Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2014 - 3 StR 261/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten M. unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet. Die Revision des Angeklagten K. wendet sich mit sachlichrechtlichen Angriffen gegen das Urteil, die Revision des Angeklagten M. ist auf die Verurteilung wegen Körperverletzung und den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Beide Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.
- 2
- 1. Während die Schuld- und Strafaussprüche keinen durchgreifenden Rechtsfehler enthalten, kann der Maßregelausspruch nicht bestehen bleiben. Bei beiden Angeklagten führt die Strafkammer aus, die Behandlung im Maßregelvollzug sei "nicht von vornherein aussichtslos" (UA S. 66 und 67). Dies ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1) nicht mehr der rechtlich zulässige Maßstab. Vielmehr kann seither, was der Gesetzgeber durch die Änderung von § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI. I 1327) mit Wirkung vom 20. Juli 2007 nachvollzogen hat, eine Unterbringung nur noch angeordnet werden, wenn eine "hinreichend konkrete Aussicht" auf einen Behandlungserfolg besteht. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe nicht entnehmen, dass sich das Landgericht dieses an die Unterbringungsentscheidung höhere Anforderungen stellenden Maßstabs bewusst gewesen ist oder unabhängig davon diese Voraussetzung festgestellt hat. Über die Anordnung der Maßregel muss daher erneut entschieden werden.
- 3
- 2. Das Urteil gibt zudem Anlass darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten nicht frei von Rechtsbedenken sind. Danach war die Fähigkeit beider Angeklagter, "das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, ... zum Zeitpunkt der Tat erheblich vermindert". Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar , so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar. Der Senat kann aber dem Urteil, das unter Rückgriff auf psychodiagnostische Beweisanzeichen rechtsfehlerfrei die Annahme von Schuldunfähigkeit ausgeschlossen hat, entnehmen, dass die Strafkammer letztlich bei beiden Angeklagten von erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit ausgegangen ist. Becker Pfister RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.