Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2003 - 3 StR 405/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Die Revision des Beschuldigten, die in allgemeiner Form die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat Erfolg. 1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) stellt eine Maßnahme dar, die schwerwiegend und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Beschuldigten eingreift. Sie bedarf daher sorgfältiger Begründung , nicht nur, um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Entscheidung zu ermöglichen, sondern auch, weil die Unterbringungsanordnung die Grundlage für die später zu treffenden Entscheidungen über den weiteren Vollzug der Maßregel darstellt (vgl. § 67 e StGB). Das angefochtene - auf dreieinhalb Seiten begründete - Urteil genügt den danach zu stellenden Anforderungen nicht. Es enthält eine Vielzahl von Feststellungsmängeln, Lücken und Widersprüchenund belegt daher nicht hinreichend, daß die Voraussetzungen der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB vorliegen. Im einzelnen: Das Landgericht stellt nicht fest, ob die Gaspistole, die der Beschuldigte bei der - vom Landgericht beiläufig (UA S. 4) als Bedrohung gewerteten - Anlaßtat zum Nachteil des Zeugen W. als Drohmittel einsetzte, geladen war. Das Maß der objektiven Gefährlichkeit dieser Tat bleibt daher offen. Dieses kann aber sowohl für die Gefährlichkeitsprognose nach § 63 StGB als auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 62 StGB Bedeutung erlangen. Gleiches gilt für die fehlenden Feststellungen zum natürlichen Vorsatz des Beschuldigten bei dieser Tat. Sein mit dem Einsatz der Gaspistole eigentlich verfolgtes Ziel wird nicht erkennbar. Nach den Urteilsgründen erscheint es möglich, daß sich der Beschuldigte lediglich dem Kontakt mit dem Zeugen W. entziehen wollte. In diesem Falle käme dem Verhalten des Beschuldigten aber wesentlich geringeres Gewicht zu. Für die "Sammlung und Lagerung der Munition und Munitionsreste" fehlt es an einer rechtlichen Zuordnung zu den Vorschriften des Sprengstoffgesetzes. Eine Beweiswürdigung zu den beiden Anlaßtaten enthält das Urteil nicht. Es begnügt sich insoweit mit dem pauschalen Hinweis, die dazu getroffenen Feststellungen beruhten auf der weitgehend geständigen Einlassung des Beschuldigten, soweit ihr die Strafkammer zu folgen vermochte, sowie den Aussagen von Zeugen und dem Inhalt von Gutachten. Damit bleibt offen, inwieweit der Beschuldigte die Anlaßtaten - glaubhaft - eingeräumt hat, und in welchem Umfang und aufgrund welcher Überlegungen sich die Strafkammer aufgrund der erhobenen Beweise im übrigen von den Anlaßtaten überzeugt
hat. Der Senat ist daher nicht in der Lage zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts frei von Rechtsfehlern ist. Die Darlegungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten sind widersprüchlich. Während es einerseits ausführt, der Beschuldigte habe sowohl bei der "Bedrohung des Zeugen W. " als auch bei der "Sammlung und Lagerung der Munition und Munitionsreste" im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit gehandelt (UA S. 4), legt es andererseits dar, es sei möglich, daß der Beschuldigte "noch teilweise" in der Lage gewesen ist, das Unrecht des Sammelns und Lagerns von Sprengstoff einzusehen, und - eingeschränkt - nach dieser Einsicht zu handeln (UA S. 5). Die Unterbringung wird dann darauf gestützt, daß die Taten vom Beschuldigten "im Zustand krankheitsbedingter nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit" begangen worden seien (UA S. 5). Damit sind die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht belegt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur in Betracht, wenn positiv festgestellt ist, daß der Beschuldigte bei der Anlaßtat schuldunfähig (§ 20 StGB) oder seine Schuldfähigkeit wenigstens erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Dies läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen , die auch nach ihrem Gesamtzusammenhang nicht mit der gebotenen Sicherheit den Schluß zulassen, daß beim Beschuldigten zumindest die Voraussetzungen des § 21 StGB vorlagen. Im übrigen ist nach den Darlegungen des Landgerichts lediglich nicht ausgeschlossen, daß abstruse Bedrohungsszenarios des Beschuldigten für das Abfüllen des TNT in den Gewürzdosen verantwortlich gewesen sind. Kommen danach aber auch andere Ursachen für dieses Verhalten in Betracht, ist der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Zustand des Beschuldigten im Sinne des § 63 StGB und dieser Anlaßtat nicht belegt.
Die Gefährlichkeitsprognose hätte eingehenderer Begründung bedurft. Seit seinem Aufenthalt im Dezember 1982 in den Rheinischen Kliniken Bedburg -Hau, wo die Verdachtsdiagnose "Hebephrenie" nicht bestätigt worden war, ist der Beschuldigte bis zu der Tat vom 27. Januar 2002 weder durch Aggressivitäten aufgefallen noch strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch wenn er sich aufgrund der nunmehr vom Sachverständigen Dr. P. diagnostizierten hebephrenen Schizophrenie ständig bedroht fühlt und stets Gas- bzw. Schreckschußpistolen oder Stechwerkzeuge zur Verteidigung mit sich führt, hätte es - insbesondere auch im Hinblick auf die "blande Verlaufsform" der Krankheit - näherer Darlegungen bedurft, warum nach dem Krankheitsbild nunmehr mit weiteren Aggressionstaten des Beschuldigten zu rechnen ist. Dazu hätte insbesondere auch deswegen Anlaß bestanden, weil der Beschuldigte laut Urteilsrubrum erst am 6. Januar 2003 festgenommen worden war und sich den Feststellungen nicht entnehmen läßt, daß es bis zu diesem Zeitpunkt zu weiteren einschlägigen Auffälligkeiten des Beschuldigten gekommen ist. Vor diesem Hintergrund war es hier auch unerläßlich zu erörtern, ob eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht kam (§ 67 b StGB). Insbesondere hätte es einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob bei dem Beschuldigten Krankheitseinsicht besteht und - so dies der Fall sein sollte - durch Medikation eine Linderung der Krankheit und damit eine Minderung der Gefährlichkeit des Beschuldigten so weit möglich ist, daß durch entsprechende, vom Beschuldigten akzeptierte Weisungen der Heilungs- und Sicherungszweck der Maßregel auch ohne deren Vollzug erreichbar erscheint (§ 67 b Abs. 1 Satz 1 StGB). 2. Mit der Aufhebung des Maßregelausspruchs entfällt auch die - mit keinem Wort begründete - Einziehungsanordnung. Diese hätte ohnehin keinen
Bestand haben können. Im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO können allein Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern dagegen allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO), wenn die Voraussetzungen des § 76 a Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB vorliegen. Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so daß es für die Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt. Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Führt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durch, so kann sie den Antrag stellen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie als Nebenfolge die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig ist und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist (Sicherungsverfahren).
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: - a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist, - b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
- 2.
Amtsträger: wer nach deutschem Recht - a)
Beamter oder Richter ist, - b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder - c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
- 2a.
Europäischer Amtsträger: wer - a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist, - b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder - c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
- 3.
Richter: wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist; - 4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter: wer, ohne Amtsträger zu sein, - a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder - b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist; - 5.
rechtswidrige Tat: nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht; - 6.
Unternehmen einer Tat: deren Versuch und deren Vollendung; - 7.
Behörde: auch ein Gericht; - 8.
Maßnahme: jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung; - 9.
Entgelt: jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.
(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.
(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.