Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2019 - 4 StR 597/18

bei uns veröffentlicht am27.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 597/18
vom
27. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen und bewaffneten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2019:270319B4STR597.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2019 beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 5. Juli 2018 eingelegte Revision des Angeklagten wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen und bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den „Verfall“ von Wertersatz in Höhe von 600 € angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen damaligen Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt B. , form- und fristgerecht Revision eingelegt. Rechtsanwalt B. hat die Revision unter dem 26. Oktober2018 mit der allgemeinen Sachrüge und einer die Verfallsentscheidung betreffenden Verfahrensrüge begründet. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2018, beim Landgericht eingegangen an demselben Tag, hat RechtsanwaltB. er- klärt, er nehme die Revision „namens und in Vollmacht“ des Angeklagten zu- rück. Hierauf hat das Landgericht am 6. November 2018 beschlossen, dass der Angeklagte die Kosten der zurückgenommenen Revision zu tragen habe. Mit Schreiben an das Landgericht vom 15. November 2018 hat der Angeklagte erklärt , er habe seinem Verteidiger keinen Auftrag zur Revisionsrücknahme erteilt; die Rücknahme sei ohne sein Einverständnis erfolgt, nachdem er Rechtsanwalt B. erklärt habe, er habe das Vertrauen in ihn verloren und wolle von einem neuen Pflichtverteidiger vertreten werden. Den Wunsch nach einem neuen Pflichtverteidiger aufgrund einer – nicht näher begründeten – Unzufriedenheit mit Rechtsanwalt B. hatte der Angeklagte bereits in einem Schreiben an das Landgericht vom 19. Oktober 2018 zum Ausdruck gebracht; dem war vom Vorsitzenden der Strafkammer nicht entsprochen worden, weil keine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ersichtlich sei.
2
Auf Anfrage des Landgerichts hat Rechtsanwalt B. mit Schriftsatz vom 19. November 2018 erklärt und anwaltlich versichert, dass er mit dem Angeklagten am 2. November 2018 im Rahmen eines Telefonats den Inhalt der Revisionsbegründung vom 26. Oktober 2018 erörtert habe. Zudem habe er den Angeklagten auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Revision bezüglich der angeordneten Maßregel nach § 64 StGB hingewiesen. Hierauf habe der Ange- klagte sinngemäß erklärt, dass die Revision „nur wegen der 600 € keinen Sinn mache“ und er ein noch monatelang andauerndes Verfahren nicht wolle. Auf die sich hieran anschließende mehrfache ausdrückliche Nachfrage, ob er, Rechtsanwalt B. , die Revision zurücknehmen solle, habe der Angeklagte dies bejaht. Mit Beschluss vom 27. November 2018 hat das Landgericht die Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt B. gemäß § 143 StPO aufgehoben, nachdem sich für den Angeklagten ein Wahlverteidiger bestellt hatte.
3
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
4
a) Der frühere Pflichtverteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung lag die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich bzw. fernmündlich erteilt werden kann; für ihren Nachweis genügt die anwalt- liche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185; vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24; vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, NStZ 2005, 583; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 302 Rn. 32; SSW-StPO/Hoch, 3. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der frühere Pflichtverteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 19. November 2018 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme im Rahmen des Telefonats am 2. November 2018 zustande kam, und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen unmissverständlichen Angaben, die – auch vor dem Hintergrund etwaiger bereits bestehender Differenzen zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. – ein schlüssiges Bild ergeben, zu zweifeln.
5
Es sind zudem keine Anhaltspunkte für Verständigungsprobleme zwischen dem Angeklagten und seinem früheren Pflichtverteidiger ersichtlich. Dies wird auch von dem Angeklagten selbst, der seit dem Jahr 2002 in Deutschland lebt und weder bei seiner polizeilichen Vernehmung noch in der Hauptverhandlung eines Dolmetschers bedurfte, nicht geltend gemacht.
6
b) Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, NStZ-RR 2017, 185, 186; vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211, 212). Das vom Angeklagten verfasste Schreiben vom 15. November 2018 ging dem Landgericht jedoch erst nach Eingang der Rücknahmeerklärung zu. Hierdurch konnte die erfolgte wirksame Revisionsrücknahme nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden, da die Rechtsmittelrücknahme als Pro- zesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO; vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, aaO; vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, BGHSt 46, 257, 258).
VRi‘inBGH Sost-Scheible befin- Roggenbuck Quentin det sich im Urlaub und ist daher gehindert, zu unterschreiben. Roggenbuck
Feilcke Bartel

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

Strafprozeßordnung - StPO | § 143 Dauer und Aufhebung der Bestellung


(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460. (2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwen

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.

(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.

(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 558/16
vom
6. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:061216B4STR558.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2016 beschlossen :
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19. September 2016 wirksam zurückgenommen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf einen Kraftfahrer und gefährlicher Körperverletzung sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Pflichtverteidiger form- und fristgerecht Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, hat der Verteidiger erklärt, er nehme die Revision „namens und im Auftrag des Angeklagten“ zurück. In einem selbst verfassten, undatierten Schreiben, das am 14. Oktober 2016 beim Landgericht eingegangen ist, hat der Angeklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben seines Verteidigers vom 7. Oktober 2016 vorgetragen , er nehme die Revision nicht zurück, habe seinen Verteidiger mit der Revisionsrücknahme auch nicht beauftragt oder einer solchen Rücknahme zugestimmt.
2
Auf Anfrage des Landgerichts hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 anwaltlich versichert, er sei mit dem Angeklagten im Rahmen einer Besprechung am 28. September 2016 mündlich übereingekommen, die Revision zurückzunehmen. Der Angeklagte habe ihn hierbei gebeten, mit der Rücknahme noch mindestens eine Woche zu warten. Daraufhin habe er mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 die Revisionsrücknahme erklärt.
3
Mit Schriftsatz vom 24. November 2016 hat der Verteidiger das Rechtsmittel vorsorglich begründet.

II.


4
Die am 26. September 2016 eingelegte Revision ist wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 StPO).
5
1. Der Verteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung lag die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben; sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24 f.; Beschluss vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, NStZ-RR 2005, 583; SSWStPO /Hoch, 2. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme als Ergebnis einer Besprechung mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt am 28. September 2016 zustande kam und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, die vor dem Hintergrund des Verfahrensgangs ein schlüssiges Bild ergeben.
6
2. Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211). Das vom Angeklagten selbstverfasste, undatierte Schreiben ging dem Landgericht jedoch erst am 14. Oktober 2016 und damit nach Eingang der Rücknahmeerklärung zu.
7
3. An die danach wirksame Revisionsrücknahme ist der Angeklagte gebunden. Diese ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO). Durch sein beim Landgericht am 14. Oktober 2016 eingegangenes Schreiben konnte die Revisionsrücknahme daher nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden.
8
4. Ob dem vorerwähnten Schreiben des Angeklagten eine erneute Revisionseinlegung zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Da die Revisionsrücknahme einen Verzicht auf die Revisionseinlegung enthält, wäre eine danach erneut eingelegte Revision grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO; vom 3. Mai 1957 – 5 StR 52/57, BGHSt 10, 245, 247; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 302 Rn. 12 mwN).

III.


9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1999 – 4 StR 549/99).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 1 2 / 1 5
vom
15. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2015 beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 10. November 2014, durch den die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Mai 2013 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben. 2. Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte wurde am 16. Mai 2013 vom Landgericht München I wegen Diebstahls und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte zu Protokoll der Geschäftsstelle am 22. Mai 2013 Revision eingelegt; dem Verteidiger des Angeklagten wurde das landgerichtliche Urteil am 26. Juni 2013 zugestellt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 erklärte der Verteidiger, er nehme nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag die von diesem eingelegte Revision zurück.
2
Mit Beschluss vom 30. Juli 2013 legte das Landgericht dem Angeklagten die Kosten der von ihm eingelegten und wieder zurückgenommenen Revision auf.
3
Mit Schreiben vom 28. Mai 2014 ersuchte der Angeklagte um Übersendung einer Ablichtung der Verfügung des Vorsitzenden Richters über die von ihm angeordneten Urteilszustellungen, weil er diese zur Einlegung des zulässigen Rechtsmittels benötige.
4
Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 erhob der Angeklagte gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 „Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines absoluten Revisionsgrunds“ und beantragte insbesondere, die Revision gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 zuzulassen und den Beschluss des Landgerichts vom 30. Juli 2013 aufzuheben. Er erhob die allgemeine Sachrüge und führte u.a. aus, dass das Urteil nur an seinen Verteidiger zugestellt worden sei und keine Unterschriften der Richter enthalte; dieser Umstand führe zwingend zur Urteilsaufhebung. Der Zustellungsmangel habe ihn an der Einlegung des zulässigen Rechtsmittels gehindert. Außerdem sei der Beschluss über die Kostentragungspflicht unzulässig , weil die von ihm eingelegte Revision von ihm selbst nicht zurückgenommen worden sei.
5
Die „Nichtzulassungsbeschwerde“ des Angeklagtenhat das Landgericht als erneute Revision gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 ausgelegt und mit Beschluss vom 10. November 2014 als unzulässig verworfen. Die vom Angeklagten am 22. Mai 2013 eingelegte Revision sei durch den Verteidiger wirksam zurückgenommen worden; die Rücknahme enthalte einen Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels. Jedenfalls aber sei die Frist zur Begründung der Revision versäumt und die Form nicht gewahrt worden.
6
Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 2. Dezember 2014 zugestellt. Mit einem am 1. Dezember 2014 eingegangenen Schreiben vom 26. November 2014 legte der Angeklagte gegen den Beschluss vom 10. November 2014 Rechtsmittel ein und führte „ergänzend“ zu seiner „Rechtsmittelschrift vom 4. Juli 2014“aus, er habe seinem Verteidiger zu keinem Zeitpunkt eine Rücknahmeermächtigung erteilt; er sei in seiner Entscheidung , Rechtsmittel einzulegen, frei.
7
Mit Schreiben vom 23. März 2015 beantragte der Angeklagte, seinem Verteidiger aufzugeben, die schriftliche Rechtsmittelverzichtserklärung vorzulegen.

II.

8
Die Anträge des Angeklagten haben keinen Erfolg.
9
1. Die am 22. Mai 2013 eingelegte Revision ist wirksam gemäß § 302 Abs. 1 StPO zurückgenommen.
10
Der Verteidiger hatte im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten. Für diese Ermächtigung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 302 Rn. 33). Eine solche anwaltliche Versicherung des Verteidigers liegt in seiner Erklärung vom 26. Juli 2013, er nehme die Revision nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag zurück.
11
An diese Rücknahme ist der Angeklagte gebunden. Denn eine wirksame Rücknahmeerklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 5 StR 314/14).
12
Da vom Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen wurde, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine deklaratorische Feststellung zu treffen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 421/14).
13
2. Die Befugnis des Tatrichters, eine Revision als unzulässig zu verwerfen , ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ein Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (vgl. § 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen oder die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme festzustellen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. MeyerGoßner /Schmitt aaO § 346 Rn. 2 mwN). Der Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2014, mit dem die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, war daher aufzuheben.
14
3. Selbst wenn man davon ausginge, der Angeklagte hätte erneut Revision eingelegt, hätte diese keinen Erfolg. Einer erneut eingelegten Revision steht die zuvor erklärte Rechtsmittelrücknahme entgegen (vgl. MeyerGoßner /Schmitt aaO § 302 Rn. 12). Die Revision richtet sich dann gegen ein rechtskräftiges Urteil und ist folglich unzulässig. VRiBGH Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 558/16
vom
6. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:061216B4STR558.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2016 beschlossen :
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19. September 2016 wirksam zurückgenommen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf einen Kraftfahrer und gefährlicher Körperverletzung sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Pflichtverteidiger form- und fristgerecht Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, hat der Verteidiger erklärt, er nehme die Revision „namens und im Auftrag des Angeklagten“ zurück. In einem selbst verfassten, undatierten Schreiben, das am 14. Oktober 2016 beim Landgericht eingegangen ist, hat der Angeklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben seines Verteidigers vom 7. Oktober 2016 vorgetragen , er nehme die Revision nicht zurück, habe seinen Verteidiger mit der Revisionsrücknahme auch nicht beauftragt oder einer solchen Rücknahme zugestimmt.
2
Auf Anfrage des Landgerichts hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 anwaltlich versichert, er sei mit dem Angeklagten im Rahmen einer Besprechung am 28. September 2016 mündlich übereingekommen, die Revision zurückzunehmen. Der Angeklagte habe ihn hierbei gebeten, mit der Rücknahme noch mindestens eine Woche zu warten. Daraufhin habe er mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 die Revisionsrücknahme erklärt.
3
Mit Schriftsatz vom 24. November 2016 hat der Verteidiger das Rechtsmittel vorsorglich begründet.

II.


4
Die am 26. September 2016 eingelegte Revision ist wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 StPO).
5
1. Der Verteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung lag die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben; sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24 f.; Beschluss vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, NStZ-RR 2005, 583; SSWStPO /Hoch, 2. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme als Ergebnis einer Besprechung mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt am 28. September 2016 zustande kam und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, die vor dem Hintergrund des Verfahrensgangs ein schlüssiges Bild ergeben.
6
2. Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211). Das vom Angeklagten selbstverfasste, undatierte Schreiben ging dem Landgericht jedoch erst am 14. Oktober 2016 und damit nach Eingang der Rücknahmeerklärung zu.
7
3. An die danach wirksame Revisionsrücknahme ist der Angeklagte gebunden. Diese ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO). Durch sein beim Landgericht am 14. Oktober 2016 eingegangenes Schreiben konnte die Revisionsrücknahme daher nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden.
8
4. Ob dem vorerwähnten Schreiben des Angeklagten eine erneute Revisionseinlegung zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Da die Revisionsrücknahme einen Verzicht auf die Revisionseinlegung enthält, wäre eine danach erneut eingelegte Revision grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO; vom 3. Mai 1957 – 5 StR 52/57, BGHSt 10, 245, 247; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 302 Rn. 12 mwN).

III.


9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1999 – 4 StR 549/99).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 573/04
vom
8. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. März 2005 beschlossen:
Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Halle vom 26. Oktober 2004 wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, sowie wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision zurückgenommen hatte, hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2004 "in Vollmacht handelnd" die form- und fristgerecht gegen das Urteil eingelegte Revision des Angeklagten zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist dem Landgericht per Fax übermittelt worden und dort am 27. August 2004 um 8.35 Uhr eingegangen. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. September 2004 "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung" beantragt. Sein Verteidiger hat dazu ausgeführt : Bei einem Gespräch in der Justizvollzugsanstalt am 26. August 2004
habe der Angeklagte mündlich einer Revisionsrücknahme zugestimmt. Davon, daß der Angeklagte anschließend noch an demselben Tage versucht habe, ihn über einen Bekannten zu veranlassen, die "abgegebene Revisionsbegründung und damit die Revision bestehen zu lassen", habe er erst nach seiner Rückkehr aus einem Auslandsurlaub Kenntnis erlangt. Als der Bekannte des Angeklagten ihn am 27. August 2004 in der Kanzlei habe aufsuchen wollen, habe er sich bereits auf der Fahrt in den Urlaub befunden. Seine Sekretärin habe deshalb nichts veranlassen können, zumal die Rücknahmeerklärung bereits an das Landgericht abgesandt worden war.
Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten mit Beschluß vom 26. Oktober 2004 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, daß die Revision wirksam zurückgenommen wurde. Gegen diesen Beschluß, der seinem Verteidiger am 12. November 2004 zugestellt wurde, hat der Angeklagte mit Schreiben vom 5. November 2004, das an demselben Tage beim Landgericht eingegangen ist, "Beschwerde" eingelegt. Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" hat keinen Erfolg.
1. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen (vgl. nur BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8 m.w.N.; BGH NStZ 2001, 104 sowie hierzu Kuckein in KK 5. Aufl. § 346 Rdn. 3). Zwar wird die Auffassung vertreten, daß bis zum Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht insoweit die Zuständigkeit des judex a quo gegeben ist (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 76; ebenso wohl auch Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 302 Rdn. 11 a; vgl. auch BGHSt
12, 217, 219). Ob dies auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen worden war, mag dahinstehen. Jedenfalls ist das Rechtsmittelgericht nach einer Entscheidung durch den judex a quo und bei Fortbestehen des Streites zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (vgl. BGH, Beschluß vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04). Ob eine solche Entscheidung im Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 346 Abs. 2 StPO einen entsprechenden (fristgebundenen) Antrag voraussetzt oder aber die Entscheidung des Revisionsgerichts formlos und ohne Einhaltung einer Frist herbeigeführt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die "Beschwerde" des Angeklagten beim Landgericht bereits vor der förmlichen Zustellung des Beschlusses eingegangen ist.
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
Der Verteidiger hatte die gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme eines Rechtsmittels erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten , als er die Absendung des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes vom 26. August 2004 veranlaßte, mit dem die Rücknahme der Revision erklärt wurde. Seine bei der Besprechung mit seinem Verteidiger erklärte Zustimmung reicht hierfür aus. Eine bestimmte Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner aaO § 302 Rdn. 32 m.N.). Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann (vgl. BGHSt 36, 259, 260 f.), genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 33 m.N.).
Der Verteidiger war auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 26. August 2004 beim Landgericht noch zur Zurücknahme der Revision ermächtigt. Zwar ist der Widerruf einer solchen Ermächtigung zulässig und wird schon dann wirksam, wenn ihn der Angeklagte mündlich oder fernmündlich dem Gericht oder seinem Verteidiger gegenüber erklärt (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 34 m.N.). Der Widerruf führt zum Erlöschen der dem Verteidiger erteilten Ermächtigung (vgl. BGHSt 10, 245, 246), zur Unwirksamkeit auch der Rücknahmeerklärung jedoch nur dann, wenn er vor der Rücknahmeerklärung bei dem Gericht eingegangen ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Als der Bekannte des Angeklagten die Kanzlei aufsuchte, um dem Verteidiger des Angeklagten mitzuteilen, daß die Revision durchgeführt werden solle, war die Rücknahmeerklärung bereits per Fax bei dem Landgericht eingegangen. Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit einer von einem hierzu ermächtigten Verteidiger erklärten Zurücknahme des Rechtsmittels angenommen werden könnte (vgl. Ruß in KK 5. Aufl. § 302 Rdn. 13), liegt ersichtlich nicht vor.
An die danach wirksame Rücknahme der Revision ist der Angeklagte gebunden, denn die Rücknahme eines Rechtsmittels ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 8; BGH, Beschluß vom 13. Mai 2003 - 4 StR 135/03; BGH, Beschluß vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04). Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf „Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung“ entgegen seinem Wortlaut dahin auszulegen ist, daß erneut Revision eingelegt und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird. Die erneute Einlegung und auch ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag wären jedenfalls unzulässig (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 7 m. N.). In der Zurücknahme eines Rechtsmittels liegt regelmäßig der Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels
(BGHSt 10, 245, 247). Zudem war die zurückgenommene Revision zunächst form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden. Sind aber keine Fristen im Sinne
des § 44 StPO versäumt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2 und 7).
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist Maatz Athing krankheitshalber verhindert zu unterschreiben. Maatz
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 1 2 / 1 5
vom
15. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2015 beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 10. November 2014, durch den die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Mai 2013 als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben. 2. Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:

I.

1
Der Angeklagte wurde am 16. Mai 2013 vom Landgericht München I wegen Diebstahls und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte zu Protokoll der Geschäftsstelle am 22. Mai 2013 Revision eingelegt; dem Verteidiger des Angeklagten wurde das landgerichtliche Urteil am 26. Juni 2013 zugestellt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 erklärte der Verteidiger, er nehme nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag die von diesem eingelegte Revision zurück.
2
Mit Beschluss vom 30. Juli 2013 legte das Landgericht dem Angeklagten die Kosten der von ihm eingelegten und wieder zurückgenommenen Revision auf.
3
Mit Schreiben vom 28. Mai 2014 ersuchte der Angeklagte um Übersendung einer Ablichtung der Verfügung des Vorsitzenden Richters über die von ihm angeordneten Urteilszustellungen, weil er diese zur Einlegung des zulässigen Rechtsmittels benötige.
4
Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 erhob der Angeklagte gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 „Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines absoluten Revisionsgrunds“ und beantragte insbesondere, die Revision gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 zuzulassen und den Beschluss des Landgerichts vom 30. Juli 2013 aufzuheben. Er erhob die allgemeine Sachrüge und führte u.a. aus, dass das Urteil nur an seinen Verteidiger zugestellt worden sei und keine Unterschriften der Richter enthalte; dieser Umstand führe zwingend zur Urteilsaufhebung. Der Zustellungsmangel habe ihn an der Einlegung des zulässigen Rechtsmittels gehindert. Außerdem sei der Beschluss über die Kostentragungspflicht unzulässig , weil die von ihm eingelegte Revision von ihm selbst nicht zurückgenommen worden sei.
5
Die „Nichtzulassungsbeschwerde“ des Angeklagtenhat das Landgericht als erneute Revision gegen das Urteil vom 16. Mai 2013 ausgelegt und mit Beschluss vom 10. November 2014 als unzulässig verworfen. Die vom Angeklagten am 22. Mai 2013 eingelegte Revision sei durch den Verteidiger wirksam zurückgenommen worden; die Rücknahme enthalte einen Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels. Jedenfalls aber sei die Frist zur Begründung der Revision versäumt und die Form nicht gewahrt worden.
6
Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 2. Dezember 2014 zugestellt. Mit einem am 1. Dezember 2014 eingegangenen Schreiben vom 26. November 2014 legte der Angeklagte gegen den Beschluss vom 10. November 2014 Rechtsmittel ein und führte „ergänzend“ zu seiner „Rechtsmittelschrift vom 4. Juli 2014“aus, er habe seinem Verteidiger zu keinem Zeitpunkt eine Rücknahmeermächtigung erteilt; er sei in seiner Entscheidung , Rechtsmittel einzulegen, frei.
7
Mit Schreiben vom 23. März 2015 beantragte der Angeklagte, seinem Verteidiger aufzugeben, die schriftliche Rechtsmittelverzichtserklärung vorzulegen.

II.

8
Die Anträge des Angeklagten haben keinen Erfolg.
9
1. Die am 22. Mai 2013 eingelegte Revision ist wirksam gemäß § 302 Abs. 1 StPO zurückgenommen.
10
Der Verteidiger hatte im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten. Für diese Ermächtigung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 302 Rn. 33). Eine solche anwaltliche Versicherung des Verteidigers liegt in seiner Erklärung vom 26. Juli 2013, er nehme die Revision nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag zurück.
11
An diese Rücknahme ist der Angeklagte gebunden. Denn eine wirksame Rücknahmeerklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 5 StR 314/14).
12
Da vom Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen wurde, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine deklaratorische Feststellung zu treffen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 421/14).
13
2. Die Befugnis des Tatrichters, eine Revision als unzulässig zu verwerfen , ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ein Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (vgl. § 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen oder die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme festzustellen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. MeyerGoßner /Schmitt aaO § 346 Rn. 2 mwN). Der Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2014, mit dem die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, war daher aufzuheben.
14
3. Selbst wenn man davon ausginge, der Angeklagte hätte erneut Revision eingelegt, hätte diese keinen Erfolg. Einer erneut eingelegten Revision steht die zuvor erklärte Rechtsmittelrücknahme entgegen (vgl. MeyerGoßner /Schmitt aaO § 302 Rn. 12). Die Revision richtet sich dann gegen ein rechtskräftiges Urteil und ist folglich unzulässig. VRiBGH Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 573/04
vom
8. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. März 2005 beschlossen:
Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Halle vom 26. Oktober 2004 wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, sowie wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision zurückgenommen hatte, hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2004 "in Vollmacht handelnd" die form- und fristgerecht gegen das Urteil eingelegte Revision des Angeklagten zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist dem Landgericht per Fax übermittelt worden und dort am 27. August 2004 um 8.35 Uhr eingegangen. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. September 2004 "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung" beantragt. Sein Verteidiger hat dazu ausgeführt : Bei einem Gespräch in der Justizvollzugsanstalt am 26. August 2004
habe der Angeklagte mündlich einer Revisionsrücknahme zugestimmt. Davon, daß der Angeklagte anschließend noch an demselben Tage versucht habe, ihn über einen Bekannten zu veranlassen, die "abgegebene Revisionsbegründung und damit die Revision bestehen zu lassen", habe er erst nach seiner Rückkehr aus einem Auslandsurlaub Kenntnis erlangt. Als der Bekannte des Angeklagten ihn am 27. August 2004 in der Kanzlei habe aufsuchen wollen, habe er sich bereits auf der Fahrt in den Urlaub befunden. Seine Sekretärin habe deshalb nichts veranlassen können, zumal die Rücknahmeerklärung bereits an das Landgericht abgesandt worden war.
Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten mit Beschluß vom 26. Oktober 2004 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, daß die Revision wirksam zurückgenommen wurde. Gegen diesen Beschluß, der seinem Verteidiger am 12. November 2004 zugestellt wurde, hat der Angeklagte mit Schreiben vom 5. November 2004, das an demselben Tage beim Landgericht eingegangen ist, "Beschwerde" eingelegt. Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende "Beschwerde" hat keinen Erfolg.
1. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen (vgl. nur BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8 m.w.N.; BGH NStZ 2001, 104 sowie hierzu Kuckein in KK 5. Aufl. § 346 Rdn. 3). Zwar wird die Auffassung vertreten, daß bis zum Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht insoweit die Zuständigkeit des judex a quo gegeben ist (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 76; ebenso wohl auch Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 302 Rdn. 11 a; vgl. auch BGHSt
12, 217, 219). Ob dies auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen worden war, mag dahinstehen. Jedenfalls ist das Rechtsmittelgericht nach einer Entscheidung durch den judex a quo und bei Fortbestehen des Streites zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (vgl. BGH, Beschluß vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04). Ob eine solche Entscheidung im Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 346 Abs. 2 StPO einen entsprechenden (fristgebundenen) Antrag voraussetzt oder aber die Entscheidung des Revisionsgerichts formlos und ohne Einhaltung einer Frist herbeigeführt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die "Beschwerde" des Angeklagten beim Landgericht bereits vor der förmlichen Zustellung des Beschlusses eingegangen ist.
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
Der Verteidiger hatte die gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme eines Rechtsmittels erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten , als er die Absendung des von ihm unterzeichneten Schriftsatzes vom 26. August 2004 veranlaßte, mit dem die Rücknahme der Revision erklärt wurde. Seine bei der Besprechung mit seinem Verteidiger erklärte Zustimmung reicht hierfür aus. Eine bestimmte Form ist für die Ermächtigung nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner aaO § 302 Rdn. 32 m.N.). Für den Nachweis der Ermächtigung, der noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden kann (vgl. BGHSt 36, 259, 260 f.), genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 33 m.N.).
Der Verteidiger war auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 26. August 2004 beim Landgericht noch zur Zurücknahme der Revision ermächtigt. Zwar ist der Widerruf einer solchen Ermächtigung zulässig und wird schon dann wirksam, wenn ihn der Angeklagte mündlich oder fernmündlich dem Gericht oder seinem Verteidiger gegenüber erklärt (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 34 m.N.). Der Widerruf führt zum Erlöschen der dem Verteidiger erteilten Ermächtigung (vgl. BGHSt 10, 245, 246), zur Unwirksamkeit auch der Rücknahmeerklärung jedoch nur dann, wenn er vor der Rücknahmeerklärung bei dem Gericht eingegangen ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Als der Bekannte des Angeklagten die Kanzlei aufsuchte, um dem Verteidiger des Angeklagten mitzuteilen, daß die Revision durchgeführt werden solle, war die Rücknahmeerklärung bereits per Fax bei dem Landgericht eingegangen. Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit einer von einem hierzu ermächtigten Verteidiger erklärten Zurücknahme des Rechtsmittels angenommen werden könnte (vgl. Ruß in KK 5. Aufl. § 302 Rdn. 13), liegt ersichtlich nicht vor.
An die danach wirksame Rücknahme der Revision ist der Angeklagte gebunden, denn die Rücknahme eines Rechtsmittels ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 8; BGH, Beschluß vom 13. Mai 2003 - 4 StR 135/03; BGH, Beschluß vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04). Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf „Wiederzulassung der Revision mit Revisionsbegründung“ entgegen seinem Wortlaut dahin auszulegen ist, daß erneut Revision eingelegt und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird. Die erneute Einlegung und auch ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag wären jedenfalls unzulässig (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 7 m. N.). In der Zurücknahme eines Rechtsmittels liegt regelmäßig der Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels
(BGHSt 10, 245, 247). Zudem war die zurückgenommene Revision zunächst form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden. Sind aber keine Fristen im Sinne
des § 44 StPO versäumt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2 und 7).
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist Maatz Athing krankheitshalber verhindert zu unterschreiben. Maatz
Ernemann Sost-Scheible
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten ist unwirksam, wenn er
lediglich aufgrund einer - auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder
Auskunft des Gerichts (hier: zu beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils)
zustandegekommen ist.
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam
, wenn eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht rechtsfehlerfrei
begründet wurde und Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist.
BGH, Beschluß vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00 - LG Darmstadt -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 500/00
vom
10. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. August 2000 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Strafe und Maßregel wurden zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er erstrebt eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr mit Bewährung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang.

II.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der in der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Die Strafkammer ging in der Hauptverhandlung - ebenso wie die übrigen Verfahrensbeteiligten - versehentlich davon aus, der Status des Angeklagten als Kommunalbeamter werde nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG nicht tangiert, wenn er wegen versuchter Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verurteilt werde. Diese Auffassung äußerte der Vorsitzende auch in der mündlichen Urteilsbegründung. Lediglich aufgrund dieser Umstände erklärte der Angeklagte im Anschluß an die Urteilsverkündung nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, er verzichte auf Rechtsmittel und nehme das Urteil an. Der Verzicht wurde protokolliert, verlesen und genehmigt. Auch der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel. Dieser Verfahrensgang ergibt sich aus den übereinstimmenden dienstlichen und anwaltlichen Erklärungen der richterlichen Mitglieder der Strafkammer und des Verteidigers sowie dem Hauptverhandlungsprotokoll. In Wirklichkeit entsprach die Rechtsauffassung der Strafkammer jedoch nicht § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG. Nach dieser Vorschrift endet das Beamtenverhältnis mit Rechtskraft der Verurteilung eines Beamten wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Ein Rechtsmittelverzicht ist als Prozeßerklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 45, 51, 53). Die Rechtsprechung erkennt allerdings in eng begrenztem Umfang Ausnahmen an. In Betracht kommen insbesondere die Fälle schwerwiegender Willensmängel. Auch vom Gericht zu verantwortende Umstände der Art und Weise des Zustandekommens können einen Rechtsmittelverzicht unwirksam machen (BGHSt 45, 51, 53, 55). Deshalb kann ein Rechtsmittelverzicht ausnahmsweise unwirksam
sein, wenn er lediglich aufgrund einer - sei es auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts zustandegekommen ist (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 302 Rdn. 10, 22; Gollwitzer in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 302 Rdn. 52; Ruß in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 13; OLG Koblenz NStZ-RR 1996, 306 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Strafkammer hat durch ihre objektiv unzutreffenden Erklärungen zu den beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils dem Angeklagten die Vorstellung vermittelt, sein Status als Beamter werde durch das Urteil nicht berührt. Nur deshalb hat der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet. Daran , daß der Angeklagte auf die wiederholt geäußerte Beurteilung des Landgerichts vertraut hat, trifft ihn kein Verschulden. Wegen der dargelegten Umstände seines Zustandekommens war der Rechtsmittelverzicht des Angeklagten hier von Anfang an unwirksam. Auf eine Anfechtung wegen Irrtums kommt es daher nicht an. 2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam. Der Schuldspruch und die Strafzumessung sind hier so miteinander verknüpft , daß eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre , ohne den nicht angefochtenen Schuldspruch mit zu berühren (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Wird der Strafausspruch angefochten, ist auch die Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung. Diese ergibt hier, daß das Urteil keine rechtsfehlerfreie Begründung für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit enthält. Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils läßt sich auch nicht völlig ausschließen, daß der Angeklagte zur Tatzeit steuerungsunfähig war.
Das Landgericht teilt zwar die Entwicklung der psychischen Erkrankung des Angeklagten mit dem wiederholten Wechsel von manischen und depressiven Phasen näher mit. Die Beurteilung dieser Erkrankung durch das sachverständig beratene Landgericht ist jedoch unklar und widersprüchlich. Im Anschluß an den Sachverständigen meint das Landgericht, der Angeklagte sei zur Tatzeit an einer "aktuellen seelischen Störung" erkrankt gewesen, durch die seine Fähigkeit zur Willensbildung, seine Steuerungskontrolle und seine gesamte Reflexionsfähigkeit erheblich gestört gewesen seien. Die Steuerungsfähigkeit sei insbesondere auch deshalb erheblich vermindert gewesen, weil die manische Symptomatik durch die fortgeführte Einnahme von Antidepressiva verstärkt worden sei. Welche psychische Erkrankung der Sachverständige konkret festgestellt hat, wird aber nicht näher mitgeteilt. Nach den vom Landgericht beschriebenen Krankheitssymptomen kommen hier eine manische Episode zur Tatzeit, aber auch eine bipolare affektive Störung in Betracht , die früher nach Kurt Schneider als "Zyklothymie" bezeichnet wurde (vgl. hierzu Nedopil, Forensische Psychiatrie S. 113 ff.). Einer dahingehenden Beurteilung widerspricht aber, daß das Landgericht Schuldunfähigkeit ausschließt , weil der Angeklagte "nicht an einer Manie im Sinne einer Psychose" gelitten habe. Gerade bei den in Betracht kommenden affektiven Störungen handelt es sich aber um Psychosen. Sollte es zutreffen, daß der Angeklagte bei der Tat nicht an einer Psychose litt, fehlte schon die Grundlage für die Annahme einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit. Hinzu kommt: Bei mittelgradigen Depressionen oder Manien kann die Willensbildung aufgehoben sein, wenn Motivation und Verhalten auf die affektive Störung zurückzuführen sind. Bei schweren manischen (oder depressiven) Episoden liegt daher eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedenfalls nicht fern (vgl. hierzu Nedopil aaO S. 117). Das Landgericht hätte daher die diagnostische Einord-
nung der Erkrankung und die Gewichtung ihrer Auswirkungen auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten näher darlegen müssen. Nach der bisherigen Erörterung dieser Fragen ist nicht auszuschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht nur erheblich vermindert, sondern aufgehoben war. Da hierdurch nicht nur der Straf-, sondern auch der Schuldspruch betroffen ist und die Frage der Schuldfähigkeit nur einheitlich beurteilt werden kann, ist eine Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch unzulässig. Ebensowenig kann unter diesen Umständen die Maßregelanordnung von der Anfechtung ausgenommen werden. 3. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das Landgericht - wie bereits dargelegt - Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. Daneben ist auch die Strafzumessung rechtsfehlerhaft. Das Landgericht war der in den Urteilsgründen mitgeteilten Ansicht, daß die Beendigung des Beamtenverhältnisses als Nebenfolge der strafrechtlichen Verurteilung unangemessen wäre und der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht würde. Die Strafkammer ging jedoch - wie bereits ausgeführt - unter Verkennung von § 24 BRRG irrtümlich davon aus, daß bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr diese Folge nicht eintreten werde. Daher wurde bei der Bemessung der Strafe auch die beamtenrechtliche Nebenfolge nicht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Die Maßregelanordnung hat ebenfalls keinen Bestand, weil die Schuldfähigkeit des Angeklagten bisher nicht rechtsfehlerfrei geprüft wurde.
Die Feststellungen zum äußeren Tathergang können jedoch bestehen bleiben, weil sie von den dargelegten Rechtsfehlern nicht berührt werden. Jähnke Detter Bode Otten Elf