Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2012 - 4 StR 263/12

bei uns veröffentlicht am11.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 263/12
vom
11. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 11. Oktober 2012
gemäß § 349 Abs. 2, § 430 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 13. Januar 2012, soweit es diese Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass die Feststellungen zum Absehen von einer Verfallsanordnung und zum Wert des jeweils Erlangten entfallen; insoweit wird die Verfolgung der Taten auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen; jedoch wird hinsichtlich des Angeklagten P. der Urteilstenor dahin berichtigt, dass der Angeklagte des schweren Raubes in neun statt in acht Fällen schuldig ist. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.

Gründe:


1
Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Frage einer Verfallsanordnung nach § 430 Abs. 1 StPO i.V.m. § 442 Abs. 1 StPO vom Verfahren aus und beschränkt die Verfolgung auf die anderen Rechtsfolgen.
Das angefochtene Urteil weist hinsichtlich der Verfallsentscheidung insoweit einen nicht auflösbaren Widerspruch auf, als das Landgericht in der Urteilsformel Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO zum Absehen von Verfallsanordnungen und dem Wert des von den Angeklagten jeweils Erlangten getroffen hat, während es ausweislich der Urteilsgründe in Anwendung von § 73c Abs. 1 StGB bei allen Angeklagten in vollem Umfang von Verfallsanordnungen abgesehen hat, weil der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen der Angeklagten vorhanden war.
2
In dem nach der Beschränkung verbleibenden Umfang sind die Revisionen der Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3
Soweit hinsichtlich des Angeklagten P. in der Urteilsformel nur acht Taten des schweren Raubes genannt werden, ist - wie sich aus den Urteilsgründen und dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung ergibt - ein offensichtliches Verkündungsversehen in dem Sinne gegeben, dass dem Landgericht ein Fehler allein bei der Zählung der abgeurteilten Fälle unterlaufen ist. Ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er wie hier für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 2 StR 430/99, NStZ 2000, 386; vom 23. November 2004 - 4 StR 362/04, NStZ-RR 2005, 79; vom 11. Januar 2006 - 2 StR 562/05).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

Strafprozeßordnung - StPO | § 430 Stellung in der Hauptverhandlung


(1) Bleibt der Einziehungsbeteiligte in der Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht aus, kann ohne ihn verhandelt werden; § 235 ist nicht anzuwenden. Gleiches gilt, wenn sich der Einziehungsbeteiligte aus der Hauptverhandlung entfernt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bleibt der Einziehungsbeteiligte in der Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht aus, kann ohne ihn verhandelt werden; § 235 ist nicht anzuwenden. Gleiches gilt, wenn sich der Einziehungsbeteiligte aus der Hauptverhandlung entfernt oder bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung ausbleibt.

(2) Auf Beweisanträge des Einziehungsbeteiligten zur Frage der Schuld des Angeklagten ist § 244 Absatz 3 Satz 2, Absatz 4 bis 6 nicht anzuwenden.

(3) Ordnet das Gericht die Einziehung eines Gegenstandes nach § 74b Absatz 1 des Strafgesetzbuches an, ohne dass eine Entschädigung nach § 74b Absatz 2 des Strafgesetzbuches zu gewähren ist, spricht es zugleich aus, dass dem Einziehungsbeteiligten eine Entschädigung nicht zusteht. Dies gilt nicht, wenn das Gericht eine Entschädigung des Einziehungsbeteiligten nach § 74b Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches für geboten hält; in diesem Fall entscheidet es zugleich über die Höhe der Entschädigung. Das Gericht weist den Einziehungsbeteiligten zuvor auf die Möglichkeit einer solchen Entscheidung hin und gibt ihm Gelegenheit, sich zu äußern.

(4) War der Einziehungsbeteiligte bei der Verkündung des Urteils nicht zugegen und auch nicht vertreten, so beginnt die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels mit der Zustellung der Urteilsformel an ihn. Bei der Zustellung des Urteils kann das Gericht anordnen, dass Teile des Urteils, welche die Einziehung nicht betreffen, ausgeschieden werden.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 430/99
vom
17. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2
StPO am 17. März 2000 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16. Juni 1999 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß der Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 36 (sechsunddreißig) Fällen verurteilt ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der allein erhobenen allgemeinen Sachrüge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Der Senat berichtigt jedoch den Urteilstenor dahin, daß der Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 36 und nicht - wie es im verkündeten Urteilstenor heißt - 26 Fällen verurteilt ist. Diese Berichtigung wäre allerdings nicht zulässig, wenn das Landgericht bei der Urteilsverkündung tatsächlich nur 26 Fälle des sexuellen Mißbrauchs
von Kindern zum Gegenstand der Verurteilung gemacht, also 10 weitere Fälle übersehen hätte; dann müßte es bei der im Tenor genannten Zahl von 26 Fällen bewenden, da sich in diesem Fall die - angebliche - Berichtigung in Wahrheit als sachliche Ä nderung des anders beschlossenen Urteils darstellen würde. So verhält es sich hier aber nicht. Vielmehr handelt es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen in dem Sinne, daß dem Landgericht ein Fehler allein bei der Zählung der tatsächlich abgeurteilten Fälle unterlaufen ist; ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Ä nderung des Urteils begründen kann (speziell zu Zählfehlern: BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 4; BGH, Beschl. v. 24. Januar 1997 - 1 StR 771/96; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 260 Rdn. 13; Seibert NJW 1964, 239, allgemein zu den Voraussetzungen einer Berichtigung: BGHR StPO § 267 Berichtigung 2 S. 2 f m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle gegeben. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte in 36 Fällen sexuellen Mißbrauch von Kindern begangen (15 Taten zum Nachteil des Kindes T. , 21 Taten zum Nachteil des KindesS. ) und ist für jede dieser Taten mit einer Einzelstrafe belegt worden. Es kann dahingestellt bleiben , ob allein der Umstand, daß in den Urteilsgründen mehr Taten festgestellt, bewertet und sanktioniert worden sind, als es dem verkündeten Urteilstenor entspricht, schon dazu berechtigen würde, einen offensichtlichen Zählfehler anzunehmen. Hier jedenfalls kommt hinzu, daß einerseits der Vertreter der Staatsanwaltschaft in seinem Schlußvortrag die Verhängung von Einzelstrafen für 47 Taten beantragt hatte, andererseits der Urteilstenor in 4 Fällen auf Freispruch und in weiteren 7 Fällen auf Verfahrenseinstellung lautete. Damit war für alle Verfahrensbeteiligten offenkundig, daß sich die Verurteilung des Ange-
klagten auf 36 Taten beziehen mußte und auch bezog, die im Urteilstenor genannte Zahl von 26 Fällen also nur auf einem Zählfehler beruhen konnte. Jähnke Niemöller Bode Otten Rothfuß