Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2018 - 4 StR 529/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Schuldspruch weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Insbesondere kann der Senat ausschließen, dass sich der Angeklagte bei Begehung der Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befand.
- 3
- 2. Hingegen hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet.
- 4
- a) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe den Geschädigten mit einem Messer verletzt, dabei allerdings in Notwehr gehandelt, weil dieser ihn gewürgt habe. Das Landgericht hat sich die Überzeugung verschafft, dass das Handeln des Angeklagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt war, da schon keine Notwehrlage bestand. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat es strafschärfend berücksichtigt, dass der Ange- klagte „das Opfer zu Unrecht eines Angriffs auf sein eigenes Leben und damit einer Straftat bezichtigt“ habe (UA 12). Dies ist rechtsfehlerhaft.
- 5
- b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem Angeklagten grundsätzlich nicht verwehrt, sich mit der Behauptung zu verteidigen , er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen eine andere Person verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171; vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692; vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463). Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; vom 25. April 1990 – 3 StR 85/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; vom 27. April 1989 – 1 StR 10/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4); solche Umstände sind hier indes nicht ersichtlich.
- 6
- c) Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die fehlerhafte Strafzumessungserwägung bereits bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Über die Strafe ist deshalb insgesamt neu zu befinden.
- 7
- 3. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat demgegenüber Bestand. Die sachverständig beratene Strafkammer hat jedenfalls das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB mit rechtlich vertretbarer Begründung abgelehnt.
Bender Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.