Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2002 - 4 StR 529/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Strafausspruch,
b) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung in zwei Fällen und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet sowie auf Maßregeln gemäß §§ 69, 69 a StGB erkannt. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschluûformel ersichtlichen Erfolg.
Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zum Maûregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Strafausspruch sowie die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus können hingegen nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. November 2001 ausgeführt:
"Wird aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen oder Heranwachsenden dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, so wird gemäû § 5 Abs. 3 (i.V.m. § 105 Abs. 1) JGG von Jugendstrafe abgesehen, wenn die Maûregelanordnung die Ahndung durch Jugendstrafe entbehrlich macht. Diese spezifisch jugendstrafrechtliche Vorschrift ermöglicht es, dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maûnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung zu tragen (vgl. BGHSt 39, 92, 95 m.w.N.). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Das gilt umso mehr, als die Jugendkammer die Strafhöhe mit der Notwendigkeit der erzieherischen Einwirkung und der Trennung des Angeklagten von seinem ihn negativ beeinflussenden Umfeld begründet (UA S. 27). Eine Einwirkung und Trennung erfolgt aber auch durch die vom Gesetz in ihrer Dauer nicht begrenzte Unterbringung gemäû § 63 StGB. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Jugendstrafe (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 1 und 2; Beschluû vom 23. Juli 1993 - 2 StR 364/93)."
Dem tritt der Senat bei. Er hebt angesichts des Sachzusammenhangs zwischen Jugendstrafe und Unterbringung (vgl. BGHR JGG § 5 Abs. 3 Abse-
hen 1) auch den – für sich gesehen - rechtsfehlerfrei begründeten Ausspruch über die Unterbringung nach § 63 StGB auf. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Antrag des Generalbundesanwalts, der die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch “mit den Feststellungen” beantragt hat. Davon umfaût sind indes auch die Feststellungen, die sich auf die Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten beziehen (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 30 a.E.), die gleichzeitig die Grundlage für den Maûregelausspruch bilden.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible
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Annotations
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.