Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:131016B3STR352.16.0
bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 352/16
vom
13. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
ECLI:DE:BGH:2016:131016B3STR352.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 13. Oktober 2016 einstimmig
beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil desLandgerichts Koblenz vom 11. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Angeklagte als alleinige mit Gesellschafterbeschluss bestellte und eingetragene Geschäftsführerin gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich verantwortliches Organ der luxemburgischen haftungsbeschränkten Gesellschaft T. , auch wenn das Unternehmen tatsächlich vom nichtrevidierenden Mitangeklagten M. geführt wurde. Ebenso wenig kann der Senat der Strafkammer darin folgen, dass der Angeklagten die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich unmöglich gewesen sei. Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen, was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öf- fentlich-rechtlicher Pflichten wie das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen einschließt. Dies gilt auch dann, wenn für die Gesellschaft eine Person mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie ihrerseits als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 324 ff.; ferner Urteil vom 22. September 1982 - 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 f. [zu § 84 GmbHG]). Die Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfällt nicht dadurch, dass ihm - als sog. "Strohmann" - rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (so aber OLG Hamm, Beschluss vom 10. Februar 2000 - 1 Ss 1337/99, NStZ-RR 2001, 173; KG, Beschluss vom 13. März 2002 - (5) 1 Ss 243/01 (6/02), wistra 2002, 313, 314 f.; Krumm, NZWiSt 2015, 102, 103; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 266a Rn. 5; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 75; NK-StGB-Tag, 4. Aufl., § 266a Rn. 30). Es trifft nicht zu, dass er in diesem Fall nur mit dem sich aus der Bestellung ergebenden Rechtsschein ausgestattet wäre. Denn der Geschäftsführer , der formal wirksam bestellt ist, hat von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Dementsprechend knüpft § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verantwortlichkeit an die Organstellung , nicht - auch - an das regelmäßig zugleich bestehende dienstvertragliche Anstellungsverhältnis (vgl. Maurer, wistra 2003, 174, 175; ferner S/SPerron , StGB, 29. Aufl., § 14 Rn. 16/17). Ebenso wenig ist dem "Strohmann"-Geschäftsführer die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich (so aber OLG Hamm aaO; KG aaO, S. 315 [zu § 283 StGB]; MüKoStGB/Radtke, 2. Aufl., § 266a Rn. 36; S/S-Perron aaO). Stehen die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurück, so kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen (ebenso Maurer aaO, S. 175 f.; Rönnau, NStZ 2003, 525, 527; MüKoGmbHG/Wißmann, 2. Aufl., § 84 Rn. 57; Scholz/Tiedemann/Rönnau, GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 27; vgl. auch Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821, 1822; Michalski/Dannecker, GmbHG, 2. Aufl., § 84 Rn. 27; MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 84 GmbHG Rn. 19; Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4). Die vom Landgericht vorgenommene rechtsfehlerhafte Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten beschwert sie allerdings nicht.
Becker Schäfer Gericke Spaniol Berg

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit 1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Ins

Strafgesetzbuch - StGB | § 14 Handeln für einen anderen


(1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder3. als gesetzlicher Vertreter eines an

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 84 Verletzung der Verlustanzeigepflicht


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es als Geschäftsführer unterläßt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen. (2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die St

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02

bei uns veröffentlicht am 28.05.2002

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung: ja StGB § 266a Abs. 1 Nach § 266a Abs. 1 StGB macht sich auch strafbar, wer zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistungsfähig war, es aber bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen unterlassen hat,.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2016 - 3 StR 352/16.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2020 - 5 StR 122/19

bei uns veröffentlicht am 08.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 122/19 vom 8. Januar 2020 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2020:080120U5STR122.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Januar 2

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2018 - 1 StR 444/18

bei uns veröffentlicht am 19.12.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 444/18 vom 19. Dezember 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a. ECLI:DE:BGH:2018:191218U1STR444.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesger

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Nach § 266a Abs. 1 StGB macht sich auch strafbar,
wer zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistungsfähig war,
es aber bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen unterlassen
hat, Sicherungsvorkehrungen für die Zahlung der
Arbeitnehmerbeiträge zu treffen, und dabei billigend in
Kauf genommen hat, daß diese später nicht mehr erbracht
werden können. Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen
setzt nicht voraus, daß an die Arbeitnehmer
tatsächlich Lohn abgeführt wurde.
BGH, Beschl. vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02
LG Neuruppin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2002

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 18. Juli 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Angeklagten wegen Betruges und versuchten Betruges sowie wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt verurteilt wurden und
b) in den gesamten Strafaussprüchen.
1. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten W B wegen Betruges in zwölf Fällen (davon in drei Fällen wegen Versuchs), Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen, wegen Verstoßes gegen ein Berufsverbot und wegen falscher Angaben nach dem GmbH-Gesetz in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Ehefrau K B hat es wegen Betruges in zwei Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen, wegen falscher Angaben nach dem GmbH-Gesetz in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Verstoû gegen das Berufsverbot schuldig gesprochen und gegen sie eine – zur Bewährung ausgesetzte – Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben in dem aus dem Beschluûtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Die Schuldsprüche gegen beide Angeklagten wegen Betruges bzw. wegen versuchten Betruges sowie wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Bezüglich der Fälle II.2 bis 14 (Fälle des versuchten bzw. vollendeten Betruges) hat die von den Angeklagten jeweils inhaltsgleich erhobene Verfahrensrüge Erfolg. Insoweit tritt der Senat der Begründung des Generalbundesanwalts bei. Dieser hat in seiner Antragsschrift vom 26. März 2002 folgendes ausgeführt:
“Die von beiden Beschwerdeführern zulässig erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe entgegen § 261 StPO für seine Überzeugungsbildung Kontounterlagen verwertet, ohne diese prozeûordnungsgemäû in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben, muû durchgreifen.
Die Strafprozeûordnung sieht zur Beweiserhebung über den Inhalt von Urkunden und anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gemäû § 249 Abs. 1 StPO vor (BGHR
StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). Der Vorgang der Verlesung stellt im übrigen eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne von § 273 Abs. 1 StPO dar, deren Beachtung regelmäûig nur durch den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls bewiesen werden kann (Pfeiffer, StPO, 3. Aufl., Rdn. 3 Mitte). Eine solche förmliche Verlesung der Kontounterlagen zu den verschiedenen Geschäftskonten, über die die Angeklagten ihre geschäftlichen Aktivitäten abwickelten, hat entgegen den Ausführungen im Urteil (UA S. 31) nicht stattgefunden. Im Hauptverhandlungsprotokoll vom 8. Mai 2001 ist insoweit, worauf die Beschwerdeführer zutreffend hinweisen, lediglich vermerkt, daû die entsprechenden Unterlagen aus dem Beweismittelordner II aus Anlaû der Vernehmung der zuständigen Sachbearbeiter der beteiligten Banken erörtert wurden (Protokollheft/Bl. 3 und 4 des Hauptverhandlungstages 8. Mai 2001). Zwar enthält das Hauptverhandlungsprotokoll noch an verschiedenen Stellen den Eintrag, aus den Beweismittelordnern seien Schriftstücke (auszugsweise) verlesen worden (vgl. nur Protokollheft/Bl. 2 des Hauptverhandlungsprotokolls 22. Mai 2001; Bl. 2 des Hauptverhandlungsprotokolls 7. Juni 2001; Bl. 3 des Hauptverhandlungsprotokolls 12. Juni 2001; Bl. 2 des Hauptverhandlungsprotokolls 27. Juni 2001). In allen Fällen handelt es sich hier aber ersichtlich nicht um die im Beweismittelordner II abgelegten umfangreichen Unterlagen über die Kontobewegungen. Ob die Kontounterlagen den als Zeugen vernommenen Bankmitarbeitern vorgehalten wurden, kann dahinstehen. Der Inhalt der betreffenden Urkunden wäre durch ihre Erörterung mit den Zeugen jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäû Gegenstand der Hauptverhandlung geworden. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, Urkunden im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung einzuführen (BGH, Urt. vom 7. November 1991 ± 4 StR 252/91, insoweit in BGHSt 38, 111 nicht abgedruckt). Be-
weisgrundlage ist dann allerdings nicht der Vorhalt, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht wird (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 11, 159, 160 und 11, 338, 340/341). In einem solchen Fall bedarf es keiner Verlesung der Urkunde. Der Tatrichter kann vielmehr die Erklärungen seiner Überzeugungsbildung zugrundelegen , die die Beweisperson auf die nicht protokollierungspflichtigen Vorhalte über den Inhalt der Schriftstücke abgegeben hat (BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1 m. w. N.). Der Einführung des Inhalts eines Schriftstücks in die Hauptverhandlung im Wege des Vorhalts sind jedoch dann Grenzen gesetzt, wenn es sich bei dem vorgehaltenen Schriftstück um ein längeres oder ein solches handelt, das sprachlich oder inhaltlich schwer zu verstehen ist. Es bestünde da nicht die Gewähr dafür, daû die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloûen inhaltlichen Vorhalt hin richtig erfaût hat (BGH aaO m. w. N.). Dies könnte die Wahrheitsfindung gefährden und das rechtliche Gehör und damit die Verteidigung des Angeklagten beeinträchtigen. So liegt es hier. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 8. Mai 2001 wurde eine insgesamt nicht näher eingrenzbare, jedoch insgesamt groûe Zahl von Kontoauszügen und anderen Kontounterlagen aus dem Beweismittelordner II mit den Zeugen erörtert. Es ist nicht anzunehmen, daû die jeweils vernommenen Zeugen angesichts der Komplexität der Materie den Sinn der jeweiligen Erklärungen auf den bloûen inhaltlichen Vorhalt hin in jedem Fall richtig erfaût haben. Auf dem Verfahrensverstoû beruht auch das Urteil.”
2. Die Sachrügen der beiden Angeklagten führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in fünf Fällen. Insoweit tragen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht, weil das Landgericht die Leistungsfähigkeit der Angeklagten nicht geprüft hat.


a) Das Landgericht, das keine Feststellungen zu tatsächlichen Lohnzahlungen getroffen hat, stellt für die Strafbarkeit nach § 266a StGB zutreffend allein auf die sozialversicherungsrechtliche Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge ab. Die Strafbarkeit hängt nämlich nicht davon ab, daû Lohn ausbezahlt wurde (so aber Gribbohm JR 1997, 479 ff.; Bittmann wistra 1999, 441; Bente wistra 1996, 115; jeweils mit umfänglichen Nachweisen ). Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht entsteht nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 SGB IV allein durch die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers gegen Entgelt. Der Anspruch wird gemäû § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV unabhängig von der tatsächlichen Zahlung von Arbeitslohn fällig (BSGE 75, 61, 65). Jedenfalls seit Änderung der ursprünglichen Strafbestimmung und Einfügung des § 266a Abs. 1 StGB in das Strafgesetzbuch (durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 ± BGBl. I 721) ist das Merkmal entfallen, wonach es sich um “einbehaltene Beiträge” handeln muû (vgl. zum früheren Rechtszustand BGHSt 30, 265, 266 f. m. w. N.). Maûgebend ist seither allein noch das “Vorenthalten” von Beiträgen des Arbeitnehmers (vgl. ausführlich zur Entstehungsgeschichte BGHZ 144, 311).
Alleiniger Schuldner des Arbeitnehmeranteils ist gemäû § 28e Abs. 1 SGB IV der Arbeitgeber. Damit fehlt auch ein irgendwie geartetes Treuhandverhältnis des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer im Hinblick auf die Arbeitnehmerbeiträge. Diese hat der Arbeitgeber nicht von einem gedachten Bruttolohn zu separieren, sondern er selbst ist originär zur Leistung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet und darf dann seinerseits erst im Rückgriff (und nur für einen bestimmten Zeitraum) nach § 28g SGB IV seine Leistungen vom Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abziehen. Da die Schuld hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge unabhängig vom gezahlten Lohn besteht und sich auch aus dem Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB eine solche Einschränkung nicht entnehmen läût, ist kein Raum für eine ein-
engende Auslegung, die eine Strafbarkeit nach § 266a StGB von der tatsächlichen Lohnzahlung abhängig macht (BGHZ 144, 311; vgl. auch BGH ZIP 2002, 261, 262).

b) Das Landgericht hat jedoch keine Feststellungen zur Leistungsfähigkeit der ª B º getroffen , die Arbeitgeberin der Zeugin F war. Es hat allein auf die verspätete Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge abgehoben. Dies reicht nicht aus, weil der Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB nur dann gegeben ist, wenn der verpflichtete Arbeitgeber auch die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zur Erfüllung dieser sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeit hatte. Insoweit gelten für das echte Unterlassen des § 266a StGB die allgemeinen Grundsätze, wonach als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung hinzutreten muû, daû den Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar ist (BGH NJW 1998, 1306; BGH ZIP 2002, 261, 262). Eine unmögliche Leistung darf dem Verpflichteten nicht abverlangt werden.
Eine Unmöglichkeit in diesem Sinne liegt insbesondere dann vor, wenn der Handlungspflichtige zahlungsunfähig ist (BGHZ 134, 304, 307; BGH NJW 2002, 1123, 1124). Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Zahlungsfähigkeit der Verpflichteten wäre hier schon deshalb erforderlich gewesen, weil das Landgericht für einen tatnahen Zeitraum festgestellt hat, daû keinerlei liquide Mittel mehr vorhanden waren, die Firmenkonten nicht mehr belastet werden konnten oder auf andere Weise Mittel hätten beschafft werden können. Auch wenn ± worauf der Generalbundesanwalt abhebt ± die jeweilige monatliche Zahllast gering war, enthebt dies angesichts der im Rahmen der Betrugstaten und der Vergehen nach § 82 GmbH-Gesetz geschilderten desolaten finanziellen Verhältnisse den Tatrichter nicht von der Verpflichtung, die tatsächliche Möglichkeit der Zahlung nachvollziehbar darzulegen. Dabei sind ± die Angaben des Landgerichts zur Unternehmensform
sind widersprüchlich ± nur die Betriebsmittel und das Betriebsvermögen heranzuziehen. Soweit ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist, wird weiterhin auch dessen finanzielle Leistungskraft zu berücksichtigen sein.

c) Allerdings kann der Tatbestand des § 266a StGB auch dann verwirklicht werden, wenn der Handlungspflichtige zwar zum Fälligkeitstag zahlungsunfähig ist, sein pflichtwidriges Verhalten jedoch praktisch vorverlagert ist (sogenannte omissio libera in causa ± vgl. hierzu Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbemerkung §§ 13 ff. Rdn. 144 f. m. w. N.).
aa) Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Rahmen der Prüfung von haftungsrechtlichen Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB eine Verwirklichung des Tatbestandes auch darin gesehen, daû der Handlungspflichtige durch anderweitige Zahlungen sich seiner Zahlungsverpflichtung zum Fälligkeitszeitpunkt begeben hat. Der Arbeitgeber sei nämlich verpflichtet, notfalls durch besondere Maûnahmen (etwa die Aufstellung eines Liquiditätsplanes und die Bildung von Rücklagen) die Zahlung zum Fälligkeitstag sicherzustellen. Diese Mittel dürften auch nicht zur Begleichung anderer Verbindlichkeiten eingesetzt werden. Insoweit gehe die Pflicht zur Abführung der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbeiträge im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB anderen Verbindlichkeiten vor (BGHZ 134, 304 ff.).
bb) Dieser Auffassung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, die in der Literatur kritisiert wurde (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 266a Rdn. 12), tritt der Senat bei. Der Vorrang der in § 266a Abs. 1 StGB genannten Ansprüche wird nicht nur durch den strafbewehrten Normbefehl deutlich, der schon die nicht fristgerechte Erfüllung dieser Verbindlichkeiten erfaût. Durch ihren besonderen strafrechtlichen Schutz sind diese Ansprüche hervorgehoben. Das besondere Sicherungsbedürfnis dieser Ansprüche
erschlieût sich auch aus der Regelung des § 266a Abs. 5 StGB, die von dem Arbeitgeber im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten verlangt, seine Bemühungen um die Begleichung der sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeiten darzutun, um selbst im Falle einer späteren Zahlung eine Strafbefreiung zu erlangen. Auch diese Regelung wäre nicht verständlich, wären sämtliche Verbindlichkeiten jeweils gleichrangig; denn dann lieûe bereits die bloûe Erfüllung einer anderen (kongruenten) Verbindlichkeit die Tatbestandmäûigkeit entfallen. Eines besonders ausgestalteten bedingten persönlichen Strafausschlieûungsgrundes, der zudem an weitere Voraussetzungen gebunden ist, bedürfte es dann nicht nur nicht mehr, es ergäbe sich sogar ein normativer Widerspruch.
Schlieûlich wird dieses Ergebnis aus den Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Trotz einer ausdrücklich geäuûerten Kritik an der Besserstellung der Gläubiger dieser sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche hat der Gesetzgeber an dem besonderen strafrechtlichen Schutz festgehalten, um das Beitragsaufkommen der Sozialkassen sicherzustellen (BT-Drucks. 10/5058, S. 31). Wenn das Gesetz für diese Ansprüche aber einen strafrechtlichen Schutz vorsieht, kann der jeweilige Normadressat eine Befriedigung des Anspruchs nur dann verweigern, wenn er nach den allgemeinen Regeln des Strafrechts gerechtfertigt ist. Eine strafrechtlich gebotene Pflicht darf der Handlungspflichtige nur im Falle einer unvermeidbaren Kollision verweigern, wenn er damit letztlich einem gleichwertigen Rechtsgut genügt. Insoweit gilt auch hier der Gedanke, daû bei einer Pflichtenkollision der Täter nur gerechtfertigt ist, wenn er eine zumindest gleichwertige Pflicht erfüllt (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbemerkung §§ 32 ff. Rdn. 71 ff.). Der strafrechtliche Schutz eines Rechtsgutes begründet indes seine Höherwertigkeit gegenüber einer bloû zivilrechtlichen Handlungspflicht , was umgekehrt wiederum zur Folge hat, daû die Erfüllung eines zivilrechtlichen Anspruchs nicht die Verletzung eines Straftatbestands rechtfertigen kann.

cc) Der Umstand, daû der Arbeitgeber die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zum Fälligkeitsstichtag sicherstellen muû, bedeutet aber nicht, daû schon aus dem Fehlen einer entsprechenden Deckung ohne weiteres auf einen schuldhaften Verstoû gegen die Pflichten aus § 266a Abs. 1 StGB geschlossen werden kann. Der Arbeitgeber muû nicht schlechthin für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen. Die Beweisregel des § 279 BGB a.F. gilt hier nicht (vgl. auch BGH NJW 2002, 1123, 1125; a.A. OLG Celle JR 1997, 478, 479). Vielmehr ist insoweit die vorsätzlich begangene Pflichtwidrigkeit nach den für das Schuldstrafrecht maûgeblichen Grundsätzen festzustellen.
(1) Eine Pflicht, besondere Sicherungsmaûnahmen zu ergreifen, setzt sich abzeichnende Liquiditätsprobleme in dem Unternehmen voraus. Denn ein Unternehmen mit geregelten wirtschaftlichen und organisatorischen Verhältnissen wird zur Erfüllung seiner sozialversicherungsrechtlichen Pflichten keiner auûergewöhnlichen Vorkehrungen bedürfen. Welche Vorkehrungen in welchem Umfang zu treffen sind, richtet sich nach der Eigenart des jeweiligen Einzelfalles. Entscheidend ist dabei, welche Liquiditätsprognose zum Fälligkeitsstichtag zu stellen ist und ob Hinderungsgründe bestehen könnten , die Sozialbeiträge im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB abzuführen. Dabei wird es auf die jeweils zu erwartenden Einnahmen (ebenso wie auf Kapitalabflüsse durch Pfändungen, Ver- oder Aufrechnungen) ankommen. Pflichtwidrigkeit liegt dabei nur dann vor, wenn sich ein Liquiditätsengpaû abzeichnete und durch entsprechende angemessene finanztechnische Maûnahmen hätte abgewendet werden können (a.A. Lenckner/Perron in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 266a Rdn. 10, die nur bei gänzlich unerwarteten Ereignissen die Tatbestandsmäûigkeit entfallen lassen wollen). Dabei muû der Arbeitgeber zwar sicherstellen, daû die Sozialversicherungsbeiträge vorrangig abgeführt werden. Dies geht jedoch nicht soweit, daû er Vermögenswerte wegen der Drohung von Pfändungen für titulierte Forderungen
dem Zugriff von Gläubigern entziehen darf. Gleichfalls muû er sich zur Erfüllung seiner sozialversicherungsrechtlichen Pflichten keine Kreditmittel beschaffen, falls er deren Rückzahlung nicht gewährleisten kann (weitergehend BGH NJW 1997, 133, 134; dort verlangt der VI. Zivilsenat ± in einem obiter dictum ± offenbar die Ausschöpfung eines noch offenen Kreditrahmens ). Nur soweit dem Arbeitgeber überhaupt im Zeitpunkt des Offenbarwerdens der Liquiditätsprobleme die Möglichkeit verbleibt, die Abführung der Sozialbeiträge seiner Arbeitnehmer durch rechtlich zulässige Maûnahmen noch sicherzustellen, handelt er pflichtwidrig, wenn er dies unterläût.
(2) Der Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB ist ein Vorsatzdelikt. Der Handlungspflichtige muû deshalb die Anzeichen von Liquiditätsproblemen , die besondere Anstrengungen zur Sicherstellung der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge verlangten, erkannt haben (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266a Rdn. 17; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 266a Rdn. 17). Nimmt er dabei zumindest billigend in Kauf, daû bei Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen später möglicherweise die Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr rechtzeitig erbracht werden können, ist hinsichtlich des Merkmals der Pflichtwidrigkeit auch Vorsatz gegeben (vgl. BGH NJW 2002, 1123, 1125). Der Verantwortliche muû demnach die Zuspitzung der wirtschaftlichen Situation und die daraus resultierende Gefährdung der Arbeitnehmerbeiträge sehen (was auch durch ungeordnete Verhältnisse im Unternehmen begründet sein kann ± vgl. BGHZ 134, 304, 315). Unterläût er es dann dennoch, Maûnahmen zu ergreifen, die eine Befried igung dieser vorrangigen sozialversicherungsrechtlichen Verbindlichkeiten gewährleisten, handelt er vorsätzlich.
dd) Das Landgericht hat vorliegend weder geprüft, ob zum Zeitpunkt der Fälligkeit eine entsprechende Leistungskraft vorhanden war, noch ± wenn diese Voraussetzung verneint werden muû ± hilfsweise zu einem früheren Zeitpunkt die Sicherstellung der Abführung der Arbeitnehmerbei-
träge hätte veranlaût werden müssen und die Angeklagten dies auch erkannt haben. In diesem Zusammenhang kann auch der Umstand Bedeutung erlangen, daû die zu zahlenden Beiträge monatlich relativ niedrig bemessen waren. Das kann die Angeklagten möglicherweise zu der Einschätzung veranlaût haben, zum Fälligkeitszeitpunkt über genügende Mittel zu verfügen. Selbst wenn dies zunächst hingenommen werden könnte, würde für spätere Zeiträume in Rechnung zu stellen sein, daû zunächst nicht einmal die geringen Beiträge abgeführt wurden. Dabei werden auch die an die Firma der Angeklagten geflossenen ABM-Mittel Beachtung finden müssen, die über den Arbeitnehmerbeiträgen lagen. Ob sie wegen des erheblichen Schuldsaldos auf den Firmenkonten darüber überhaupt verfügen konnten, ergeben die Feststellungen allerdings nicht. Jedenfalls nachdem zunächst die Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr geleistet werden konnten, muûte der Umstand allerdings die Angeklagten veranlassen, diese Fördermittel vorrangig für die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen und sie entsprechend zu sichern.

d) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend beide Angeklagte als strafrechtlich verantwortlich im Sinne des § 14 StGB für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge angesehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wird ausreichend deutlich, daû der Angeklagte B die internen kaufmännischen Angelegenheiten eigenständig erledigt hat. Seine Stellung als mit diesen Fragen auch tatsächlich befaûter faktischer Geschäftsführer trägt bei ihm die Annahme einer strafrechtlich relevanten Verantwortlichkeit (vgl. BGHSt 21, 101, 103). Die Verantwortlichkeit der Angeklagten B ergibt sich hier daraus, daû sie bewuût den mit einem Berufsverbot belasteten W B die ihr obliegende Pflicht zur Beitragsabführung überlassen hat, obwohl die wirtschaftliche Situation der Firma bereits angespannt war.
Zwar begründet schon allein die Stellung der Angeklagten K B als formelle Geschäftsführerin ihre Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach auûen, was insbesondere auch ihre Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten einschlieût (BGH wistra 1990, 97 f.). Der Geschäftsführer braucht jedoch die in sein Ressort fallenden Pflichten nicht in eigener Person erfüllen (vgl. BGHSt 37, 106, 123 f. grundlegend zur strafrechtlichen Relevanz von Ressortzuständigkeiten). Er kann sie auch delegieren, ihre Erfüllung anderen Personen überlassen (BGHZ 133, 370, 378; hinsichtlich steuerlicher Pflichten vgl. auch BFHE 141, 443). In diesen Fällen muû er durch geeignete organisatorische Maûnahmen die Begleichung sozialversicherungsrechtlicher Verbindlichkeiten sicherstellen. Jedenfalls nach einer angemessenen und beanstandungsfreien Einarbeitungszeit darf er sich dann grundsätzlich auf die Erledigung dieser Aufgaben durch den von ihm Betrauten verlassen, solange zu Zweifeln kein Anlaû besteht (vgl. BGHZ 133, 370, 378). Es trifft ihn dann jedoch eine Überwachungspflicht. Wie diese ausgestaltet ist, wird nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen sein.
Diese Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn der Geschäftsführer eine Person mit so weitreichenden Handlungsvollmachten gewähren läût, daû diese ihrerseits als faktischer Geschäftsführer zu qualifizieren ist. Selbst wenn der Geschäftsführer hinnimmt, daû sich ein faktischer Geschäftsführer etablieren kann, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Zurechenbarkeit von dessen Straftaten. Auch insoweit ist die strafrechtliche Schuld nach allgemeinen Grundsätzen festzustellen. Der formelle Geschäftsführer handelt demnach nur dann vorsätzlich pflichtwidrig im Sinne des § 266a StGB, wenn er Anhaltspunkte für eine unzureichende Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den faktischen Geschäftsführer erlangt und dennoch nicht die notwendigen Maûnahmen ergriffen hat. Solche sich dem formellen Geschäftsführer aufdrängende Verdachtsmomente brauchen sich nicht unmittelbar auf die Verletzung sozial-
versicherungsrechtlicher Pflichten beziehen. Es kann nach den Umständen des Einzelfalls auch ausreichen, wenn für den formellen Geschäftsführer schon Anzeichen dafür bestehen, daû die Verbindlichkeiten nicht ordnungsgemäû erfüllt werden (vgl. BGHZ 133, 370, 379). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Handlungsweise des faktischen Geschäftsführers ± wie hier durch den andauernden Verstoû gegen ein Berufsverbot ± in einem rechtswidrigen Gesamtzusammenhang steht und dem formellen Geschäftsführer dies bekannt ist. Im vorliegenden Fall muûte deshalb die Angeklagte B in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Situation die Abführung der Beiträge selbst sicherstellen.
3. Die Verurteilungen wegen der Verstöûe des Berufsverbots sowie gegen das GmbH-Gesetz können dagegen bestehen bleiben, weil die Feststellungen hierzu von den vorgenannten Rechtsfehlern unberührt bleiben. Der Senat hat jedoch die hierfür verhängten Einzelstrafen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt eigenständige Strafzumessung zu ermöglichen.

II.


Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Die bloûe Mitteilung des geschuldeten Sozialversicherungsbeitrages reicht nicht aus. Im Falle einer erneuten Verurteilung sind neben der Anzahl der Beschäftigten auch deren Beschäftigungszeiten, das zu zahlende Arbeitsentgelt und die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen AOK darzustellen (BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 4).
2. Hinsichtlich der Betrugsvorwürfe ist zu beachten, daû ein Eingehungsbetrug zu Lasten einzelner Subunternehmer nicht ohne weiteres ange-
nommen werden kann, wenn die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Subunternehmern durch entsprechende Zahlungsansprüche gegen die jeweiligen Bauherren wirtschaftlich abgedeckt waren (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 5). In diesen Fällen könnte der Angeklagte, auch wenn er über kein wesentliches Vermögen verfügen sollte, jedenfalls von einer Deckung seiner Verbindlichkeiten durch den Anspruch gegenüber dem Bauherrn ausgehen. Etwas anderes wird nur dann gelten, wenn der Angeklagte jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Subunternehmervertrages die mangelnde Bonität des Bauherrn erkannt hat oder er trotz ausreichender Sicherung seiner Forderung gegen den Bauherrn zumindest damit rechnet, Zahlungen hierauf wegen einer Vielzahl anderer (vor allem titulierter ) Verbindlichkeiten nicht mehr an den Subunternehmer weiterleiten zu können (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 1, 5).
Soweit das Landgericht auf eine (allerdings nicht näher belegte) Vorleistungspflicht der Firma des Angeklagten gegenüber dem Bauherrn abgestellt hat, ist dieser Gesichtspunkt jedenfalls nicht ohne weiteres tragfähig. Der dem Angeklagten verpflichtete Subunternehmer ist nämlich gleichfalls vorleistungspflichtig. In beiden Rechtsbeziehungen werden die Werklohnvergütungen zwar jeweils mit Abnahme fällig (§ 641 Abs. 1 BGB), wobei in der Baupraxis die Fertigstellung einzelner Gewerke eine Zahlungspflicht des Bauherrn auslöst (§ 641 Abs. 1 Satz 2 BGB) und deshalb aber häufig eine Gesamtabnahme stattfindet. Auch soweit in einigen Fällen die Fälligkeitszeitpunkte gegenüber den Subunternehmern bis zu 30 Tage früher lagen, wäre dies nicht ohne weiteres ein so erheblicher Zwischenraum, daû sich schon hieraus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung im Sinne des § 263 StGB herleiten lieûe.
3. Wenn nach den oben dargestellten Grundsätzen bei den einzelnen Verträgen von einem Eingehungsbetrug auszugehen ist, kommt es für die tatbestandliche Vollendung nicht mehr darauf an, ob dem betreffenden Ver-
tragspartner tatsächlich ein Schaden entstanden ist (vgl. BGHSt 23, 300). Der tatsächlich eingetretene Schaden wird dann nur noch für die Strafzumessung Relevanz haben. Soweit der neue Tatrichter als zum Zwecke der Feststellung von Strafzumessungstatsachen den Wert der erbrachten Bauleistung ermitteln sollte, ist der Einschätzung der beteiligten Subunternehmer zur Qualität ihrer eigenen Werkleistung mit äuûerster Zurückhaltung zu begegnen. Im Regelfall bietet sich eine Verifizierung ihrer Angaben dadurch an, daû geklärt wird, ob von den Angeklagten behauptete Mängel gleichzeitig vom jeweiligen Bauherrn gerügt wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daû grundsätzlich Werklohnansprüche erst nach einer Abnahme fällig werden. Die Erwägung des Landgerichts, es entspreche allgemeiner Übung in der Baupraxis, Mängel förmlich anzuzeigen, betrifft allenfalls die Zeit nach der Abnahme. Deshalb wird die Feststellung der jeweiligen Abnahmetermine unumgänglich sein; umgekehrt können gerade immer wiederkehrende Strategien zur Vermeidung einer Abnahme indiziell auf die Absicht bloûer Zahlungsverweigerung hindeuten.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Brause

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es als Geschäftsführer unterläßt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.