Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 3 StR 400/15

bei uns veröffentlicht am10.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2015
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. Juli 2015 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 6. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen sowie des versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung bezüglich der in Rumänien erlittenen Auslieferungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teileinstellung des Verfahrens und der damit einhergehenden Schuldspruchänderung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
II. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
III. Den Antrag auf Verfahrenseinstellung hat der Generalbundesanwalt wie folgt begründet: "Gegen die Einbeziehung der Einzelstrafe im Fall 6 der Urteilsfeststel- lungen […] in die Gesamtstrafenbildung bestehen Bedenken, da insoweit zurzeit ein Vollstreckungshindernis besteht. Diese Tat ist nicht im Euro- päischen Haftbefehl vom 4. November 2014 […] aufgeführt und lag da- her nicht der Auslieferung des Angeklagten aus Rumänien zugrunde (§ 83h Abs. 1 IRG; vgl. EuGH, NJW 2009, 1057; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 442/12, juris; BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - 3 StR 40/15, juris). Ein diesbezügliches Nachtragsersuchen wurde bisher nicht gestellt. Der Angeklagte hat auch nicht auf den Grundsatz der Spezialität gemäß § 83h Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 IRG verzichtet […]. Da die im Fall 6 verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe im Hinblick auf die Strafe, die der Angeklagte wegen der übrigen Taten zu erwarten hat (UA S. 54 f.), nicht beträchtlich ins Gewicht fällt und die Sache im Übrigen entscheidungsreif ist, erscheint aus verfahrensökonomischen Gründen eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO angezeigt. Ein Abwarten zur Stellung eines Nachtragsersuchens erscheint daher - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2012 - 1 StR 314/12, juris)."
4
Dem schließt sich der Senat an und stellt das Verfahren entsprechend ein. Dies bedingt die Änderung des Schuldspruchs. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten, zweimal zwei Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr und zwei Monaten sowie einem Jahr ohne die im eingestellten Fall festgesetzte Einzelstrafe eine geringere als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 83h Spezialität


(1) Von einem Mitgliedstaat aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebene Personen dürfen 1. wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen Tat als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt, weder verfolgt noch verurteilt noch einer freiheits

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Von einem Mitgliedstaat aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebene Personen dürfen

1.
wegen einer vor der Übergabe begangenen anderen Tat als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt, weder verfolgt noch verurteilt noch einer freiheitsentziehenden Maßnahme unterworfen werden und
2.
nicht an einen dritten Staat weitergeliefert, überstellt oder in einen dritten Staat abgeschoben werden.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn

1.
die übergebene Person den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, oder nach Verlassen in ihn zurückgekehrt ist,
2.
die Straftat nicht mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung bedroht ist,
3.
die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt,
4.
die übergebene Person der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung ohne Freiheitsentzug unterzogen wird, selbst wenn diese Strafe oder Maßnahme die persönliche Freiheit einschränken kann, oder
5.
der ersuchte Mitgliedstaat oder die übergebene Person darauf verzichtet hat.

(3) Der nach Übergabe erfolgte Verzicht der übergebenen Person ist zu Protokoll eines Richters oder Staatsanwalts zu erklären. Die Verzichtserklärung ist unwiderruflich. Die übergebene Person ist hierüber zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 442/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 21. März 2012 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Der Beschwerdeführer ist wegen keiner „anderen Handlung“ im Sinne des
Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni
2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen
den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1 ff.) verurteilt
worden als derjenigen, die seiner Übergabe zugrunde lag. Ungeachtet der geltend
gemachten Abweichungen zwischen der ungarischen Bewilligungsentscheidung
und dem Urteil hinsichtlich der Tatzeiten - wobei der Generalbundesanwalt
zurecht darauf hinweist, dass es sich ersichtlich um bloße Schreibfehler
handelt, wie ein Vergleich der Beschreibung der Taten (z.B. KfzKennzeichen
und Tatorte) zeigt - stimmen die Tatzeiten im Europäischen Haftbefehl
mit denen nach den Urteilsfeststellungen überein (vgl. hierzu EuGH, Urteil
vom 1. Dezember 2008 - C-388/08 Rn. 59, NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine;
BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09 Rn. 14, BGHR IRG
§ 83h Abs. 1 Nr. 1 Spezialitätsgrundsatz 2). Unter keinem Gesichtspunkt ergibt
sich daher eine Änderung der Art der Straftat oder ein Grund für ein Absehen
von der Vollstreckung nach den Art. 3 und 4 des Rahmenbeschlusses (vgl. zu
diesem Maßstab EuGH aaO Rn. 57, siehe auch Heine aaO S. 40).
Deswegen braucht der Senat nicht zu entscheiden, inwieweit ein Verstoß gegen
den Spezialitätsgrundsatz bei Auslieferung aufgrund eines Europäischen
Haftbefehls, wobei es sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union um kein Verfahrens-, sondern um ein Vollstreckungshindernis
und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen handelt (EuGH aaO
Rn. 70 ff.; BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011, 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100;
Beschluss vom 9. Februar 2012, 1 StR 148/11, NJW 2012, 1302), grundsätzlich
revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (dies verneinend Heine aaO S. 40;
vgl. aber BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011, 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100 zu
Fallkonstellationen, in denen die revisionsgerichtliche Entscheidung unmittelbar
die Vollstreckung beeinflusst) und ob es dazu jedenfalls der Erhebung einer
Verfahrensrüge bedarf.
Nack Rothfuß Hebenstreit
Jäger Cirener

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 0 / 1 5
vom
3. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Raub u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. März
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 8. Oktober 2014
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben;
b) im Strafausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 15. Juli 2010 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Erwägungen, auf die der Senat Bezug nimmt, unbegründet.
3
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge hat zum Schuldspruch und der insoweit verhängten Freiheitsstrafe keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Nicht bestehen bleiben kann jedoch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
4
Der Angeklagte ist aufgrund des Europäischen Haftbefehls vom 23. Januar 2013 (Bl. 64 ff., Bd. II HA), der Bezug nimmt auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Lingen vom 5. Januar 2013 (Bl. 55, Bd. II HA), von der Republik Polen ausgeliefert worden, nachdem das Bezirksgericht Opole mit Entscheidung vom 23. April 2013 (Bl. 89 ff., Bd. II HA) die Auslieferung bewilligt hatte. Der vorgenannte Europäische Haftbefehl erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständliche Straftat unter Einschluss eines weiteren Delikts, hinsichtlich dessen das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Nur zur Verfolgung dieser Straftaten ist der Angeklagte , der auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet hat, von der Republik Polen ausgeliefert worden. Eine Auslieferungsbewilligung zur Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn liegt bisher nicht vor.
5
Bei dieser Verfahrenslage verstößt die Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 15. Juli 2010 in die Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Grundsatz der Spezialität (Art. 83h Abs. 1 IRG). Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden (BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2013 - 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178; vom 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590 mwN). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn zur Bewährung ausgesetzt worden ist; ein Anwendungsfall der Ausnahmeregelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG liegt insoweit nicht vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100; vom 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590).
6
Es verbleibt damit bei der für die gegenständliche Tat ausgeurteilten Freiheitsstrafe von vier Jahren.
7
3. Der Teilerfolg der Revision ist nicht von solchem Gewicht, dass die vollständige Auferlegung der Kosten und Auslagen unbillig erscheint, § 473 Abs. 1 und 4 StPO.
Becker Hubert Mayer Gericke Spaniol

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 314/12
vom
7. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2012 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 9. Februar 2012 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt , soweit der Angeklagte wegen vier tatmehrheitlich begangener Vergehen des Betrugs verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Entziehung Minderjähriger, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung , zweifacher Vergewaltigung und Nötigung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Entziehung Minderjähriger, Betrugs in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren in den Fällen II Taten 2 bis 5 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt wurde, gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 28. Juni 2012 ausgeführt: „Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs verstößt gegen den Spezialitätsgrundsatz, normiert in Artikel 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten - 2002/584/JI - (RbEUHb). Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Der Lebenssachverhalt der von ihm begangenen Betrugstaten war weder Gegenstand des Europäischen Haftbefehls vom 9. November 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 220ff), noch des Internationalen Haftbefehls vom 30. Oktober 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 84ff). Ein entsprechendes Nachtragsersuchen wurde nicht gestellt. Nach Aktenlage hat der Angeklagte auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Seine ausdrückliche Zustimmung zur Übergabe wegen der im Europäischen Haftbefehl genannten Taten (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 312,313) kann man- gels anderweitiger Anhaltspunkte nicht zugleich als „ausdrücklicher Verzicht“ auch auf den Grundsatz der Spezialität nach Art. 13 Abs. 1 RbEUHb interpretiert werden (vgl. BGH 1. Strafsenat, Urteil vom 08.08.1989 - 1 StR 296/89 -, Fundstelle juris Rdnr. 2 m.w.N. zu Art. 14 EuALÜbK). Ein Entfallen der Spezialität nach Art. 27 Abs. 3 b) RbEUHb ist ebenfalls nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich bei einer Auslieferung aufgrund Europäischen Haftbefehls aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08 [Leymann und Pustovarov], NStZ 2010, 35 mit Anm. Dr. Heine; konkludent zustimmend : BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 09.02.2012 - 1 StR 152/11 -, Fundstelle juris Rdn. 20). Gleichwohl erscheint im vorliegenden Fall - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - kein Innehalten zur Stellung eines Nachtragsersuchens veranlasst, sondern die beantragte Teileinstellung des Verfahrens opportun.“
3
Dem tritt der Senat bei.
4
Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt von der teilweisen Einstellung des Verfahrens unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die Einsatzstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und die übrigen in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelstrafen von vier Jahren sowie zwei Jahren und acht Monaten aus, dass sich der Wegfall der Verurteilungen im Fall II. mit zweimal drei Monaten sowie vier und sieben Monaten Freiheitsstrafe auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.
5
Im Hinblick auf den lediglich geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbliebenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). RiBGH Rothfuß ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Hebenstreit Graf Cirener