Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2018 - 4 StR 100/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:220518B4STR100.18.0
22.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 100/18
vom
22. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:220518B4STR100.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 12. Dezember 2017
a) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
b) im Ausspruch über die Einziehung dahingehend berichtigt , dass die Einziehung des Wertes des Tatertrages i. H. v. 232.000,00 € angeordnet ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 26) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen (Fälle 1-25) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes desTatertrages i. H. v. „232.00,00 €“ angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte , Rauschgift zu erwerben, um dieses gewinnbringend weiterzuveräußern. Aus diesem Grunde kaufte er zwischen Anfang des Jahres 2014 und Juli 2016 in fünfzehn Fällen jeweils ein Kilogramm Haschisch und in zehn Fällen jeweils ein Kilogramm Amphetamin an (Fälle 1 bis 25). Zuletzt – im August 2016 – erwarb er zeitgleich ein Kilogramm Haschisch und ein Kilogramm Amphetamin, das er in der Nähe einer scharfen Schusswaffe in seiner Wohnung aufbewahrte (Fall 26). Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Rauschmittel hat das Landgericht lediglich hinsichtlich des letztgenannten Falles für eine – in Bezug auf den Wirkstoffgehalt den Grenzwert zur nicht geringen Menge bereits überschreitende – Teilmenge getroffen. Im Übrigen hat es die Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität beschrieben.

II.


3
1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
4
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere mit Blick auf die jeweiligen Handelsmengen und die pauschale Qualitätsbeschreibung, tragen die Feststellungen den Schluss, dass der Angeklagte in den Fällen 1 bis 25 mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb, auch wenn es die Strafkammer versäumt hat, den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der jeweils gehandelten Drogen unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.), notfalls durch Schätzung unter Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 – 3 StR 138/16, StV 2017, 293 f.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 jew. mwN), zu bestimmen.
5
3. Der Strafausspruch hat hingegen insgesamt keinen Bestand.
6
a) Die in den Fällen 1 bis 25 verhängten Einzelstrafen können bereits deshalb nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels ausreichender Feststellungen zu den hierfür maßgeblichen Wirkstoffgehalten und Wirkstoffmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht belegt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339; Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613). Die Bezeichnung der gehandelten Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität ist insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, weil sich der erforderliche Bezugsrahmen, der die Ableitung eines bestimmten Mindestwirkstoffanteils zweifelsfrei ermöglichen würde, weder aus den Urteilsgründen noch aus allgemeinem Erfahrungswissen ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339).
7
b) Die in sämtlichen abgeurteilten Fällen verhängten Einzelstrafen unterliegen aber auch deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht sowohl bei Ablehnung der Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 30a Abs. 3 und § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten Erwägungen in die Abwägung eingestellt hat, die rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.
8
Der Senat tritt insoweit dem Generalbundesanwalt bei, der in seiner Antragsschrift vom 21. März 2018 hierzu u. a. das Folgende ausgeführt hat: „Bei der Bemessung der Einzelstrafen nach § 29a BtMG und § 30a BtMG wie auch der Gesamtstrafe hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt , der Angeklagte habe nicht ‚unter erheblicher wirtschaftlicher Not‘ gelitten, sondern ‚bewusst‘ Handel mit Betäubungsmitteln betrieben, um sich ‚neben seinem Kleingewerbe eine dauerhafte Einnahmequelle zu schaffen‘ (UA S. 18). Diese Formulierungen lassen besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2017 – 4 StR 393/17; Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 2 StR 413/16, NStZ-RR 2017, 147; Urteil vom 1. Juni 2016 – 2 StR 355/15; Beschluss vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Jedenfalls hat das Landgericht hiermit das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271).
Straferschwerend hat das Landgericht weiter bewertet, es seien erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln vollständig in den Verkehr gelangt (UA S. 18). Bei dem Umstand, dass die Betäubungsmittel in den illegalen Verkehr gelangt sind und nicht sichergestellt werden konnten, handelt es sich allerdings um den Normalfall des Handeltreibens. Die Tatsache, dass verkauftes Rauschgift in den Verkehr gelangt, ist deshalb kein Strafschärfungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2017
5 StR 395/17 Rn. 8; Beschluss vom 23. Juni 1993 – 2 StR 47/93). Auch damit hat das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet.“
9
c) Die Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
10
4. Aus der Erörterung der Einziehungsentscheidung ist zu entnehmen , dass der Wert des einzuziehenden Tatertrages 232.000,00 € beträgt. Soweit dieser Betrag im Tenor des angefochtenen Urteils fälschlich mit „232.00,00 EUR“ angegeben worden ist, handelt es sich um einen Schreibfeh- ler, der sich ohne Weiteres aus den Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zutage liegen und jeden Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 1974 – 4 StR 633/73, BGHSt 25, 333, 336; Beschluss vom 24. April 2007 – 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 268 Rn. 10 mwN). Der Senat hat die im Tenor des angefochtenen Urteils aufgetretene offensichtliche Unrichtigkeit entsprechend berichtigt.
11
5. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der Erörterung des Strafausspruchs auf die Einhaltung der zutreffenden Prüfungsreihenfolge von minder schwerem Fall und vertyptem Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Be- schluss vom 19. November 2013 – 2 StR 494/13, StV 2015, 549 f.; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 50 Rn. 3 f. jew. mwN) Bedacht zu nehmen.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Paul

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 138/16
vom
31. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR138.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 31. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 7. Januar 2016 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist;
b) im gesamten Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verur- teilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschloss sich der Angeklagte Anfang des Jahres 2015, Rauschgift zu erwerben, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern. Aus diesem Grunde kaufte er zunächst 500 Ecstasy-Tabletten (Fall 1), sodann 700 g Marihuana (Fall 2), später erneut 500 Ecstasy-Tabletten (Fall 3) und zuletzt 3 kg Amphetamin (Fall 4). Den Wirkstoffgehalt der Rauschmittel hat das Landgericht nicht zahlenmäßig bestimmt, sondern diese nur als von "ordentlicher Qualität" beschrieben. Von dem Marihuana verkaufte der Angeklagte ein Gramm an einen 15jährigen Jugendlichen.
3
1. Diese Feststellungen tragen nicht den Schluss, der Angeklagte habe in vier Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben. Die Strafkammer hat es verabsäumt, den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der jeweils gehandelten Drogen konkret festzustellen. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden durch diese Faktoren jedoch maßgeblich bestimmt, weshalb hierzu regelmäßig konkrete Feststellungen zu treffen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, StV 2013, 703; vom 7. Juli 2015 - 3 StR 223/15, juris Rn. 2; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 914 ff.). Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung , so muss das Gericht unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes - schätzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. März 2010 - 3 StR 559/09, juris Rn. 23; Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, aaO).
4
a) Dieser Rechtsfehler führt in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe zur Aufhebung des Urteils, da bei diesen Taten nicht belegt ist, dass der Angeklagte eine nicht geringe Menge Ecstasy im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Zwecke des Handeltreibens kaufte. Allein aus der im Urteil mitgeteilten Anzahl der erworbenen Tabletten lassen sich keine Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt ziehen, da die Wirkstoffkonzentrationen und -kombinationen der als Ecstasy vertriebenen Mittel in der Praxis schwanken (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267; Beschlüsse vom 15. März 2001 - 3 StR 21/01, NStZ 2001, 381; vom 5. August 2010 - 2 StR 296/10, StraFo 2010, 472; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29a Rn. 104 ff., 114; zur Zulässigkeit der Schätzung des Wirkstoffgehalts von Ecstasy vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 7). Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat mangels konkreter Feststellungen zum Gewicht der erworbenen EcstasyTabletten auch mit Blick auf die Feststellungen zum Kaufpreis und der Qualitätsbezeichnung als "ordentlich" den Urteilsgründen im Gesamtzusammenhang nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Angeklagte jeweils Ecstasy in einer nicht geringen Menge erwarb.
5
b) In den Fällen 2 und 4 kann der Schuldspruch indes bestehen bleiben, da sich aus den vom Angeklagten erworbenen Mengen von 700 g Marihuana (Fall 2) und 3 kg Amphetamin (Fall 4) zweifelsfrei ergibt, dass dieser mit nicht geringen Mengen im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG handelte. Jedoch können die für diese Fälle verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fall 2) sowie zwei Jahren (Fall 4) keinen Bestand haben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels Feststellungen zum Wirkstoffgehalt und zur Wirkstoffmenge der gehandelten Drogen nicht belegt ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen niedrigere Einzelstrafen zugemessen hätte, sodass der Strafausspruch insgesamt aufzuheben ist.
6
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
7
Die von der Strafkammer in die Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten eingestellte Erwägung, dieser habe allein aus Geldgier gehandelt, begegnet im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) Bedenken. Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt, weshalb eine ausschließlich gewinnorientierte Motivation regelmäßig keinen Strafschärfungsgrund darstellt (BGH, Beschlüsse vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25; vom 20. April 2010 - 4 StR 119/10, NStZ-RR 2010, 255; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 857, 883). Dass bei Begehung der Taten ein den Rahmen des Tatbestandsmäßigen deutlich übersteigerndes Gewinnstreben des Angeklagten gegeben war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2009 - 5 StR 325/09, NStZ-RR 2010, 25; vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, aaO), belegen die Feststellungen nicht. Rechtlich bedenklich erscheint auch die im Rahmen der Strafzumessung zu Fall 3 pauschale strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, der Angeklagte habe weitere Betäubungsmittel gekauft, obwohl er noch im Besitz der Betäubungsmittel von Fall 1 gewesen sei.
Becker RiBGH Hubert befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Spaniol Tiemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 517/11
vom
7. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. Dezember 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten A. und R. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. Juli 2011 wird das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, 1. hinsichtlich des Angeklagten A.

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die in den Fällen II. 1.b, II. 4. und II. 7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, 2. hinsichtlich des Angeklagten R.

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die im Fall II. 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, 3. hinsichtlich des Angeklagten P.

a) im Ausspruch über die in den Fällen II. 1. b und II. 7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen ,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, 4. hinsichtlich des Angeklagten S.

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden ist,
b) im Ausspruch über die im Fall II. 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. II. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten A. und R. werden verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten A. und R. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (A. ), unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (P. ), Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (R. ) sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (S. ) zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten (A. ), zwei Jahren und sechs Monaten (P. ), zwei Jahren (R. ) sowie zwei Jahren und neun Monaten (S. ) verurteilt. Außerdem hat es die Angeklagten A. und S. von weiteren Tatvorwürfen freigesprochen. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten A. und R. Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Der Angeklagte A. hat sein Rechtsmittel wirksam auf die Verurteilungen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. 5. und II. 7. der Urteilsgründe, sämtliche Einzelstrafen und die Gesamtstrafe beschränkt. Die Rechtsmittel haben in dem ausgeurteilten Umfang Erfolg und führen nach § 357 Satz 1 StPO zu einer Erstreckung der Aufhebung auf die nicht revidierenden Mitangeklagten S. und P. . Im Übrigen waren sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte A. dem Angeklagten P. 300 bis 500 Gramm Amphetamine „mittlerer Qualität“ für 300 Euro. Das Rauschgift wurde weder von dem Angeklagten P. noch von anderen Abnehmern beanstandet (Fall II.1. b der Urteilsgründe). Vier Tage nach diesem Vorfall fuhr der Angeklagte A. in Absprache mit dem Angeklagten S. nach Venlo und kaufte dort für 1.000 Euro von einem Rauschgifthändler na- mens „Ar. “ ein Kilogramm Amphetamin „zumindest durchschnittlicher Qualität“. Das Rauschgift verbrachte er anschließend über die niederländisch-deutsche Grenze auf das Bundesgebiet und übergab es dem Angeklagten S. , der zuvor auch das Kaufgeld zur Verfügung gestellt hatte. Der Angeklagte R. war für den Angeklagten S. sowohl bei dem der Bereitstellung des Kaufgeldes dienenden Treffen mit dem Angeklagten A. , als auch bei der Übernahme des Rauschgiftes als Fahrer tätig. Die Angeklagten A. und R. erhielten für ihre Dienste von dem Angeklagten S. 500 (A. ) bzw. 200 (R. ) Euro (Fall II. 4. der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall fuhren die Angeklagten A. und S. gemeinsam zu dem Rauschgift- händler „Ar. “ nach Venlo. Dabei benutzten sie verschiedene Fahrzeuge. Der Angeklagte S. wurde von dem Angeklagten R. begleitet, der dafür den PKW seiner Freundin zur Verfügung gestellt hatte. In Venlo kaufte der Angeklagte S. von „Ar. “ für 3.500 Euro „drei Kilogramm Amphetamine“, die anschließend von dem Angeklagten A. in dessen Pkw über die niederländisch -deutsche Grenze auf das Bundesgebiet verbracht wurden. Während der Fahrt wurde der Angeklagte A. von den Angeklagten S. und R. von deren PKW aus überwacht. Der Angeklagte A. erhielt für seine Fahrdienste einen Kurierlohn. Der Abnehmer des Angeklagten S. verlangte nach der Übernahme der Betäubungsmittel die Lieferung einwandfreier Ware oder die Rückgabe des Kaufgeldes. Das Landgericht hat angenommen, dass es sich um „Amphetamin von schlechter Qualität“, nicht jedoch um einen „Ersatzstoff“ gehandelt hat (Fall II. 5. der Urteilsgründe). Schließlich fuhr der Angeklagte A. nochmals in die Niederlande und kaufte dort im Auftrag des Angeklagten P. 1.050 Gramm Marihuana zu einem Preis von 4.000 Euro. Das Kaufgeld hatte der Angeklagte P. zur Verfügung gestellt, der das gesamte Marihuana gewinnbringend verkaufen und dem Angeklagten A. einen Kurierlohn zahlen wollte. Nachdem der Angeklagte A. das Rauschgift im Kofferraum seines PKW über die niederländisch-deutsche Grenze auf das Bundesgebiet verbracht hatte, wurde er festgenommen. Das sichergestellte Marihuana war „von zumin- dest durchschnittlicher Qualität“ (Fall II. 7. der Urteilsgründe).

II.


3
1. Die Verurteilung der Angeklagten A. , S. und R. im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (A. und S. ) sowie Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (R. ) hat keinen Bestand , weil das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass es sich bei der von dem Angeklagten A. über die niederländisch-deutsche Grenze auf das Bundesgebiet verbrachten Substanz um eine Amphetaminzubereitung gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage III BtMG gehandelt hat und deshalb der objektive Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verwirklicht ist.
4
Grundsätzlich ist der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung frei (§ 261 StPO); von ihm gezogene Schlussfolgerungen müssen nur möglich, nicht aber zwingend sein. Getroffene Feststellungen sind erst dann rechtsfehlerhaft, wenn sie sich von einer festen Tatsachengrundlage sehr entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (BGH, Urteil vom 31. Juli 1996 – 1 StR 247/96, NStZRR 1997, 42, 43) und deshalb keine objektiv hohe Wahrscheinlichkeit mehr für ihre Richtigkeit besteht (BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 – 1 StR 171/98, NJW 1999, 1562, 1564). So liegt es hier.
5
Die von dem Angeklagten A. als Amphetamin angekaufte Substanz wurde von dem Abnehmer des Angeklagten S. beanstandet und dabei eine vollständige Neulieferung oder eine Rückzahlung des gesamten Kaufpreises verlangt. Danach liegt es nicht völlig fern, dass es sich bei der tatgegenständlichen Substanz nicht nur um ein Gemisch mit einem niedrigen Amphetaminbase -Anteil, sondern um ein Falsifikat gehandelt hat. Tatsachen oder Erfahrungssätze , die gleichwohl eine objektiv hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Amphetaminzubereitung begründen könnten, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Umstand, dass die Einlassungen der Angeklagten keinen Anhaltspunkt für die Annahme eines Falsifikats ergeben haben, ist ohne Aussagekraft, weil den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann, dass von den beteiligten Angeklagten eine Qualitätsprüfung vorgenommen worden ist. Auch die Tatsache, dass der Lieferant „Ar. “ seine Ware beim Verkauf als Amphetamin bezeichnet hat, sagt nichts Durchgreifendes über deren Beschaffenheit aus.
6
Die Aufhebung betrifft aufgrund des untrennbaren Zusammenhanges auch die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (A. und S. ) bzw. Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (R. ). Hinsichtlich des nicht revidierenden Angeklagten S. folgt sie jeweils aus § 357 Satz 1 StPO, weil er von dem aufgezeigten Rechtsfehler in gleicher Weise betroffen ist, wie die Angeklagten A. und R. .

7
2. Die in den FälIen II. 1. b, II. 4. und II. 7. der Urteilsgründe gegen die jeweils beteiligten Angeklagten verhängten Einzelstrafen sind aufzuheben, weil das Landgericht keine konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der umgesetzten Betäubungsmittel getroffen hat und im Fall II. 7. mit der erfolgten Sicherstellung ein bestimmender Strafzumessungsgrund außer Betracht geblieben ist. Bei dem Angeklagten A. fehlt es zudem an hinreichenden Feststellungen zu der von ihm geleisteten Aufklärungshilfe.
8
a) Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge bestimmt (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 4 StR 390/11, Tz. 5; Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 521/10, NStZ-RR 2011, 90; Beschluss vom 29. Juni 2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613; Urteil vom 24. Februar 1994 – 4StR 708/93, NJW 1994, 1885, 1886). Hierzu bedarf es deshalb konkreter Feststellungen. Dabei ist es in der Regel erforderlich, den Wirkstoffgehalt in Gewichtsprozenten anzugeben oder als Gewichtsmenge zu bezeichnen. Beschreibungen wie gute, mittlere, durchschnittliche oder schlechte Qualität sind nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sich den Urteilsgründen oder allgemeinem Erfahrungswissen ein Bezugsrahmen entnehmen lässt, der die Ableitung eines bestimmten Mindestwirkstoffanteils zweifelsfrei ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 2 StR 167/08, NStZ-RR 2008, 319; Beschluss vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603; Weber, BtMG 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 822). Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen ausreichend sicher festgestellten Umstände (Herkunft , Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration – notfalls unter Anwen- dung des Zweifelssatzes – durch eine Schätzung festlegen (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 StR 112/05, NStZ 2006, 173, 174; Körner/Patzak, BtMG 7. Aufl., § 29a Rn. 195).
9
Die Feststellung, dass die Amphetaminzubereitung im Fall II. 1. b der Urteilsgründe von „mittlerer Qualität“ und im Fall II. 4. der Urteilsgründe von „durchschnittlicher Qualität“ gewesen sei, lässt nicht erkennen, von welcher Wirkstoffmenge das Landgericht ausgegangen ist. Einen Bezugsrahmen, der eine hinreichende Konkretisierung ermöglichen könnte, hat es nicht aufgezeigt. Er ergibt sich auch nicht aus allgemeinem Erfahrungswissen. Amphetaminzubereitungen können auf jeder Handelsstufe durch die Beimengung von Zusatzstoffen leicht in ihrer Zusammensetzung verändert werden. Sie sind daher im illegalen Betäubungsmittelhandel mit Wirkstoffkonzentrationen zwischen weniger als 5 und bis zu 80 % erhältlich (vgl. Körner/Patzak, BtMG 7. Aufl., § 29a Rn. 226; Weber, BtMG 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 822). Auf der letzten Handelsstufe werden infolge mehrfacher Streckung häufig nur noch Zubereitungen mit einer geringen Wirkstoffkonzentration umgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603). Von den in den Jahren 1999 bis 2004 bei den Landeskriminalämtern, Zolltechnischen Prüf- und Lehranstalten und dem Bundeskriminalamt begutachteten Proben wiesen zwischen 62 und 64 % einen Wirkstoffanteil von weniger als 10 % auf (vgl. Weber, BtMG 3. Aufl., Anhang H Tab. 1.1 – Amphetamin). Soweit das Landgericht mit den offenkundig bedeutungsgleich verwendeten Bezeichnungen „mittlere Qualität“ und „durchschnittliche Qualität“ eine Wirkstoffkonzentration entsprechend der signifikanten Häufung von Wirkstoffkonzentrationen im Bereich von 10% gemeint haben sollte , wäre nicht erklärlich, warum bei dem Angeklagten A. auch im Fall II. 1. b der Urteilsgründe (Rohmenge 300 bis 500 Gramm) die Annahme eines minder schweren Falles mit der Begründung verneint werden konnte, dass eine „deutlich nicht geringfügige Menge“ vorgelegen habe (UA 26).
10
Auch die in Fall II. 7. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des sichergestellten Marihuanas („zumindest durchschnittliche Qualität“) sind unzureichend. Der Tetrahydrocannabinol-Anteil von Marihuana hat sich – insbesondere aufgrund neuer Zuchttechniken – in der jüngeren Vergangenheit ständig erhöht (vgl. Patzak/Goldhausen NStZ 2011, 76, 77 und NStZ 2007, 195, 196) und unterliegt lokalen Schwankungen. Dies macht auch hier eine konkrete Angabe des Wirkstoffgehalts unerlässlich (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 – 2 StR 167/08, NStZ-RR 2008, 319; Weber, BtMG 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 836). Weitere rechtliche Bedenken gegen die Vorgehensweise des Landgerichts ergeben sich zudem aus der Tatsache, dass eine exakte Feststellung des Wirkstoffanteils durch ein entsprechendes Gutachten ohne Weiteres möglich gewesen wäre (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1996 – 3 StR 233/96, NStZ 1996, 498, 499).
11
Der Senat vermag mit Rücksicht auf die festgestellten Rohmengen und die weiteren Umstände auszuschließen, dass der aufgezeigte Rechtsfehler den Schuldspruch gefährdet (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1996 – 3 StR 233/96, NStZ 1996, 498, 499).
12
b) Der Strafausspruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe leidet auch deshalb an einem durchgreifenden Rechtsfehler, weil das Landgericht weder bei der Erörterung eines minderschweren Falls gemäß § 30 Abs. 2 BtMG, noch bei der konkreten Strafbemessung berücksichtigt hat, dass das Marihuana vor der Durchführung des geplanten Umsatzes sichergestellt werden konnte. Zwar hat der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO nur die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen (BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 1 StR 164/07, NStZ-RR 2008, 343), doch ist mit der Sicherstellung ein Strafmilderungsgrund unerwähnt geblieben, dessen Berücksichtigung sich aufdrängen musste (BGH, Beschluss vom 19. Januar 1990 – 2 StR 588/89, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 10).
13
c) Schließlich begegnet der Strafausspruch bei dem Angeklagten A. in allen Fällen auch deshalb rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht nur lückenhafte Feststellungen zu der von ihm geleisteten Aufklärungshilfe getroffen hat und das Revisionsgericht deshalb nicht überprüfen kann, ob eine Erörterung der Milderungsmöglichkeit des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG rechtsfehlerfrei unterblieben ist.
14
Das Landgericht hat dem Angeklagten A. bei der Strafzumessung zugutegehalten, dass er „frühzeitig“ und umfassend geständig war. Ob ohne seine Angaben ein Tatnachweis möglich gewesen wäre, hält es für „ungewiss“. Auch wurden die deckungsgleichen Geständnisse der Mitangeklagten „mög- licherweise“ erst infolge des Geständnisses des AngeklagtenA. abgege- ben. Dies legt die Annahme nahe, dass der Angeklagte A. durch seine Angaben die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen die Mitangeklagten mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden konnte. Danach wäre die Milderungsmöglichkeit des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG jedenfalls dann zu erörtern gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 – 3 StR 171/09, NStZ-RR 2009, 320, 321; Urteil vom 17. Juni 1997 – 1 StR 187/97, NStZ-RR 1998, 25), wenn sich der Angeklagte noch vor dem nach § 31 Satz 2 BtMG iVm. §46b Abs. 3 StGB maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. dazu Körner/Patzak, BtMG 7. Aufl. § 31 Rn. 27) geständig gezeigt hat. Konkrete Feststellungen hierzu lassen sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen.

15
d) Die Aufhebung des Strafausspruches bei den nicht revidierenden Angeklagten P. (Fällen II. 1. b und II. 7. der Urteilsgründe) und S. (Fall II. 4. der Urteilsgründe) beruht auf § 357 Satz 1 StPO. Durch die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 5. der Urteilsgründe und der Einzelstrafen haben bei allen Angeklagten die Gesamtstrafenaussprüche ihre Grundlage verloren.
Ernemann Roggenbuck Franke
Bender Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 393/17
vom
9. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:091117B4STR393.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. April 2017 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Soweit die Revision eine Aufhebung der dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen begehrt, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
1. Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen von einem Jahr für die Taten II. 1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils strafschärfend berücksich- tigt, dass „der Angeklagte nicht aufgrund von Suchtdruck, sondern aus Gewinnstreben handelte“.Hinsichtlich der Tat II. 4 der Urteilsgründe hat sie als straf- schärfenden Umstand ebenfalls erwogen, dass der Angeklagte, der „selber nicht nach Kokain süchtig“ war, „aus reinem Gewinnstreben handelte“.
4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt. Denn das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln setzt tatbestandlich voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, StV 2011, 224; vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; vom 31. August 2017 – 4 StR 297/17, NStZ-RR 2017, 345). Ferner begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer mit der beim Angeklagten nicht bestehenden Kokainsucht das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, aaO).
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhaften Erwägungen des Landgerichts bei der Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. Dies gilt, da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob die Strafkammer vom Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG oder des § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG ausgegangen ist, auch für die Einzelstrafen in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe.
6
Die durch den Wertungsfehler nicht betroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich.
7
2. Zur Strafrahmenwahl im Fall II. 4 der Urteilsgründe verweist der Senat auf die Beschlüsse vom 21. Dezember 1995 – 1 StR 697/95 (BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 2) und vom 24. April 2003 – 3 StR 369/01 (insoweit in BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 1 nicht abgedruckt).
Franke Roggenbuck RiBGH Cierniak ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Franke
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. Mai 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es Verfalls- und Einziehungsanordnungen getroffen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungserwägungen zu Lasten des Angeklagten gewertet, "dass ihm der Ausstieg aus den illegalen Geschäften jederzeit möglich war, denn er war weder in finanzieller Not noch selbst drogenabhängig. Ein daraus abzuleitendes Motiv ist nicht ersichtlich. Er wollte mit den Geschäften Gewinne erzielen bzw. eigene Aufwendungen ersparen" (UA 21).
4
b) Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, denn das Handeltreiben im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (vgl. BGH - Großer Senat -, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05 -, BGHSt 50, 252, 256; BGH, Beschlüsse vom 23. November 1988 - 3 StR 503/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15 m.w.N., und vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Auch die strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der Möglichkeit, von der Begehung der Taten Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03 m.w.N.). Schließlich begegnet es auch rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe (Suchtmittelabhängigkeit, finanzielle Notlage) zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46 Rn. 57d m.w.N.).
5
c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die fehlsamen Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine noch mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - den gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 413/16
vom
31. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:310117B2STR413.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 31. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 30. Mai 2016 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist – wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts ergibt – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
2. Demgegenüber hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht hat schon bei der Annahme, dass jeweils kein minder schwerer Fall vorliegt, neben anderen Zumessungserwägungen zu Lasten des Angeklagten folgende Wertung getroffen: „Auch fiel ins Gewicht, dass der Angeklagte sich nach Abwägung aus primär finanziellen Erwägungen entschieden hat, Betäubungsmittel in erheblichem Umfang zu verkaufen. Es ging ihm also nicht um die Finanzierung des eigenen Konsums; die Ermöglichung des eigenen Konsums wegen der nunmehr vorhandenen Betäubungsmittel war lediglich Folge der zuvor primär aus Gewinnstreben getroffenen Entscheidung.“
5
Diese Formulierungen lassen besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. Senat , Beschluss vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Der Senat kann letztlich nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht bei richtiger Würdigung trotz der großen Mengen der gehandelten Betäubungsmittel angesichts zahlreicher zu Gunsten wirkender Umstände zur Annahme eines oder mehrerer minder schwerer Fälle oder bei Anwendung des Normalstrafrahmens jedenfalls zu (noch) niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre und hebt daher den gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. Appl Krehl Zeng Wimmer Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 355/15
vom
1. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:010616U2STR355.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 1. Juni 2015 im Strafausspruch und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreizehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungs- sowie eine Verfallsentscheidung getroffen.
2
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die unausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs und des Ausspruchs über die Einziehung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3
1. Das Landgericht hat – soweit für die Entscheidung von Bedeutung – hinsichtlich der Taten 1 bis 12 folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Der Angeklagte verkaufte an die in seinem „Saunaclub“ als Prostituier- te tätige, heroinabhängige S. in mindestens zehn Fällen jeweils 100 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % Heroinhydrochlorid zum Preis von 12,50 EUR pro Gramm. Die Abwicklung der Geschäfte erfolgte teils in der Weise, dass der Angeklagte gemeinsam mit S. mit einem von ihm gesteuerten Fahrzeug vom Saunaclub zur Wohnung seiner Lebensgefährtin oder seines Sohnes fuhr, wo er das Rauschgift verwahrte, das Rauschgift aus der Wohnung holte und an die im Fahrzeug wartende S. übergab; teils übergab der Angeklagte das Rauschgift auch in seinem „Saunaclub“ an seine Abnehmerin (Fälle 1 bis 10 der Urteilsgründe). Die Rauschgiftgeschäfte erfolgten jeweils auf Kommissionsbasis; war die vorangegangene Lieferung aufgebraucht, begab S. sich zum Angeklagten, bezahlte die vorangegangene Lieferung und erhielt eine neue Lieferung auf Kommissionsbasis.
5
b) Im Vorfeld einer 10tägigen Reise im Februar oder im März 2013 verkaufte der Angeklagte S. 400 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Heroinhydrochlorid zum Preis von 5.000 EUR auf Kommissionsbasis und händigte ihr das Rauschgift in seinem „Saunaclub“ aus; S. entrichtete den vereinbarten Kaufpreis in der Folgezeit ratenweise an den Sohn des Angeklagten und an einen seiner Türsteher (Fall 11 der Urteilsgründe).
6
c) In der Woche vor dem 19. Juni 2013 veräußerte der Angeklagte an S. erneut 100 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % Heroinhydrochlorid zum Preis von 1.000 EUR auf Kommission. Der Angeklagte erhielt den Kaufpreis nicht; die Zeugin, die sich einer drohenden Strafvollstreckung entziehen wollte, tauchte unter. Zur Begleichung der Schulden erbrachte der Bruder der Zeugin, Sl. , Malerarbeiten für den Angeklagten (Fall 12 der Urteilsgründe).
7
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen; es hat in den Fällen 1 bis 10 und 12 jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten und im Fall 11 eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten als überführt angesehen, in der ersten Septemberhälfte des Jahres 2013 bei niederländischen Abnehmern Heroin für insgesamt 30.000 EUR bestellt zu haben, das ihm im Oktober 2013 und im September 2014 in zwei Teilmengen geliefert worden war (Fall 13 der Urteilsgründe). Ausgehend von der für diese Tat verhängten Einzelstrafe von drei Jahren und drei Monaten als Einsatzstrafe hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten gebildet.

II.


8
Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuldspruch ohne Erfolg. Die Beurteilung der Konkurrenzen ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Jedoch kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
9
1. Die Annahme realkonkurrierender Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 1 bis 12 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Die Feststellungen drängten nicht zur näheren Prüfung und Erörterung der Frage, ob die Taten im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen.
10
a) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt eine Tat im Sinne des materiellen Rechts vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Eine mehrfache Gesetzesverletzung kann vorliegen in Fällen , in denen ein Willensentschluss zu einer Handlung führt, die das Gesetz mehrfach verletzt (LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6). Über den Wortlaut des § 52 Abs. 1 StGB hinaus liegt eine Tat im Rechtssinne auch vor, wenn zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368). Die Annahme von Tateinheit kommt auch in Betracht, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145). Dagegen genügt ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel -Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht, um Tateinheit zu begründen (BGH, Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom 16. Juli 2009 – 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97). Ob im Einzelfall eine die Annahme einer Tat im Rechtssinne tragende Teilidentität der Ausführungshandlungen gegeben ist, richtet sich nach dem materiellen Recht.
11
b) Der Begriff des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle eigennützigen Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 161 f.; Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Vom weiten Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind Handlungen weit im Vorfeld des eigentlichen Güterumsatzes ebenso erfasst wie die dem Güterumsatz nachfolgenden Geldflüsse (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14). Die Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist „auf der untersten Ebene der Handelskette“ mithin erst beendet, wenn der Lieferant das Entgelt erhalten hat, wenn also auch der Geldfluss als Gegenleistung für die Betäubungsmittellieferung „zur Ruhe“ gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162). Betätigungen, die in diesem weiten Sinne auf den Vertrieb ein- und derselben Rauschgiftmenge bezogen sind, werden zu einer tatbestandlichen Bewertungseinheit zusammengefasst (Körner/Patzack/Volkmer-Patzack, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4, Rn. 293 ff.).
12
Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass zwei oder mehrere an sich selbstständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verbunden werden, wenn sie in einem Handlungsteil zusammentreffen. Ist eine Handlung als eine tatbestandliche Ausführungshandlung beider oder mehrerer Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln anzusehen, so ist Tateinheit anzunehmen. Allein das zeitliche Zusammentreffen von Zahlungsvorgängen in Bezug auf eine frühere Drogenbeschaffung mit der Abholung der nächsten Lieferung – die bloße Gleichzeitigkeit beider, verschiedene Umsatzgeschäfte fördernder Ausführungshandlungen – genügt jedoch zur Annahme gleichartiger Tateinheit nicht (BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 4 StR 42/99, NStZ 1999, 411; Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 2 ARs 319/13, NStZ-RR 2014, 81, 82; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11; Beschluss vom 6. Februar 2014 – 3 ARs 7/13, NStZ-RR 2014, 146; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14; Senat, Beschluss vom 22. Januar 2010 – 2 StR 563/09, StV 2010, 684).
13
c) Gemessen hieran ist die Annahme jeweils selbstständiger Taten nicht zu beanstanden. Zwar hat die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte seine Abnehmerin S. „auf Kommissionsbasis“ belieferte. Konkrete Feststellungen dazu, wann und bei welcher Gelegenheit die Abnehmerin die vorangegangene Lieferung an den Angeklagten bezahlte, vermochte die Kammer jedoch nicht zu treffen. Damit ist die tatrichterliche Annahme jeweils selbständiger Taten nicht zu beanstanden.
14
2. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat bei der Prüfung, ob die Taten als minder schwere Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG anzusehen sind, sowie bei der Strafzumessung im en- geren Sinne jeweils zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er „die jeweils großen Mengen an Betäubungsmitteln nicht für seinen eigenen Konsum bestellt“, sondern an Dritte weitergegeben hat, „um seine Schulden zu tilgen oder Gewinne aus dem Verkauf zu erhalten“. Damit hat sie dem Angeklagten eigennütziges Handeln zur Last gelegt, obwohl dies bereits ein Merkmal des Handeltreibens ist (Senat, Beschluss vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; BGH, Beschluss vom 24. September2009 – 3StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24). Der hierin liegende Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
15
3. Auch der Ausspruch über die Einziehung kann keinen Bestand haben. Sind Gegenstände einzuziehen, so ist es grundsätzlich erforderlich, sie in der Urteilsformel konkret so zu bezeichnen, dass für die Verfahrensbeteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung geschaffen ist. Hierzu gehört im Falle der Einziehung von Betäubungsmitteln auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 – 1 StR 251/07).
16
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da ein reiner Wertungsfehler vorliegt. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 1 6 / 1 3
vom
29. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 22. August 2013
a) im Tenor dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird und insoweit die Staatskasse die ausscheidbaren Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat,
b) im Rechtsfolgenausspruch, mit Ausnahme der Einziehungsentscheidung , aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und Wertersatzverfall in Höhe von 291.000 € angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist - wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts ergibt - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings ist hinsichtlich der Tat II.1 der Urteilsgründe ein Teilfreispruch nachzuholen, da die Strafkammer insoweit von den 16 tatmehrheitlich angeklagten Fällen lediglich neun (zu einer Bewertungseinheit verbundene) Taten für erwiesen erachtet hat und im Übrigen Feststellungen zu weiteren Fällen nicht treffen konnte (UA S. 7 f.).
3
2. Der Strafausspruch hält entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten dessen hohe kriminelle Energie berücksichtigt, "zumal hier nicht eigener Suchtdruck oder massive finanzielle Nöte Triebfeder des Handelns waren , sondern reines Gewinnstreben" (UA S. 14). Diese Formulierung lässt nicht nur besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 24). Sie deutet darüber hinaus darauf hin, dass das Landgericht das bloße Fehlen genannter strafmildernder Umstände strafschärfend berücksichtigt hat (Senat, NStZ 2013, 46). Der Senat kann letztlich nicht sicher ausschließen, dass das Landgericht bei richtiger Würdigung trotz der großen Mengen von Betäubungsmitteln, mit denen Handel getrieben wurde, angesichts zahlreicher zu Gunsten wirkender Umstände einen minder schweren Fall angenommen oder bei Anwendung des Normalstrafrahmens jedenfalls zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre.
4
3. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall erweist sich insoweit als fehlerhaft, als die nach den Feststellungen nahe liegende Mitverfügungsgewalt seiner gesondert verfolgten Ehefrau zu einer gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten mit ihr führen müsste. Dies wird der neue Tatrichter gegebenenfalls im Tenor zum Ausdruck zu bringen haben (BGH StraFo 2013, 77).
5
4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil es sich bei den aufgezeigten Rechtsfehlern um Wertungsfehler handelt. Der neue Tatrichter kann neue ergänzende Feststellungen treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. Mai 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es Verfalls- und Einziehungsanordnungen getroffen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungserwägungen zu Lasten des Angeklagten gewertet, "dass ihm der Ausstieg aus den illegalen Geschäften jederzeit möglich war, denn er war weder in finanzieller Not noch selbst drogenabhängig. Ein daraus abzuleitendes Motiv ist nicht ersichtlich. Er wollte mit den Geschäften Gewinne erzielen bzw. eigene Aufwendungen ersparen" (UA 21).
4
b) Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, denn das Handeltreiben im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (vgl. BGH - Großer Senat -, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05 -, BGHSt 50, 252, 256; BGH, Beschlüsse vom 23. November 1988 - 3 StR 503/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15 m.w.N., und vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Auch die strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der Möglichkeit, von der Begehung der Taten Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03 m.w.N.). Schließlich begegnet es auch rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe (Suchtmittelabhängigkeit, finanzielle Notlage) zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46 Rn. 57d m.w.N.).
5
c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die fehlsamen Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine noch mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - den gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer
8
3. Darüber hinaus kann auch die Einzelstrafe im Fall 1 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat hinsichtlich dieser Tat (wie auch bei den Fällen 2 und 3) straferschwerend den Umstand berücksichtigt, dass die Drogen in den Verkehr gelangt sind. Damit hat es das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes , den ein Nichterreichen des Drogenmarktes darstellt, rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 1993 – 2 StR 47/93, aaO; Patzak inKörner/Patzak/Volkmer, BtMG 8. Aufl., Vorbe- merkung zu §§ 29 ff. BtMG Rn. 113).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 558/06
vom
24. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. April 2007 gemäß § 206 a
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 26. Juni 2006 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen I 1, 3 und 4 der Urteilsgründe insgesamt,
b) im Fall I 2 im Ausspruch über die Einzelstrafe und
c) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Das Verfahren im Fall I 4 der Urteilsgründe wird eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen. 3. Im Übrigen wird im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wen- det sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen weitgehenden Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Fall I 4 der Urteilsgründe
4
Das Verfahren ist hinsichtlich des Falles I 4 der Urteilsgründe wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 206 a Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs für schuldig befunden, weil er die Volksbank - im Wissen, eine entsprechende Deckung des belasteten Kontos nicht herbeiführen zu können - durch wahrheitswidrige Angaben am 13. November 2001 zur Einlösung eines Schecks über 285.000 DM veranlasst habe. Diese Tat ist weder Gegenstand der Anklage vom 21. April 2004 noch ist eine diese Tat einbeziehende Nachtragsanklage erhoben worden. Es besteht auch keine prozessuale Tatidentität (vgl. BGHSt 32, 215, 216) mit den übrigen der Anklageschrift zugrunde liegenden Lebensvorgängen, die die Geschäftsbeziehungen des Angeklagten bzw. der K. GmbH & Co. KG (künftig: K. GmbH) mit der Volksbank betreffen. Die der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich vielmehr nach Zeit und Tatumständen eindeutig von dem abgeurteilten Geschehen.
5
2. Fälle I 1 und 3 der Urteilsgründe
6
In den Fällen 1 und 3 hält die Verurteilung wegen Betrugs sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. In beiden Fällen sind die Feststellungen zum Eintritt eines Vermögensschadens ungenau und unvollständig und entziehen sich deshalb einer revisionsgerichtlichen Kontrolle.
7
a) Fall I 1 der Urteilsgründe
8
Nach den Feststellungen bewilligte die Firma D. - eine Hauptlieferantin der im Mineralölhandel tätigen K. GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte war - im April 2000 auf Antrag des Angeklagten die Prolongation eines Lieferantenkredits für ein weiteres Jahr und stockte diesen (Kontokorrent )Kredit gleichzeitig auf eine Million DM auf. Dabei vertraute die Kreditgeberin auf die vom Angeklagten behauptete Bonität der GmbH und die Werthaltigkeit einer von ihm übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe des Kreditbetrags (UA 24). Tatsächlich hatte der Angeklagte den von der Kreditgeberin geforderten Bonitätsnachweisen bewusst falsche Zahlen zugrunde gelegt und so das Liquiditätsrisiko verschleiert. Im Rahmen der aufgestockten Kreditlinie lieferte die Firma D. in der Folgezeit Mineralöl an die K. GmbH. Im November 2001 stellte diese Zahlungen an die Firma D. ein. Im Dezember 2001 beantragte der Angeklagte die Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH und über sein Privatvermögen.
9
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch die falsche Darstellung des Liquiditätsrisikos eines Eingehungsbetruges schuldig gemacht habe, da der Firma D. bereits durch die - täuschungsbedingte - Kreditzusage ein Vermögensschaden in Form einer Vermögensgefährdung entstanden sei (UA 28).
10
Die bisher zur Vermögenslage der K. GmbH und des Angeklagten getroffenen Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass der Rückzahlungsanspruch der Kreditgeberin bereits im Zeitpunkt der Darlehensbewilligung Anfang April 2000 wirtschaftlich nicht sicher, das Vermögen der Firma D. also zu diesem für den Betrugsvorwurf maßgeblichen Zeitpunkt bei lebensnaher Betrachtung konkret und damit schadensgleich gefährdet war (vgl. BGHSt 34, 394, 395, BGH wistra 1995, 222, 223).
11
Zweifel an der von der Wirtschaftsstrafkammer als Betrugsschaden gewerteten Vermögensgefährdung ergeben sich, weil nach den Feststellungen der Kredit bis November 2001 von der K. GmbH bedient wurde. Zahlungsschwierigkeiten traten erstmals zu diesem Zeitpunkt auf und die GmbH stellte fortan "weitere" - mithin bis dahin erfolgte - Zahlungen an die Firma D. ein (UA 13).
12
Angesichts dieses Umstandes hätten die Vermögensverhältnisse der K. GmbH und des Angeklagten als selbstschuldnerisch haftenden Bürgen präziser als bisher geschehen anhand nachvollziehbarer Vermögensübersichten dargelegt werden müssen.
13
Den Urteilsgründen sind insbesondere nahezu keine überprüfbaren Feststellungen zum Status des Privatvermögens des Angeklagten in dem für die Schadensberechnung maßgeblichen Zeitpunkt der Kreditgewährung im April 2000 zu entnehmen. Das insoweit in Bezug genommene Immobilienvermögen (Stand zum 31. Juli 1999, UA 11) ist ersichtlich nicht dem Angeklagten, sondern dem Privatvermögen der Gesellschafter der K. GmbH zuzuordnen. Soweit das Urteil in anderem Zusammenhang Ausführungen zum Grundvermögen des Angeklagten macht (UA 16), betrifft dies Zeitpunkte, die deutlich nach der Kreditvereinbarung vom April 2000 liegen. Diese sind deshalb für die Schadensberechnung ohne weitere Darlegungen nicht aussagekräftig. Gleiches gilt für den pauschalen Hinweis, am 31. Dezember 2001 hätten Forderungen gegen den Angeklagten aus übernommenen Bürgschaften in Höhe von insgesamt 28 Millionen DM bestanden. Soweit das Urteil in diesem Zusammenhang auf vorhan- denes Barvermögen des Angeklagten verweist, wird nicht einmal dessen Höhe mitgeteilt (UA 29).
14
In der neuen Hauptverhandlung werden deshalb weitergehende Feststellungen zu treffen sein, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bei Darlehensgewährung eine Vermögensgefährdung bestand. Sollte ein Vergehen des Betrugs nach § 263 StGB mangels Vermögensschadens oder Gefährdungsvorsatzes zu verneinen sein, so wird das Landgericht zu prüfen haben, ob ein Kreditbetrug nach § 265 b StGB in Betracht kommt.
15
b) Fall I 3 der Urteilsgründe
16
Diesem Fall liegt der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe ungedeckte Schecks über eine Gesamtsumme von ca. 950.000 DM zum Inkasso bei der Volksbank eingereicht, um so eine Rückführung des Kontokorrentkredits der K. GmbH in das vereinbarte Kreditlimit vorzutäuschen und die Bank zu veranlassen, weitere Scheckbelastungen oder Überweisungen zu Lasten des Kontokorrentkontos zu akzeptieren.
17
Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte eines - vollendeten - Betrugs schuldig gemacht hat. Die Annahme des Landgerichts, durch die Rückbelastung der zum Inkasso vorgelegten und (vorläufig) gutgeschriebenen Schecks sei der Volksbank ein Vermögensschaden entstanden (UA 18), ist rechtsfehlerhaft. Ein Vermögensschaden wäre bei der Inkassobank nur dann eingetreten, wenn der Angeklagte während des Zeitraums der vorläufigen Gutschrift der Scheckbeträge hierauf Zugriff genommen hätte oder - im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung - jedenfalls hätte Zugriff nehmen können. Dies ergeben die Feststellungen nicht. Zwar werden Scheckbeträge von den Kreditinstituten aus bankwirtschaftlichen Gründen bereits bei Hereinnahme "unter dem Vorbehalt ihrer Einlösung" gutgeschrieben (Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken und AGB-Sparkassen). Die Gutschrift ist bis zur Einlösung des Schecks durch die bezogene Bank allerdings nur eine vorläufige. Einen Anspruch auf Auszahlung der Schecksumme hat der Scheckeinreicher zu diesem Zeitpunkt nicht (vgl. Nobbe in WM (SB 5) 2000 S. 1, 13 ff. m.N.). Es versteht sich deshalb nicht von selbst, dass der Scheckeinreicher bereits vor der endgültigen Gutschrift über den Scheckbetrag auch verfügen kann. Mit der Frage, ob eine solche Verfügungsmöglichkeit durch den Angeklagten bestand bzw. ob er gegebenenfalls hiervon zu Lasten der Volksbank Gebrauch gemacht hat, hat sich das Landgericht indes nicht auseinandergesetzt (UA 18).
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3. Fall I 2 der Urteilsgründe
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Im Fall I 2 weist der Schuldspruch wegen Betrugs keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Jedoch hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Das Urteil enthält keine Feststellungen über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten. Dies stellt hier einen sachlichrechtlichen Mangel dar (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 8). Für die Strafzumessung und deren rechtliche Überprüfung ist jedenfalls im Hinblick auf die verhängte, nicht unerhebliche Einzelfreiheitsstrafe die Kenntnis von Werdegang und Lebensverhältnissen des Angeklagten unentbehrlich.
21
Zwar hat das Landgericht im Wege eines Berichtigungsbeschlusses die Urteilsgründe ergänzt und Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten gemacht. Eine Urteilsberichtigung ist allerdings nur dann zulässig, wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt, das sich zwanglos aus klar zutage tretenden Tatsachen ergibt, wenn die Urteilsgründe also offensichtliche Schreibfehler oder ähnliche äußere, für alle Beteiligten offenkundige und aus sich heraus erkennbare Unstimmigkeiten enthalten. Eine Berichtigung ist hinge- gen unzulässig, wenn auch nur der Verdacht einer nachträglichen (sachlichen) Änderung und damit einer Verfälschung des Urteils entstehen kann (vgl. BGHR StPO § 267 Berichtigung 1).
22
So liegt es hier. Durch das "Nachschieben" der Feststellungen zur Person des Angeklagten sollte ein dem Urteil anhaftender Rechtsfehler beseitigt werden. Dass dieser auf einer Nachlässigkeit der erkennenden Richter bei Durchsicht der Urteilsurkunde vor deren Unterzeichnung beruht, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern. Tepperwien Maatz Kuckein Richterin am BGH Solin-Stojanović Sost-Scheible ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Tepperwien

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 494/13
vom
19. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. November 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 2013 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Durchfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung im Strafausspruch; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zur Einziehungsentscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Für die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuld- spruchberichtigung ist mit Blick auf § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG kein Raum. Der Senat ist insoweit an einer Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch den Antrag des Generalbundesanwalts, der allein auf Berichtigung des Schuldspruchs, im Ergebnis aber auf die Verwerfung der Revision gerichtet ist, nicht gehindert (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 247/13, insoweit in NStZ-RR 2013, 349 nicht abgedruckt, mwN).
3
2. Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Strafe aus dem nach § 27 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen und „sodann“ (UA S. 8) einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG verneint.
4
Die Strafkammer hat dabei nicht bedacht, dass nach ständiger Rechtsprechung in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR218/11, NStZ 2012, 271, 272; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 50 Rn. 3 f., jeweils mwN). Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrunds gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen. Das Landgericht hat weder diese Prüfungsreihenfolge beachtet noch erwogen, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds al- lein oder zusammen mit den anderen Umständen das Vorliegen eines minder schweren Falls begründet.
5
Zwar hat die Strafkammer den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (drei Monate bis elf Jahre und drei Monate) zugrunde gelegt; doch schon der gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG (drei Monate bis fünf Jahre) wäre für den Angeklagten günstiger. Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, dass der Tatrichter unter Zugrundelegung eines anderen Strafrahmens zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
6
Da die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen sind, hat der Senat sie aufrechterhalten. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng