Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2011 - 4 StR 168/11

bei uns veröffentlicht am07.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 168/11
vom
7. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Juni 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 23. November 2010 dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre und sechs Monate von der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen sind. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Der Senat hat den Ausspruch über den vorweg zu vollziehenden Teil der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. April 2011 gemäß den Vorgaben des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB (i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB) abgeändert; das Verschlechterungsverbot in § 358 Abs. 2 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - 2 StR 532/09, StraFo 2010, 117 m.w.N.).
2
Die vom Generalbundesanwalt weiter erörterte Frage, ob die Verlängerung des Vorwegvollzugs um ein Jahr zu einer Herausnahme des Angeklagten aus einem auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Anordnung nach § 64 StGB bereits eingeleiteten Maßregelvollzug führen könnte, stellt sich hier nicht; deswegen muss sich der Senat auch nicht mit dem vom Generalbundesanwalt kritisierten obiter dictum im Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2010 (3 StR 406/10, NStZ-RR 2011, 105, 106) auseinandersetzen. Denn der Angeklagte befand sich nach den Feststellungen seit seiner Festnahme in Warschau bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils ununterbrochen in Haft (UA 12). Für die Nachprüfung der Entscheidung aufgrund der – hier allein erhobenen – Sachrüge steht dem Revisionsgericht allein die Urteilsurkunde zur Verfügung (BGH, Beschluss vom 17. März 1988 – 1 StR 361/87, BGHSt 35, 238, 241). Gegebenenfalls kann nach Verkündung des tatrichterlichen Urteils etwa eingetretenen Änderungen nach § 67 Abs. 3 StGB Rechnung getragen werden (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 67 Rn. 6).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 406/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. Dezember 2009 im Maßregelausspruch dahin geändert, dass lediglich die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten wird sowie die erneute Anordnung dieser Maßregel und der im Hinblick darauf angeordnete Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe entfallen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung mehrerer Freiheitsstrafen aus anderen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die in einer Vorverurteilung angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten, die Maßregel nach § 64 StGB erneut angeordnet und einen Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von drei Monaten fest- gesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht hat, hält die (erneute ) Maßregelanordnung nach § 64 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen. Es hat deshalb zutreffend die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 14. August 2009 angeordnete und im Urteil des Landgerichts Düsseldorf nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhaltene Maßregel erneut aufrechterhalten. Für eine zusätzliche Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bestand indes kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305; Beschluss vom 8. November 1991 - 2 StR 401/91; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4).
4
Für seine gegenteilige Entscheidung hat sich das Landgericht auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 1992 (4 StR 108/92, NStZ 1992, 432) bezogen. Der Bundesgerichtshof hat darin ausgesprochen, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB "auch dann zwingend" anzuordnen, "wenn die Maßregel schon in einem früheren Verfahren angeordnet worden ist". Dieser Entscheidung lag indes gerade kein Fall einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung zugrunde. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung, soweit sie eine "zwingende Anordnung" verlangt (ebenso BGH, Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Urteil vom 12. September 2001 - 3 StR 313/01; Beschluss vom 5. September 2006 - 3 StR 305/06, NStZ-RR 2007, 38), durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) ohnehin überholt, da seither die Maßregelanordnung im Ermessen des Gerichts steht. Sie hat nur noch Bedeutung für die Fälle, in denen das Gericht unter Ausübung seines Ermessens die Maßregel anordnet.
5
Die vom Landgericht neu angeordnete Maßregel hatte deshalb zu entfallen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Entscheidung über einen teilweisen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe. Diese ist vorliegend ohne praktische Bedeutung, da sich der Angeklagte bereits mehr als die zur Vorwegvollstreckung bestimmten drei Monate in Untersuchungshaft befunden hat. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste. Er neigt dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.