Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09

bei uns veröffentlicht am16.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 572/09
vom
16. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2010 beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 30. Juli 2009 wirksam zurückgenommen worden ist.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, davon in vier Fällen in nicht geringer Menge, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen sowie ferner den Verfall von Wertersatz in Höhe von 12.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der bisherige Pflichtverteidiger des Angeklagten Revision eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Nach Kenntnisnahme vom Antrag des Generalbundesanwalts hat er die Revision mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 "namens und im Auftrag" des Angeklagten zurückgenommen. Der Angeklagte hat nunmehr persönlich mit Schreiben vom 16. Februar 2010 erklärt, die Revision solle durchgeführt werden. Die Rücknahme sei nur deshalb erfolgt, weil er durch seinen Pflichtverteidiger hinsichtlich des Zeitpunkts einer Abschiebung in sein Heimatland Türkei nicht ordnungsgemäß beraten worden sei.
2
Die Revision des Angeklagten ist durch dessen Pflichtverteidiger wirksam zurückgenommen worden (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten, die keiner besonderen Form bedarf (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 6), lag vor, wie sich aus dem Schriftsatz des Pflichtverteidigers vom 1. Dezember 2009 ergibt.
3
Die Revisionsrücknahme ist ebenso wie der Rechtsmittelverzicht generell unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 46, 257, 258; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 6). Nur in eng begrenztem Umfang erkennt die Rechtsprechung Ausnahmen an (vgl. dazu BGHSt 45, 51, 53 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die unrichtige Auskunft, durch die der Angeklagte zu seiner Erklärung veranlasst worden sein soll, nicht durch das Gericht (vgl. hierzu BGHSt 46, 257 f.), sondern durch den Pflichtverteidiger erteilt wurde (KK-Paul StPO 6. Aufl. § 302 Rdn. 13 m.w.N.). Auch wenn beim Angeklagten durch diese Auskunft unzutreffende Vorstellungen im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Abschiebung in sein Heimatland hervorgerufen worden sein sollten, hätte dies auf die Rechtswirksamkeit der Revisionsrücknahme keinen Einfluss. Ein bloßer Irrtum über die Auswirkungen eines Urteils oder sonstige enttäuschte Erwartungen sind insoweit unbeachtlich (Senatsbeschluss vom 13. Mai 2003 - 4 StR 135/03 m.w.N.).
Tepperwien Solin-Stojanović Ernemann
Franke Mutzbauer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09 zitiert 3 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Mai 2003 - 4 StR 135/03

bei uns veröffentlicht am 13.05.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 135/03 vom 13. Mai 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 13.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2010 - 4 StR 572/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 1 StR 305/13

bei uns veröffentlicht am 20.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 305/13 vom 20. August 2013 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. August 2013 beschlossen : Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 02. Okt. 2014 - 1 Ws 477/14

bei uns veröffentlicht am 02.10.2014

Tenor Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen. 1Gründe 2I. 3Der Jugendrichter beim Amtsgericht Bad Berleburg hat mit Urteil vom 01.04.2014 gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung ein

Referenzen

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 135/03
vom
13. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 13. Mai 2003 beschlossen:
Es wird festgestellt, daß die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 12. November 2002 wirksam zurückgenommen worden ist.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Pflichtverteidigerin als auch der vor der Urteilsverkündung beauftragte Wahlverteidiger , der an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, Revision eingelegt; die Pflichtverteidigerin hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2003 hat der Wahlverteidiger die Revision zurückgenommen. Nach Kenntnisnahme von der Revisionsrücknahme hat die Pflichtverteidigerin mit Schriftsatz vom 27. Februar 2003 mitgeteilt, daß der Angeklagte die Revision durchführen wolle; die Rücknahme sei nur deswegen erfolgt , weil er durch seinen Wahlverteidiger hinsichtlich der Möglichkeit einer Strafverbüßung in Nigeria nicht ordnungsgemäß beraten worden sei.
Die Revision des Angeklagten ist durch den Wahlverteidiger wirksam zurückgenommen worden (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Wahlverteidigers durch den Angeklagten, die keiner besonderen Form bedarf (vgl. BGH StPO § 302
Abs. 2 Rücknahme 6), lag, wie sich aus dem Schriftsatz der Pflichtverteidigerin vom 27. Februar 2003 ergibt, vor. Auch dem Schreiben des Angeklagten an das Landgericht vom 1. Februar 2003 (Bd. II Bl. 115, 116 der Akten) ist zu entnehmen , daß er die Verurteilung akzeptiert.
Die Revisionsrücknahme ist ebenso wie der Rechtsmittelverzicht generell unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. BGHSt 46, 257, 258; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 6); nur in eng begrenztem Umfang erkennt die Rechtsprechung Ausnahmen an (vgl. BGHSt 45, 51, 53 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil die unrichtige Auskunft , durch die der Angeklagte zu seiner Erklärung veranlaßt wurde, nicht durch das Gericht (vgl. hierzu BGHSt 46, 257 f.), sondern durch den Wahlverteidiger erteilt wurde (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8; Ruß in KK 4. Aufl. § 302 Rdn. 13 m.w.N.). Auch wenn durch diese Auskunft bestimmte unzutreffende Vorstellungen bezüglich der Strafvollstreckung beim Angeklagten hervorgerufen wurden, hat dies auf die Rechtswirksamkeit der Revisionsrücknahme keinen Einfluß. Ein bloßer Irrtum über die Auswirkungen eines Urteils oder sonstige enttäuschte Erwartungen sind insoweit unbeachtlich (vgl. BGH GA 1969, 281; NStZ 2001, 220; vgl. auch Ruß aaO Rdn. 15 m.w.N.)
Tepperwien Maatz Athing ! #"%$ & "' ( )* + , - /.0( 1 ( Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Tepperwien