Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 48/18
vom
22. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:220119B3STR48.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 2. auf dessen Antrag - am 22. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. September 2017 aufgehoben
a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafe wegen der Tat zu Lasten des Nebenklägers A. C. und über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
b) im Ausspruch über die Einziehung; diese entfällt. Im Umfang der Aufhebung zu a) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 22. August 2016 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Mit Beschluss vom 7. Februar 2017 (3 StR 532/16) hatte der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten erneut des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und wiederum auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren erkannt; darüber hinaus hat es - erstmals - die Einziehung eines Schreckschussrevolvers mit Patronen und eines Einhandmessers angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung hat, wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend dargelegt hat, zum Schuldspruch ebenso wie zum Ausspruch über die Einzelstrafe wegen der Tat zu Lasten der Nebenklägerin J. C. keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
4
2. Der Ausspruch über die Einzelstrafe, die das Landgericht wegen der an dem Nebenkläger A. C. begangenen gefährlichen Körperverletzung verhängt hat, hat dagegen keinen Bestand, weil das Landgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist. Es hat die Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zwar rechtsfehlerfrei dem Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB entnommen. Diesen hat es jedoch auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren - anstatt richtigerweise von sechs Monaten bis zu zehn Jahren - bestimmt.
5
Auf dem Fehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es vom richtigen Strafrahmen ausgegangen wäre.
6
Der Ausspruch über die Einzelstrafe wegen der Tat zu Lasten des Nebenklägers ist somit aufzuheben, was auch die Aufhebung der Gesamtstrafe bedingt. Die zugehörigen Feststellungen bleiben von dem Wertungsmangel unberührt und können somit bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO).
7
3. Der Ausspruch über die Einziehung gerät ersatzlos in Wegfall. Diese Anordnung verstößt gegen das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO unabhängig davon, ob im Ersturteil die Einziehung rechtsfehlerhaft unterblieben war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 1990 - 1 StR 182/90, bei Miebach/Kusch, NStZ 1991, 122; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 358 Rn. 27).
Schäfer Gericke Spaniol Berg Hoch

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2019 - 3 StR 48/18 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2017 - 3 StR 532/16

bei uns veröffentlicht am 07.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 532/16 vom 7. Februar 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2017:070217B3STR532.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des.

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 532/16
vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070217B3STR532.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 7. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 22. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf prozess- und materiellrechtliche Beanstandungen gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fühlte sich der Angeklagte durch eine Äußerung seiner Schwester provoziert. Er holte ein Messer mit einer Klingenlänge von neuneinhalb Zentimetern, stellte sich im Flur des Elternhauses frontal vor seine Schwester und versetzte dieser mit bedingtem Tötungsvorsatz zwei Stiche in den Bauch sowie die linke Seite. Daraufhin wich die Geschädigte zurück. Ihr Ehemann, der Schwager des Angeklagten, der das Geschehen beobachtet hatte, rief: "Bist du wahnsinnig, hör auf, das darfst du nicht" und ging auf den Angeklagten zu. Dieser erkannte, dass er den Angriff auf seine Schwester nicht mehr ungehindert fortsetzen konnte. Daher wandte er sich zunächst seinem Schwager zu und versetzte auch diesem mit dem Messer mehrere Stiche. Der Schwester des Angeklagten gelang es, durch die Haustür zu den Nachbarn zu fliehen. Der Schwager des Angeklagten flüchtete in die Waschküche des Hauses. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass er den Angriff gegen seinen Schwager ohne Weiteres fortsetzen konnte, kehrte gleichwohl schließlich in sein Zimmer zurück, wo er später festgenommen wurde.
3
Die Strafkammer hat den Angriff des Angeklagten auf seine Schwester als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 212 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, §§ 22, 23 Abs. 1, § 12 Abs. 1 StGB) gewertet und ausgeführt, ein strafbefreiender Rücktritt (§ 24 Abs. 1 StGB) vom versuchten Totschlag komme nicht in Betracht. Der Angeklagte habe aufgrund des Dazwischentretens seines Schwagers erkannt, dass es nicht mehr möglich gewesen sei, den Angriff auf seine Schwester fortzusetzen. Deshalb sei der Versuch fehlgeschlagen und der Angeklagte habe die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben.
4
2. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Beweiswürdigung ist auch mit Blick auf den eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) lücken- und damit rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe den Angriff auf seine Schwester aufgrund des Dazwischentretens des Schwagers nicht fortsetzen können, nicht belegt. Die Ausführungen in der Beweiswürdigung zu der Tat zum Nachteil der Schwester des Angeklagten verhalten sich vielmehr lediglich zu dessen Einlassung , er habe nicht gemerkt, dass er seine Schwester mit dem Messer getroffen habe und sie nicht töten wollen. Diese Angaben widerlegend hat die Strafkammer nur die von ihr getroffenen Feststellungen zu dem aktiv geführten Angriff des Angeklagten und seinem Tötungsvorsatz begründet. Weitere Ausführungen zu ihrer Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt hat sie nicht gemacht. Damit ist die für die Frage des Rücktritts vom Tötungsversuch bedeutsame Feststellung nicht belegt, der Angeklagte sei nach seiner Vorstellung zum Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung nicht in der Lage gewesen, den Angriff auf seine Schwester fortzusetzen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe. Danach ist es nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte trotz des Verhaltens seines Schwagers etwa seiner Schwester hätte hinterherlaufen und ihr weitere Messerstiche versetzen können , dies aber aus autonomen Motiven unterließ.
5
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft zwar unmittelbar nur das Geschehen zum Nachteil der Schwester des Angeklagten. Er bedingt gleichwohl die Aufhebung des gesamten Urteils einschließlich der - für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen zu der Tat zum Nachteil des Schwagers des Angeklagten; denn das Geschehen überschneidet sich teilweise und weist insgesamt einen derart engen Zusammenhang auf, dass die isolierte Aufhebung nur eines Teils der Feststellungen die Gefahr von Widersprüchen begründen würde. Dem neuen Tatgericht ist es deshalb zu ermöglichen , insgesamt einheitliche Feststellungen zu treffen. Die Sache bedarf somit in vollem Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.