Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2015 - 4 StR 337/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreizehn Fällen, davon in acht Fällen tateinheitlich mit unerlaubtem Einführen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, wobei er insbesondere die Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB beanstandet.
- 2
- Die Erwägungen, mit denen das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 3
- 1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte von 1993 bis 1995 heroinabhängig. In der Folgezeit wurde er mit Methadon substituiert, wobei dies teilweise unter ärztlicher Aufsicht, teilweise in Eigenregie mit Methadon vom Schwarzmarkt geschah. Der Angeklagte konsumierte überwiegend Methadon, gelegentlich fand ein Konsum von Heroin statt. Im Jahre 2012 befand sich der Angeklagte in der LWL-Klinik in D. zu einer Entgiftung. Dort erhielt er 20 bis 40 ml Methadon täglich. Er verließ die Klinik nach sieben Tagen gegen ärztlichen Rat. In der Untersuchungshaft wurde der Angeklagte von 40 mg Methaddict (Tabletten) auf 40 mg Methadon (flüssig) umgestellt. Die Dosierung wurde während des halben Jahres bis zum Schluss der Hauptverhandlung auf die Hälfte reduziert. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Angeklagte überwiegend aus dem Verkauf von Heroin.
- 4
- Das Landgericht hat einen Hang des Angeklagten verneint, weil zwar ein gelegentlicher Heroinkonsum vorliege, dieser aber im Tatzeitraum nicht die Qualität einer ernsthaften Suchterkrankung erreicht habe. Körperliche Entzugssymptome hätten nicht festgestellt werden können. Der Angeklagte befinde sich in einem guten körperlichen Zustand, die Leberwerte seien im normalen Bereich , die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der reflektierte Umgang mit Heroin und Methadon spreche gegen eine klassische Abhängig- keit. Es liege lediglich ein Methadonmissbrauch, kombiniert mit gelegentlichem, kontrolliertem Heroinmissbrauch vor.
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- 2. Die Ausführungen der Strafkammer zur Verneinung eines Hanges beziehen sich allein auf den festgestellten Konsum von Heroin. Die Strafkammer hat aber ersichtlich nicht berücksichtigt, dass auch Methadon ein berauschendes Mittel im Sinne des § 64 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2002 – 4 StR 207/02, NStZ 2003, 484; Beschluss vom 27. Juni 2001 – 2 StR 204/01, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 7; Beschluss vom 5. Juli 2000 – 2 StR 87/00, NStZ-RR 2001, 12). Sowohl die Tatsache, dass der Angeklagte bei der Entgiftungsbehandlung in der LWL-Klinik Methadon erhielt als auch der Umstand , dass er in der Untersuchungshaft mit Methadon substituiert wird, legen einen bei ihm vorhandenen Hang zum Opiatkonsum nahe. Auch die Strafkammer geht von einem Methadonmissbrauch aus, erörtert diesen aber nicht im Zusammenhang mit einem Hang des Angeklagten.
- 6
- Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den Taten und einem Hang lässt sich nach den Urteilsgründen nicht ausschließen. Die Strafkammer konnte für den Tatzeitraum kein legales Einkommen des Angeklagten feststellen , so dass es nahe liegt, dass er mit den Taten auch seinen Methadonkonsum finanziert hat. Dass beim Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht besteht, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 1999 – 3 StR 303/99 mwN).
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- 3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen. Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter, der beim Ange- klagten die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Zeit der Taten rechtsfehlerfrei verneint hat, bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geringere Strafen verhängt hätte.
Mutzbauer Quentin
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.