Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR359/15
vom
22. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. September 2015
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 3. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Geldstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten und einer Woche verurteilt; ferner hat es Maßregeln nach §§ 69,69a StGB angeordnet. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieser verurteilt worden ist.

I.


2
Nach den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen beschleunigte der Angeklagte seinen Pkw VW Sharan auf öffentlichen Straßen in Mönchengladbach auf eine Fahrtgeschwindigkeit von mindestens 99 km/h. Neben ihm saß die nicht angegurtete Nebenklägerin auf dem Beifahrersitz. Im weiteren Verlauf der Fahrt bremste der Angeklagte sein Fahrzeug heftig ab und steuerte es im Wege einer kontrollierten Lenkbewegung leicht nach rechts. Er fuhr gezielt auf das Heck eines am Straßenrand geparkten anderen Autos auf. Hierbei verfolgte er die Absicht, die Nebenklägerin zu töten. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug mindestens 60 km/h. Die Front des Fahrzeugs des Angeklagten und das Heck des am Straßenrand abgestellten Pkw überdeckten sich zu ca. 70 %, sodass im Wesentlichen die Beifahrerseite des VW Sharan von der Kollision betroffen war. Während der Angeklagte nur geringfügige Verletzungen erlitt, war die Nebenklägerin unmittelbar nach dem Aufprall eine Zeit lang nicht ansprechbar, wenn auch durchgängig bei Bewusstsein. Mehrere durch die Kollisionsgeräusche auf das Geschehen aufmerksam gewordene Zeugen alarmierten die Polizei. Eine dem Angeklagten knapp eine Stunde nach der Tat entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,97 ‰.

II.


3
Die – ersichtlich nur gegen die Verurteilung gerichtete – Revision des Angeklagten hat Erfolg.
4
1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nicht geprüft hat, obwohl die getroffenen Feststellungen hierzu drängten.
5
Zwar wären Erörterungen zum Rücktritt entbehrlich, wenn ein fehlgeschlagener Versuch vorliegen würde. Die Feststellungen tragen indes eine solche Annahme nicht.
6
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allerdings Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar2015 – 4 StR 560/14, Rn. 6, vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240, und vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschlüsse vom 21. April 2015 – 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898, 2899, vom 22. März 2012, aaO, und vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (BGH, Beschlüsse vom 4. August 2015 – 1 StR 329/15, vom 21. April 2015, aaO, vom 9. September 2014 – 4 StR 367/14, NStZ 2015, 26, und vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteile vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, und vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
7
b) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach der Kollision mit dem am rechten Fahrzeugrand abgestellten Pkw – enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte im Rücktrittshorizont eine Vollendung der Tat mit anderen Mitteln nicht mehr für möglich hielt. Zwar hatten mehrere Zeugen infolge des Kollisionsgeräuschs die Polizei gerufen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift indes mit Recht ausführt, muss davon ausgegangen werden, dass eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen der Polizei verstrich. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt hält es der Senat daher nicht für fernliegend, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz noch hätte weiterverfolgen können, wenn er dies noch gewollt hätte.
8
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, Rn. 25; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der auf §§ 69, 69a StGB gestützten Maßregelanordnung nach sich.

III.


9
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben, die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift erhobenen Bedenken gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil in seine Erwägungen einzubeziehen.
11
2. Die dortige Verwertung des anfänglichen Schweigens des Angeklagten , der sich erst in der Hauptverhandlung substantiiert eingelassen hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 261 Rn. 18 mwN). Die nur fragmentarischen Angaben des Angeklagten noch am Tatort gegenüber der Zeugin PK’in H. , er sei gefahren, bulgarischer Staatsangehöriger und die Nebenklägerin sei eine Bekannte von ihm, begründen kein der Verwertung zugängliches Teilschweigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. April 2015 – 2 StR 48/15 und vom 16. Dezember 2010 – 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 17 mwN).
VRinBGH Sost-Scheible ist Roggenbuck Cierniak wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Roggenbuck
Franke Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

6
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts , wonach bei einem fehlgeschlagenen Versuch ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB von vornherein ausscheidet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56, und vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Fehlgeschlagen ist der Versuch jedoch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allerdings Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 541/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 2. Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 22. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 29. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung zweier jugendgerichtlicher Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten, die Angeklagte W. wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Adhäsionsantragstellerin H. 1.000 € zu zahlen. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie jeweils die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Angeklagten am 7. Februar 2011 gegen 1.30 Uhr mit einem Pkw durch die Gegend zu fahren, nachdem sie den Abend mit weiteren Personen, unter anderem mit der Zeugin H. , in einer Wohnung in H. verbracht und gemeinsam verschiedene Drogen konsumiert hatten. Sie forderten die später geschädigte Zeugin H. , eine ehemalige Freundin des Angeklagten S. , auf, sie zu begleiten. Gemeinsam mit zwei weiteren Zeugen fuhren sie zunächst nach G. . Während der Angeklagte S. den Pkw lenkte, saß die Angeklagte W. auf dem Beifahrersitz, die drei Zeugen nahmen im Fond Platz. Während der Fahrt wurde die Zeugin H. von beiden Angeklagten massiv beleidigt.
3
Nach der Rückkehr in H. stiegen die zwei Zeugen aus, und die Angeklagten fuhren allein mit der zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschüchterten Zeugin H. weiter nach W. . Dort wurde diese für etwa eine halbe Stunde an einem Kiosk abgesetzt, da beide Angeklagten eine Zeitlang ungestört sein wollten. Die Geschädigte, die – noch immer unter Drogeneinfluss – allein im Dunkeln stand und Angst hatte, bat die Angeklagten telefonisch darum , sie wieder abzuholen, was auch geschah. Nachdem die Zeugin H. im Fond hinter dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, begannen die Angeklagten erneut, mit ihr zu streiten und sie zu beleidigen.
4
Während der Fahrt holte der Angeklagte S. plötzlich ein im Pkw befindliches Messer hervor, schaltete das Licht im Fahrzeuginneren ein und hielt das Messer mit den Worten „Ich bin D. . Ich bringe dich um!“ mit der rechten Hand hoch, wobei er über den Rückspiegel mit der Zeugin H. kommunizierte. Das Messer hatte eine etwa 25 cm lange Klinge. Mit seinem Ausspruch spielte der Angeklagte S. auf einen gemeinsamen Bekannten an, der stets ein Messer bei sich führt. Die Angeklagte W. und die Zeugin H. hielten dies zunächst für einen Scherz und lachten darüber. S. fuhr jedoch in aggressiver Weise mit seinen Drohungen fort und richtete das Messer mehrmals mit der Spitze in kurzen Bewegungen auf die schräg hinter ihm sitzende Geschädigte, die sein Verhalten nunmehr als bedrohlich wahrnahm. Zu- gleich forderte er sie wiederholt mit den Worten „Gib deinen Kram her!“ auf, ihm ihre Handys und Schlüssel auszuhändigen, um diese Gegenstände zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend nutzen zu können. Die Zeugin H. , deren Grundstimmung infolge der vorherigen Demütigungen, des langen Wartens im Dunkeln und der konsumierten Drogen ängstlich war, begann hysterisch zu weinen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Die Angeklagte W. hatte ebenfalls den Wechsel in der Stimmung des Angeklagten S. be- merkt und sagte daraufhin zu der Geschädigten: „Mach’s lieber, der macht sonst ernst!“
5
Inzwischen fuhr der Angeklagte S. einen 400 m langen, ansteigenden Weg hinauf. Dabei musste er mit der rechten Hand schalten und warf das Messer in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Das Landgericht hat zu seinen Gunsten angenommen, dass er zum Zeitpunkt des Wegwerfens des Messers bereits den Entschluss aufgegeben hatte, die Zeugin H. zur Herausgabe ihrer Wertgegenstände zu bewegen. Am Ende der Steigung hielt er an. Die Angeklagte W. stieg aus, öffnete die hintere Fahrzeugtür und gab der noch hysterisch weinenden Geschädigten eine Ohrfeige, um sie weiter einzuschüchtern. Daraufhin entnahm sie aus deren Jackentaschen Wohnungs- und Autoschlüssel sowie zwei Handys. Es handelte sich um sämtliche Gegenstände, die diese mit sich führte und die der Angeklagte S. zuvor herausverlangt hatte. Die Geschädigte war von dem vorangegangenen Verhalten insbesondere des Angeklagten S. derart aufgelöst, dass sie W. gewähren ließ. Dieser kam es in diesem Moment darauf an, der Geschädigten „die Gegenstände zu entziehen und an sich zu nehmen, um mit diesen nach eigenem Belieben verfahren zu können und das vom Angeklagten S. angestoßene Geschehen auch in ihrem eigenen Interesse abzuschließen“. Ferner wollte sie erreichen, dass sich S. beruhigt und nicht weiter „austickt“; sie hatte keine konkreten Vorstellungen, wie sie, S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Geschädigte die Gegenstände nicht zurückerhalten würde.
6
Anschließend zog die Angeklagte W. die Zeugin H. aus dem Pkw, setzte sich wieder auf den Beifahrersitz und warf die Gegenstände in den Fußraum. Der Angeklagte, der das Geschehen vom Fahrersitz aus verfolgt hatte , ohne sich aktiv oder verbal daran zu beteiligen, fuhr mit der Angeklagten W. zur Wohnung in H. zurück. Einer telefonischen Aufforderung der Geschädigten, sie abzuholen, kamen sie nicht nach, sondern legten sich alsbald schlafen. Zuvor hatten sie die Gegenstände der Zeugin mit Ausnahme eines Handys der in der Wohnung in H. anwesenden Zeugin L. übergeben, die sie am nächsten Morgen an die Mutter der Geschädigten übergab. Lediglich ein Handy hatte die Angeklagte W. an sich genommen, nachdem ihr auf dem Rückweg nach H. eingefallen war, dass die Zeugin H. ihr noch 20 € schuldete.
7
2. Einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten S. vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung hat das Landgericht mit der Erwägung verneint, zum Zeitpunkt der Aufgabe des Tatentschlusses, nämlich in dem Moment des Wegwerfens des Messers in den Fußraum, habe aus dessen Sicht ein sogenannter „fehlgeschlagener Versuch“ vorgelegen. Hiervon habe S. nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten können, weil seine vorherigen Drohungen mit dem Messer erfolglos geblieben seien und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass er seinen Tatplan dahin geändert habe, über den Ausspruch von Drohungen hinaus Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden, um in den Besitz ihrer Wertgegenstände zu gelangen , zumal er sich trotz entsprechender Möglichkeit an den Handlungen der Angeklagten W. nicht beteiligt habe.

II.


8
Die Verurteilung beider Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung nicht. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts , wonach bei einem fehlgeschlagenen Versuch ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Fehlgeschlagen ist der Versuch jedoch erst, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv – sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen (Senatsbeschluss vom 26.September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91) – die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstel- lung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, aaO). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin , dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen , um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, aaO). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter er- kennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, aaO).
11
b) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach der Weigerung der Geschädigten ihre Wertgegenstände herauszugeben – teilt das Urteil nichts mit. Selbst wenn die Feststellungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass der Angeklagte S. unüberwindliche Hemmungen hatte, das nach wie vor im Pkw befindliche und ihm jederzeit zugängliche Messer über ein bloßes Mittel der Bedrohung hinaus einzusetzen, und insoweit nicht Herr seiner Entschlüsse war, verstünde es sich nicht von selbst, dass er keine weitere Handlungsalternative mehr sah, mit der er im unmittelbaren Fortgang noch hätte zur Tatvollendung gelangen können. Insbesondere lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass es ihm verwehrt war, ohne zeitliche Zäsur die Bedrohung mit dem Messer fortzusetzen oder Gewalt gegen die Zeugin H. anzuwenden. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass sich das völlig verängstigte Tatopfer nach wie vor in dem vom Angeklagten geführten Pkw befand und infolge des vorherigen Gesche- hens derart aufgelöst war, dass es die Angeklagte W. gewähren ließ. Ein fehlgeschlagener Versuch ist damit nicht belegt.
12
2. Die Verurteilung der Angeklagten W. wegen Raubes begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Annahme des Landgerichts , die Angeklagte habe zur Zeit der Wegnahme mit Zueignungsabsicht gehandelt, von den Feststellungen nicht hinreichend getragen wird.
13
a) Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Da- gegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (Senatsurteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701). Während für die Ausschließung des Berechtigten – Enteignung – bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 41), verlangt die Zueignungsabsicht in Bezug auf die Aneignung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwertes einen zielgerichteten Willen (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2006 – 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15). Dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1962 – 1 StR 540/61, VRS 22, 206), vielmehr muss er sie für sich oder einen Dritten mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. MünchKommStGB/Schmitz § 242 Rn. 134; Eser/Bosch, in: Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 61).
14
b) Nach den Feststellungen kam es der Angeklagten darauf an, der Zeugin die Gegenstände zu entziehen und sie an sich zu nehmen, um damit nach eigenem Belieben verfahren zu können, wobei sie bei der Wegnahme keine konkreten Vorstellungen davon hatte, wie sie, der Angeklagte S. oder Dritte möglicherweise im Nachhinein mit den Gegenständen verfahren würden. Sie billigte aber, dass die Zeugin H. die Gegenstände nicht zurückerhalten würde. Diese Feststellungen vermögen aber nicht hinreichend zu belegen, dass die Angeklagte W. die Gegenstände der Substanz oder dem Sachwert nach mit unbedingtem Willen ihrem Vermögen oder dem des Angeklagten S. „einverleiben“ oder zuführen wollte. Abgesehen davon, dass sie an einem inneren Widerspruch leiden, schließen sie die Möglichkeit nicht hinreichend aus, dass sich die Absicht der Angeklagten – unter Fehlen des Aneignungsmoments – darauf beschränkte, die Geschädigte ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache zu entkleiden, mithin eine bloße Sachentziehung zu begehen (vgl. Eser/Bosch aaO Rn. 55). Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass die Angeklagten – von einem Handy abgesehen – alle Gegenstände noch im Laufe des Abends an die Zeugin L. weiterreichten, die sie ihrerseits an die Mutter der Geschädigten weiterreichte. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung ohne nähere Begründung ausführt (UA S. 27), die Angeklagte habe zum Zeitpunkt der Wegnahme in der Absicht gehandelt , sich die Gegenstände wenigstens vorübergehend anzueignen, fehlt es gleichermaßen an einer ausreichenden, eine bloße Sachentziehung ausschließenden Tatsachengrundlage.
15
c) Auch im Hinblick auf das von der Angeklagten W. einbehaltene Mobiltelefon ist eine Zueignungsabsicht nicht hinreichend belegt. Nimmt ein Täter, wie hier die Angeklagte, die davon ausging, die Geschädigte schulde ihr Geld, eine Sache weg, um dies als Druckmittel zur Durchsetzung einer solchen Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem Vermögen dauerhaft einverleiben will (Senatsbeschluss vom 26. Februar 1998 – 4 StR 54/98, StV 1999, 315, 316).

III.


16
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
17
1. Der neue Tatrichter wird dabei zu bedenken haben, dass das Wegwerfen eines Tatwerkzeuges den Schluss auf die Aufgabe des Tatentschlusses nur dann tragfähig zu begründen vermag, wenn nahe liegende, einer entsprechenden Wertung entgegenstehende Gründe für das Verhalten in die Beweiswürdigung einbezogen und nachvollziehbar ausgeschlossen werden können. So hätte es hier näherer Erörterung bedurft, dass der Angeklagte das in der rechten Hand befindliche Messer möglicherweise lediglich deshalb in den Fußraum warf, um eine konkrete Fahr- bzw. Verkehrssituation zu bewältigen. Das liegt hier deshalb nahe, weil er im selben Augenblick, in dem er das Messer hielt, mit der rechten Hand auch schalten musste. Seine Untätigkeit während der sich anschließenden Handlung der Angeklagten W. stünde dieser Auslegung nicht notwendigerweise entgegen, weil sein Verhalten je nach den Umständen auch als Billigung des Vorgehens seiner Freundin bewertet werden könnte. Dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass er das Geschehen später gegenüber der Zeugin H. in Abrede stellte.
18
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte S. seinen Tatentschluss aufgab, wird er – sofern ein fehlgeschlagener Versuch ausgeschlossen werden kann – beachten müssen, dass bei Tatbeteiligung mehrerer gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft werden, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Dabei muss das die Tatvollendung verhindernde Verhalten nicht notwendig in einem auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tun bestehen. Kann einer von mehreren Beteiligten den noch möglichen Eintritt des Taterfolgs allein dadurch vereiteln, dass er seinen vorgesehenen Tatbeitrag nicht erbringt oder nicht weiter fortführt, so verhindert bereits seine Untätigkeit oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung. Ist dem Beteiligten dies im Zeitpunkt der Verweigerung oder des Abbruchs seiner Tatbeteiligung bekannt und handelt er dabei freiwillig, liegen damit die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1983 – 1 StR 615/83, NJW 1984, 2169; Urteil vom 21. Oktober 1983 – 2 StR 485/83, BGHSt 32, 133, 134 f.; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 268/11; Fischer aa0 § 24 Rn. 40). Hat sich hingegen jemand zu diesem Zeitpunkt nicht nur als Gehilfe oder Anstifter, sondern – gegebenenfalls sukzessiv – als Mittäter an der Tat beteiligt und bestand aufgrund von dessen Beteiligung im Vorfeld der Untätigkeit oder des Nichtweiterhandelns bereits die Gefahr der Tatvollendung durch den Mittäter, bedarf der strafbefreiende Rücktritt eines auf die Erfolgsabwendung gerichteten aktiven Tuns (vgl. SSWStGB /Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 51 ff.).
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR92/15
vom
21. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen (II. 1 und 2 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und sichergestelltes Marihuana eingezogen. Dazu hat es bestimmt , dass drei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Im Vorfeld des 22. Juli 2013 vereinbarte der Angeklagte mit dem unbekannt gebliebenen späteren Geschädigten den Verkauf von ca. drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro. Die Übergabe sollte am 22. Juli 2013 um 19.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Baumarktes in E. erfolgen. Am frühen Abend des 22. Juli 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw zu dem verabredeten Treffpunkt. Dabei führte er neben dem zu übergebenden Marihuana (2937 Gramm mit einem THC-Anteil von 399,45 Gramm) auch ein Pfefferspray griffbereit mit sich. Bei dem vereinbarten Treffen, an dem neben dem Angeklagten und dem Geschädigten noch weitere Personen teilnahmen , gelangte der Geschädigte auf eine nicht mehr aufklärbare Weise in den Besitz des in drei Tüten verpackten Marihuanas und konnte damit ohne Bezahlung des Kaufpreises zu Fuß flüchten (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe).
4
Der Angeklagte wollte den Verlust des Rauschgiftes nicht hinnehmen. Er beschloss daher, den Geschädigten mit dem Pkw zu suchen und zu verfolgen, um sich wieder in den Besitz des Marihuanas zu bringen und dieses anschließend erneut gewinnbringend zu verkaufen. In der Folge befuhr der keine Fahrerlaubnis besitzende Angeklagte verschiedene öffentliche Straßen, ehe er den Geschädigten auf dem linksseitigen Gehweg der F. Straße in gleicher Bewegungsrichtung gehend entdeckte. Der Angeklagte beschleunigte sein Fahrzeug, lenkte dieses plötzlich über die Gegenfahrbahn hinweg auf den linksseitigen Gehweg und fuhr dem Geschädigten mit etwa 39,6 km/h hinterher. Nach seinem Tatplan wollte er den Geschädigten durch ein An- oder Umfahren mit dem Pkw an der weiteren Flucht hindern. Dabei stellte er sich vor, dass er den Geschädigten auf diese Weise zu Fall bringen könne, um sodann auszusteigen und das Marihuana wieder in seinen Besitz zu bringen. In der Folge fuhr der Angeklagte gezielt auf den infolge seiner Lauf- und Blickrichtung in seinen Reaktionsmöglichkeiten stark eingeschränkten Geschädigten zu und nahm dabei auch ein Überfahren und damit den Tod des Geschädigten billigend in Kauf. Der Geschädigte bemerkte erst im letzten Moment das hinter ihm fahrende Fahrzeug und sprang/stürzte nach rechts in Richtung der Fahrbahn. Der Angeklagte lenkte seinen Pkw ebenfalls nach rechts, um den Geschädigten zu erfassen , wobei er auch weiterhin dessen Tod in Kauf nahm. Das Fahrmanöver endete abrupt, indem der Angeklagte frontal mit seinem Pkw gegen einen Baum prallte. Dabei entstand an dem Pkw – wie der Angeklagte auch wahrnahm – ein Totalschaden. Die Airbags waren ausgelöst, die Frontscheibe gebrochen und die Fahrzeugfront stark eingedrückt. Der Angeklagte zog sich blutende Verletzungen am linken Arm und im Gesicht zu. Der Geschädigte konnte sich nach einem Sturz auf die Fahrbahn aufrappeln und rannte mit dem Marihuana davon. Der Angeklagte stieg trotz seiner Verletzungen unmittelbar nach dem Anprall aus seinem Fahrzeug aus und rannte dem Geschädigten hinterher. Es gelang ihm, den Geschädigten einzuholen und ihn in eine körperliche Auseinandersetzung zu verwickeln, bei der er auch das mitgeführte Pfefferspray einsetzte. Im Verlauf der Auseinandersetzung brachte der Angeklagte die drei Tüten mit dem Marihuana wieder an sich, wobei nicht geklärt werden konnte, ob der Geschädigte das Rauschgift infolge der Gewalteinwirkung durch den Einsatz des Pfeffersprays fallen ließ oder ihm die Tüten von dem Angeklagten im Verlauf der Auseinandersetzung entrissen wurden (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
5
2. Das Landgericht hat in der Vereinbarung des Geschäftes über drei Kilogramm Marihuana und dem Verbringen des Rauschgiftes zum Übergabeort unter Mitführung eines Pfeffersprays ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gesehen. Die sich anschließende Verfolgungsfahrt, den Versuch den Geschädigten zum Zwecke der Wiederbeschaffung des Rauschgifts anzufahren und die abschließende gewaltsame Beibringung des Marihuanas, um dieses erneut zu verkaufen , hat es als zur Ermöglichung einer Straftat begangenen versuchten Mord (§§ 211, 22, 23 StGB) und (hierzu jeweils in Tateinheit stehend) bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) und (vorsätzliches) Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) gewertet.

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
7
1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 23 Abs. 1, § 22 StGB im Fall II. 3 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt mit nicht tragfähigen Erwägungen verneint hat.
8
a) Das Landgericht hat einen Rücktritt vom versuchten Mord mit der Begründung abgelehnt, es liege ein fehlgeschlagener Versuch vor. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er mit anderen Mitteln (als durch einen Zusammenstoß mit dem Pkw) keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten einzuholen und aufzuhalten. Dies stehe aufgrund seiner ausgeprägt adipösen Statur fest. Durch den Anprall an den Baum habe der Pkw einen Totalschaden erlitten , sodass der Angeklagte seinen Tatplan mit dem eingesetzten Pkw nicht mehr habe weiterverfolgen können. Insofern sei „eine Zäsur eingetreten“. Der Angeklagte habe „nach seinem Rücktrittshorizont“ erkannt, dass er die Tat des- halb nicht mehr so wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54).
9
b) Diese Begründung trägt die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht.
10
aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 4 StR 560/14, Rn. 6; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).
11
bb) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs – nach dem Anprall an den Baum und dem Totalschaden des Fahrzeugs – enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung anführt, dem An- geklagten sei aufgrund seiner „ausgeprägten adipösen Statur“ bewusst gewe- sen, dass er keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten mit anderen Mitteln (als dem Einsatz des Fahrzeugs) einzuholen und aufzuhalten, lässt sich dies nicht mit der Feststellung in Einklang bringen, dass er nach dem Anprall sofort dem Geschädigten zu Fuß nachsetzte und es ihm tatsächlich gelang, das Marihuana gewaltsam wieder an sich zu bringen. Dabei kann der Beweiswürdigung (Auswertung der Videoaufzeichnungen) entnommen werden, dass zwischen dem Aufspringen des Geschädigten nach dem Anprall des Pkw (19:30:04 Uhr Systemzeit) und dem Wiedererscheinen des Angeklagten mit dem (wiedererlangten ) Marihuana (19:32:16 Uhr Systemzeit) nur etwas mehr als zwei Minuten lagen (UA 36). Die weitere Erwägung der Strafkammer, der Totalschaden an dem Fahrzeug habe zu einer „Zäsur“ geführt, weil der Angeklagte erkannt habe, dass er die Tat nicht mehr wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54), lässt besorgen, dass das Landgericht allein in der Vorstellung des Angeklagten, er müsse zur Erreichung des Erfolgs vom Tatplan abweichen, einen ausreichenden Gesichtspunkt für die Annahme eines Fehlschlags gesehen hat.
12
c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge , schweren Raubes, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, BGHSt 57, 14, Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 7a mwN). Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der auf § 69a StGB gestützten Maßregelanordnung nach sich.
13
2. Die an die von der Teilaufhebung im Schuldspruch nicht betroffene Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1 und 2 der Urteilsgründe) anknüpfende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs mit unzureichenden Erwägungen bejaht hat. Auch die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
14
a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem rechtsfehlerfrei festgestellten Hang (psychische Cannabisabhängigkeit, beginnende Kokainabhängigkeit) und dem „angeklagten Drogengeschäft“ allein damit begründet, dass „eine solche Tat ohne diezuvor geschilderte Suchtentwicklung und ohne Kenntnisse des Drogenmilieus nicht zustande gekommen“ wäre (UA 67). Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein symptomatischer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13, Rn. 4; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 340; Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Beschluss vom 19. Mai 2009 – 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5 mwN). Dabei kann es zwar auch ausreichend sein, dass sich der Täter nur wegen seines übermäßigen Konsums berauschender Substanzen in dem „sozialen Milieu" aufgehalten hat, in dem es zu der Tat kam (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ 2014, 107; zum sog. indirekten symptomatischen Zusammenhang Schöch in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 40; SSW-StGB/Kaspar, 2. Aufl., § 64 Rn. 27). Hierzu bedarf es aber konkreter Feststellungen und einer am Fall orientierten Bewertung (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 64 Rn. 13). Dafür reicht die lediglich allgemein gehaltene und nicht durch bestimmte Tatsachen belegte Erwägung des Landgerichts nicht aus.
15
b) Zur Begründung seiner Annahme einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) hat das Landgericht lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte Krankheits- und Behandlungseinsicht gezeigt und in der Hauptverhandlung eine ausreichende Therapiemotivation zu erkennen gegeben habe (UA 68). Damit wird die Strafkammer den rechtlichen Anforderungen, die an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht zu stellen sind, nicht gerecht. Zwar handelt es sich bei den angeführten Gesichtspunkten um prognosegünstige Umstände (vgl. van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 67 mwN). Sie allein vermögen die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht aber nicht zu belegen, wenn nach den Feststellungen – wie hier – auch gewichtige prognoseungünstige Faktoren bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Beschluss vom 21. Januar 2014 – 2 StR 650/13, Rn. 5 ff.). In einem solchen Fall bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Urteil vom 21. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NJW 2000, 3015, 3016). Hieran fehlt es. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte ist berufslos und hat lediglich „Gelegenheitsjobs“ ausgeübt.Seit seinem 16. Lebensjahr konsumiert er täglich Betäubungsmittel. Von dem Sachverständigen wird er als unreife und unselbstständige Persönlichkeit mit dependenten Zügen und dissozial krimineller Prägung beschrieben. Im Jahr 2012 brach er eine stationäre Drogentherapie nach drei Monaten wegen eines Trauerfalls ab. Eine sich anschließende ambulante Therapie scheiterte. Eine ihm am 1. Dezember 2012 gewährte Rückstellung nach § 35 BtMG musste widerrufen werden. Alle genannten Umstände sind prognoseungünstig (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341; van Gemmeren in MüKoStGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 65 mwN) und hätten daher der Erörterung bedurft.
16
3. Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das in der Vereinbarung des Betäubungsmittelgeschäftes über drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro und dem anschließenden Transport des Rauschgiftes zum Übergabeort liegende (bewaffnete) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit dem Besitzverlust des Angeklagten und der in der Flucht des Geschädigten liegenden endgültigen Verweigerung einer Bezahlung beendet war (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, NJW 1998, 168, 170).

III.


17
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
18
1. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (BGH, Beschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278; Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17). Hierzu sind konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungsoder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt , ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 340/11, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 6; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 16). Die Gefährdung des dem Täter nicht gehörenden, aber als Tatwerkzeug benutzten Fahrzeugs genügt dazu nicht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 – 4 StR 509/91, NStZ 1992, 233, 234). Der neue Tatrichter wird diese Grundsätze – näher als bisher geschehen – in den Blick zu nehmen haben.
19
2. Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel, wie das in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG gelistete Marihuana, können nach ständiger Rechtsprechung fremde bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes oderDiebstahls sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2015 – 4 StR 538/14, StraFo 2015, 216 [schwerer Raub von Marihuana]; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 [Diebstahl von Haschisch]; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, NStZ-RR 2009, 22, 23 [Diebstahl von Marihuana]; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72 [Raub von Heroin]; Urteil vom 20. Januar 1982 – 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 360 [Diebstahl von Haschisch]; Beschluss vom 4. Dezember 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278 [versuchter Diebstahl von Haschisch]; Oglakcioglu, ZJS 2010, 340, 344 f.; Vitt, NStZ 1992, 221; Kotz in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1084; SSWStGB /Kudlich, 2. Aufl., § 242 Rn. 16; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 242 Rn. 5; a.A. Wolters in Festschrift Samson, 2010, S. 495, 500 ff.; Schmitz in MüKoStGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 14; Engel, NStZ 1991, 520; krit. in Bezug auf den Gewahrsamsbegriff Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205). Sollte der neue Tatrichter (wiederum) zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte dem Geschädigten das Marihuana gewaltsam abgenommen hat, wäre diese Tat auch dann nicht nach § 859 Abs. 2 BGB (Besitzkehr) gerechtfertigt, wenn – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes – davon ausgegangen werden müsste, dass ihm der Besitz zuvor von dem Geschädigten durch verbotene Eigenmacht entzogen und der Geschädigte danach von dem Angeklagten „auf frischer Tat verfolgt wurde“. Die Besitzschutzrechte und damit auch die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB sind Ausdruck eines allgemeinen Friedensschutzes, indem sie die auf dem Besitz beruhende vorläufige Güterzuordnung aufrecht erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2001 – V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1867; Urteil vom 23. Februar 1979 – V ZR 133/76, NJW 1979, 1359, 1360; Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, 2003, S. 37 f.). Für ihre Anwendung ist aber kein Raum, wenn der konkrete Besitz als solcher bei Strafe verboten ist (zum Besitzschutz bei lediglich fehlerhaftem, nicht strafbewehrtem Besitz vgl. RG, Urteil vom 11. Juni 1926 – I 159/26, RGSt 60, 273, 277 f.) und eine im Anschluss an eine Besitzentziehung geübte Besitzkehr deshalb – wie hier – erneut zu einer strafrechtswidrigen Besitzlage führen würde. Aus dem gleichen Grund kann für den Verlust des Besitzes an Betäubungsmitteln auch kein Schadensersatz durch Wiedereinräumung des Besitzes im Wege einer Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB verlangt werden (BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 f.; vgl. Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205).
20
3. Sollte der neue Tatrichter wiederum die DNA-analytische Untersuchung des Hessischen Landeskriminalamts vom 10. September 2013 als Beweismittel heranziehen, wird er die für derartige Gutachten bestehenden Darstellungsanforderungen zu beachten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87; Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
- den Angeklagten H. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
3
- den Angeklagten N. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und mit Beihilfe zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und
4
- den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Ferner hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs des Angeklagten H. angeordnet.
6
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
7
Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten H. und N. von dem mittäterschaftlich begangenen Versuch der schweren räuberischen Erpressung und des Angeklagten M. von der hierzu geleisteten Beihilfe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte H. - notfalls mit Gewalt - die Herausgabe eines Spielautomaten erzwingen, obwohl er entgegen den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis nicht bezahlt hatte. Die Angeklagten N. und M. fuhren mit dem Angeklagten H. zu der Halle der Spielautomatenfirma, um den Angeklagten H. bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Die zuvor vom Angeklagten H. beschaffte funktionsfähige Pumpgun, die mit mindestens sechs Plastikschrotpatronen geladen und gesichert war, sollte lediglich als Drohmittel eingesetzt werden. Während der Angeklagte M. zunächst in dem Pkw des Angeklagten H. , in dem die Pumpgun verblieb, wartete, gingen die Angeklagten H. und N. in die Halle. Gemeinsam versuchten sie den Verkäufer Serkan A. zur Herausgabe des Spielautomaten zu veranlassen. Der Angeklagte H. bedrohte Serkan A. und Sinan Ö. , der beschwichtigen wollte, mit einem Klappmesser. Nachdem der Angeklagte H. das Messer beiseite geworfen hatte, veranlasste er den Angeklagten N. , die Pumpgun zu holen. Als dieser mit der Waffe in die Halle zurückkehrte und sie dem Angeklagten H. aushändigte , kam der Angeklagte M. in die Halle, um durch seine Anwesenheit dazu beizutragen, dass der Angeklagte H. sein Vorhaben durchsetzen konnte. Der Angeklagte H. richtete die Waffe auf Serkan A. und Sinan Ö. . Er repetierte dreimal, so dass jeweils eine Schrotpatrone aus der Waffe ausgeworfen wurde, und schlug auf Sinan Ö. , der ihm die Waffe aus der Hand reißen wollte, mit dem Griffstück der Pumpgun ein. Um sich weiterer Angriffe zu erwehren, ergriff Sinan Ö. einen Monitor und warf ihn in Richtung des Angeklagten H. . Danach verließen die Angeklagten unter Mitnahme der noch mit mindestens drei Patronen geladenen Pumpgun die Halle.
9
2. Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung nur hinsichtlich des Angeklagten H. näher erörtert und einen Rücktritt "entsprechend § 24 StGB" verneint, weil "alleiniger Grund für die Aufgabe der weiteren Tatausführung war, dass der Angeklagte H. erkennen musste und auch erkannt hat, dass er allein durch Drohungen den Automaten nicht erhalten würde. Der Zeuge Sinan Ö. , der dem Verkäufer A. zu Hilfe geeilt war, ließ sich weder durch das Messer noch die Pumpgun nachhaltig beeindrucken. Ein möglicher scharfer Schusswaffengebrauch, um doch noch das Geldspielgerät zu bekommen, war vom Angeklagten H. aber nicht beabsichtigt und gewollt. Der Versuch der Erpressung war damit mit den zur Verfügung stehenden Tatmitteln gescheitert und fehlgeschlagen".
10
Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zukommt (vgl. BGHSt 31, 170, 175; 35, 90, 93; 39, 221, 227). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für möglich , dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von weiteren Angriffen absah (vgl. BGH StV 1993, 189; StV 2003, 217, jew. m.w.N.).
11
Die Frage, ob nach den vorgenannten Grundsätzen ein fehlgeschlagener Versuch, oder was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ein unbeendeter Versuch vorliegt, hätte gemäß § 28 Abs. 2 StGB für jeden Angeklagten gesonderter Prüfung bedurft. Zwar haben die Angeklagten H. und N. als Mittäter und der Angeklagte M. als Gehilfe gehandelt, so dass die Vorschrift des § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war. Auch wenn danach der Rücktritt eines Tatbeteiligten nicht ohne Weiteres zu Gunsten anderer Tatbeteiligter wirkt, kann es hierfür jedoch ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH StraFo 2003, 207), wobei es ausreicht, dass ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist (vgl. BGHSt 44, 204, 208 m.w.N.). Da nach den bisherigen Feststellungen, auch soweit es die Angeklagten N. und M. betrifft, die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts in Betracht kommt, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien RiBGH Maatz ist Athing ist krankheitsbedingt an der urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Unterzeichnung gehindert. Athing Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 3 2 9 / 1 5
vom
4. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er seine Verurteilung beanstandet , hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
1. Nach den Urteilsfeststellungen lernte der Angeklagte die Geschädigte, die auf einer Internet-Plattform sexuelle Dienstleistungen anbot, über eine An- frage zu einer möglichen Sado-Maso-Beziehung, in welcher er den unterwürfigen Teil übernehmen wollte, kennen.
4
Im Anschluss an ein Abendessen am 9. April 2014 in seiner Wohnung, zu dem er die Geschädigte eingeladen hatte, kam es zu einem „intimeren Kontakt“ zwischen beiden, bei welchem die Geschädigte auf dem Schoß des Angeklagten zu sitzen kam. Nachdem es der Geschädigten „schlecht und etwas schwindelig“ geworden und sie anschließend auf der Toilette eingeschlafen war, wollte sie nach Hause gehen. Dem Angeklagten gelang es jedoch, sie un- ter der Bitte um einen „kleinen Nachtisch“ zu weiteren sexuellen Handlungen zu bewegen. Hierbei manipulierte die auf einem Stuhl sitzende Geschädigte mit der Hand am Glied des Angeklagten und begann, den Oralverkehr auszuüben.
5
Als die Geschädigte dann äußerte, dies nicht mehr zu wollen, packte der Angeklagte sie, zog sie gewaltsam hoch und schob sie in Richtung seines Bettes. Die Geschädigte wehrte sich und äußerte, dass er damit aufhören solle, sie wolle nach Hause. Darauf sagte der Angeklagte, dass er sie „ficken“ wolle. Auf ihre ablehnende Bemerkung hin, das sei nicht ausgemacht, das wolle sie nicht, äußerte der Angeklagte, das sei ihm egal. Dann schubste der etwa 140 kg schwere Angeklagte die Geschädigte auf das Bett und legte sich neben sie, wobei er mit einem Bein über ihrem Bein lag. Dabei hielt er ihre Arme an den Handgelenken umfasst neben ihrem Kopf fest und äußerte, dass er sie jetzt „ficken“ wolle. Die Geschädigte weinte und wehrte sich, konnte sich jedoch aus dem Griff des Angeklagten nicht befreien.
6
Nach einem nicht näher feststellbaren Zeitraum lockerte der Angeklagte seinen Griff um die Handgelenke der Geschädigten, worauf diese sich aus dem Griff befreien und das Bett verlassen konnte. Anschließend nahm die Geschädigte ihre Jacke und verließ die Wohnung. Auf der Treppe kehrte sie noch ein- mal um und ging in die Wohnung des Angeklagten zurück, weil sie ihr Mobiltelefon dort vergessen zu haben meinte, verließ dann aber umgehend das Gebäude. Der Angeklagte, der merkte, dass er seinen Plan, mit der Geschädigten den Geschlechtsverkehr auszuüben, nicht mehr zu Ende bringen konnte, hinderte sie nicht am Verlassen der Wohnung und entschuldigte sich später per SMS für sein Verhalten.
7
2. Die Überzeugung vom Tatgeschehen stützt das Landgericht allein auf die Aussage der Geschädigten, die das Geschehene wie festgestellt geschildert habe (UA S. 31).
8
3. Das Landgericht hat das Verhalten (statt als versuchte Vergewaltigung ) lediglich als versuchte sexuelle Nötigung gewertet. Einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB) hat es mit der Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs verneint.

II.


9
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
10
1. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Handeln des Angeklagten mit dem Vorsatz, die Geschädigte zum Geschlechtsverkehr zu nötigen , überzeugt. Jedoch erweisen sich die Erwägungen, mit denen es zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gelangt ist und daran anknüpfend einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint hat, als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
11
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396 sowie BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), so dass ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB ausscheidet. Mithin kommt es auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an.
12
b) Im Rahmen der rechtlichen Würdigung ist das Landgericht hinsichtlich des für einen Rücktritt vom Versuch bedeutsamen Vorstellungsbilds von einem falschen Zeitpunkt ausgegangen. Denn es stellt nicht auf die Sicht des Angeklagten nach der letzten Ausführungshandlung ab, sondern darauf, dass der Angeklagte nach dem Herauswinden der Geschädigten aus dem kurzzeitig gelockerten Festhaltegriff und deren Flucht vom Bett und aus der Wohnung der von ihm beabsichtigte Handlungserfolg nicht mehr erreichbar war, ohne dass er eine völlig neue und nicht geplante Handlungskette in Gang gesetzt hätte (UA S. 36 f.). Den Umstand, dass der Angeklagte die Geschädigte nicht am Verlassen der Wohnung hinderte (UA S. 24), sie also jedenfalls freiwillig gehen ließ, nimmt das Landgericht dabei rechtsfehlerhaft nicht in den Blick.
13
c) Auf diesem fehlerhaften rechtlichen Ansatz würde das Urteil jedoch an sich nicht beruhen, weil den Urteilsfeststellungen zu entnehmen ist, dass der Angeklagte die Geschädigte nicht am Verlassen der Wohnung hinderte, nachdem er erkannt hatte, dass er seinen Plan, mit der Geschädigten den Geschlechtsverkehr auszuüben, nicht mehr zu Ende bringen konnte (UA S. 24). Diese Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach der letzten Ausführungshandlung beruhen jedoch auf einer lückenhaften Beweiswürdigung und sind damit durchgreifend rechtsfehlerhaft.
14
Es wird bereits nicht deutlich, auf welche Tatsachen das Landgericht seine Überzeugung stützt, der Angeklagte habe sein Vorhaben schon als gescheitert angesehen, als die Geschädigte seine Wohnung noch nicht verlassen hatte. Dem Angeklagten, der einen völlig anderen als den festgestellten Geschehensablauf geschildert hatte, hat das Landgericht nicht geglaubt. Woran die Geschädigte gegebenenfalls erkannt haben will, dass der Angeklagte sein Vorhaben für fehlgeschlagen gehalten habe, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Auch die auf der nicht näher mitgeteilten Aussage der Geschädigten beruhenden Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf belegen die Annahme, der Angeklagte könnte nach der letzten Ausführungshandlung gemeint haben, die Tat nicht mehr vollenden zu können, nicht.
15
Das Landgericht hätte daher im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Umständen es auf dieses Vorstellungsbild des Angeklagten geschlossen hat. Insbesondere hätte es sich dabei mit der Frage auseinandersetzen müssen , aus welchem Grund der 140 kg schwere Angeklagte, der es geschafft hatte , die Geschädigte auf sein Bett zu werfen und dort für einige Zeit an den Handgelenken zu fixieren, geglaubt haben sollte, er sei nicht in der Lage, die Geschädigte am Verlassen der Wohnung zu hindern und könne sie auch nicht erneut auf das Bett werfen, um nun den Geschlechtsverkehr auszuüben.
16
Zwar könnte der Umstand, dass sich die Geschädigte aus dem Griff des Angeklagten befreien konnte, dafür sprechen, dass der Angeklagte der Geschädigten für einen gewaltsam durchgesetzten Geschlechtsverkehr nicht ausreichend körperlich überlegen war. Das Landgericht lässt jedoch offen, ob der Angeklagte den Griff freiwillig oder aus mangelnder Kraft gelockert hatte. Auch wird nicht erörtert, ob die Umstände, dass der Angeklagte die Geschädigte nicht am Verlassen der Wohnung hinderte und diese unmittelbar danach sogar noch einmal in die Wohnung zurückkehrte, um ihr Mobiltelefon zu holen, für ein vorheriges freiwilliges Abstandnehmen des Angeklagten von der weiteren Tatausführung sprachen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 – 4 StR 140/03, StraFo 2003, 386). Damit können die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs und die Verneinung eines freiwilligen Rücktritts keinen Bestand haben. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
17
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht diejenige des Maßregelausspruchs nach sich. Der Senat hebt das Urteil mit sämtlichen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zum Tatgeschehen und zur Frage eines Rücktritts zu ermöglichen.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR367/14
vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. September 2014
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Angriff auf den Luftverkehr und versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte fasste im Juni 2013 den Entschluss, sich während einer Flugstunde mit dem Nebenkläger, bei dessen Flugschule er sich zur Pilotenausbildung angemeldet hatte, durch einen herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten und dabei den Anschein eines Flugunfalls zu erwecken. Am Nachmittag des 21. Juni 2013 befanden sich der Angeklagte und der Nebenkläger während der zweiten Ausbildungsstunde in einem viersitzigen, einmotorigen Motor- flugzeug vom Typ „Cessna C 172 N“, dasauf der linken und auf der rechten Cockpit-Seite mit einem Steuerhorn ausgerüstet ist, in etwa 900 m Höhe. Der Angeklagte führte ohne Wissen des Nebenklägers einen etwa 1.100 g schweren Amethyst mit sich, den er zuvor aus der Mineraliensammlung eines Bekannten entwendet hatte, ferner ein 21 cm langes Küchenmesser. Er beabsichtigte , den Nebenkläger während des Fluges durch Schläge mit dem Amethyst tätlich anzugreifen und mindestens handlungsunfähig zu machen, um sich durch den Absturz der dann führerlosen Maschine selbst zu töten. Er ging davon aus, dass auch der Nebenkläger dabei sterben würde, was ihm gleichgültig war, da es ihm darauf ankam, seinen Selbstmord als aufsehenerregenden Flugunfall zu inszenieren. Nachdem der Nebenkläger dem Wunsch des Angeklagten entsprochen hatte, auf eine Höhe von etwa 1.500 m zu steigen, übernahm er in der Annahme, der Angeklagte wolle aus seiner Wasserflasche trinken , alleine das Steuer. Als der Nebenkläger, der neben dem Angeklagten auf dem rechten Vordersitz der Maschine saß, für einen Augenblick durch das rechte Seitenfenster aus dem Flugzeug schaute, nutzte der Angeklagte die Gelegenheit , um unbemerkt den Amethyst aus seiner Tasche zu nehmen. Mit dem Stein schlug er sodann unvermittelt mindestens dreimal auf die linke Kopfhälfte des Nebenklägers. Als der Angeklagte bemerkte, dass die Schläge mit dem Stein nicht zur Besinnungslosigkeit des Nebenklägers geführt hatten, umklammerte er mit beiden Händen dessen Kopf und fuhr mit seinen Daumen in dessen Augenhöhlen hinein, um die Augen einzudrücken. Der Nebenkläger schob und drückte den Angeklagten mit beiden Händen von sich weg, wobei er die Steuerung loslassen musste. Das Flugzeug ging daraufhin in einen Sturzflug über. Der Angeklagte bemerkte dies und drückte sein Steuerhorn nach vorne, um so den Sturzflug noch zu beschleunigen. Nachdem es dem Nebenkläger nicht gelungen war, einen Notruf abzusetzen, ergriff er während des rasanten Sturzfluges erneut das Steuerhorn. Es gelang ihm auf Grund seiner langjährigen Flugerfahrung, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzuerlangen; kurz vor einem Aufschlag auf den Boden konnte er die Maschine nach oben ziehen und so den Absturz verhindern. Der Angeklagte saß während dieses Vorgangs schweigend neben ihm. Bei der darauffolgenden Notlandung brach das Bugrad der Maschine, woraufhin sich das Flugzeug bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h überschlug und auf dem Dach liegend zum Stehen kam. Der Nebenkläger erlitt u.a. zahlreiche Hautabschürfungen und Blutergüsse; er war drei Wochen lang nicht flugtauglich.
4
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe den Nebenkläger heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten versucht. Die Tathandlung erfülle ferner neben einer gefährlichen Körperverletzung auch den Tatbestand des Angriffs auf den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchtem Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge. Vom Mordversuch sowie vom Versuch, durch den Angriff auf den Luftverkehr den Tod des Nebenklägers zu verursachen , sei der Angeklagte auch nicht strafbefreiend zurückgetreten; der Versuch sei fehlgeschlagen. Die Tathandlung, also die mindestens dreimaligen Schläge auf den Kopf des Nebenklägers, seien aus Sicht des Angeklagten objektiv er- folglos gewesen, da der Nebenkläger dadurch nicht bewusstlos geworden sei und auch die Kontrolle über das Flugzeug nicht verloren habe. Auch habe der Angeklagte die Maschine nicht, wie beabsichtigt, durch Betätigung der Steuerung zum Absturz bringen können, da der Nebenkläger das Flugzeug letztlich wieder habe hochreißen und eine Notlandung durchführen können.

II.


5
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe schon deshalb nicht strafbefreiend vom Versuch zurücktreten können, weil dieser fehlgeschlagen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399). Nimmt der Täter – wie im vorliegenden Fall – im Rahmen eines mehraktigen Geschehens verschiedene Handlungen vor (hier Schläge mit dem Stein, dann Eindrücken der Augenhöhlen und anschließend Betätigen des Steuers zur Beschleunigung des Sturzflugs), steht der Fehlschlag eines oder mehrerer der anfänglichen Einzelakte nicht notwendig und von vornherein einem Rücktritt vom Versuch entgegen. Sind diese Einzelakte untereinander sowie mit der letzten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielsetzung des Täters verbundenen , örtlich und zeitlich einheitlichen Geschehens, so beurteilen sich die Fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ob der strafbefreiende Rücktritt andernfalls allein schon durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbeendeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter Versuch ) erreicht werden kann, ebenfalls allein nach der subjektiven Sicht des Täters nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 3).
7
Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des angestrebten Erfolgs zwar zunächst für möglich, erkennt er aber unmittelbar darauf , dass er sich geirrt hat, so erlangt die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung für den „Rücktrittshorizont“ maßgebliche Bedeutung mit der Folge, dass der Täter, dessen Handlungsmöglichkeiten unverändert fortbestehen , durch Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann (sog. Korrektur des Rücktrittshorizonts, BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Senatsbeschluss vom 5. September 2002 – 4 StR 279/02, NStZ-RR 2003, 40). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles ohne zeitliche Zäsur nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat – wenn auch mit anderen Mitteln – noch für möglich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbeschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91; vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht zwar, im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend, für die Beurteilung eines möglichen strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem er die Steuerung des Flugzeugs betätigte, um den Sturzflug der Maschine zu beschleunigen. Keine Feststellungen hat das Landgericht jedoch dazu getroffen, ob der Angeklagte die Ausführung der Tat, wenngleich mit anderen Mitteln, noch für möglich hielt, nachdem der Nebenkläger das Abstürzen des Flugzeugs zunächst verhindert hatte. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass er bis zur Notlandung schweigend neben dem Nebenkläger saß. Danach bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte annahm, es bedürfe noch weiterer Handlungen zur Herbeiführung des von ihm angestrebten Erfolges, deren Ausführung ihm mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln noch möglich sei, was die Annahme eines unbeendeten Versuchs rechtfertigen könnte.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
25
1. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat das Landgericht für sich betrachtet rechtsfehlerfrei die neun Taten der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB festgestellt; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einer kriminellen Vereinigung , so dass sich die Urteilsaufhebung auf sie zu erstrecken hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 135/01, juris Rn. 18; Urteile vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; vom 7. Juli 2011 - 5 StR 561/10, juris Rn. 30; KK-Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7a; zur Tateinheit mit dem Vereinigungsdelikt s. etwa BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290).

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
28. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers und am 28. Mai 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft erweist.
2
Bei der Würdigung der Einlassung des für die Tatzeit am 1. März 2012 ein Alibi geltend machenden Angeklagten war für die Kammer "von entscheidender Bedeutung", dass er dieses erst zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verfahren vorbrachte, was nicht nachvollziehbar sei. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für die- sen nachteilige Schlüsse gezogen. Diesem steht es frei, ob er sich zur Sache einlässt (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 - 5 StR 515/65, BGHSt 20, 281, 282 ff.; Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 3 StR 484/83, StV 1984, 143).
3
Da dem Urteil entnommen werden kann, dass der Angeklagte erstmals in der Hauptverhandlung überhaupt Angaben machte, liegt auch kein Fall eines - der Würdigung grundsätzlich zugänglichen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148) - teilweisen Schweigens vor, so dass der dargelegte Rechtsfehler auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 1996 - 3 StR 248/96, NStZ 1997, 147). Auf diesem beruht das Urteil auch. Da die Kammer dem prozessualen Verhaltendes Angeklagten ausdrücklich entscheidende Bedeutung beigemessen hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Überzeugung bezüglich der Täterschaft des Angeklagten gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte.
Becker Pfister Hubert
Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR48/15
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. September 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben - im Fall B.I. der Urteilsgründe, - im Gesamtstrafenausspruch und - soweit das Landgericht eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, von einer darüber hinausgehenden Kompensation aber abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme einer tateinheitlich verwirklichten gefährlichen Körperverletzung im Fall B.I. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen der Angeklagte und sein Mittäter gegen zwei Uhr nachts in die Wohnung der zur Tatzeit 65jährigen Geschädigten ein. Sie weckten sie, indem sie ihren Hals in ein Kissen drückten. Anschließend fesselten sie ihre Hände, verklebten ihren Mund und zerrten sie ins Wohnzimmer. Während der Mittäter nun die Wohnung durchsuchte, passte der Angeklagte auf die Geschädigte auf, die um einen Arzt bat, da sie gleich „umkippen“ werde. Später bat sie um ein Glas Wasser und eine Zigarette, was der Angeklagte ihr gewährte. Als der Mittäter der Geschädigten eine Schere an den Hals hielt, um das Versteck des Safes in Erfahrung zu bringen, und sie dabei leicht verletzte, schlug der Angeklagte dessen Arm weg. Er wollte nicht, dass die Geschädigte mit einer Schere verletzt wird. Anschließend fragte er erneut nach dem Versteck und drohte, ihre Finger abzuschneiden. Im weiteren Verlauf drohte er der Geschädigten mit dem Tod, während er einen Finger an ihren Kopf drückte, um den Eindruck zu erwecken, er verfüge über eine Pistole. Die Geschädigte gab daraufhin das Versteck preis. Nachdem die Täter Geld und Schmuck im Wert von über 30.000 Euro an sich genommen hatten, fesselten sie die Geschädigte an einen Tisch, zerstörten das Telefon und schlossen die Wohnung von außen ab. Der Geschädigten gelang es später, sich zu befreien und um 6.40 Uhr die Polizei zu verständigen. Durch die Tat erlitt sie einen Schock, der in der Folgezeit zu einer stressbedingten Kardiomyopathie („broken-heart-syndrom“) führte, ein einem Herzinfarkt ähnli- ches Syndrom, das potentiell lebensgefährlich ist.
4
b) Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch die „Art und Weise des Angehens“ der Geschädigten tateinheitlich einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StGB schuldig gemacht habe. Die Verletzung mit der Schere hat sie ihm nicht zugerechnet. Der Angeklagte habe aber erkannt und billigend in Kauf genommen, dass die Geschädigte aufgrund der schreckauslösenden Vorgehensweise gesundheitlichen Schaden erleiden könnte.
5
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen ist zwar belegt, dass die durch die Tat bedingte psychische Beeinträchtigung die Geschädigte in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzte, womit der objektive Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2001 - 1 StR 480/00; Urteil vom 26. November 1985 - 1 StR 393/85, NStZ 1986, 166). Auch soweit das Landgericht zur Begründung des Vorsatzes des Angeklagten im Ansatz davon ausgegangen ist, dass es allgemeiner Lebenserfahrung entspreche, dass massive Stresssituationen und panikauslösende Ereignisse, gerade zur Nachtzeit und bei älteren Personen , zu schweren gesundheitlichen Schäden führen können, gibt es dagegen nichts zu erinnern.
6
Hinsichtlich der subjektiven Seite ist es aber auch erforderlich, dass der Angeklagte eine körperliche Beeinträchtigung der Geschädigten billigend in Kauf genommen hat; andernfalls käme nur eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1985 - 1 StR 393/85, NStZ 1986, 166). Dieses voluntative Element wird indes nicht tragfähig bzw. nur mit unzulässigen Erwägungen begründet.
7
Zur Begründung hat die Strafkammer unter anderem darauf abgestellt, der Angeklagte habe zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht, dass er mit den gesundheitlichen Folgen nicht gerechnet oder gedacht habe, es werde schon gut gehen; wenn er darüber nachgedacht hätte, hätte er dies - wie andere entlastende Momente - auch geltend gemacht.
8
Dass der Angeklagte sich hierzu nicht geäußert hat, durfte die Strafkammer indes nicht zu seinem Nachteil werten. Zwar dürfen grundsätzlich auch aus einem Teilschweigen nachteilige Schlüsse für einen Angeklagten gezogen werden. Dies gilt aber nur dann, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118 mwN). Es besteht indes kein Anhalt dafür, dass sich der Angeklagte im Sinne einer zusammenhängenden Schilderung veranlasst gesehen haben musste, auch Angaben dazu zu machen, was er im Hinblick auf den Eintritt möglicher gesundheitlicher Folgen für die Geschädigte gedacht hat. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen , dass er danach gefragt worden ist.
9
Ungeachtet dessen lässt die Beweiswürdigung, die der Annahme zugrunde liegt, der Angeklagte habe eine schwere Gesundheitsschädigung billigend in Kauf genommen, die Erörterung dagegen sprechender Umstände vermissen. So wollte der Angeklagte nicht, dass die Geschädigte mit der Schere verletzt wird und er schlug dem Mittäter gegen den das Werkzeug führenden Arm. Zudem reichte er der Geschädigten im Verlauf der Tat unter teilweiser Entfernung des Klebebands ein Glas Wasser und ermöglichte ihr, eine Zigarette zu rauchen, was sie offensichtlich entspannte.
10
c) Da der Senat nicht ausschließen kann, dass noch ergänzende Feststellungen möglich sind, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen. Von der Aufhebung erfasst sind auch die für sich genommen rechtfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen besonders schweren Raubs sowie der Gesamtstrafenausspruch.
11
2. Erfasst wird zudem die Kompensationsentscheidung des Landgerichts.
12
a) Die Strafkammer hat es bei der ausdrücklichen Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von einem Jahr und sechs Monaten bewenden lassen und eine weiter gehende Kompensation des Konven- tionsverstoßes im Sinne der sog. „Vollstreckungslösung“ für nicht geboten erachtet. Begründet hat sie dies damit, dass „der Zeitablauf seit der Tat“ den An- geklagten nicht nur belastet habe. Vielmehr habe er die Zeit für sich nutzen können, um seinem Leben eine Wende zu geben, was ganz maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die Tat im Fall B.I. als minder schwerer Fall habe eingeordnet werden können. Vor dem Hintergrund, dass sich die lange Verfah- rensdauer als „Chance“ für den Angeklagten erwiesen habe, reiche daher die Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit der Verfahrensverzögerung zur Entschädigung des Angeklagten aus.
13
Damit aber hat die Strafkammer bei ihrer Kompensationsentscheidung an einen Umstand angeknüpft, der mit Aufhebung der Verurteilung im Fall B.I. entfallen ist. Dies entzieht der getroffenen Entscheidung die Grundlage.
14
b) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Absehen der Strafkammer von einer über die Feststellung hinausgehenden Kompensation, auch für sich genommen, rechtlichen Bedenken begegnet.
15
Zwar lassen sich allgemeine Kriterien für die Festlegung einer für erforderlich erachteten Kompensation nicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch ist im Auge zu behalten , dass die Verfahrensdauer als solche sowie die damit verbundenen Belastungen des Angeklagten stets bereits strafmildernd im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. In diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung geht es daher nur mehr um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Verzögerung (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124 Rn. 56 mwN; Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, StV 2008, 633, 634; Beschluss vom 16. Juni 2009 - 3 StR 173/09, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20), d.h. einer weitergehenden Kompensation bedarf es insoweit, als der Angeklagte gerade durch die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung belastet war (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 StR 467/07, NStZ 2009, 287; BGH, Beschluss vom 5. August 2009 - 1 StR 363/09, NStZ-RR 2009, 339; Senat, Beschluss vom 2. September 2010 - 2 StR 297/10; BGH, Beschluss vom 15. April 2009 - 3 StR 128/09, NStZ-RR 2009, 248).
16
Eine Auseinandersetzung mit den danach maßgeblichen Umständen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Der Umstand, dass sich die lange Ver- fahrensdauer als eine „Chance“ für einen Angeklagten erwiesen hat, ist nicht geeignet, gerade die Rechtsstaatswidrigkeit einer Verfahrensverzögerung auszugleichen.
Vorsitzender Richter am Krehl Eschelbach BGH Prof. Dr. Fischer ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 508/10
vom
16. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Dezember
2010 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 24. Juni 2010 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten,
b) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in drei Fällen schuldig ist,
c) das Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist.
3
Insofern begegnet die Beweiswürdigung rechtlichen Bedenken, da die Strafkammer dort zum Nachteil des Angeklagten verwertet hat, dass er "ohne ersichtlichen Grund die Unwahrheit gesagt" habe, als er behauptete, am Tatabend in seinem Zimmer gewesen zu sein, und er - nachdem ihm die Unrichtigkeit dieser Behauptung vorgehalten worden war - "jede weitere Aussage zur Sache abgelehnt" habe, was den Schluss zulasse, "dass der Angeklagte zuvor begangenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu vertuschen versucht hat" (UA 23). Die Widerlegung bewusst wahrheitswidrigen Entlastungsvorbringens liefert jedoch in der Regel kein zuverlässiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. Soll eine Lüge als Belastungsindiz dienen, setzt dies vielmehr voraus , dass mit rechtsfehlerfreier Begründung dargetan wird, warum im zu entscheidenden Fall eine andere Erklärung nicht in Betracht kommt oder - wiewohl denkbar - nach den Umständen so fernliegt, dass sie ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 155 f.). Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer das Schweigen des Beschuldigten zu seinem Nachteil berücksichtigt hat. Selbst wenn vorliegend ein grundsätzlich einer Würdigung zugängliches teilweises Schweigen gegeben wäre, dürften daraus für den Angeklagten nachteilige Schlüsse nur dann gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 - 3 StR 370/01, NJW 2002, 2260).
4
Die Einstellung führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
5
2. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
6
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird von der teilweisen Einstellung des Verfahrens dagegen nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne den durch die Verfahrenseinstellung in Wegfall geratenen versuchten Diebstahl von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten abgesehen hätte, zumal es zu deren Begründung - jedenfalls vorrangig - lediglich die Einbruchdiebstähle herangezogen hat, die zu einem "Sachschaden in Gestalt der Beute" und "häufig auch einem weiteren Sachschaden in Gestalt der Beschädigung des Bauwerks" geführt haben (UA 32 f.), es also nicht auf den lediglich versuchten Diebstahl abgestellt hat.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer