Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2019 - 3 StR 68/19

bei uns veröffentlicht am19.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 68/19
vom
19. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:190319B3STR68.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. März 2019 einstimmig
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 12. November 2018 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die bereits erlassene Vorstrafe des Angeklagten nicht strafschärfend berücksichtigen dürfen, verkennt sie den Unterschied zwischen der Beseitigung des Strafmakels und der Tilgungsreife im Bundeszentralregister (vgl. BeckOK JGG/Sengbusch, § 97 Rn. 15). Zwar ist davon auszugehen, dass mit Erlass der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auch der Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist (§ 100 Satz 1 JGG). Dies hindert den Tatrichter jedoch nicht an der strafschärfenden Berücksichtigung der erlassenen Vorstrafe (BGH, Urteil vom 16. Juni 1982 - 2 StR 131/82, b. Holtz, MDR 1982, 972). Ein Verwertungsverbot entsteht gemäß § 51 Abs. 1 BZRG erst, wenn die Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt oder zu tilgen ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 10 C 4.14, BVerwGE 150, 17 Rn. 15, 19). Tilgungsreife war bei Erlass des angefochtenen Urteils indes noch nicht eingetreten. Die mit dem Tag des ersten Urteils beginnende (§ 47 Abs. 1 iVm § 36 Satz 1 BZRG) Tilgungsfrist betrug nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d BZRG fünf Jahre und endete erst mit Ablauf des 24. November 2018 (zur Berechnung der Frist vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 5 StR 270/14, NStZ-RR 2014, 356).
Schäfer Gericke Spaniol Wimmer Tiemann

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2019 - 3 StR 68/19 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 51 Verwertungsverbot


(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. (

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 47 Feststellung der Frist und Ablaufhemmung


(1) Für die Feststellung und Berechnung der Frist gelten die §§ 35, 36 entsprechend. (2) Die Tilgungsfrist läuft nicht ab, solange sich aus dem Register ergibt, daß die Vollstreckung einer Strafe oder eine der in § 61 des Strafgesetzbuchs aufgefü

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 36 Beginn der Frist


Die Frist beginnt mit dem Tag des ersten Urteils (§ 5 Abs. 1 Nr. 4). Dieser Tag bleibt auch maßgebend, wenn 1. eine Gesamtstrafe oder eine einheitliche Jugendstrafe gebildet,2. nach § 30 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes auf Jugendstrafe erkannt wird

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 100 Beseitigung des Strafmakels nach Erlaß einer Strafe oder eines Strafrestes


Wird die Strafe oder ein Strafrest bei Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe nach Aussetzung zur Bewährung erlassen, so erklärt der Richter zugleich den Strafmakel als beseitigt. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Verurteilung na

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - 5 StR 270/14

bei uns veröffentlicht am 15.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 270/14 vom 15. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2014 beschlossen: Die Revision des Angek

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wird die Strafe oder ein Strafrest bei Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe nach Aussetzung zur Bewährung erlassen, so erklärt der Richter zugleich den Strafmakel als beseitigt. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches handelt.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) Für die Feststellung und Berechnung der Frist gelten die §§ 35, 36 entsprechend.

(2) Die Tilgungsfrist läuft nicht ab, solange sich aus dem Register ergibt, daß die Vollstreckung einer Strafe oder eine der in § 61 des Strafgesetzbuchs aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung noch nicht erledigt oder die Strafe noch nicht erlassen ist. § 37 Abs. 1 gilt entsprechend.

(3) Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Eintragung einer Verurteilung, durch die eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis für immer angeordnet worden ist, hindert die Tilgung anderer Verurteilungen nur, wenn zugleich auf eine Strafe erkannt worden ist, für die allein die Tilgungsfrist nach § 46 noch nicht abgelaufen wäre.

Die Frist beginnt mit dem Tag des ersten Urteils (§ 5 Abs. 1 Nr. 4). Dieser Tag bleibt auch maßgebend, wenn

1.
eine Gesamtstrafe oder eine einheitliche Jugendstrafe gebildet,
2.
nach § 30 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes auf Jugendstrafe erkannt wird oder
3.
eine Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren ergeht, die eine registerpflichtige Verurteilung enthält.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 270/14
vom
15. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2014 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 13. Februar 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die in Polen erlittene Auslieferungshaft auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe im Maßstab 1:1 angerechnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes und wegen versuchter (besonders) schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen sowie formellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten war lediglich der Anrechnungsmaßstab für die durch den Angeklagten erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB, § 354 Abs. 1 StPO analog). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf allerdings Folgendes:
2
1. In Einklang mit der Auffassung der Revision war in Bezug auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Neumünster vom 13. Februar 2009 am Tag der Urteilsverkündung (13. Februar 2014) Tilgungsreife eingetreten. Sonderregelungen für die Berechnung des Fristenlaufs enthält das Bundeszentralregistergesetz nicht. Die §§ 42, 43 StPO beanspruchen lediglich Geltung für strafpro- zessuale Fristen (vgl. KK/Maul, StPO, 7. Aufl., § 43 Rn. 6), denen die zentralregisterrechtlichen Tilgungsfristen indessen nicht zugeordnet werden können. Demgemäß sind die allgemeinen Regelungen der §§ 186 ff. BGB heranzuziehen , an denen grundsätzlich auch das öffentliche Recht zu messen ist (vgl. GmS-OGB, Beschluss vom 6. Juli 1972 – GmS-OGB 2/71, BGHZ 59, 396, 397; BGH, Beschluss vom 24. November 1987 – 5 AR Vollz 6/87, BGHSt 35, 107, 110 f.). Im Hinblick darauf, dass § 47 Abs. 1 i.V.m. § 36 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG nicht an ein Ereignis oder einen in den Lauf des Tages fallenden Zeit- punkt anknüpft (vgl. § 187 Abs. 1 BGB), sondern an den „Tag“ des Urteils bzw. der Unterzeichnung des Strafbefehls, war der 13. Februar 2009 nach § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB in die Frist einzurechnen. Demnach hat die Fünfjahresfrist des § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG mit Ablauf des 12. Februar 2014 geendet.
3
2. Das daraus resultierende Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich nicht. Die Strafkammer hat den im Strafbefehl festgestellten Sachverhalt lediglich als eines von mehreren Anzeichen herangezogen, die die Richtigkeit der Aussage des Geschädigten unterstützten (UA S. 11). Die – von Realdetails geprägte und konstante – Aussage des Geschädigten (UA S. 10) wurde jenseits dessen in zentralen Teilen bestätigt durch die Bekundungen der Sicherheitskraft, die die Flucht zweier Täter beobachtete und Schüsse wahrnahm, sowie die Aussage des zum Tatort gerufenen Polizeibeamten namentlich zum Zustand des Zimmers des Opfers. Dem Opfer wurde auch über dessen Betreuer, der dies und die Gesamtumstände bestätigte, Ende des Jahres 2009 eine Geldzahlung für eine später tatsächlich erfolgte „Rücknahme“ der Strafanzeige gegen den Angeklagten angeboten und ausgezahlt. Hinsichtlich des geraubten Mobiltelefons wurden für den Zeitraum nach der Tat Verbindungsdaten zu dem Angeklagten nahestehenden Personen festgestellt.
4
Im Blick auf diese Beweislage kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer die Aussage des Opfers als unglaubhaft gewertet hätte und der Schuldspruch abweichend ausgefallen wäre, wenn der genannte Strafbefehl nicht herangezogen worden wäre. Gleiches gilt für den Strafausspruch. Denn die Strafkammer hat die „nicht nennenswerte“ Vorverurteilung ausdrücklich nicht zum Nachteil des Angeklagten gewichtet (vgl. UA S. 22, 23); es ist ausgeschlossen , dass sie den Angeklagten milder beurteilt hätte, wenn sie ihn als gänzlich unbestraft behandelt hätte.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König