Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2018 - 3 StR 97/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 17. März 2017 und durch Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 29. März 2017 verhängten Einzelgeldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen.
- 2
- Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- Während der Schuldspruch, die verhängten Einzelstrafen, die zweite Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie die Einziehungsentscheidung nicht zu beanstanden sind, kann der Ausspruch über die erste Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten keinen Bestand haben.
- 4
- Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Allerdings ist der Ausspruch über die Gesamtstrafe von einem Jahr und zehn Monaten insoweit rechtlich zu beanstanden, als das Landgericht die Einzelgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 € aus dem Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 29. März 2017, Gz. 10 Ds 2232 Js 19908/16, einbezogen hat. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass die Strafkammer eine mögliche Zäsurwirkung vorangegangener Verurteilungen nicht berücksichtigt hat.
Den vorstehend genannten Verurteilungen lagen allesamt Taten zu Grunde, die der Angeklagte vor der Entscheidung des Amtsgerichts
Braunschweig vom 12. September 2016 begangen hatte (UA S. 8 ff.). Grundsätzlich kommt der Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig vom 12. September 2016 somit Zäsurwirkung zu (zu den Voraussetzungen vgl. im Einzelnen Fischer StGB, 65. Auflage, § 55 Rn. 9 ff.). Feststellungen zur Erledigung der Strafvollstreckung und einem in Folge dessen eingetretenen Wegfall der Zäsurwirkung sind den Urteilsgründen weder mit Blick auf die Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig vom 12. September 2016 zu entnehmen noch auf die Entscheidung des Amtsgerichts Lüneburg, die gegebenenfalls 'in zweiter Linie' Zäsurwirkung entfalten könnte (Senat NStZ-RR 2010, 202, 203). Der Umstand, dass die Urteilsgründe teilweise Feststellungen des Vollstreckungsstandes zu anderen Vorverurteilungen enthalten (Entscheidungen der Amtsgerichte Wilhelmshaven, Hameln und Burgdorf vom 29. März 2017, 17. März 2017 bzw. 29. Mai 2017, UA S. 10-12), lässt vorliegend nicht auf die Erledigung der Strafvollstreckung betreffend die gegenständlichen Vorverurteilungen schließen. Die erst mit erheblichem Zeitverzug erfolgten nachträglichen Gesamtstrafenbildungen durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Braunschweig vom 13. April 2017 (betreffend die Urteile der Amtsgerichte Braunschweig und Burgdorf vom 12. September 2016 bzw. 1. November 2016, UA S. 11) sowie des Amtsgerichts Uelzen 26. Juni 2017 (betreffend die Urteile der Amtsgerichte Gifhorn und Uelzen vom 2. Juni 2015 bzw. 16. Dezember 2015, UA S. 12) legen vielmehr Gegenteiliges nahe.
Die vorliegend erfolgte Einbeziehung der Einzelgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 29. März 2017 ist daher nicht ausschließbar rechtsfehlerhaft. Das Urteil beruht auch auf dem Rechtsfehler, da in den Fällen der aufgrund Zäsurwirkung anderweitig in Betracht kommenden Einbeziehungen jeweils Gesamtgeldstrafen zu bilden gewesen wären , wohingegen die Strafkammer vorliegend eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hat, die auch nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde (BGH NStZ-RR 2007, 107). Es bedarf daher der erneuten Entscheidung über die Gesamtstrafe. Diese kann nach Aufhebung gemäß § 354 Abs. 1b StPO nachträglich im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO ergehen (BGH aaO).
Die weitere Gesamtstrafe von drei Jahren bleibt von der nachträglichen Neufestsetzung unberührt und kann daher bestehen bleiben. Die verhängte Einzelfreiheitsstrafe für die Tat vom 10. auf den 11. März 2017 (Fall II.4) kann nicht in eine einheitliche Gesamtstrafe mit den übrigen urteilsgegenständlichen Straftaten (Fälle II.5-9) einbezogen werden, da
jedenfalls die Entscheidung des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 17. März 2017 im Verfahren 4 Cs 163 Js 15070/17, durch die der Angeklagte wegen einer Tat vom 6. Januar 2017 zu einer - noch nicht erledigten - Einzelgeldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt worden ist, insoweit Zäsurwirkung entfaltet. Die Zäsurwirkung entfällt selbst dann nicht, wenn im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nunmehr von der Einbeziehung der Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 S. 2 StGB abgesehen würde (Senat, Beschluss vom 29.11.2017 - 3 StR 507/17; Senat NStZ-RR 2001, 103, 104 mwN)."
- 5
- Dem stimmt der Senat zu.
Berg Leplow
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.