Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2012 - 3 StR 81/12

bei uns veröffentlicht am11.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 81/12
vom
11. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Veräußerns von Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) dd) und 2. auf dessen Antrag
- am 11. April 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Verden vom 22. November 2011

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Veräußerung von Betäubungsmitteln in 46 Fällen (elf Fälle
unter III. 2. der Urteilsgründe und 35 Fälle unter III. 3. der
Urteilsgründe) schuldig ist,

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
aa) im übrigen Schuldspruch,
bb) im Ausspruch über die Einzelstrafen mit Ausnahme der
in den Fällen III. 3. der Urteilsgründe verhängten,
cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
dd) soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Veräußerns von Betäubungsmitteln in 223 Fällen, Abgabe von Betäubungsmitteln in sechs Fällen und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. In weiteren zwölf Fällen hat es ihn vom Vorwurf der Veräußerung von Betäubungsmitteln freigesprochen. Von einer Unterbringung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es ohne Begründung abgesehen. Dagegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten in einem Teil der Fälle unter III. 2. der Urteilsgründe, in denen er Haschisch im Gegenwert des Einkaufspreises gegen Diazepam-Tabletten eintauschte, wegen Abgabe von Betäubungsmitten verurteilt hat, ändert der Senat den Schuldspruch in eine Verurteilung wegen Veräußerung von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2000 - 2 StR 431/00, NStZ-RR 2001, 118; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 928). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen diesen Vorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
2. Der Schuldspruch unterliegt der Aufhebung, soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen III. 1., in einem Fall unter III. 2. und in den Fällen III. 4. der Urteilsgründe verurteilt hat.
4
a) Das Landgericht hat in diesen Fällen die Veräußerung von Haschisch, die der Angeklagte über einen längeren Zeitraum jeweils mehrmals im Monat vornahm, bzw. dessen Besitz im Mai 2011 als eigenständige Taten im Sinne des § 53 StGB gewertet. Zugleich hat es festgestellt, der Angeklagte habe sich mit dem Haschisch, das er auch für seinen Eigenkonsum bezogen habe, "regelmäßig nach Erhalt der Sozialleistungen am Monatsende sogleich für den folgenden Monat" versorgt und es in seiner Wohnung aufbewahrt. Andererseits habe er, um Betäubungsmittel veräußern zu können, "gelegentlich erst zum Beschaffen von Haschisch" fahren müssen.
5
b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung durchgängig wegen einer tatmehrheitlichen Begehungsweise nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden mehrere Verkaufsvorgänge durch den Erwerb und Besitz der hierzu bestimmten Gesamtmenge zu einer Bewertungseinheit verbunden, sofern sie denselben Güterumsatz betreffen. Dabei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren (BGH, Beschluss vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 21 mwN). Solche Anhaltspunkte bestehen, weil das Landgericht die Beschaffung eines Vorrats für den Folgemonat jeweils zum Monatsende festgestellt hat. Damit kommt sowohl eine Zusammenfassung einzelner Veräußerungen in den Fällen III. 1. der Urteilsgründe zu einer Tat als auch Tateinheit zwischen der letzten Veräußerung in den Fällen III. 2. der Urteilsgründe (Ende April 2011) und dem Besitz einer Teilmenge zum Eigenverbrauch im Fall III. 4. der Urteilsgründe (erste Maihälfte 2011) in Betracht (vgl. Körner/Patzak, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 13 Rn. 100, 108).
6
c) Eine Änderung des Schuldspruchs in dieser Hinsicht ist dem Senat nicht möglich, weil das Landgericht - der monatlichen Bevorratung widersprechend - eine gelegentliche Beschaffung von Haschisch in unmittelbarem Zu- sammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft festgestellt hat. Das neue Tatgericht wird deshalb unter dem Aspekt einer Zusammenfassung einzelner Fälle zu einer Tat insgesamt neue Feststellungen zu den jeweils beschafften Betäubungsmitteln zu treffen haben (§ 353 Abs. 2 StPO).
7
3. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfallen die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen. Weiter unterliegen die Einzelstrafen auch in den übrigen Fällen unter III. 2. der Urteilsgründe der Aufhebung, weil das Landgericht - wie im Übrigen in den Fällen III. 1. der Urteilsgründe - keine Feststellungen zur Wirkstoffmenge der veräußerten Betäubungsmittel getroffen und damit einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand offen gelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2010 - 3 StR 559/09, juris Rn. 5). Entsprechend ist die Gesamtstrafe erneut zuzumessen.
8
4. Das Urteil kann schließlich insoweit nicht bestehen bleiben, als das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt: "Keinen Bestand haben kann das Urteil …, soweit das Landgericht nicht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB geprüft hat. Dies musste sich vorliegend aufdrängen. Ausweislich der Urteilsgründe ist der Angeklagte betäubungsmittelabhängig und konsumiert unter anderem auch Heroin (UA S. 4). Eine in den Jahren 2008/2009 vorgenommene stationäre Entgiftung führte nicht zu einem Erfolg; vielmehr führte der Angeklagte auch danach sowie nach Teilnahme an einem Substitutionsprogramm seinen Betäubungsmittelkonsum fort (UA S. 4). Auch wenn die ausgeurteilten Taten nach den Feststellungen nicht in Gewinnerzielungsabsicht vorgenommen wurden und damit auch nicht der Finanzierung des Eigenkonsums dienten, ist ein symptomatischer Zusammenhang zwischen ihnen und dem bestehenden Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum nicht fernliegend. Genügende Anhaltspunkte dafür, dass die Maßregel keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht hat, bestehen nach den Urteilsfeststellungen nicht. Das Fehlen von Therapiewilligkeit steht einer Anordnung grundsätzlich nicht entgegen (BGH NStZRR 2010, 42[, 43])."
9
Dem schließt sich der Senat an. Der Angeklagte hat das Unterbleiben einer Anordnung des § 64 StGB nicht wirksam vom Revisionsangriff ausgenommen (vgl. auch Fischer, StGB, 59. Aufl., § 64 Rn. 29 a.E.). Das neue Tatgericht wird die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu prüfen haben.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Menges

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 431/00
vom
15. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts, zu Ziffer 3 auf dessen Antrag, am
15. November 2000 einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 12. Juli 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig ist des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall unter Mitführung eines Gegenstands, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 224 Fällen, davon in 70 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln;
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit der Angeklagte in den Fällen 155 bis 224 zu Einzelstrafen von jeweils vier Monaten verurteilt wurde bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe von zwei Jahren cc) soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 73 Fällen, davon in 70 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 154 Fällen unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von fünf Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall unter Mitführung eines Gegenstands, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB hat das Landgericht abgesehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung wegen 70 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in den Fällen 155 bis 224 kann nicht bestehen bleiben. Nach den Feststellungen des Landgerichts tauschte der Angeklagte in diesen Fällen jeweils 1 g Kokain bei dem Zeugen F. gegen ein 1 g Heroin zum Eigenverbrauch ein, weil er Heroin bevorzugte. In weiteren 120 Fällen kaufte er bei dem Zeugen F. 0,5 oder 1 g Heroin, jeweils zum Grammpreis von 100,-- DM. Soweit er in 34 Fällen wegen des Erwerbs von Kokain verurteilt wurde, hat er nach den Urteilsfeststellungen für 1 g Kokain jeweils 120,-- DM bezahlt. Das Landgericht hat den Tausch von Kokain gegen Heroin jeweils als unerlaubtes Handeltreiben in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb angesehen. Das ist rechtsfehlerhaft, weil der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG als ungeschriebenes Merkmal ein Handeln aus Eigennutz voraussetzt; dies ist hier nicht festgestellt. Der Angeklagte gab das Kokain allenfalls zum Selbstkostenpreis an seinen Heroinlieferanten F. zum Zweck des Tauschs weiter; die Urteilsfeststellungen legen nahe, daß angesichts der Preisunterschiede von Heroin und Kokain der Tausch sogar unter dem Selbstkostenpreis erfolgte. Einen über den entgeltlichen Erwerb des Heroins hinausgehenden wirtschaftlichen Nutzen strebte der Angeklagte nicht an. Der unerlaubte Erwerb (von Heroin) steht daher in diesen Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Veräußerung (von Kokain) nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH NJW 1991, 306; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15; Urt. vom 23. April 1992 - 4 StR 146/92; Körner, BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 670). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.
2. Die Einzelstrafen in den Fällen 155 bis 224 können nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat hier auf Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten erkannt; in den Fällen 1 bis 154, in denen der Angeklagte (nur) wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt wurde, sind Freiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten verhängt worden. Im Hinblick auf den höheren Unrechtsgehalt des Handeltreibens gegenüber der (gleichfalls entgeltlichen , aber ohne Eigennutz erfolgenden) Veräußerung von Betäubungsmitteln ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender Beurteilung zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre. Der Senat kann ausschließen, daß sich der Rechtsfehler auf die Bemessung der übrigen Einzelstrafen ausgewirkt hat. Da die Taten 155 bis 224 sämtlich in der Zeit vor dem Urteil des Amtsgerichts Worms vom 13. April 1999 begangen wurden, dem das Landgericht zutreffend eine Zäsurwirkung beigemessen hat, war nur die unter Einbeziehung der Strafe aus dieser Verurteilung gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren aufzuheben. Daß die Bemessung der für die nach dem 13. April 1999 begangenen Verbrechen nach §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verhängten weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten von dem Rechtsfehler beeinflußt sein könnte, kann der Senat ausschließen. 3. Die Erwägungen, aus welchen das Landgericht von der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB abgesehen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte seit 1991 Haschisch und Amphetamin, später auch Kokain, ab Ende 1998 täglich Heroin. Es besteht eine mindestens psychische Abhängigkeit; nach seiner Festnahme litt der Angeklagte überdies unter körperlichen Entzugserscheinungen. Der Angeklagte wurde 1997 und 1998 jeweils unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt; die hier abgeurteilten Taten beging er über-
wiegend zur Sicherung seines Eigenverbrauchs. Das Landgericht hat das Vorliegen eines Hangs im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB bejaht, jedoch angenommen , hieraus ergebe sich die Gefahr der Begehung künftiger Straftaten nicht. Dies hat das Landgericht auf die Erwägung gestützt, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten in seiner Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen ; er werde daher auch bei Fortbestehen seiner Sucht in der Lage sein, künftige Straftaten zu vermeiden, und sich gegebenenfalls einer freiwilligen Drogentherapie unterziehen können. Diese Erwägungen tragen das Absehen von der Anordnung der Maßregel nicht. Der vielfach wegen Gewaltdelikten und Betäubungsmittel-Straftaten vorbestrafte Angeklagte hat seit Entwicklung seiner Heroinsucht im Jahre 1998 in schneller Folge eine Vielzahl von Straftaten begangen, die unmittelbar auf seine Abhängigkeit zurückzuführen sind und deren krimineller Gehalt sich stetig steigerte. Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts drängt sich die Annahme auf, daß er bei Fortbestehen seiner Sucht auch zukünftig Straftaten von erheblichem Gewicht begehen wird, um seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren. Daß er bei Begehung der abgeurteilten Taten voll schuldfähig war, steht dem nicht entgegen; vielmehr zeigen gerade diese Taten, daß der Angeklagte trotz voll erhaltener Steuerungsfähigkeit immer wieder geneigt
ist, zur Finanzierung seiner Sucht auch Straftaten erheblichen Gewichts zu begehen. Die Möglichkeit einer freiwilligen Therapie nach § 35 BtMG steht der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 64 Rdn. 8 m.w.N.). RinBGH Dr. Otten ist infolge Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. Jähnke Jähnke Rothfuß Fischer Elf

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

5
III. Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer zu Lasten der Angeklagten gewertet, dass die Grenze der nicht geringen Menge deutlich überschritten wurde, ohne den Wirkstoffgehalt des Kokains - notfalls im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" - festzustellen. Damit hat es einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand (Weber, BtMG 3. Aufl. Vor §§ 29 ff. Rdn. 799 ff., 804 ff. m. w. N.) offen gelassen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass im Fall II. 1. der Urteilsgründe der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. Gleiches gilt im Fall II. 2. der Urteilsgründe, wo die verhängten Einzelstrafen indes bereits wegen der Aufhebung des jeweiligen Schuldspruchs keinen Bestand haben. In den übrigen Fällen, in denen die Angeklagten den Verkaufspreis für geliefertes Kokain transportierten, ist wegen der verhängten Freiheitsstrafen von jeweils lediglich neun Monaten ausgeschlossen, dass das Landgericht bei genauer Feststellung der Wirkstoffmengen noch mildere Strafen verhängt hätte, sodass sich der Rechtsfehler nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt hat. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.