenen Speise begründeten Gesundheitsgefahr nicht erkannte (und nach Auffassung des Landgerichts auch nicht erkennen konnte), so nahm sie bei ihrer Tathandlung nicht nur eine erhebliche Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens des Mädchens in Kauf, sondern auch weitergehende gesundheitliche Schädigungen in Gestalt von Bauchschmerzen und Übelkeit. Ein solcher Zustand kann, zumal bei einem kleinen Kind, auch pathologischer Art sein und damit dem Begriff der Gesundheitsschädigung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB entsprechen. Dass der Zustand nach der Vorstellung der Angeklagten nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend sein würde, steht dem nicht entgegen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 223 Rdn. 6). Schon die Heftigkeit, mit der das Mädchen sich gegen den ihm von der Angeklagten abgeforderten Verzehr der "schlichtweg ekelerregenden" und "ungenießbaren" Nachspeise zur Wehr setzte, und die Intensität, mit der die Angeklagte das Mädchen zwang, lassen auch ohne weiteres den Schluss zu, dass der Angeklagten auch ein solcher durch den Verzehr des Puddings hervorgerufener pathologischer Zustand bei dem Kind einerlei war und sie ihn gebilligt hat.
15
c) Soweit nach den Feststellungen das Verhalten der Angeklagten auch den Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) erfüllen kann, kommt dem jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen gegenüber der Körperverlet- zungshandlung kein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, der zur Klarstellung (vgl. BGHSt 39, 100; 44, 196) die Aufnahme in den Schuldspruch gebieten könnte.
16
2. Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Zwar wurde der Angeklagten mit der unverändert zugelassenen Anklage Heimtückemord zur Last gelegt und erteilte die Vorsitzende in der Hauptverhandlung lediglich den rechtlichen Hinweis dahingehend, dass eine Veruteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Betracht komme. Doch schließt der Senat bei der gegebenen Sachlage aus, dass sich die Angeklagte wirksamer als geschehen verteidigt hätte, wäre sie auch ausdrücklich auf eine Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB hingewiesen worden.
17
3. Die Schuldspruchänderung lässt hier den Strafausspruch im Ergebnis unberührt. Ausweislich ihrer Revisionsbegründungsschrift beanstandet die Staatsanwaltschaft den Strafausspruch als solchen nicht. Vielmehr erachtet sie danach die verhängte Freiheitsstrafe unter Zugrundelegung des erhöhten Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB für tat- und schuldangemessen. Der Senat teilt diese Auffassung der Beschwerdeführerin. In Anwendung der durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl I 2198, 2203) eingeführten Vorschrift des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO kann der Senat deshalb hier von einer Aufhebung der Strafe absehen (vgl. Senatsurteil vom 30. August 2005 - 4 StR 295/05). Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die bereits durch § 337 Abs. 1 StPO vorgegebene Möglichkeit, von der Aufhebung eines Urteils im Strafausspruch bei fehlendem Beruhen abzusehen, „behutsam erweitert“ , indem das Revisionsgericht trotz Rechtsfehlern bei der Strafzumessung auch dann von einer Aufhebung absehen kann, wenn die verhängte Rechtsfol- ge nach seiner Meinung angemessen ist (vgl. BTDrucks. 15/3482 S. 21/22). Soweit ersichtlich, hat die revisionsgerichtliche Rechtsprechung hiervon bislang nur bei Angeklagtenrevisionen Gebrauch gemacht. Weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien ist aber ein Hinweis darauf zu entnehmen , dass die behutsame Erweiterung des revisionsgerichtlichen Beurteilungsspielraums nur bei einen Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehlern gelten soll, nicht aber auch bei ihn begünstigenden Rechtsfehlern, die die Staatsanwaltschaft mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel rügt.
18
Damit hat es hier bei dem Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils sein Bewenden.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. September 2011 im Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz verurteilt worden ist, sowie insgesamt im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen (§ 349 Abs. 4 StPO).

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe

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Das Amtsgericht – Strafrichter – Ludwigshafen am Rhein hat den Angeklagten mit Urteil vom 1. Februar 2011 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

2

Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

3

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in dem tenorierten Umfang.

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1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings die Annahme des Qualifikationsmerkmales eines hinterlistigen Überfalls im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Der hinterlistige Überfall besteht in einem Überraschungsangriff, bei dem der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (BeckOK-StGB/Eschelbach, § 224 Rn 35 m.w.N.). Hierzu muss der Täter dem Opfer jedoch nicht offen entgegengetreten und ihm Friedfertigkeit vortäuschen (BGH, Beschluss vom 17.06.2004, NStZ 2005, 40 m.w.N.). Mittels eines hinterlistigen Überfalls verletzt der Täter das Opfer vielmehr auch dann, wenn er sich vor dem geplanten Angriff vor ihm verbirgt und ihm auflauert (BGH GA 1969, 61). Die Feststellungen der Kammer belegen ein in diesem Sinne gezieltes und planmäßiges Vorgehen des Angeklagten, indem er in Kenntnis der Gewohnheiten der Zeugin auflauerte. Im Hinblick auf die Wahl des Angriffsortes, des Angriffsmittels und der Art und Weise des Angriffs war seine Handlungsweise als planmäßig und auf Verdeckung der wahren Absichten ausgerichtet und nicht lediglich ein Überfall oder die Ausnutzung eines Überraschungsmomentes.

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2. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das Gewaltschutzgesetz nach § 4 GewSchG nicht. In dem Berufungsurteil ist hierzu festgestellt:

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„Darüber hinaus war dem Angeklagten bei Tatbegehung bewusst, dass er sich aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 27. April 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz der Zeugin weder nähern noch sonstigen Kontakt zu ihr aufnehmen durfte. Dieser Beschluss war ihm zeitnah bekannt gegeben worden. Trotzdem beging der Angeklagte die oben dargestellte Tat.“

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Diese Feststellungen lassen offen, welcher Art die Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz war, insbesondere ob es sich dabei um eine einstweilige Verfügung oder um eine endgültige Entscheidung gehandelt hat, bis zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung befristet war (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG) und ob die Anordnung zum Tatzeitpunkt vollstreckbar war. Voraussetzung hierfür war vor dem Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2009 (die zu vollstreckende Entscheidung erging unter dem 27. April 2009) im Falle einer einstweiligen Anordnung nach § 936 i. V. m. § 922 Abs. 2 ZPO die Zustellung der Entscheidung an den Angeklagten im Parteibetrieb, die nicht durch andere Formen der Bekanntgabe ersetzt werden kann (BGHSt 51, 257). Ob eine solche Zustellung erfolgt war, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen in der angegriffenen Entscheidung nicht beurteilen.

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3. Im Weiteren tragen die Feststellungen des Landgerichts auch nicht die Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Zwar ist zähflüssiges Teergemisch ein anderer gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Es fehlt indes an einer „Beibringung“. Beibringen ist ein solches Einführen der Stoffe in oder Auftragen der Stoffe auf den Körper eines anderen, dass sie ihre schädigende Eigenschaft zu entfalten in der Lage sind. Bei der Anwendung des gesundheitsgefährdenden Stoffes „von außen“ erfordert ein „Einbringen“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB allerdings, dass die Schwere der hierdurch verursachten Gefahr für die Zerstörung der Gesundheit derjenigen bei „innerlicher“ Anwendung gleichkommt (BGH NJW 1960, 2254). Diese Voraussetzung ist hier durch die Verklebung der Haare des Tatopfers nicht erfüllt.

9

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil milder ausgefallen wäre, wenn die Kammer diesen weiteren Qualifikationstatbestand der gefährlichen Körperverletzung nicht bejaht hätte, weshalb das Urteil auf diesem Fehler beruht.

10

4. Schließlich ist die Strafzumessung auch aus weiteren Gründen rechtsfehlerhaft. Der Strafausspruch hat zum einen keinen Bestand, weil die Kammer zu Lasten des Angeklagten dessen „hohe kriminelle Energie“ bei der Tatbegehung verwertet hat, ohne dass die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für diese Wertung ersichtlich sind. Dies lässt es als möglich erscheinen, dass die Kammer hierbei Merkmale des Tatbestandes bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten herangezogen hat, die der Gesetzgeber bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens als maßgeblich angesehen hat (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 2). Auch die Erwägung, der Angeklagte habe die Tat „von langer Hand geplant“ findet in den Feststellungen keine Entsprechung.

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Die Strafzumessung ist im Weiteren rechtsfehlerhaft, soweit die Kammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er eine Falschaussage seiner Mutter vor Gericht zugelassen habe. Da keine Anhaltspunkte dafür festgestellt werden könnten, dass der zur Sache schweigende Angeklagte einen Entlastungszeugen zu einer Falschaussage veranlasst hat, war er nicht verpflichtet, die Falschaussage zu verhindern oder auf eine Berichtigung hinzuwirken. Würde dieses Verhalten gleichwohl strafschärfend berücksichtigt, liefe dies auf eine Verpflichtung zur Selbstbelastung hinaus (BGH, StV 1994, 125).

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5. Das angefochtene Urteil war daher auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuweisen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.