Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2011 - 3 StR 355/11

bei uns veröffentlicht am10.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 355/11
vom
10. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Revision der Angeklagten Y. T.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
10. November 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten Y. T. wird das Urteil
des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Juni 2011
aufgehoben,

a) soweit es sie und die Mitangeklagten Al. und A.
M. betrifft,

b) den Mitangeklagten M. T. betreffend,
aa) soweit er in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt
worden ist,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte Y. T. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (II. 7. der Urteilsgründe) und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (II. 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; allerdings bleiben die durch die Gesetzesverletzung nicht betroffenen bisherigen Feststellungen aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel führt auch zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten M. T. sowie Al. und A. M. zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Landgericht diese Angeklagten in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen fünffachen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagter T. ) bzw. fünffacher Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagte M. ) verurteilt hat.
2
1. Nach den Feststellungen zu den Taten II. 7. der Urteilsgründe lagerte der Mitangeklagte T. in Absprache mit den Mitangeklagten M. im Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 vier mal 100 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % Heroinhydrochlorid und einmal ein Kilogramm eines Gemisches mit Amphetamin (Wirkstoffgehalt 3 %) in deren Keller ein. Die Angeklagte, der Mitangeklagte T. und ein B. portionierten die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf, den der Mitangeklagte T. , B. und ein weiterer "Läufer" besorgten.
3
Damit ist nicht belegt, dass die vier Angeklagten diese fünf Taten bandenmäßig begangen haben.
4
Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides - Mitgliedschaft in einer Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits - ist begrifflich voneinander zu trennen. Entsprechend handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "als Mitglied einer Bande" - im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis - um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216).
5
In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zu einer derartigen vorgelagerten Bandenabrede. Sie muss zwar nicht ausdrücklich getroffen werden; es genügt vielmehr jede Form einer stillschweigenden Vereinbarung , die aus dem wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 219 f.). Die bloße Schilderung eines wiederholten deliktischen Zusammenwirkens ist für sich aber nicht ausreichend, um das Zustandekommen einer Bandenabrede zu belegen. Insbesondere trägt die Erwägung des Landgerichts nicht, an einer "bandenmäßigen Begehungsweise" bestünden keine Zweifel, da "neben den Eheleuten T. und den Eheleuten M. noch die gesondert verfolgten R. , E. und B. am Betäubungsmittelhandel beteiligt" gewesen seien. Damit bezeichnete das Landgericht nur tatbezogene Mitwirkungserfordernisse, aber nicht die für das besondere persönliche Merkmal der Mitgliedschaft in einer Bande konstitutive Vereinbarung, künf- tig zur Begehung einer Mehrzahl im Einzelnen noch unbestimmter einschlägiger Delikte zusammenzuwirken.
6
Der Schuldspruch der Revisionsführerin hat deshalb in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe keinen Bestand. Da der aufgezeigte Rechtsfehler auch die drei Mitangeklagten betrifft, ist die Aufhebung des Urteils gemäß § 357 Satz 1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken.
7
2. Das Urteil unterliegt weiter der Aufhebung, soweit die Angeklagte im Fall II. 9. der Urteilsgründe (Tat vom 4. Januar 2011) wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.
8
a) Nach den Feststellungen erwarb der Mitangeklagte T. , den die Angeklagte begleitete, am 4. Januar 2011 in den Niederlanden 25 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 26,2 % Heroinhydrochlorid. Die Angeklagte versteckte die Betäubungsmittel in ihrer Hose. Anschließend führten sie und der Mitangeklagte T. die Betäubungsmittel in die Bundesrepublik ein.
9
b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.
10
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die allgemeinen Grundsätze. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts , hier auf den Transport, so kommt es bei der Bestimmung der Beteiligungsform darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Bedeutsam sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, ob also Durchführung und Ausgang der Haupttat zumindest nach der Vorstellung des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Beitrag abhängen sollen.
11
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Betäubungsmittel, von finanziellen Mitteln für den Erwerb oder den Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weitgehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamt- geschäft sprechen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN).
12
Solche den Vorwurf eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragenden Umstände hat das Landgericht indessen nicht festgestellt. Seine Schilderung des Tatablaufs beschränkt sich, soweit es die Angeklagte betrifft, im Wesentlichen auf den Transport des Heroingemischs. Die Feststellungen ergeben daher eine täterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten lediglich hinsichtlich der Betäubungsmitteleinfuhr, nicht jedoch bezüglich des Betäubungsmittelhandels.
13
3. Die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind und es in der neuen Hauptverhandlung lediglich um die Klärung der Frage gehen wird, ob darüber hinaus eine Bandenabrede bzw. mittäterschaftliches Handeln der Angeklagten im Fall II. 9. nachweisbar ist. Entsprechende ergänzende Feststellungen dürfen zu den bisherigen aber nicht in Widerspruch treten.
14
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
15
a) In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob die Angeklagte, die lediglich Betäubungsmittel portionierte, tatsächlich Mittäterin und nicht bloß Gehilfin eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist. Für ihre Beteiligung als Gehilfin spricht, dass das Landgericht bei der Strafzumessung von einer lediglich "untergeordnete [n] Tatbeteiligung" der Angeklagten ausgegangen ist.
16
b) Bei der Strafzumessung wird sich der neue Tatrichter damit zu befassen haben, ob die Vorverurteilung der Angeklagten durch das Amtsgericht Mönchengladbach, die in den vom Landgericht angegebenen Tatzeitraum fällt und möglicherweise nach Begehung von einer der unter II. 7. der Urteilsgründe bezeichneten Taten erging, Zäsurwirkung mit der Folge entfaltet, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 7. April 2006 - 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232; Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72); sie entscheidet über die Zäsurwirkung. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden, darf die Summe der beiden Gesamtstrafen wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht höher sein als die hier ursprünglich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Becker Pfister Hubert Mayer Menges

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

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(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 445/10
vom
5. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
zu 2.: Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu 3.: Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Mai 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagte S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagte S. P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 10. November 2009, soweit es ihn betrifft, 1. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe ,
c) im Gesamtstrafenausspruch, 2. im Schuldspruch zu Fall II. 3. der Urteilsgründe dahin abgeändert , dass der Angeklagte des Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit Besitz von Munition schuldig ist. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
II. Auf die Revision des Angeklagten A. P. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die Revision des Angeklagten S. P. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Den Angeklagten S. hat das Landgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge (Fall II. 1. der Urteilsgründe), wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 2. der Urteilsgründe) und wegen "Führens und Besitzes einer halbautomatischen Kurzfeuerwaffe" (Fall II. 3. der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Weiter hat das Landgericht im Falle II. 2. der Urteilsgründe den Angeklagten A. P. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin- ger Menge und den Angeklagten S. P. der Beihilfe hierzu schuldig gesprochen. Den Angeklagten A. P. hat es deswegen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. April 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten S. P. hat es eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verhängt.
3
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten S. und A. P. beanstanden auch das Verfahren. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. P. hat mit der Sachrüge Erfolg, das des Angeklagten S. den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. sowie die Revision des Angeklagten S. P. sind dagegen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
4
I. Verurteilung der Angeklagten im Falle II. 2. der Urteilsgründe
5
Die Feststellungen zu Fall II. 2. der Urteilsgründe tragen weder die Verurteilung des Angeklagten A. P. wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) noch die des Angeklagten S. wegen Beihilfe hierzu. Die Verurteilung des Angeklagten S. P. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat dagegen Bestand.
6
1. Das Landgericht hat hierzu festgestellt:
7
Zwei in den Niederlanden wohnhafte Personen namens H. und W. verfügten über einen Vorrat von 300 kg Kokain, der in Griechenland lagerte und den sie nach Deutschland und gegebenenfalls weiter in die Niederlande oder nach Großbritannien verbringen lassen wollten. Der frühere Mitangeklagte I. hatte ihnen zugesagt, für den Transport zu sorgen. Dies scheiterte indes zunächst an einer Erkrankung des vorgesehenen Lkw-Fahrers, was H. und W. so verärgerte, dass sie vorübergehend einen Vertrauten des I. als Geisel nehmen ließen. I. bemühte sich deshalb dringend um anderweitige Transportmöglichkeiten. Dabei kam er in Kontakt mit den Angeklagten A. und S. P. , die nach der Insolvenz ihrer Spedition Partner für den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz suchten. Anfang Oktober 2006 erklärte sich der Angeklagte A. P. gegenüber I. bereit, unter dessen Beteiligung umgehend ein neues Unternehmen zu gründen. Beide kamen überein, dass dieses eine Infrastruktur für künftige Drogentransporte bieten , jedoch auch legale Geschäfte abwickeln sollte. Vordringlich sollte es indes dazu dienen, das in Griechenland lagernde Kokain nach Deutschland zu verbringen. Für den Gründungsaufwand erhielt der Angeklagte A. P. von I. zunächst 40.000 € in bar.
8
Am 26. Oktober 2006 reisten die Angeklagten A. P. und S. - dieser war am Vortag mit I. bekannt gemacht und in die Pläne eingeweiht worden - zu einem Treffen mit I. und weiteren Personen nach Griechenland. Dort wurde abgesprochen, als Erstes einen "check test" durchzuführen, um die Häufigkeit und die Intensität der Kontrollen an den einzelnen Grenzstationen zu ermitteln. Für die Errichtung des neuen Unternehmens übergab I. dem Angeklagten A. P. bei dieser Gelegenheit weitere 105.000 € und kurz darauf nochmals 70.000 €.
9
In der Folgezeit betrieb der Angeklagte A. P. die notarielle Gründung und den Aufbau des neuen Transportunternehmens. Zu Geschäftsführern wurden seine Lebensgefährtin sowie ein Vertrauter des I. bestellt. Der Angeklagte S. P. , der zwischenzeitlich ebenfalls erfahren hatte, dass I. den Geschäftsbetrieb dazu nutzen wollte, eine größere Menge Kokain aus Griechenland nach Deutschland zu verbringen, übernahm gegen Gehalt die Aufgaben des Disponenten. Beide rechneten mit einem Transport von mindestens 100 kg Kokain. Sie ließen sich hierauf ein, weil sie hofften, sich auf diese Weise die wirtschaftliche Basis für eine zukünftige legale Geschäftstätigkeit schaffen zu können.
10
Im November 2006 erteilte ein Mitarbeiter des I. den Auftrag, nunmehr die besprochene Testfahrt durchzuführen. Hierzu mietete der Angeklagte A. P. ein Kühlfahrzeug der Marke "Thermoking" an, das der bereits in der Spedition der beiden Angeklagten als Fahrer beschäftigte frühere Mitangeklagte C. deshalb empfohlen hatte, weil er mit einem 100-Liter-Wassertank und weiteren Hohlräumen über gute Versteckmöglichkeiten verfügte. Der Angeklagte S. P. buchte im Wissen um den Zweck der Fahrt die entsprechenden Fährverbindungen zwischen Italien und Griechenland. Vereinbarungsgemäß belud C. das gemietete Fahrzeug in Deutschland mit Milchprodukten , lieferte diese in Griechenland aus und nahm für die Rückfahrt Orangen , anderes Obst und Gemüse auf. In ständigem Telefonkontakt mit dem Angeklagten S. P. und dem Kreis um I. brachte er die Ware nach Deutschland, wo sie der Angeklagte S. entgegennahm und auf dem Berliner Großmarkt verkaufte. An der Planung der Testfahrt war der Angeklagte S. nicht beteiligt. Ein Mitarbeiter des I. hatte ihn "erst kurzfristig" darauf angesprochen , ob er für den Abverkauf der Ladung sorgen könne; er hatte in Kenntnis dessen zugesagt, dass es sich um die Testfahrt für einen Transport von mindestens 100 kg Kokain handelte.
11
Zu dem geplanten Kokaintransport "kam es jedenfalls im Jahre 2006 nicht mehr".
12
2. Danach hat nicht nur der Angeklagte S. P. , sondern auch der Angeklagte A. P. lediglich Beihilfe zum Handeltreiben der niederländischen Hintermänner mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB). Im Einzelnen:
13
a) Die niederländischen Hintermänner haben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252). Das Erfordernis einer auf Umsatz gerichteten Tätigkeit ist dahin zu verstehen, dass diese die einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere zum Endziel haben muss; auf eine tatsächliche Förderung des erstrebten Umsatzes kommt es dabei nicht an, denn Handeltreiben ist kein Erfolgsdelikt. Die Tat ist deshalb auch dann rechtlich vollendet, wenn der erstrebte Umsatz von Betäubungsmitteln nicht erreicht wird (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1981 - 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277).
15
Dass die vom Landgericht festgestellten Bemühungen der Hintermänner, den zu ihrer Verfügung stehenden Vorrat von 300 kg Kokain aus Griechenland nach Deutschland und gegebenenfalls weiter in die Niederlande oder nach Großbritannien transportieren zu lassen, nach diesen Maßstäben den Teilakt einer auf gewinnbringenden Absatz des Betäubungsmittels gerichteten Tätig- keit bildeten, versteht sich nach den Umständen von selbst und bedurfte deshalb keiner besonderen Darlegung.
16
b) Der frühere Mitangeklagte I. hat zu diesem Handeltreiben der Hintermänner jedenfalls - unmittelbar - Beihilfe geleistet.
17
Gemäß § 27 Abs. 1 StGB macht sich als Gehilfe strafbar, wer (vorsätzlich ) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Als Hilfeleistung in diesem Sinne ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen , welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 388 f.).
18
Danach hat I. durch seine Zusage, den Transport der Drogen zu übernehmen , und seine nachfolgende, auf die Planung und die Durchführung dieses Transports gerichtete Tätigkeit das Handeltreiben der Hintermänner gefördert. Zwar verhält sich das Urteil nicht ausdrücklich dazu, dass und wodurch die Begehung der Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde; dies bedarf grundsätzlich sorgfältiger und genauer Feststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 4 StR 229/00, NStZ-RR 2001, 40). Für die hier vorliegende Fallgestaltung einer - wie die Aktivitäten des Mitangeklagten I. belegen - ernsthaften und verlässlichen Zusage, das zum Absatz bestimmte Betäubungsmittel zu transportieren, liegt dies indes auf der Hand, denn sie verschafft dem Haupttäter Sicherheit, seinen Tatplan wie vorgesehen umsetzen zu können, und enthebt ihn weitergehender Maßnahmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284). Die Bedeutung, welche die Hintermänner der Transportzusage für die Verwirkli- chung ihres Tatplans zugemessen haben, wird nicht zuletzt augenfällig in ihrer Reaktion auf den Ausfall des zunächst vorgesehenen Fahrers.
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c) Durch die Unterstützung des früheren Mitangeklagten I. bei der Planung und Vorbereitung des den Hintermännern zugesagten Transports haben sich die Angeklagten A. und S. P. der - mittelbaren - Beihilfe zu deren Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht.
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aa) Hilfe leistet dem Täter auch derjenige, der seinerseits die Tatförderung eines weiteren Gehilfen unterstützt (sog. "Beihilfe zur Beihilfe", vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409). Auch hier ist es ausreichend, dass der Gehilfe über die Haupttat wenigstens in Umrissen Bescheid weiß (BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 91/06, NStZ 2007, 102). Er muss die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen; Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, Rn. 13; Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389). Ebenso wenig ist es andererseits erforderlich, dass der Haupttäter überhaupt von der - objektiv fördernd wirkenden - Hilfeleistung Kenntnis erlangt (BGH, Urteil vom 8. September 1994 - 4 StR 364/94, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8). Diesen Maßstäben genügen die von den Angeklagten A. und S. P. zur Ermöglichung des Kokaintransports entfalteten Tätigkeiten.
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bb) Entgegen der Annahme des Landgerichts hat der AngeklagteA. P. jedoch nicht als (Mit-)Täter gehandelt.
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Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts wie hier auf den Transport, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 324/10).
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Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 30. März 2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 324/10). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219; Beschluss vom 30. März 2007 - 2 StR 81/07, NStZ-RR 2007, 246; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Beschluss vom 7. August 2007 - 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40).
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Solche besonderen Umstände hat das Landgericht indes nicht in hinreichendem Umfang festgestellt. Zwar hat der Angeklagte zur Ermöglichung des Drogentransports erhebliche, über die eines gewöhnlichen Kuriers weit hinausgehende Aktivitäten entfaltet und umfangreiche Investitionen getätigt. Auch handelte er, wie insbesondere die bereits geflossenen Beträge zeigen, in der Aussicht auf einen hohen, ihm eine neue wirtschaftliche Perspektive eröffnenden Gewinn. Andererseits beschränkte sich der tatfördernde Beitrag des Angeklagten auf Maßnahmen zur Vorbereitung des zugesagten Transports, die ihm für sich allein noch keinen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf des eigentlichen , von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts sicherten. In dieses war der Angeklagte auch sonst nicht eingebunden; er hatte weder zu den Hinterleuten noch zu potentiellen Abnehmern Kontakte, sondern arbeitete lediglich mit dem ebenfalls für den Transport verantwortlichen früheren Mitangeklagten I. zusammen. Das zu transportierende Kokain bekamen weder er noch sein Fahrer je in die Hände. Allein sein Wille, den Transport durchzuführen, reicht zur Annahme von Tatherrschaft vor diesem Hintergrund nicht aus. Sein wirtschaftliches Interesse erschöpfte sich in der Übernahme der erforderlichen Speditionsgeschäfte. Dass der Angeklagte darüber hinaus ein eigenes Interesse am Gelingen des von den Hinterleuten betriebenen Umsatzgeschäfts hatte, etwa für diesen Fall auf Folgeaufträge hoffte, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.
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3. Demgegenüber tragen die Feststellungen zu Fall II. 2. der Urteilsgründe nicht die Verurteilung des Angeklagte S. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
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Allerdings stünde der Annahme einer (mittelbaren) Beihilfehandlung des Angeklagten nach § 27 StGB nicht schon entgegen, dass die Zusage des Abverkaufs der für I. und die anderen Angeklagten nutzlosen Testladung gemessen am Gesamtgeschehen eher untergeordnete Bedeutung hätte und von dem seitens der Hintermänner angestrebten Betäubungsmittelumsatz noch weit entfernt bliebe. Auf das Gewicht eines tatfördernden Beitrags kommt es für dessen Einstufung als Hilfeleistung grundsätzlich nicht an; dieses gewinnt vielmehr allein für die Strafzumessung Relevanz (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389). Die Zusage erschiene auchnicht - mit der Folge eines straflosen Versuchs - für die Förderung des Entschlusses zur Durchführung der Testfahrt von vornherein objektiv ungeeignet oder für deren Gelingen nutzlos (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460), denn grundsätzlich konnte der Abverkauf, wie das Landgericht zu Recht ausführt, den reibungslosen und unauffälligen Ablauf der Testfahrt erleichtern und den hierdurch entstehenden finanziellen Aufwand verringern.
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Indes entbehrt die Annahme des Landgerichts, die Zusage des Angeklagten S. habe die Testfahrt objektiv gefördert, deshalb einer tragfähigen Grundlage, weil sich die Feststellungen nicht dazu verhalten, inwieweit sie den Entschluss des I. und der anderen Angeklagten zur Durchführung der Fahrt tatsächlich (noch) beeinflusst hat. Schon zum Zeitpunkt der Zusage teilt das Urteil lediglich mit, der Angeklagte habe sie "kurzfristig" erteilt; im Übrigen stellt es fest, dass ein "check test" zur Gewinnung von Erkenntnissen über Zollkontrollen bereits bei dem Treffen in Griechenland im Oktober 2006 vereinbart wurde.
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4. Eine Abänderung des Schuldspruchs betreffend den Angeklagten A. P. ist dem Senat verwehrt, denn es liegt nahe, dass dieser - tateinheitlich zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - auch die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verabredet oder sich hierzu bereiterklärt hat (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 30 Abs. 2 StGB). Das Landgericht hat dies nicht geprüft, obwohl es sich angesichts der festgestellten Verabredung eines "check test" unter Beteiligung des Angeklagten im Oktober 2006 hierzu hätte gedrängt sehen müssen. Allein daraus, dass es "jedenfalls im Jahre 2006 nicht mehr" zu dem Kokaintransport kam, kann auch nicht auf die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch der Beteiligung (§ 31 StGB) geschlossen werden.
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Eine - gegebenenfalls tateinheitlich zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzutretende - Verabredung der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder ein sich Bereiterklären hierzu wird der neue Tatrichter aus denselben Gründen auch beim Angeklagten S. zu prüfen haben. Insbesondere lassen es die bisherigen Feststellungen offen, zu welchem Zweck er den Angeklagten A. P. zu der Besprechung im Oktober 2006 begleitet hat.
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Der Angeklagte S. P. ist durch die Verurteilung allein wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dagegen nicht beschwert.
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Die Sache bedarf daher im Fall II. 2. allein hinsichtlich der Angeklagten A. P. und S. neuer Verhandlung und Entscheidung.
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II. Verurteilung des Angeklagten S. im Falle II. 1. der Urteilsgründe
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Der Ausspruch über die Einzelstrafe hat keinen Bestand.
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Das Landgericht hat die Anwendung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 31 Nr. 1 BtMG (aF) nicht erörtert. Hierzu hätte es sich entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts gedrängt sehen müssen, denn es stellt fest, dass der Angeklagte S. ein umfassendes Geständnis abgelegt und dabei auch ausführliche Angaben zu weiteren Beschuldigten gemacht hat (UA S. 23).
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Entsprechendes gilt im Übrigen hinsichtlich der im Falle II. 2. der Urteilsgründe gegen diesen Angeklagten und gegen den Angeklagten A. P. ausgesprochenen Einzelstrafen (UA S. 24, 26).
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III. Verurteilung des Angeklagten S. im Falle II. 3. der Urteilsgründe
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Der Schuldspruch wegen - zum Führen tateinheitlich hinzutretenden - Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffenG) hat keinen Bestand.
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1. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte bei seiner Festnahme eine ungeladene Pistole des Typs Ceska, Kal. 9 mm, ein zugehöriges gefülltes Magazin sowie 34 Stück passender Patronenmunition mit sich. Danach tritt die Tatvariante des Besitzes hinter die des Führens zurück, denn das Führen ist lediglich eine besondere Form der Ausübung tatsächlicher Gewalt. Einen Fall, in dem der Besitz als Dauerstraftat über den Zeitraum des Führens hinausreicht und deshalb einen eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08; Beschluss vom 22. November 1984 - 1 StR 517/84, NStZ 1985, 221), hat das Landgericht nicht festgestellt. Tateinheitlich zum Führen der Waffe ist der Angeklagte indes des Besitzes von Munition schuldig (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG), denn dieser Tatbestand tritt hinter § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08; MünchKomm-StGB/Heinrich, § 52 WaffG Rn. 64).
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2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Tat nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die wegen der Tat ausgesprochene Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand, denn der Senat schließt aus, dass das Landgericht die Strafe milder bemessen hätte, wäre es nicht von einem zum Führen der Waffe tateinheitlich hinzutretenden weiteren Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ausgegangen.
Becker von Lienen RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.