Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2019 - 3 StR 254/19

bei uns veröffentlicht am11.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 254/19
vom
11. Juli 2019
in dem Sicherungs- und Strafverfahren
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:110719B3STR254.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten und Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 23. Januar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat aufgrund zweier Antragsschriften sowie zweier zunächst beim Amtsgericht eingereichter und eröffneter Anklageschriften verhandelt , den Beschuldigten bzw. Angeklagten (im Folgenden Beschuldigten) freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen litt der Beschuldigte unter einer paranoid-halluzinatorischen Psychose des schizophrenen Formenkreises, die sich immer wieder durch Wahnvorstellungen, akustische Halluzinationen sowie Bedrohungs- und Verfolgungsideen äußerte. Bei allen näher festgestellten 13 Taten, die im Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis zum 7. Dezember 2017 lagen, war die Fähigkeit des Beschuldigten zur Steuerung seiner Handlungen infolge der bei ihm zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegenden Wahndynamik sowie der auf ihn unmittelbaren Einfluss nehmenden akustischen Halluzinationen mit hoher Erlebnisintensität aufgehoben.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - 3 StR 407/15, NStZ 2016, 144 f. mwN).
5
b) Nach den dargelegten Maßstäben ist den Urteilsgründen nicht sicher zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen.
6
aa) Die Anordnung der Unterbringung setzt die Begehung einer rechtswidrigen Tat voraus, zu der grundsätzlich auch die inneren Merkmale des durch die Tat verwirklichten Straftatbestandes gehören. Dies gilt insbesondere bei solchen Taten, bei denen die innere Willensrichtung dafür entscheidend ist, ob sie als Versuch eines Verbrechens oder als Vergehen zu werten sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2001 - 3 StR 305/01, juris Rn. 3; vom 24. September 2013 - 2 StR 338/13, StV 2014, 346 f.; s. auch zum natürlichen Vorsatz BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 3 StR 181/15, NStZ-RR 2015, 273, 274).
7
Zur inneren Tatseite enthält das Urteil keine Feststellungen. Dies steht insbesondere einer rechtlichen Einordnung des Geschehens am 7. Dezember 2017 entgegen, als der Beschuldigte – so die Urteilsfeststellungen – in einem Musikgeschäft zunächst unter Vorhalt eines Messers Geld forderte, dies aber nicht weiterverfolgte, nachdem der Angesprochene eine Herausgabe verweigert hatte. Damit ist unklar, ob der Tatbestand einer versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung erfüllt oder gegebenenfalls ein strafbefreiender Rücktritt anzunehmen und lediglich eine Bedrohung verwirklicht ist.
8
bb) Die Feststellung, dass der Beschuldigte bei allen Taten unter dem unmittelbaren Einfluss akustischer Halluzinationen mit hoher Erlebnisintensität stand, ist - von Einzelfällen abgesehen - weder durch die Beweiswürdigung noch durch die Gesamtumstände belegt. Zwar deuten lautstarke Selbstgespräche am 19. Oktober 2017, als er mit einem Hammer die Fensterscheibe eines Geschäftes einschlug, auf entsprechende Sinnestäuschungen hin. Dass bei sämtlichen anderen Vorfällen, insbesondere bei Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte mehrere Monate und rund zwei Jahre zuvor, ähnliche Fehlwahrnehmungen vorlagen, ergibt sich nicht ohne Weiteres (s. zum Erfordernis spezifisch tatbezogener Auseinandersetzung BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2018 - 3 StR 639/17, juris Rn. 2; vom 18. Juli 2018 - 5 StR 287/18, juris Rn. 11 mwN; Urteil vom 30. März 2017 - 4 StR 463/16, NStZ-RR 2017, 165, 167).
9
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die entsprechenden Zeugen dazu Angaben gemacht haben. Soweit auf die Darlegung des medizinischen Sachverständigen in allgemeiner Weise abgestellt wird, der Beschuldigte habe sich „aus einem psychotischparanoiden Verkennen der Situationen heraus in einer für ihn unmittelbar vorherrschenden akuten Bedrohungslage und unter unmittelbarem Einfluss der psychotischen Erlebnisveränderungen ohne Möglichkeiten einer eigenen Handlungskontrolle“ befunden, werden die zugrun- deliegenden Anknüpfungstatsachen nicht näher mitgeteilt.
10
cc) Da das Landgericht nicht angibt, welche Straftatbestände es als verwirklicht angesehen hat, ist dem Senat eine Prüfung der Gefährlichkeitsprognose auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht möglich. Mangels jeglicher rechtlichen Würdigung der Taten kann der Senat nicht nachvollziehen, ob das Landgericht seiner Prognoseentscheidung eine zutreffende Wertung der Anlasstaten zugrunde gelegt hat (vgl. zur Bedeutung der Bewertung der Anlasstaten BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 - 1 StR 255/15, NStZ-RR 2016, 198, 199; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269, 270; vom 27. August 2003 - 1 StR 327/03, NStZ-RR 2004, 10, 11). Dies gilt umso mehr, als sich die Einordnung – zumal mangels Angaben zur inneren Tatseite (s.o.) – nicht von selbst erschließt. So ist nicht nur ungewiss , wie das Landgericht das Geschehen am 7. Dezember 2017 rechtlich bewertet hat, sondern etwa auch, inwieweit es die Vorfälle, bei denen sich der Beschuldigte gegen seine Festnahme durch Polizeibeamte wehrte, möglicherweise als vorsätzliche Körperverletzung angesehen hat.
11
3. Die Sache bedarf aus den dargelegten Gründen insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Da das Verschlechterungsverbot gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entgegensteht, im Strafverfahren an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen, ist der – lediglich in Bezug auf die Tatvorwürfe der Anklageschriften gebotene – Freispruch ebenfalls aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 8; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 24).
12
Vor diesem Hintergrund kann dem neuen Tatgericht die freibeweisliche Prüfung überlassen bleiben, ob der von lediglich zwei Richtern unterschriebene Beschluss des Landgerichts vom 28. September 2018, mit dem das zuvor beim Amtsgericht geführte Verfahren übernommen sowie mit einem weiteren Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden ist, wirksam ist (vgl. zum Maßstab BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - 2 StR 514/15, NStZ 2017, 55, 56; vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f.).
13
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
14
a) Hinsichtlich des Geschehens am 9. September 2017 hat der Geschädigte G. ausweislich des zu den Akten genommenen Formulars ausdrücklich keinen Strafantrag gestellt. Eine etwaige Körperverletzung zu seinem Nachteil kann daher nicht als Anlasstat herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 - 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132), sofern nicht die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
15
b) Zur Verbreiterung der Prognosegrundlage kann es angezeigt sein, die Vorfälle in der einstweiligen Unterbringung näher aufzuklären.
16
c) Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) im Allgemeinen ausdrücklich in Bedacht zu nehmen (s. BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - 4 StR 371/15, juris Rn. 10).
Gericke Spaniol Wimmer Hoch Anstötz

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Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 407/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:101115B3STR407.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. Mai 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte im nicht näher eingrenzbaren Zeitraum zwischen Juni 2007 und August 2009 - zugunsten des Angeklagten angenommen: ausschließlich im August 2009 - den damals 13 Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin sexuell. Bei zwei Gelegenheiten übte er den Oralverkehr an dem Kind aus, zwei weitere Male onanierte er bei dem Jungen.
3
Das Landgericht hat - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend - angenommen, der Angeklagte leide "unter einer schizoiden Persönlichkeitsstörung sowie einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie". Aufgrund dessen sei "die Steuerungsfähigkeit … zum Zeitpunkt der Taten in erheblichem Maße vermindert" gewesen (UA S. 5). Es war außerdem davon überzeugt, dass beim Angeklagten ein "sehr hohes Risiko für künftige Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern" bestehe (UA S. 13).
4
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13, juris Rn. 5; vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
6
b) Durch die angefochtene Entscheidung wird bereits die vom Landgericht angenommene erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung nicht belegt.
7
Die Feststellungen beschränken sich auf die Benennung der beiden als gegeben angesehenen Diagnosen. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird das Gutachten des Sachverständigen referiert. Danach bestehe beim Angeklagten eine "Pädophilie des nicht ausschließlichen Typs". Der von ihr ausgehende Drang, sexuelle Kontakte zu Kindern zu finden, führe allein noch nicht zu einer erheblichen psychopathologischen Beeinträchtigung. Diese ergebe sich erst aus dem Zusammentreffen mit der bei dem Angeklagten bestehenden schizoiden Persönlichkeitsstörung, gekennzeichnet durch "emotionale Kälte, Distanziertheit und eingeschränkte Affektivität mit Beeinträchtigung der emotionalen Schwingungsfähigkeit sowie eingeschränkte Empathiefähigkeit".
8
Mit diesen im Allgemeinen verbleibenden Darlegungen ist nicht ausreichend erklärt, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat in einem Zustand gesichert eingeschränkter Schuldfähigkeit befand.

9
Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Diagnose einer Pädophilie für sich genommen kaum Aussagekraft für das Vorliegen des vierten Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB ("schwere andere seelische Abartigkeit") und erst recht nicht für die Überzeugung von einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2004 - 4 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 201; Urteil vom 10. März 2004 - 4 StR 563/03, StV 2005, 20; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8 (nur Ls)). Steht für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, sondern bei der Begehung der Sexualtaten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus handelt. Die Steuerungsfähigkeit kann demzufolge etwa dann beeinträchtigt sein, wenn die abweichenden Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau von Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305).
10
Dass diese Voraussetzung vorliegend durch das Hinzutreten einer schizoiden Persönlichkeitsstörung geschaffen worden sind, ist nicht dargetan. Auch hier gilt, dass die klinische Diagnose nicht automatisch mit dem juristischen Begriff der schweren anderen seelischen Abartigkeit gleichgesetzt werden darf. Nur wenn die durch die typischerweise in der Jugendzeit auftretende, sich zunehmend entwickelnde Persönlichkeitsstörung hervorgerufenen Leistungseinbußen mit den Defiziten vergleichbar sind, die im Gefolge forensisch relevanter krankhafter seelischer Verfassungen auftreten, kann von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gesprochen werden (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 169; BGH, Beschluss vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Beschluss vom 18. Januar 2005 - 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 348/05, NStZ-RR 2006, 199). Dass der Angeklagte aufgrund dieses Störungsbildes aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2006 - 2 StR 210/06, juris Rn. 7), ist nicht festgestellt.
11
c) Eine zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten ist ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Das Landgericht hat sich auch insoweit dem Sachverständigen angeschlossen, der ausgehend vom Punktwert, den der Angeklagte bei dem Prognoseinstrument Stable-2007 erreicht habe, ein sehr hohes Risiko für den Anlassdelikten vergleichbare Sexualstraftaten angenommen hat, was auch "dem eigenen klinischen Eindruck des Sachverständigen entspreche". Der Angeklagte , der seine sexuelle Devianz "bislang nicht aufgearbeitet" habe, könne aufgrund der schizoiden Persönlichkeitsstörung Hemmungen gegenüber Sexualstraftaten "jederzeit überwinden".
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prognose zukünftigen Verhaltens einseitig das Ergebnis des vom Sachverständigen genutzten statistischen Prognoseinstruments in den Blick genommen und dabei außer Acht gelassen hat, dass solche Instrumente zwar Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, indes nicht in der Lage sind, eine fundierte Einzelbetrachtung zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 311/13, NStZ-RR 2014, 42 mwN). Eine solche individuelle Beurteilung kann sich nicht in dem Hinweis auf den "klinischen Eindruck des Sachverständigen" erschöpfen. Sie muss dieses aus der Person fol- gende Risikobild näher darlegen und sich vorliegend u.a. auch mit dem Umstand auseinandersetzen, dass, was angesichts der Unsicherheiten bezüglich der Tatzeitpunkte zu berücksichtigen ist, die Taten möglicherweise acht Jahre zurückliegen oder zwischen ihnen und den - nicht näher geschilderten, mit einer Bewährungsstrafe geahndeten - Vortaten eine Zeitspanne von mehr als fünf Jahren besteht (zu dem Zeitraum straffreien Verhaltens als Prognosegesichtspunkt vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - 5 StR 602/13, StV 2015, 218, 219; Beschluss vom 12. März 2014 - 2 StR 604/13, juris Rn. 7; Urteil vom 10. Dezember 2014 - 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73).
13
3. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Der Schuld- und der Strafausspruch werden davon nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass eine erneute Verhandlung zur Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten führen wird. Durch die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung ist der Angeklagte nicht beschwert.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

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BESCHLUSS
2 StR 338/13
vom
24. September 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. September 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Hinblick auf eine rechtswidrige Tat der gefährlichen Körperverletzung angeordnet, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Anordnung des § 63 StGB setzt voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat begangen hat; zu dieser gehören grundsätzlich auch die inneren Merkmale des durch die Tat verwirklichten Straftatbestands (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 StR 810/88, BGHR StGB § 63 Tat 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 63 Rn. 3, jeweils mwN). Zur inneren Tatseite des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB enthält das angefochtene Urteil aber keine ausreichenden Feststellungen.
3
a) Der wegen chronischer paranoider Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis schuldunfähige Beschuldigte war der Auffassung, der Zeuge N. , ein Polizeibeamter, sei unberechtigt in sein Haus eingedrungen. Er entschloss sich, den Vornamen des Zeugen N. in Erfahrung zu bringen, um ihm einen Brief zu schreiben und Hausverbot zu erteilen.
4
Am Tatabend begegnete der Beschuldigte dem im selben Wohnviertel wohnhaften Zeugen N. vor dessen Grundstück und rief ihm zu, „er solle ihm ‚seinen Namen‘ nennen, er wolle ihm einen Brief schreiben“ (UA S. 6). Der Auf- forderung des Zeugen, das Grundstück zu verlassen, kam der Beschuldigte nicht nach. Vielmehr folgte er dem Zeugen auf die fünfstufige Treppe vor der Haustür und forderte ihn weiter zur Nennung seines Vornamens auf.
5
Der Zeuge N. , der auf einem 90 cm oberhalb des Erdbodens gelegenen Podest vor der Haustür stand und in einer Hand einen Karton mit Einkäufen bei sich trug, schloss mit dem in der anderen Hand befindlichen Schlüssel die Haustür auf, drehte sich dann zu dem Beschuldigten um und erklärte, nicht mit ihm sprechen zu wollen; er bat den Beschuldigten zu gehen. In diesem Moment griff der Beschuldigte „unvermittelt“ mit der rechten Hand an die offene Windjacke des Zeugen N. und riss daran, so dass der Zeuge vom Podest fiel. „Hierbei war ihm die Höhe des Podests ebenso bewusst wie die Tatsache, dass der Weg unterhalb des Podests gepflastert war, so dass ihm die Gefährlichkeit seines Tuns, insbesondere die darin liegende Gefahr erheblicher Verletzungen bei einem Aufprall aus solcher Höhe auf einen gepflasterten Weg, bekannt war“ (UA S. 7); ihm sei es - so das Landgericht - zumindest gleichgültig gewesen, ob sich der Zeuge N. gegebenenfalls lebensgefährlich verletze.
6
Tatsächlich erlitt der Zeuge infolge des Sturzes „im hohen Bogen“ potentiell lebensgefährliche Verletzungen, die operativ versorgt werden mussten.
7
b) Nach diesen Feststellungen hat der Beschuldigte zwar in objektiver Hinsicht den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht. Die weitere Annahme, der Beschuldigte habe - bezogen auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB - vorsätzlich gehandelt (UA S. 7, 15) findet jedoch in dem festgestellten Sachverhalt keine ausreichende Stütze. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass der Beschuldigte an die Jacke des Zeugen griff und an ihr riss. Dagegen ist nicht festgestellt, dass die Tat in der Vorstellung des Beschuldigten auf eine Lebensgefährdung angelegt war (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. März 1992 - 2 StR 84/92, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung 6; Fischer aaO § 224 Rn. 13). Das Landgericht geht hinsichtlich des Vorstellungsbildes des Beschuldigten - dessen Einlassung folgend - vielmehr davon aus, dass er, aufgrund seiner Krankheit ohnehin unter Verfolgungs- und Beeinträchtigungserleben leidend, den Zeugen N. bereits in sein Wahnsystem einbe- zogen hatte und „sich … wahnhaft bedroht fühlte“ (UA S. 13).
8
Wenn - wie hier - aber die Willensrichtung dafür entscheidend ist, ob sich die Handlung des Täters als ein die Unterbringung gemäß § 63 StGB begründendes Vergehen nach § 224 StGB oder als ein die Unterbringung regelmäßig nicht rechtfertigendes Vergehen nach § 229 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 4 StR 168/13 Rn. 43 juris) darstellt, dann muss insbesondere - und sorgfältiger als bislang geschehen - der innere Tatbestand erörtert werden, soweit dies nach dem psychischen Zustand des Täters möglich ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 StR 810/88, BGHR StGB § 63 Tat 2 mwN). Ein natürlicher Vorsatz der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB versteht sich nach dem äußeren Tathergang und angesichts des geistigen Zustands des Beschuldigten hier auch nicht von selbst.
9
2. Die Sache bedarf deshalb neuer Prüfung durch den Tatrichter. Er wird sich dabei unter Hinzuziehung eines Sachverständigen genauer als bisher ins- besondere mit den konkreten Auswirkungen der Erkrankung des Beschuldigten auf die Tat auseinanderzusetzen haben. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 8 1 / 1 5
vom
30. Juni 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. Juni 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2015 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Taten Ziffer III. der Urteilsgründe aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Die Feststellungen des Landgerichts zu den Taten des Beschuldigten beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, da das Landgericht die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei entschieden hat.
4
a) Nach den Darlegungen des Landgerichts war die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei den Taten III. 1. c) aa) und bb), III. 1 b) bb), III. 3. b) aa) der Urteilsgründe (Nr. 1 bis 4, 7 der Antragsschrift) aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sicher aber erheblich beeinträchtigt, die Steuerungsfähigkeit hingegen vollständig erhalten geblieben.
5
Damit ist die gesetzliche Voraussetzung (vgl. § 63 StGB), dass der Beschuldigte diese fünf Taten im Zustand sicher festgestellter zumindest eingeschränkter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen hat, nicht belegt. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13. November 1990 - 1 StR 514/90, BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 3; vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 271/14, juris Rn. 7). Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Ist ihm das Fehlen nicht vorwerfbar, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, lägen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 30. September 2014 - 3 StR 261/14, juris Rn. 3).
6
b) Gleiches gilt im Ergebnis für die übrigen drei Taten, bei denen das Landgericht neben der erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten festgestellt hat. Die Anwendung des § 21 StGB kann nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wie dargelegt ist eine verminderte Einsichtsfähigkeit strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat, während die Schuld des Angeklagten nicht gemindert wird, wenn er ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen hat. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich deshalb Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 3 StR 535/94, BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6 mwN). Ein Fall, in dem das Revisionsgericht ausnahmsweise aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sicher entnehmen kann, dass das Landgericht von erhalten gebliebener Einsicht des Beschuldigten in das Tatunrecht ausgegangen ist, liegt nicht vor.
7
c) Über die psychische Befindlichkeit des Beschuldigten bei den Taten, deren Einfluss auf die Schuldfähigkeit und ggf. über die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB muss deshalb erneut befunden werden.
8
3. Für das weitere Verfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Bemerkungen :
9
a) Sollte die erneute Überprüfung ergeben, dass eine verminderte Schuldfähigkeit bei einzelnen oder allen Taten nicht allein auf einer Schizophrenie des Beschuldigten beruht, sondern auf dessen Alkoholabhängigkeit und Polytoxikomanie, so wäre auf die in solchen Fällen geltenden besonderen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42) Bedacht zu nehmen. Den bisherigen Wertungen zur Schuldfähigkeit bei den Taten 5, 6 und 8 der Antragsschrift (UA S. 42 f.) lässt sich allerdings entnehmen , dass die Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit bereits allein auf die Psychose gestützt werden sollte und der Alkoholisierung lediglich noch eine verstärkende Wirkung zugemessen wurde.
10
b) Die Taten III. 1. b) bb) sowie III. 2. a) aa) der Urteilsgründe (Nr. 3, 4 und 5 der Antragsschrift) scheiden entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat. Es berührt den natürlichen Tatvorsatz nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 222/08, NStZ-RR 2008, 334; Beschluss vom 18. Juni 2014 - 5 StR 189/14, juris mwN). Diese Taten können deshalb grundsätzlich zum Anlass für eine neuerliche Unterbringung gemacht werden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt: "I. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstat auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen ist. Das Tatgericht ist dabei verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen , dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 3 StR 317/17, juris Rn. 5 m.w.N.).
11
Die Feststellungen zu den einzelnen Taten ergeben hierfür keinen Anhaltspunkt. Die Polizeibeamten bekundeten eine jeweils hohe Aggressivität. Soweit ein Polizeibeamter den Angeklagten nach der ersten Tat als „geistig nicht sehr klar“ empfand, führte er dies auf dessen Berauschung zurück (Atem- test: 0,66 mg/l). Auch der psychiatrische Sachverständige kommt zu dem Er- gebnis, dass eine „produktiv-psychotische Symptomatik“ bei den Taten nicht vorgelegen und der auf der Psychose beruhende Wahn „keinen handlungsleitenden Charakter aufgewiesen“ habe (UA S. 20). Unter solchen Vorzeichen genügt es nicht, wenn das Landgericht bei der Erörterung des § 63 StGB lediglich feststellt, die durch den Angeklagten verübten Taten seien in einem krankheitsbedingten psychopathologischen Zustand begangen, der sicher seine Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB erheblich eingeschränkt habe. Es existiert nämlich kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei Diagnose einer schizophrenen Psychose generell oder zumindest längere Zeiträume überdauernd gesichert eine relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit oder gar deren Aufhebung gegeben ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39, jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/16
vom
30. März 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:300317U4STR463.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 9. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und versuchter Brandstiftung mit Todesfolge freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Mit der zugelassenen Anklage vom 12. April 2016 legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, er habe am 27. November 2015 in seinem Zimmer im zweiten Obergeschoss einer Flüchtlingsunterkunft in der B. er Innenstadt auf unbekannte Weise vorsätzlich ein Feuer gelegt. Der Brand habe sich über die Möbel in seinem Zimmer ausgebreitet, dieses vollständig zerstört und dabei unter anderem die Dachvertäfelung, die hölzernen Fensterrahmen sowie die Türzargen und -blätter ergriffen. Wie vom Angeklagten vorhergesehen oder zumindest billigend in Kauf genommen, habe die starke Rauchentwicklung den Bewohnern der höheren Geschosse den Fluchtweg versperrt, deren Tod der Angeklagte somit in Kauf genommen habe. Zwei Hausbewohner hätten wegen des starken Rauchs auf das nasse Hausdach fliehen müssen und seien mittels einer Drehleiter gerettet worden.

II.


3
1. Nach den Feststellungen meldete sich der in G. geborene Angeklagte im Juli 2013 in Deutschland als Asylsuchender und bekam nach wenigen Monaten einen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft in B. zugewiesen.
4
Der Angeklagte hatte ab dem 22. Lebensjahr gelegentlich – etwa alle ein bis zwei Monate, teilweise auch mit längeren Pausen – Marihuana konsumiert, ohne hiervon abhängig zu werden. Aufgrund dieses gelegentlichen Marihuanakonsums entwickelte sich bei ihm ab dem Sommer 2015 eine drogeninduzierte Psychose. Diese äußerte sich u.a. durch Größenideen, enthemmtes Verhalten und „fehlendes Risikobewusstsein im Umgang mit Feuer“. Am 19. Oktober 2015 wurde der Angeklagte nach Konflikten mit Mitbewohnern erstmals nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. stationär untergebracht. Der Angeklagte zeigte deutliche psychotische Symptome, wurde jedoch bereits am 20. Oktober 2015 mangels akuter Eigen- oder Fremdgefährdung wieder entlassen. Am 14. November 2015 wurde er abermals in die vorgenannte Klinik eingewiesen, nachdem er in der Küche seiner Unterkunft ein Feuer in einem Papierkorb entfacht hatte. Während der Unterbringung zeigte sich der Angeklagte erneut deutlich psychotisch mit Größenwahn und ent- hemmtem Verhalten, weshalb er zwangsweise medikamentös behandelt wurde. Am 24. November 2015 wurde er bei fehlender Behandlungseinsicht und ohne Hinweise auf eine fortbestehende akute Eigen- und Fremdgefährdung entlassen.
5
Am 27. November 2015 kam es in der Flüchtlingsunterkunft, in der zu dieser Zeit insgesamt 26 Bewohner untergebracht waren, zu einem Brand, dessen Ursache die Strafkammer nicht festzustellen vermocht hat. Brandzentrum war das im zweiten Obergeschoss gelegene Zimmer des Angeklagten, welches durch das Feuer vollständig zerstört wurde. Die starke Rauchentwicklung versperrte den Fluchtweg für die Bewohner der höheren Geschosse. Zwei Personen wurden durch die Feuerwehr vom Dach des Hauses gerettet, drei Personen mussten mit Rauchgasvergiftungen in ein Krankenhaus gebrachtwerden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 150.000 Euro. Der Angeklagte wurde noch während der Löscharbeiten von der Polizei vor dem Haupteingang des Supermarktes gegenüber der Unterkunft angetroffen und vorläufig festge- nommen. Er war „zur Tatzeit“ krankheitsbedingtnicht in der Lage einzusehen, dass die Verursachung eines Brandes gefährlich, geschweige denn verboten ist.
6
Nach dem Brand wurde der Angeklagte erneut nach dem PsychKG NW in der Klinik in Be. untergebracht, wo er sich wiederum psychotisch zeigte. Nachdem er am 10. Dezember 2015 in der forensischen Psychiatrie in L. einstweilig untergebracht worden war, verschwanden die psychotischen Symptome ohne medikamentösen Einfluss nach zehn bis 14 Tagen vollständig und traten nicht wieder auf.
7
2. Die Schwurgerichtskammer hat die Frage der Täterschaft des Ange- klagten offengelassen, da „der Angeklagte mangels Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Ergebnis ohnehin aus rechtlichen Gründen freizusprechen“ sei.
8
Nach den Ausführungen des psychiatrischen und des psychologischen Sachverständigen, denen sich das Landgericht angeschlossen hat, habe der Angeklagte im Tatzeitraum – zurückgehend auf seinen gelegentlichen Konsum von Marihuana – an einer drogeninduzierten Psychose gelitten. Diese Erkrankung habe dazu geführt, dass der Angeklagte der normalen Realitätswahrnehmung entrückt gewesen sei. Er habe eigene Wahrnehmungen in wahnhafte Vorstellungen eingebaut, ohne die Möglichkeit zur Korrektur gehabt zu haben. Wenn er Feuer gelegt habe, sei er nicht in der Lage gewesen, die Konsequenzen seiner Handlungen einzuschätzen. Dass er immer wieder Feuer entzündet habe, auch wenn er dabei gesehen worden sei, zeige, dass er nicht in der Lage gewesen sei einzusehen, dass sein Verhalten gefährlich und verboten sei. Auch zum Zeitpunkt der Brandlegung in der Unterkunft sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben gewesen. Selbst wenn „ein Rest an Einsichtsfähigkeit und Unrechtseinsicht“ vorhanden gewesen wäre, habe es jedenfalls an der Fä- higkeit des Angeklagten gefehlt, nach dieser Einsicht zu handeln, da er „krankheitsbedingten raptusartigen Impulsen keine hemmenden Kontrollen habe ent- gegensetzen können“.

III.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Freispruch des Angeklagten kann nicht bestehen bleiben, weil der vom Landgericht vorgenommenen Schuldfähigkeitsbeurteilung durchgreifende rechtliche Bedenken begegnen.
10
1. Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 Rn. 11; vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschluss vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt , die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 399/16 aaO; Beschlüsse vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306).
11
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
12
a) Bereits die Annahme, der Angeklagte habe im Tatzeitraum an einer drogeninduzierten Psychose gelitten, wird durch das Landgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung nicht tragfähig begründet.
13
Schließt sich der Tatrichter – wie hier – den Ausführungen eines Sachverständigen an, müssen dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16 Rn. 8; vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15 aaO; vom 27. Januar 2016 – 2 StR 314/15, NStZ-RR 2016, 167 [Ls]; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14 aaO).
14
Die Strafkammer beschränkt sich darauf, die Diagnose der Sachverständigen wiederzugeben. Welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen die Sachverständigen ihrer Bewertung zugrunde gelegt haben, wird dagegen nicht mitgeteilt. Es bleibt daher unklar, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Sachverständigen von einer drogeninduzierten Psychose ausgegangen sind. Dies hätte nicht zuletzt mit Blick auf den festgestellten nur gelegentlichen Marihuanakonsum des Angeklagten einer näheren Erläuterung bedurft. Die erfolgten Unterbringungen des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus und die hierbei gestellte Diagnose deuten zwar auf das Vorliegen einer psychischen Störung hin, vermögen aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu ersetzen. Weder verhalten sich die Urteilsgründe zum Inhalt der Wahnvorstellungen des Angeklagten und zur konkreten Ausprägung des von ihm gezeigten enthemmten Verhaltens noch wird näher dargelegt, in welcher Weise sich das beim Angeklagten vorhandene Störungsbild auf dessen Umgang mit Feuer ausgewirkt hat. Soweit die Sachverständigen in Bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf krankheitsbedingte raptusartige Impulse verwiesen haben, denen der Angeklagte keine hemmenden Kontrollen habe entgegensetzen können, fehlt hierfür jeglicher tatsachengestützter Beleg.
15
b) Das angefochtene Urteil lässt ferner eine Auseinandersetzung mit dem Schweregrad der angenommenen psychischen Störung vermissen und benennt nicht, welches Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB es als erfüllt ansieht. Letzteres darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch regelmäßig nicht offenbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 29. September2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341; Beschlüsse vom 22. April 2008 – 4 StR 136/08, NStZ-RR 2009, 46; vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351).
16
c) Schließlich hätte die Schwurgerichtskammer die Täterschaft des Angeklagten nicht offenlassen dürfen. Für die Frage eines Ausschlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Weise sich die festgestellte und unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumierende psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten kann daher – von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, NStZ 1997, 485, 486) – nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 56/15, NJW 2016, 728, 729; Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54; vom 21. Dezember 2006 – 3 StR 436/06, NStZ-RR 2007, 105, 106; vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97 aaO; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 20 Rn. 20a mwN; Perron/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 20 Rn. 31 mwN). Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03 aaO mwN; vom 4. Juni 1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 402). Ohne entsprechende Feststellungen zum Tatgeschehen und damit auch zur Täterschaft des Angeklagten ist eine sachgerechte Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 5 5 / 1 5
vom
3. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2015 gemäß
§ 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 22. Dezember 2014 wird
a) dieses im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Sich-Verschaffens von kinderpornographischen Schriften in elf Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Sich-Verschaffen von jugendpornographischen Schriften, sowie des Sich-Verschaffens von jugendpornographischen Schriften in 15 Fällen schuldig ist;
b) der Vorwurf der „Änderung“ einerVideodatei mit jugendpornographischem Inhalt am 27. Februar 2013 (Fall A.I.30. der Urteilsgründe) von der Verfolgung ausgenommen;
c) dieses im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften in 68 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet und ein vom Angeklagten genutztes – näher bezeichnetes – Laptop eingezogen.
2
Seine dagegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte war 1985 wegen verschiedener Sexualstraftaten zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Nach Verbüßung der Freiheitsstrafe wurde seit 1988 die Maßregel vollzogen, bis der Vollzug durch eine auf Unverhältnismäßigkeit gestützte Erledigungserklärung am 19. November 2013 beendet wurde.
5
2. Die ersten hier verfahrensgegenständlichen Taten beging der Angeklagte in einer Lockerungsphase während laufenden Maßregelvollzugs. Er befand sich ab August 2012 in einer betreuten Einrichtung zum Zweck des Probewohnens. In dieser Zeit gelangte er in den Besitz eines Laptops, den er entgegen den Lockerungsbedingungen des Maßregelvollzugs der Vollzugseinrichtung nicht anzeigte. In dem Zeitraum zwischen dem 15. und dem 27. Februar 2013 verschaffte sich der Angeklagte 29 Bild- und drei Videodateien, die jeweils im Einzelnen festgestellte jugendpornographische Inhalte hatten (Fälle A.I. der Urteilsgründe). Die Dateien speicherte er auf der Festplatte des von ihm genutzten Laptops.
6
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten jeweils als Besitz jugendpornographischer Schriften gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB gewertet und ihn deshalb insoweit wegen 32 Fällen dieses Delikts schuldig gesprochen.
7
3. Nach der Beendigung des Maßregelvollzugs verschaffte sich der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 24. November 2013 und dem 23. März 2014 insgesamt 21 Bild- und drei Videodateien mit kinderpornographischen Abbildungen sowie sechs Bild- und 30 Videodateien mit jugendpornographischen Darstellungen, deren Inhalte das Tatgericht jeweils näher festgestellt hat. Die Dateien speicherte er auf verschiedenen Speichermedien, wie etwa der Festplatte eines Laptops aber auch auf externen Speichermedien wie USBSticks (Fälle A.II. der Urteilsgründe). Insoweit erfolgte eine Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB) in 24 Fällen und wegen Besitzes jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) in 36 Fällen.
8
4. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei dem Angeklagten eine sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vornehmlich schizoiden, selbstunsicheren und schizotypen Zügen festgestellt, die es als „schwere andere seelische Abartigkeit“ i.S.v. § 20 StGB gewertet hat. Aufgrund dieser Störungen sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten sicher erheblich beeinträchtigt, nicht jedoch aufgehoben gewesen.

II.


9
1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Juni 2015 zutreffend aufgezeigt hat, tragen die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu den Tatgeschehen getroffenen Feststellungen deren rechtliche Bewertung durch das Landgericht nicht.
10
a) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte sämtliche der verfahrensgegenständlichen Bild- und Videodateien durch Herunterladen und Speichern auf verschiedenen internen oder externen Speichermedien selbst verschafft und dadurch den Tatbestand von § 184b Abs. 4 Satz 1 bzw. § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB verwirklicht. Gegenüber dem Sich-Verschaffen gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB tritt der vom Landgericht dem Schuldspruch u.a. zugrunde gelegte Besitztatbestand gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB als subsidiärer Auffangtatbestand zurück (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008 – 3 StR 215/08, NStZ 2009, 208; vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09 Rn. 25, StV 2010, 294; vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 3, StV 2012, 540). Für den in der tatbestandlichen Struktur und der Schutzrichtung weitgehend übereinstimmenden § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB gilt im Verhältnis des Sich-Verschaffens (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB) zu dem Besitz (§ 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 2 StGB) jugendpornographischer Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) nichts anderes. Der Angeklagte war daher jeweils wegen SichVerschaffens von kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften zu verurteilen (zur Bezeichnung dieses verwirklichten Tatbestandes in der Entscheidungsformel siehe BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11 Rn. 4, StV 2012, 540).
11
b) Wegen des Wertungsfehlers bei der Bestimmung des verwirklichten Straftatbestandes tragen die Feststellungen auch die vom Landgericht angenommene Anzahl der Taten im materiell-rechtlichen Sinne nicht. Lädt der Täter im Verlaufe einer Internetsitzung jeweils mehrere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt auf seinen Computer herunter, handelt es sich aufgrund natürlicher Handlungseinheit jeweils lediglich um eine Tat des Sich-Verschaffens im Sinne von § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – 3StR 215/08, NStZ 2009, 208; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 2 StR 166/14 Rn. 4). Entsprechendes gilt für § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB.
12
Soweit das Landgericht – zudem bezogen auf den jeweiligen Besitztatbestand – die Annahme jeweils einzelner Taten pro Bild- bzw. Videodatei mit jeweils „gesonderten Tatentschlüssen“ begründen will (UA S. 3), wird diese Feststellung nicht tragfähig belegt. Aus den im Einzelnen mitgeteilten Daten der Erzeugung der entsprechenden Dateien ergibt sich, dass bei nahezu allen Sitzungen zwischen dem Herunterladen mehrerer Dateien jeweils lediglich Sekunden oder Minuten lagen. Das deutet nicht auf jeweils neue Tatentschlüsse hin. Weitere Umstände, auf die sich die entsprechende Feststellung des Land- gerichts stützen könnte, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Da sich weitere Feststellungen insoweit auch nicht treffen lassen werden, ist unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von lediglich einer Tat des Sich-Verschaffens pro einheitlicher Internetsitzung auszugehen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 8 mwN).
13
c) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen über die konkreten Erzeugungsdaten der fraglichen Dateien und der sich daraus ergebenden Anzahl der einzelnen einheitlichen Internetsitzungen hat der Senat den Schuldspruch nach Maßgabe der detaillierten Aufstellung in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wie aus der Beschlussformel ersichtlich geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich weder im Hinblick auf die rechtliche Bewertung der Taten noch deren Anzahl erfolgreicher als geschehen verteidigen können.
14
2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat der Senat den Vorwurf im Fall A.I.30. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen. Das Landgericht hat insoweit – abweichend von den übrigen verfahrensgegenständlichen Fällen – lediglich ein Datum der Änderung (27. Februar 2013 – 17:46:34 Uhr) und nicht der Erzeugung der betroffenen Videodatei feststellen können (UA S. 5). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem bereits ein Sich-Verschaffen im Sinne von § 184c Abs. 4 Satz 1 Var. 1 StGB bezüglich einer verfahrensgegenständlichen Tat vorausgegangen ist. Eine weitere Aufklärung ist verfahrensökonomisch nicht veranlasst; eine für diesen Tatteil in Frage kommende Strafe fiele neben den für die sonstigen verfahrensgegenständlichen Taten zu verhängenden Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht (§ 154a Abs. 1 Satz 1 StPO).

III.


15
1. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
16
2. Im Hinblick auf die erhebliche Änderung der Anzahl der Anlasstaten hebt der Senat auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auf.
17
a) Eine Unterbringung gemäß § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in der Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. mwN; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu beurteilen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169 f. mwN).
18
Für die Erwartung zukünftiger Straftaten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen, brauchen zwar die verfahrensgegenständlichen Anlasstaten selbst nicht erheblich zu sein (BGH, Beschluss vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Die zu erwartenden Taten müssen aber, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (BGH aaO sowie BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH jeweils aaO).
19
b) Wegen der vorstehend dargelegten Bedeutung der Anlasstaten im Rahmen der der Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegenden Gesamtwürdigung bedarf es angesichts der gravierenden Änderung der Anzahl der Anlasstaten trotz des unveränderten Tatbildes unter den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls einer Aufhebung auch des Maßregelausspruchs. Da die Anlasstaten selbst in der modifizierten rechtlichen Bewertung allenfalls knapp den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen, muss dem neuen Tatrichter die Möglichkeit eröffnet werden, die in solchen Konstellationen erforderliche besonders umfassende und sorgfältige Gefährlichkeitsprognose eigenständig vornehmen zu können.
20
c) Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB ist nach den zu den Tatgeschehen und zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen auch nicht von vornherein ausgeschlossen.
21
aa) Soweit das sachverständig beratene Landgericht sicher eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufgrund einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angenommen hat,die es auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (hier nach ICD-10: F61.9) und Pädophilie (ICD-10: F65.4) gestützt hat, wäre dies entgegen der Auffassung der Revision im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar nicht jede Form sexueller Devianz, wie etwa Pädophilie, ohne weiteres das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ ausfüllen. Die Störung kann aber im Einzelfall den Schwere- grad des Eingangsmerkmals erreichen; eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung der Praktiken auszeichnen (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10 Rn. 4). Das kann bei dem Angeklagten in Betracht kommen.
22
bb) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) stünde einer Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ebenfalls nicht zwingend entgegen. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt jedenfalls dem Umstand, dass der frühere Vollzug der 1985 angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit beendet worden ist, grundsätzlich keine unmittelbare Bedeutung für die Voraussetzungen der Unterbringung wegen der Begehung der jetzigen Anlasstaten zu. Ob die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB im gegenständlichen Verfahren verhältnismäßig wäre, bestimmt sich nach der Bedeutung der jetzigen Anlasstaten sowie derjenigen der zu erwartenden Taten und dem von dem Täter ausgehenden Grad der Gefährlichkeit (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 62 Rn. 3 – 5). Bei der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB wegen Un- verhältnismäßigkeit des (weiteren) Vollzugs einer angeordneten Maßregel kommt es als Abwägungsfaktor zwar auch auf Grad und Art der zukünftigen Gefährlichkeit des Untergebrachten an. Maßgebend ist im Rahmen der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB jedoch vor allem, dass bei langandauernden Unterbringungen der Freiheitsanspruch des Untergebrachten zunehmendes Gewicht erhält (siehe etwa BVerfGE 70, 297, 315; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 19. November2012 – 2 BvR 193/12, StV 2014, 148, 150 sowie Veh in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 67d Rn. 21 mwN). Gerade dieser Aspekt ist für die Verhältnismäßigkeit der erneuten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen neuer Anlasstaten dagegen nicht von Bedeutung.
23
3. Der Senat hebt auch die an sich rechtsfehlerfreie Einziehungsentscheidung auf. Wird dem Angeklagten im Wege der Einziehung ein werthaltiger Gegenstand entzogen, ist dies regelmäßig für die Strafzumessung und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller den Angeklagten treffenden Rechtsfolgen von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169 mwN). Die Aufhebung der Einziehungsentscheidung gestattet dem neuen Tatrichter eine solche Gesamtbetrachtung sämtlicher in Frage kommenden Rechtsfolgen.
24
4. Um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu sämtlichen Voraussetzungen des § 63 StGB zu ermöglichen, hebt der Senat die Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Wegen der Doppelrelevanz erfasst dies die Feststellungen zur eingeschränkten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) als Strafzumessungsgesichtspunkt für die Anlasstaten ebenfalls. Wegen der Verknüpfung der Strafzumessung mit der Einziehung von Tatmitteln war die Aufhebung auch auf die die Einziehungsentscheidung betreffenden Feststellungen zu beziehen.
25
5. Angesichts der Aufhebung der Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch aufgrund der Sachrüge kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an. Diese betraf allein die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten.

IV.


26
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
27
Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht bei der Neufestsetzung der Einzelstrafen für die geringere Anzahl von materiellrechtlichen Taten einer Erhöhung der höchsten im ersten Rechtsgang für die Taten verhängten Einzelstrafen nicht entgegen. Allerdings darf die Summe der neuen Einzelstrafen ebenso wenig zum Nachteil des Angeklagten verändert werden, wie die neu zu bestimmende Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 StR 342/14 Rn. 13 mwN).
Vorsitzender Richter am Richter am BundesgerichtsBundesgerichtshof Dr. Raum hof Prof. Dr. Graf ist wegen ist wegen Urlaubsabwesenheit Urlaubsabwesenheit an der an der Unterschrift gehindert. Unterschrift gehindert. Rothfuß Rothfuß Rothfuß Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR544/13
vom
25. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten und Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 15. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch bleiben die im Fall II.1. der Urteilsgründe zum äußeren Tathergang getroffenen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten, gegen den wegen gefährlicher Körperverletzung Anklage und wegen einer weiteren Straftat eine Antragsschrift im Sicherungsverfahren erhoben worden war, vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Sie hat Erfolg.
2
1. Die rechtliche Bewertung der dem Beschuldigten im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Tat (Fall II.2. der Urteilsgründe) begegnet - teilweise - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den insofern getroffenen Feststellungen überraschte der Beschuldigte am Morgen des 26. März 2013 seine geschiedene Ehefrau, als diese auf dem Weg zu ihrem Pkw den Keller ihres Wohnhauses durchquerte. Er sagte ihr, dass er ein Messer habe, und die Zeugin sah, wie er dieses in die Hosentasche steckte. Im Verlauf des sich anschließenden Gesprächs, in dem er unter anderem die Zahlung von Geld zum Ausgleich seiner Schulden forderte, ergriff der Beschuldigte das von der Zeugin in der Hand gehaltene Mobiltelefon und riss es ihr aus der Hand, um es für sich zu behalten. "Verängstigt über das plötzliche Erscheinen des Angeklagten und dessen Äußerung, ein Messer bei sich zu haben, leistete die Zeugin keinerlei Widerstand" (UA S. 13). Ferner entwand er der Zeugin einen Schlüsselbund. In der Folge forderte der Beschuldigte die Zeugin auf, mit ihm zu ihrem Pkw zu gehen und sich in das Fahrzeug zu setzen. Dem kam die Zeugin "unter dem Eindruck des Vorgeschehens" nach, zumal sie auf dem Weg zum Pkw bzw. in diesem auf eine Möglichkeit zur Flucht hoffte. Versuche der Zeugin, dem Beschuldigten den Schlüsselbund wieder abzunehmen, gab die Zeugin auf, nachdem er gedroht hatte, ihr das Gesicht zu zerschneiden. Zudem beleidigte er sie und schlug ihr schließlich mit dem Schlüsselbund gegen den Kopf. Einen in dem Pkw während des sich anschließenden Gesprächs von der Zeugin unternommenen Fluchtversuch vereitelte der Beschuldigte, indem er sie an den Haaren wieder in das Fahrzeug zog. Schließlich erklärte er, dass er sie zur Arbeit fahren und sie später wieder abholen werde. Hierauf ging die Zeugin zum Schein ein. An ihrer Arbeitsstelle angekommen bat die Zeugin den Beschuldigten, ihr die Schlüssel ihrer Firma zu geben. Diese sowie die Wohnungsschlüssel übergab der Beschuldigte ihr daraufhin. Sodann "fragte" er sie, "ob sie Geld habe, weil er einen Kaffee trinken wolle. Unter dem Eindruck des Vorgeschehens, verängstigt durch seine Drohungen und dadurch, dass er das Messer nach wie vor bei sich hatte, übergab sie ihm ihr einziges Bargeld in Form von fünf Euro". Sodann stieg sie aus dem Pkw aus. "Insgesamt erstreckte sich das Geschehen … über einen Zeit- raum von etwa einer Stunde" (UA S. 15).
4
Die Strafkammer bewertete dieses Geschehen als (besonders) schweren Raub (hinsichtlich des Mobiltelefons), gefährliche Körperverletzung (Schlag mit dem Schlüsselbund), vorsätzliche Körperverletzung (Ziehen an den Haaren) und schwere räuberische Erpressung (hinsichtlich der 5 €). Alle diese Tatbestände stünden - so das Landgericht - in Tateinheit.
5
b) Die rechtliche Würdigung begegnet - teilweise - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere belegen die Feststellungen das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht.
6
aa) Diese erfordert eine finale Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12 [juris Rn. 4], und vom 5. November 2013 - 2 StR 388/13 [juris Rn. 11], jeweils mwN). Nicht anders als beim Raub genügt es daher nicht, wenn der Einsatz des Nötigungsmittels nicht zum Zwecke der - hier erfolgten - Herausgabe des Geldes vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss, dem Opfer eine Handlung abzunötigen, erst nach der Gewaltanwendung oder Drohung fasst (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2012 - 3 StR 232/12, NStZ-RR 2012, 342).
7
Die Strafkammer hat jedoch nicht festgestellt, dass der Beschuldigte bereits im Zeitpunkt der Körperverletzungen oder Drohungen vorhatte, die Geschädigte zur Herausgabe des Geldes für einen Kaffee zu bewegen. Nach den Feststellungen der Strafkammer forderte der Beschuldigte vielmehr zunächst wegen angeblich durch die Zeugin verursachter Schulden mindestens 25.000 €, bevor er - erhebliche Zeit später, insbesondere nach der Wegnahme des Mobiltelefons und des Schlüsselbundes sowie der Fahrt zur Arbeitsstelle der Zeugin - diese nach dem Geld für einen Kaffee "fragte".
8
bb) Die Feststellungen der Strafkammer belegen auch nicht, dass der Beschuldigte für den Fall der Nichterfüllung seiner "Frage" zumindest konkludent mit weiterer Gewalt gedroht hat.
9
Zwar hatte die Geschädigte weiterhin Angst vor dem Beschuldigten. Dies ist auch nachvollziehbar, obwohl die Zeugin nach ihrer Aussage - der die Strafkammer folgt - in die Fahrt mit dem Pkw einwilligte, weil sie davon ausging, dass der Beschuldigte dabei "nicht unmittelbar sofort eine neue Bedrohungslage unter Verwendung des Messers herstellen konnte" (UA S. 20; Hervorhebung nur hier). Das bloße Ausnutzen einer vorangegangenen Nötigung reicht indes nicht aus, wenn nicht die Nötigungslage bei Hinzutreten der Bereicherungsabsicht wenigstens aktualisiert aufrechterhalten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12 [juris Rn. 5], mwN). Dies und einen entsprechenden Vorsatz des Beschuldigten hat die Strafkammer aber nicht festgestellt.
10
2. Schon dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der im Fall II.1. der Urteilsgründe zum äußeren Tathergang getroffenen Feststellungen (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 12, 15).
Denn der Senat kann nicht hinreichend sicher ausschließen, dass die Strafkammer die den Angeklagten und Beschuldigten außerordentlich belastende Maßregel der Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt nicht angeordnet oder zur Bewährung ausgesetzt hätte, wenn sie den - gewichtigen - Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung im Fall II.2. der Urteilsgründe nicht bejaht hätte.
11
Die Aufhebung auch des Freispruchs ist im Hinblick auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13 [juris Rn. 8]).
12
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
(1) Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Wegnahme des Mobiltelefons als (besonders) schwerer Raub ist schon unklar, von welchem Straftatbestand die Strafkammer tatsächlich ausgegangen ist. Denn sie bewertet dieses Geschehen wegen des Vorhalts des Messers zwar als "Raub in einem besonders schweren Fall", verweist aber mehrfach auf § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB. Insofern wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer sich auch um weitere Aufklärung zu bemühen haben, da die bisherigen Feststellungen es als nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, dass das Entreißen des Mobiltelefons durch ein das Opfer überraschendes Verhalten des Beschuldigten und nicht eine Drohung mit dem Messer ermöglicht wurde. Nach der Konzeption der Raubdelikte ist ein Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nur dann zu bejahen, wenn der Täter zur Wegnahme der fremden beweglichen Sache die Waffe oder das gefährliche Werkzeug als Mittel entweder der Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für deren Leib oder Leben gebraucht (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 190/10, NStZ 2011, 211, 212), er es also als Nötigungsmittel zur Herbeiführung der Wegnahme benutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 422/12, NStZ-RR 2013, 210; vgl. zur Abgrenzung zwischen Verwenden und offenen Mitführen zudem: BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 - 3 StR 97/12, StraFo 2012, 329).
14
Im Übrigen wird auch hinsichtlich dieser Tat zu bedenken sein, dass das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung für sich genommen noch keine Drohung darstellt. Erforderlich hierfür ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbstständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde (BGH, Beschluss vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13 [juris Rn. 3], mwN).
15
(2) Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB erfordert, dass der Täter eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, also mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Dies bedarf vorliegend insbesondere hinsichtlich der Taten des Beschuldigten zum Nachteil seiner geschiedenen Ehefrau näherer Darlegung.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 327/03
vom
27. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 14. April 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Ablauf des Tatgeschehens und zur subjektiven Tatseite bleiben bestehen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte hatte 1998 bei einem schweren Verkehrsunfall ein Schädel -Hirn-Trauma erlitten. In der Folge trat eine hirnorganische Wesensveränderung ein, die sich in allgemein schlecht gesteuertem Verhalten, erhöhter Reizbarkeit und impulsiver Reaktionsbereitschaft äußert. Er neigt zu emotionalen anstatt rationalen Reaktionen. Affekte klingen bei ihm nur langsam ab. Zudem liegt eine schwere Persönlichkeitsstörung mit sowohl depressiven als auch paranoiden Elementen vor. "Wegen Eigen- und Fremdgefährdung" war er nach dem Tatgeschehen vom 18. Oktober 2000 im Anschluß an eine stationäre Be-
handlung im Krankenhaus Albstadt-Ebingen am 20. Oktober 2000 in die Klinik für Psychiatrie Rottenmünster verlegt worden, wo er sich bis 23. Oktober 2000 aufhielt. Derzeit befindet er sich im Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen, wegen des zugrundeliegenden Tatgeschehens jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zudem hat es ihn wegen Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt der Angeklagte in erster Linie die Aufhebung der verhängten Maßregel, insoweit hat die Revision mit der Sachbeschwerde Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur der Maßregelausspruch nebst dem zugrundeliegenden Tatgeschehen:

I.

Nach den dazu getroffenen Feststellungen zog die Ehefrau des Angeklagten nach einem heftigen Streit am 15. Oktober 2000 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Sie beabsichtigte, den ihr gehörigen aber gemeinsam genutzten Pkw Fiat Punto mitzunehmen, was der Angeklagte, der im Besitz eines Fahrzeugschlüssels war, verhinderte. An den darauffolgenden Tagen unternommene Versuche, das Fahrzeug abzuholen, mißlangen, weil der Angeklagte sich weigerte, den in der Garage befindlichen Pkw herauszugeben. Am 18. Oktober 2000 beschlossen deshalb G. jun. und B. , beides Verwandte der Ehefrau des Angeklagten, das Fahrzeug auch gegen
seinen von ihnen erwarteten Widerstand abzuholen. Zu diesem Zweck lauerten sie ihm auf, als er gegen 21.15 Uhr mit dem Fahrzeug nach Hause kam. Als er sich nach seiner im Fußraum vor dem Beifahrersitz befindlichen Trainingstasche bückte, trat B. plötzlich an die geöffnete Fahrertür heran, umklammerte den Angeklagten mit beiden Händen, nahm ihn "in den Schwitzkasten" und versuchte, ihm den Fahrzeugschlüssel zu entwinden. G. unterstützte B. von der Beifahrerseite aus. Der Angeklagte wehrte sich heftig und fügte B. mit dem Schlüssel zwei stark blutende Verletzungen im Gesicht zu. B. seinerseits drückte ihm den Finger ins Auge. Der Angeklagte trug eine Prellung des rechten Auges, Hämatome und eine Jochbogenfraktur davon. Infolge der Persönlichkeitsstörung und der hirnorganischen Wesensveränderung hatte er die Vorstellung, B. und G. wollten ihn umbringen. Tatsächlich ging es diesen nur um die Beschaffung des Schlüssels, nicht aber darum, dem Angeklagten eine körperliche Abreibung zu verpassen oder gar ihn zu töten. Nachdem im Verlauf der einige Minuten dauernden Auseinandersetzung der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. von dem Angeklagten ab, weil sie erkannten, daß ein weiteres Ringen um den Besitz des Schlüssels sinnlos geworden war. G. ging nunmehr zum Heck des Fahrzeuges und begann damit, das Kennzeichen zu entfernen, um das Fahrzeug bei der Kfz-Zulassungsstelle abzumelden, damit der Angeklagte es nicht mehr nutzen konnte. Obwohl B. und G. "ersichtlich keine Anstalten mehr machten, gegen den Angeklagten tätlich zu werden, befand er sich aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung noch immer in höchster Erregung und glaubte weiter, er befinde sich in Lebensgefahr und müsse sich deshalb zur Wehr setzen". Er holte deshalb ein Beil und versuchte damit auf G. einzuschlagen, der in gebückter Haltung mit der Entfernung des Kennzeichens beschäftigt war. Dieser bemerkte jedoch den Ange-
klagten, richtete sich auf und floh in Richtung Garagentor. Der Angeklagte setzte nach und schlug ihm mit der stumpfen Seite des Beils wuchtig auf den Kopf. Dabei nahm er die Möglichkeit tödlicher Verletzungsfolgen billigend in Kauf. G. erlitt eine sofort stark blutende Kopfwunde und eine Schädelfraktur. Gemeinsam mit B. gelang ihm die Flucht, bevor der Angeklagte ihnen nachzusetzen vermochte. Die Verletzungen G. s waren potentiell lebensgefährlich , konkrete Lebensgefahr bestand für ihn aber nicht. Der Angeklagte war zur Tatzeit fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen ; seine Steuerungsfähigkeit war indessen erheblich vermindert (§ 21 StGB).

II.

Die Strafkammer hat in dem rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehen im Ergebnis zutreffend eine rechtswidrige Anlaßtat im Sinne von § 63 StGB gesehen. 1. Sie hat das Vorliegen einer Notwehrlage sowie ein Überschreiten derselben gemäß § 33 StGB verneint, jedoch einen krankheitsbedingt unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB angenommen, weshalb der Angeklagte schuldlos gehandelt habe. 2. Die Annahme der Strafkammer, es habe für den Angeklagten keine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB mehr bestanden, als er mit dem Beil zuschlug , trägt nicht. Die Angriffe B. s und G. s auf die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten im Fahrzeug waren rechtswidrig. Sie dauerten so lange an, wie er eine Wiederholung unmittelbar befürchten mußte (vgl. BGHR
StGB § 32 Abs. 2 Angriff 3). Nachdem der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. zwar von ihm ab. Unbeschadet des Umstandes, daß der Angeklagte das Ziel ihres Angriffs krankheitsbedingt falsch einschätzte, liegt aber bereits nahe, daß diese erneut zum körperlichen Angriff übergegangen wären, wenn er nunmehr versucht hätte, sie am Entfernen der Kfz-Kennzeichen zu hindern. Dies gilt um so mehr, als sie ihm - zahlenmäßig überlegen - aufgelauert und ihn ohne Vorwarnung und Aufforderung, den Schlüssel herauszugeben, in der Dunkelheit angegriffen hatten. Darauf, ob dieser Angriff auf die körperliche Unversehrtheit im Zeitpunkt der "Verteidigung" mit dem Beil beendet war, wie die Kammer annimmt, kommt es aber nicht entscheidend an. Denn jedenfalls der Angriff auf den Besitz am Fahrzeug dauerte fort. Das Notwehrrecht des Angeklagten gegen diesen Angriff war nicht deshalb eingeschränkt, weil er sich seinerseits gegen den Willen seiner Ehefrau als Mitbesitzerin den Alleinbesitz verschafft hatte. Denn die von G. und B. beabsichtigte völlige Einziehung seines Besitzes, brauchte er schon deshalb nicht zu dulden, weil diese über die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes - Mitbesitz der Ehegatten nach § 866 BGB - hinausging und damit gleichfalls rechtswidrig war. Auf die Streitfrage, ob sich die in ihrem Mitbesitz an dem Pkw gestörte Ehefrau des Angeklagten auf die Vorschriften über den Besitzschutz berufen konnte, oder diese durch die Spezialregelung des § 1361a BGB verdrängt werden (vgl. Palandt-Bassenge, BGB 62. Aufl. § 861 Rdn. 3; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 939; OLG Köln FamRZ 1997, 1276; zur Zugehörigkeit eines Pkw zum Hausrat: vgl. Palandt-Brudermüller, BGB 62. Aufl. § 1361a Rdn. 5 m.Nachw.), kommt es danach nicht an. 3. Die Verneinung einer Notwehrlage durch die Strafkammer gefährdet die Annahme einer Anlaßtat im Sinne des § 63 StGB indessen nicht, weil die Tat zum Nachteil G. s aus anderen Gründen rechtswidrig war. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Verteidigung durch ei-
nen Schlag mit dem Beil auch nicht erforderlich war. Die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung ist nach der jeweiligen Kampfeslage zu beurteilen (BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01, BGH StV 1999, 145, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 2; Erforderlichkeit 13). Selbst wenn der Angeklagte für den Fall, daß er Widerstand geleistet hätte, mit erneuten körperlichen Attacken rechnen mußte, hatte der Angriff nach der Auseinandersetzung im Fahrzeug an Intensität jedenfalls erkennbar nachgelassen und galt nunmehr in erster Linie seinem Besitz. Unter diesen Umständen war der lebensgefährliche und mit bedingtem Tötungsvorsatz geführte sofortige Schlag mit dem Beil - jedenfalls ohne vorherige Drohung - nicht mehr zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2003 - 3 StR 458/02; BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01), zumal G. , nachdem der Angeklagte ihn zunächst verfehlt hatte, bereits die Flucht ergriff. Die Überschreitung der erforderlichen Verteidigungshandlung beruhte auf Furcht, Verwirrung und Schrecken des Angeklagten (§ 33 StGB). Er wähnte sich in Lebensgefahr, weil er meinte, G. und B. wollten ihn töten. Er hatte Todesangst. Damit liegen die Voraussetzungen des § 33 StGB vor. Eine Strafbefreiung nach § 33 StGB ist auch dann noch möglich, wenn die Intensität des Angriffs bereits nachgelassen hat (BGHR StGB § 33 Nothilfe 1). Das schließt die Unterbringung des Angeklagten aber nicht aus, weil seine Furcht gerade Folge seines seelischen Zustandes im Sinne der §§ 20, 21 StGB war (vgl. BGH NStZ 1991, 528; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 32). Ein geistesgesunder Täter an Stelle des Angeklagten hätte erkannt, daß die Verteidigung durch einen potentiell tödlichen Schlag mit dem Beil die Grenzen des Erforderlichen überschritt, nachdem die Intensität des Angriffs nachgelassen und sich die Kampfeslage geändert hatte. Die falsche Einschätzung durch den Angeklagten hatte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ihre Ursa-
che in der zur Tatzeit bestehenden hirnorganischen Wesensveränderung und der Persönlichkeitsstörung.

III.

Die andere rechtliche Bewertung der Anlaßtat zieht hier die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich. Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der Anlaßtat durch das Revisionsgericht führt zwar dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung , wenn trotzdem noch eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschluß vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02 m.Nachw.). Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen aber nicht sicher ausschließen, daß die Strafkammer zu einer anderen Beurteilung der krankheitsbedingten Gefährlichkeit gelangt wäre, wenn sie von einer fortbestehenden Notwehrlage ausgegangen wäre. Eine unter den Voraussetzungen des § 33 StGB begangene Tat ist grundsätzlich nicht symptomatisch für eine krankheitsbedingte Gefährlichkeit (vgl. BGH NStZ 1991, 528). Dem entspricht die Einschätzung des Sachverständigen , eine solch schwere Tat wie gegenüber G. lasse sich nur mit der besonderen Fallkonstellation erklären und sei deshalb in der Zukunft eher unwahrscheinlich. Davon abgesehen bestehen aber durchaus gewichtige Anhaltspunkte , die auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten auch für die Allgemeinheit schließen lassen und die Anordnung der Unterbringung auch durch den neuen Tatrichter rechtfertigen können. Die übrigen abgeurteilten Taten waren zwar durchweg nicht schwerwiegend. Da der Angeklagte aufgrund seines Krankheitszustandes aber schnell in Erregungszustände gerät, die er nicht mehr beherrschen kann und auch bei geringfügigen Anlässen stark impulsiv reagiert, liegt die Annahme nicht fern, daß eine belanglose Konfliktsituation im Alltag es-
kalieren und es infolgedessen zu gewaltsamen Übergriffen durch den Angeklagten kommen kann. Dies abschließend zu bewerten, bleibt dem neuen Tatrichter vorbehalten. Dieser wird auch Gelegenheit haben, die Gründe sowohl für die Entlassung des Angeklagten aus der psychiatrischen Behandlung am 23. Oktober 2000 als auch für seinen derzeitigen Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus näher aufzuklären und dabei gewonnene Erkenntnisse in seine Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB einzubeziehen. Auch die bislang unterbliebene Erörterung des § 67b StGB wird nachzuholen sein. Im Hinblick auf das Verbot der Schlechterstellung bedarf eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Geschehens vom 18. Oktober 2000 bei hier nur eingeschränkter Schuldfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 33 StGB in der neuen Hauptverhandlung keiner Erörterung mehr (vgl. BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 268/01). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

8
3. Die Sache bedarf insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat war durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben; denn durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen. Dies bedeutet, dass auf die Revision des Angeklagten in Fällen wie dem vorliegenden ein Freispruch aufgehoben werden kann (vgl. KK-Gericke, 7. Aufl.; § 358 Rn. 24). Die Aufhebung (auch) des Freispruchs entspricht im vorliegenden Fall dem Ziel des Gesetzgebers, durch die Neuregelung zu vermeiden, dass nach einer erfolgreichen Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB die Tat ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhän- gen (vgl. BT-Drucks. 16/1344 S. 17 f.; BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 3 StR 369/09 - juris; vom 14. September 2010 - 5 StR 229/10, StraFo 2011,

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten L.   wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29. April 2015  auch soweit es die Mitangeklagten R.      und N.        betrifft mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten L.   wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten L.  , mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils, auch soweit es die Mitangeklagten R.     und N.       betrifft.

2

Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils hat ergeben, dass das Landgericht das Verfahren 932 Ls 55/14 jug Amtsgericht Güstrow nicht wirksam übernommen hat.

3

1. Nachdem das Amtsgericht Güstrow die alle drei Angeklagte betreffende Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock wegen des Vorwurfs des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung mit Beschluss vom 9. Oktober 2014 unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet hatte, hat es das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 5. November 2014 gemäß § 225a Abs. 1 Satz 1 StPO dem Landgericht zur Übernahme vorgelegt (VA Bd. II Bl. 144 ff.). Ein Übernahmebeschluss der Strafkammer in einer von allen mitwirkenden Richtern unterzeichneten schriftlichen Fassung befindet sich nicht bei den Akten. Allerdings hat der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 11. November 2014 angeordnet, dem Amtsgericht Güstrow, der Staatsanwaltschaft Rostock und den Verteidigern der Angeklagten mitzuteilen, dass „das Verfahren u. dem Az 12 KLs 264/14-3 hier übernommen wurde“ (VA Bd. II 149R). Mit Beschluss vom selben Tag hat die Strafkammer zudem einen - noch an das Amtsgericht Güstrow gerichteten - Antrag der Staatsanwaltschaft Rostock auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Mitangeklagten N.       zurückgewiesen.

4

2. Es besteht ein von Amts wegen zu beachtendes (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 164/11, NStZ 2012, 46; vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 2 StR 106/11; Deiters/Albrecht in: SK-StPO, 5. Aufl., § 225a Rn. 30) Verfahrenshindernis, weil es an einem wirksamen Übernahmebeschluss fehlt.

5

Die Form des Übernahmebeschlusses, der den Eröffnungsbeschluss insoweit abändert, als er die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts abweichend von diesem regelt (§ 207 Abs. 1 StPO im Verhältnis zu § 225a Abs. 3 Satz 1 StPO), und seine Anfechtbarkeit richten sich nach den für den Eröffnungsbeschluss geltenden Bestimmungen (§ 225a Abs. 3 Sätze 2 und 3 StPO). Ein ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluss muss schriftlich abgefasst werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400, 401; Beschluss vom 3. April 2012 - 2 StR 46/12, NStZ 2012, 583, jew. mwN); hingegen ist die Unterzeichnung eines solchen Beschlusses durch den oder die erlassenden Richter keine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f. mwN). Dies gilt auch für den Übernahmebeschluss (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2015 - 4 StR 603/14, NStZ-RR 2015, 250, 251 mwN). An einem schriftlich abgefassten Übernahmebeschluss fehlt es indes hier.

6

Die Vorsitzendenverfügung vom 11. November 2014 stellt - unbeschadet der äußeren Form und der fehlenden Unterschriften der beteiligten Richter - keine hinreichend deutliche schriftliche Dokumentation des Willens der Strafkammer dar, das Verfahren zu übernehmen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Übernahmebeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens und aus Gründen der Rechtssicherheit (vgl. auch BT-Drucks. 8/976, S. 49) ist eine schriftliche Niederlegung der - ggfls. mit Änderungen versehenen - Entscheidung erforderlich. Weder aus der Vorsitzendenverfügung vom 11. November 2014 noch aus oder in Verbindung mit dem am selben Tage gefassten, von allen drei mitwirkenden Richtern unterzeichneten Beschluss der Strafkammer betreffend den Antrag auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Mitangeklagten N.       lässt sich dieses entnehmen.

7

Auf der Grundlage der dienstlichen Erklärungen der drei Berufsrichter steht zwar im Raum, dass die Strafkammer durch diese drei Richter und damit in ordnungsgemäßer Besetzung die Übernahme des Verfahrens beschlossen und lediglich die schriftliche Abfassung dieser Entscheidung versäumt hatte. Ein solches Verfahren ersetzt jedoch nicht einen ordnungsmäßigen Übernahmebeschluss, zu dessen wesentlichen Förmlichkeiten jedenfalls die schriftliche Abfassung durch die mitwirkenden Richter gehört.

8

3. Die Aufhebung des Urteils ist gemäß § 357 StPO auf die Mitangeklagten zu erstrecken. Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn ein Urteil wegen Fehlens einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung aufgehoben wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 1986 - 1 StR 646/85, NStZ 1986, 275, 276 mwN).

9

4. Der Senat verweist die Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück. Zwar ist das Verfahren bei dem Amtsgericht - Schöffengericht - Güstrow anhängig geblieben. Dieses Gericht hat aber nicht nur das Hauptverfahren eröffnet, sondern die Sache auch wirksam gemäß § 225a Abs. 1 Hs. 1 StPO dem Landgericht zur Übernahme vorgelegt. In diesem Stadium befindet sich das Verfahren erneut nach der Aufhebung des Urteils durch den Senat. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer (§ 354 Abs. 2 StPO) wird daher zunächst gemäß § 225a Abs. 1 Satz 2 StPO über die Übernahme der Sache zu befinden haben (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2015 - 4 StR 603/14, NStZ-RR 2015, 250, 251).

Appl                         Mutzbauer                        Eschelbach

                Ott                                 Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 6 7 / 1 3
vom
17. Oktober 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja [nur zu B. I. 1., 2. a) und d)]
Veröffentlichung: ja
1. Der Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfasst beschränkte Ausschreibungen
öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Nr. 3 VOB/A (2006) (heute § 3 Abs.
3 und 4 VOB/A) auch dann, wenn diesen kein öffentlicher Teilnahmewettbewerb
vorausgegangen ist.
2. Auch ein Angebot, das an so schwerwiegenden vergaberechtlichen Mängeln
leidet, dass es zwingend vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen
werden müsste, kann den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen.
BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13 - LG Stade
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
Nebenbeteiligte

a) K. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer

b) N. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer
wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
17. Oktober 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 und 1a StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 6. Dezember 2012, soweit es ihn betrifft , dahin geändert, dass dieser Angeklagte wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Ta- gessätzen zu je 50 € verurteilt wird.
2. Auf die Revision der Nebenbeteiligten K. GmbH wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, dahin geändert , dass gegen diese Nebenbeteiligte im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe eine Geldbuße von 2.000 € festgesetzt wird.
3. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten D. und der Nebenbeteiligten K. GmbH, die Revisionen der Angeklagten K. und H. sowie die Revision der Nebenbeteiligten N. GmbH gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten H. unter Freispruch im Übrigen - jeweils wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen zu Gesamtgeldstrafen verurteilt und gegen die Nebenbeteiligten in drei Fällen (Fälle II. 2. a), b) und e) der Urteilsgründe ) Geldbußen verhängt. Hiergegen richten sich die Revisionen aller Angeklagten und der Nebenbeteiligten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Darüber hinaus beanstanden der Angeklagte K. und die K. GmbH mit gleichlautenden Rügen das Verfahren. Die Rechtsmittel des Angeklagten D. und der K. GmbH haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie - ebenso wie die Revisionen der Angeklagten K. und H. sowie der N. GmbH - unbegründet.

A. Verfahrensvoraussetzungen
2
Ein Verfahrenshindernis besteht bezüglich der Angeklagten H. und D. sowie der N. GmbH nicht. Das Landgericht ist durch den Verbindungsbeschluss vom 11. Juli 2012 (§ 4 StPO) auch zur Durchführung des insoweit nach entsprechender Anklageerhebung zunächst beim Amtsgericht Langen eröffneten Hauptverfahrens zuständig geworden. Dem steht nicht entgegen, dass der schriftliche Beschluss nur von zwei Richtern unterzeichnet worden ist; denn er war dennoch wirksam.
3
Welche Folge dem Fehlen einer richterlichen Unterschrift unter einem Eröffnungsbeschluss zukommt - für den Verbindungsbeschluss gemäß § 4 StPO kann nichts anderes gelten -, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht ist in der Unterzeichnung durch sämtliche Richter eine wesentliche Förmlichkeit zu sehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 1991 - 1 Ss 43/91, NJW 1991, 2849, 2850; SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 203 Rn. 8; wohl auch HK-StPO-Julius, 5. Aufl.,§ 207 Rn. 18), nach anderer Auffassung soll es - unabhängig von der Unterschriftsleistung - entscheidend darauf ankommen, ob der Beschluss von allen zur Entscheidung berufenen Richtern gefasst wurde (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 207 Rn. 11; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 207 Rn. 29; Radtke/Hohmann/Reinhart, StPO, § 207 Rn. 14; KMR-Seidl, StPO, § 207 Rn. 6 [Stand: Mai 2012]).
4
Der Senat, der die Frage zuletzt offengelassen hat (BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225), folgt der letztgenannten Ansicht. Insoweit gilt Folgendes:
5
Beschlüsse außerhalb der Hauptverhandlung sind durch Zustellung oder formlose Übersendung bekannt zu machen und deshalb schriftlich zu fassen (vgl. § 35 Abs. 2 StPO). Die Strafprozessordnung kennt indes keine Definition der Schriftform. Die in § 126 Abs. 1 BGB enthaltene Begriffsbestimmung ist wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts auf Prozesshandlungen nicht übertragbar (GmSOGB, Beschluss vom 30. April 1979 - GmS-OGB 1/78, BGHZ 75, 340, 348). Das allgemeine Sprachverständnis setzt für Schriftlichkeit eine Unterschriftsleistung durch den Urheber des Dokuments nicht voraus (ebenso BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 1963 - 1 BvR 610/62, BVerfGE 15, 288, 291 f. zu § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; GmSOGB, aaO). Dass eine solche nach dem Willen des Gesetzgebers nicht notwendiger Bestandteil des Schriftformerfordernisses ist, wird bereits daraus ersichtlich, dass die Strafprozessordnung teilweise über die bloße Schriftform (vgl. § 314 Abs. 1, § 341 Abs. 1 StPO) hin- aus die Unterzeichnung des Schriftstücks verlangt (vgl. § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1, § 345 Abs. 2, § 366 Abs. 2, § 390 Abs. 2 StPO). Dies gilt vorliegend umso mehr, als mit Blick auf gerichtliche Entscheidungen nur für Urteile eine entsprechende Regelung besteht, § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Unterzeichnung eines Beschlusses durch den oder die erlassenden Richter keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist (RG, Urteil vom 3. Februar 1910 - III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; BayObLG, Beschluss vom 27. Juni 1989 - RReg 4 St 34/89, StV 1990, 395 ff.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ss 220/97, NStZ-RR 1998, 75, 76; ebenso Stuckenberg, StV 2013, 133, 135; Meyer-Goßner aaO, vor § 33 Rn. 6; KK-Maul, StPO, aaO, § 33 Rn. 4).
6
Dieser Auffassung steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Soweit sich in mehreren Entscheidungen die Formulierung findet , dass schriftliche Abfassung und Unterzeichnung wesentliche Förmlichkeiten darstellten (BGH, Urteil vom 1. März 1977 - 1 StR 771/76; Beschluss vom 9. Juni 1981 - 4 StR 263/81, NStZ 1981, 448; Beschluss vom 3. April 2012 - 2 StR 46/12), war den zugrundeliegenden Fällen gemeinsam, dass es bereits an der - nach allgemeiner Meinung erforderlichen (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150) - schriftlichen Abfassung des Beschlusses fehlte. Vorliegende Konstellation ist demnach noch nicht tragend entschieden worden. Darüber hinaus haben der 1. und 4. Strafsenat in späteren Entscheidungen klargestellt, dass es auch für sie nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern darauf ankomme, dass der Beschluss von allen zur Entscheidung berufenen Richtern gemeinsam getroffen wurde (BGH, Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 553/11, NStZ-RR 2012, 117; so schon RG aaO; BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 - 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279).
7
Dass letzteres der Fall war, haben die vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der drei an dem Beschluss vom 11. Juli 2012 beteiligten Richter ergeben. Diese haben mitgeteilt, dass die Entscheidung zur Verbindung Ergebnis einer mündlichen Beratung gewesen und lediglich die Unterzeichnung der schriftlich niedergelegten Gründe durch einen der Richter versehentlich unterblieben sei. Der Beschluss ist demnach nicht im sogenannten Umlaufverfahren getroffen worden, bei dem es sich bis zur Unterzeichnung durch alle Richter lediglich um einen Entwurf handelt (BGH, Beschluss vom 15. Januar 1954 - 5 StR 703/53, NJW 1954, 360, 361).

B. Revisionen der Angeklagten
8
I. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen - mit Ausnahme der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten des Angeklagten D. - den jeweiligen Schuldspruch.
9
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen stimmten sich die Angeklagten - der Angeklagte K. als (damaliger) Geschäftsführer der K. GmbH, die Angeklagten H. und D. als Geschäftsführer der N. GmbH - jeder für sich zwischen Ende Juli und November 2008 mit gesondert verurteilten Mitarbeitern anderer Bauunternehmen jeweils in zwei Fällen telefonisch über die Höhe der Gebote ab, bevor sie diese auf - überwiegend beschränkte - Ausschreibungen der öffentlichen Hand abgaben, der Angeklagte D. durch seinen insoweit gutgläubigen Kollegen H. . Diese bilateralen Vereinbarungen zielten jeweils darauf ab, einem der beiden Unternehmen eine günstigere Position im Bietergefüge zu verschaffen, um so die Chancen für einen Zuschlag zu erhöhen.
10
2. Dadurch erfüllten die Angeklagten jeweils den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB. Hierzu gilt:
11
a) Der Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfasst - unabhängig von der Frage eines vorausgegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerbs - beschränkte Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Nr. 3 VOB/A (2006) (heute § 3 Abs. 3 und 4 VOB/A).
12
Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen richtet sich - je nachdem, ob der Schwellenwert gemäß § 2 Vergabeverordnung über- oder unterschritten ist - nach den Regelungen des vierten Teils des GWB100 Abs. 1 GWB) oder § 3 VOB/A bzw. VOL/A. Im letzteren Fall werden die Aufträge nach öffentlicher oder beschränkter Ausschreibung bzw. nach freihändigem Verfahren vergeben. Dabei wird hinsichtlich der beschränkten Ausschreibung, bei der nur eine ausgewählte Anzahl von Unternehmern zur Einreichung von Angeboten aufgefordert wird, weiter zwischen der ohne (§ 3 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A (2006)) und der nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb (§ 3 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A (2006)) unterschieden.
13
Mit Blick auf diese Regelungen ist umstritten, ob § 298 Abs. 1 StGB auch beschränkte Ausschreibungen ohne vorangegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb im Sinne der VOB/A erfasst. Während nach einer Auffassung ein solcher zu verlangen ist (MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 298 Rn. 35; SSW-StGB/Bosch, § 298 Rn. 3; SK-StGB/Rogall, Stand: März 2012, § 298 Rn. 10; S/S-Heine, StGB, 28. Aufl., § 298 Rn. 4), subsumiert eine andere Ansicht beide Formen der beschränkten Ausschreibung unter den Tatbestand (NK-StGB-Dannecker, 4. Aufl., § 298 Rn. 36; Matt/Renzikowski/Schröder/ Bergmann, StGB, § 298 Rn. 9; G/J/W/Böse, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 298 StGB Rn. 8; Bender, Sonderstraftatbestände gegen Submissionsabspra- chen, 2005, S. 64 f.). Bei dem Streit geht es letztlich um die Frage, ob unter Ausschreibung bereits ein Verfahren verstanden werden kann, das von Beginn an darauf beschränkt ist, Angebote von einer begrenzten Mehrzahl von Unternehmern einzuholen, oder ob zu verlangen ist, dass es sich jedenfalls derart an einen unbestimmten Adressatenkreis richtet, dass diesem die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Antrag auf Teilnahme an der Ausschreibung zu stellen (vgl. Wiesmann, Die Strafbarkeit gemäß § 298 StGB bei der Vergabe von Bauleistungen und die Implementierung eines Straftatbestands verbotener Submissionsabsprachen in ein Strafgesetz der Europäischen Union, 2006, S. 86; G/J/W/Böse aaO).
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Der Senat entscheidet die Frage dahin, dass auch beschränkte Ausschreibungen ohne vorangegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb dem Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB unterfallen (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 29. März 2012 - 2 Ws 81/12, wistra 2012, 318, 321). Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 298 Abs. 1 StGB, der eine Einschränkung auf bestimmte Formen der Ausschreibung nicht erkennen lässt. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Ausschreibung im Sinne des § 298 Abs. 1 StGB einschränkender zu verstehen wäre als in § 3 VOB/A definiert. Der Wille des Gesetzgebers zielte ausdrücklich auf eine Einbeziehung der beschränkten Ausschreibung in den Tatbestand (BT-Drucks. 13/5584, S. 14). Da die Möglichkeit einer solchen mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb erst 2000, mithin nach Inkrafttreten des § 298 StGB in die VOB/A eingeführt wurde (hierzu Bender aaO), ist offensichtlich, dass er dabei lediglich beschränkte Ausschreibungen ohne Vorverfahren im Blick haben konnte.
15
Für dieses Ergebnis streiten auch Systematik und Telos der Norm, denn in § 298 Abs. 2 StGB wird sogar die freihändige Vergabe den Ausschreibungen gleichgestellt, wenn ihr ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorausging. Daraus wird deutlich, dass Verstöße im Vergabeverfahren nur, aber auch stets dann erfasst werden sollen, wenn das Verfahren eine bestimmte Wettbewerbsintensität erzielt (Wiesmann aaO, S. 95 f., zum Schutzzweck der Norm BT-Drucks. aaO, S. 13). Diese ist aber in allen Fällen der beschränkten Ausschreibung wegen der eng umgrenzten Anzahl an Teilnehmern erreicht. Gerade dieser Umstand lässt diese Form der Ausschreibung für Absprachen besonders anfällig und dementsprechend besonders schutzbedürftig erscheinen, steigt doch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs einer Absprache, je weniger mitbietende Konkurrenten insgesamt am Wettbewerb beteiligt sind, die an der Absprache nicht mitgewirkt haben.
16
b) Soweit die Revision des Angeklagten K. rügt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung (§ 3 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A (2006)) nicht vorgelegen hätten, kommt es darauf nicht an. Denn Fehler anlässlich eines Ausschreibungsverfahrens finden - wenn überhaupt (für generelle Unbeachtlichkeit MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 46; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 298 Rn. 19; G/J/W/Böse aaO, Rn. 11) - allenfalls dann Berücksichtigung, wenn sie so schwerwiegend sind, dass von einer Ausschreibung insgesamt nicht mehr gesprochen werden kann (NK-StGBDannecker aaO, Rn. 44; Wiesmann aaO, S. 114 f.). Ein etwaiger Fehler bei der Auswahl eines grundsätzlich von § 298 StGB erfassten Vergabeverfahrens lässt demnach die Strafbarkeit unberührt.
17
c) Die Angeklagten trafen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auch jeweils mit ihren Gesprächspartnern kartellrechtswidrige (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012 - 2 StR 154/12, NJW 2012, 3318) Absprachen, die darauf abzielten, den jeweiligen Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Dabei dienten die Gespräche nicht nur der gegenseitigen Kenntnisnahme der Angebote des anderen, stellten mithin nicht nur einen vom Tatbestand nicht erfassten Informationsaustausch dar (vgl. G/J/W/Böse aaO, Rn. 22). Die für die Absprache maßgebliche, von Koordinationserwartung (so Wiesmann aaO, S. 126) bzw. einem faktischen Bindungswillen der Angeklagten (so SK-StGB/Rogall aaO, Rn. 22; LK/Tiedemann aaO, Rn. 32; NKStGB -Dannecker aaO, Rn. 56 ff; MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 66 ff.; Otto, wistra 1999, 41) getragene Verständigung über das Verhalten im Ausschreibungsverfahren kommt vielmehr darin zum Ausdruck, dass in den Telefonaten zunächst eine Gebotsreihenfolge festgelegt und sodann - im selben oder in einem weiteren Gespräch - die Auftragssumme dem jeweils anderen mitgeteilt wurde, damit diese gegebenenfalls der abgesprochenen Reihenfolge entsprechend angepasst werden konnte. Weder der Umstand, dass - mit Ausnahme eines Falles - die abgesprochene Reihenfolge von vornherein den Vorstellungen beider Absprachepartner entsprach, noch die Tatsache, dass dementsprechend die kalkulierten Angebote bereits mit dieser Gebotsreihenfolge in Einklang stehende Auftragssummen auswiesen, lassen die entsprechende Zielrichtung der Gespräche entfallen. Dies gilt umso mehr, als nach den Feststellungen ein Verzicht des an dem Auftrag nicht interessierten Absprachepartners auf die Teilnahme an den beschränkten Ausschreibungen nicht in Betracht kam, weil nur durch die Angebotsabgabe sichergestellt werden konnte, dass der gewollt unterlegene Bieter auch bei der nächsten beschränkten Vergabe wieder Berücksichtigung fand.
18
d) Entgegen der Ansicht der Revision des Angeklagten K. steht dem Schuldspruch auch nicht der Umstand entgegen, dass einem seiner Angebote Unterlagen gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. c bis e VOB/A (2006) nicht beigefügt waren, was - so die Revision - dazu hätte führen müssen, dass das Ange- bot nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Der Senat muss nicht entscheiden , ob dieser Mangel überhaupt einen zwingenden Ausschluss des Angebots gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A (2006) hätte nach sich ziehen müssen (dagegen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - VII-Verg 40/05, NZBau 2006, 525, 526; dafür: BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, NZBau 2012, 513). Denn die Strafbarkeit nach § 298 StGB besteht grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob das Angebot zu Recht Berücksichtigung fand.
19
Dies hat der Bundesgerichtshof bereits in einem Fall entschieden, in dem das Angebot des Bieters verspätet im Sinne des § 22 Nr. 2 VOB/A aF bei dem Veranstalter eingegangen war und deshalb der zwingenden Ausschließung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. a VOB/A aF unterlag (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 366/02, NStZ 2003, 548). Das Bundesverfassungsgericht hat die dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Auslegung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfG, Beschluss vom 2. April 2009 - 2 BvR 1468/08, wistra 2009, 269 f.).
20
In der Literatur wird dem allerdings entgegengehalten, ein Angebot, das an so schwerwiegenden vergaberechtlichen Mängeln leide, dass es zwingend vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden müsste, könne den Tatbestand des § 298 StGB nicht erfüllen (MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 58; NK-StGB-Dannecker aaO, Rn. 51, 53). Das Schutzgut der Vorschrift, das Vertrauen des Einzelnen in den freien und fairen Wettbewerb, werde durch solche Angebote nicht berührt (MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 58, 62), weil sie sich auf die Vergabeentscheidung von vornherein nicht auswirken und deshalb eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nicht entfalten könnten (NK-StGBDannecker aaO). Andere Autoren stellen darauf ab, dass es sich bei § 298 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handele: Könne eine Gefährdung des Schutzgutes - dies sei bei vergaberechtlich auszuschließenden Angeboten der Fall - im Einzelfall nicht eintreten, sei eine Bestrafung verfassungsrechtlich nicht mehr legitim (Wiesmann aaO, S. 52, 68 ff. mwN); insoweit wird zudem vertreten, ein wesentliches Element der Strafwürdigkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen liege in der möglichen Schädigung oder Gefährdung des Vermögens der Ausschreibenden; könne dessen Gefährdung ausgeschlossen werden, müsse die Strafbarkeit entfallen (Otto, wistra 1999, 41, 42 f., 46).
21
Zu einer solchen - methodisch im Wege einer teleologischen Reduktion zu erreichenden (Wiesmann aaO, S. 68 ff.) - Auslegung besteht indes kein Anlass. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei § 298 StGB - mit Blick auf die Beeinträchtigung des Ausschreibungswettbewerbs - überhaupt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt (aA LK-Tiedemann aaO, Rn. 9; MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 6 f.; NK-StGB-Dannecker aaO, Rn. 17: Verletzungsdelikt ) und ob gegebenenfalls eine tatbestandliche Reduktion zulässig wäre (vgl. LK-Tiedemann aaO, Rn. 11 f.). Denn es trifft schon nicht zu, dass durch die Abgabe eines zwingend auszuschließenden Angebots das Rechtsgut des § 298 StGB nicht verletzt und nicht einmal gefährdet wird:
22
Die Vorschrift des § 298 StGB schützt zuvorderst den freien Wettbewerb; die Vermögensinteressen des Veranstalters (und gegebenenfalls der Mitbewerber) werden lediglich mittelbar in den Schutzbereich einbezogen. Insoweit hat sich der Gesetzgeber von vorangegangenen Reformvorschlägen, die einen Straftatbestand des Ausschreibungsbetrugs als abstraktes Gefährdungsdelikt im Vorfeld des Betruges vorgesehen und den Schutz des Vermögens des Veranstalters in den Vordergrund gerückt hatten, bewusst gelöst (BT-Drucks. 13/5584, S. 13). Der Zweck von Ausschreibungen besteht darin, dem Veran- stalter durch Heranziehung von auf selbständiger und verantwortlicher Rechnung beruhenden Angeboten einen verlässlichen Überblick über die tatsächlich erforderlichen Aufwendungen und die Güte der dafür zu erwartenden Leistungen zu ermöglichen (BT-Drucks. aaO, S. 12 f.). Daraus ergibt sich, dass bei einer Ausschreibung das nur vom freien Wettbewerb geprägte Verfahren die Grundlage des konkreten Preisbildungsprozesses darstellt. Dieser Prozess als realer Vorgang ist Angriffsobjekt der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen (LK/Tiedemann aaO, Rn. 9) und wird von ihnen auch betroffen, wenn ein darauf beruhendes Angebot wegen vergaberechtlicher Mängel nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies zeigt sich hier schon daran, dass das Angebot tatsächlich berücksichtigt wurde und sogar den Zuschlag erhielt. Darüber hinaus gilt Folgendes: Eine wettbewerbsbeschränkende, den Preisbildungsprozess betreffende Wirkung liegt bereits in der für Submissionsabsprachen typischen Wiederholung und allmählichen Steigerung der Angebotspreise in zukünftigen Vergabeverfahren (LK/Tiedemann aaO, Rn. 12; G/J/W/Böse aaO, Rn. 31; NKStGB -Dannecker aaO, Rn. 18). Diese entsteht durch die Abgabe der abgesprochenen Angebote unabhängig davon, ob sie hätten ausgeschlossen werden müssen. Erst recht wird der Eintritt dieser Wirkung nicht dadurch gehindert, dass im konkreten Fall keine Vermögensschädigung eines Einzelnen eintritt (LK/Tiedemann aaO, Rn. 12; NK-StGB-Dannecker aaO, Rn. 18; Kuhlen in Festschrift für Lampe, 2003, 743, 751).
23
Da es demnach auf das Fehlen der Unterlagen nicht ankommt, greifen die auf deren (teilweise unterlassene) Würdigung durch die Strafkammer bezogenen Verfahrensbeanstandungen des Angeklagten K. schon deshalb nicht durch.
24
e) Soweit die mit der Absprache des Angeklagten D. belasteten Angebote seitens des insoweit gutgläubigen Angeklagten H. abgegeben wurden, ist das Landgericht zu Recht von mittelbarer Täterschaft ausgegangen. Entgegen der Ansicht der Kammer lag die strafbarkeitsbegründende Handlung des Angeklagten D. jedoch nicht in einem Unterlassen, sondern einem aktiven Tun. Denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt bei ihm nicht darin, dass er das Angebot abgeben ließ, sondern in seiner eigenen Beteiligung an der Absprache. Dass diese selbst nicht die tatbestandsmäßige Handlung darstellt , ist für die Beurteilung der Handlung des mittelbaren Täters irrelevant.
25
Da die Absprache unter Beteiligung des Angeklagten D. jedoch in beiden ihm zur Last gelegten Fällen anlässlich desselben Telefonats vorgenommen wurde, bedurfte die konkurrenzrechtliche Beurteilung, die sich nach dem Tatbeitrag des mittelbaren Täters und nicht nach dem des Tatmittlers beurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 1998 - 1 StR 410/98, wistra 1999, 23), der Korrektur. Es lag natürliche Handlungseinheit vor. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend abgeändert. § 265 StPO stand dem nicht entgegen , da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
26
II. 1. Die Änderung des Schuldspruches gegen den AngeklagtenD. führt zum Wegfall der vom Landgericht ausgesprochenen Gesamtstrafe sowie der zugrunde liegenden Einzelstrafen. Gleichwohl bedurfte es vorliegend keiner Zurückverweisung an den Tatrichter zur neuerlichen Strafbemessung. Da durch die Schuldspruchänderung der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat hier unverändert geblieben ist und die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler erkennen lassen, kann der Senat ausschließen, dass ein neuer Tatrichter bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gelangen würde. Er setzt deshalb die vom Landgericht verhängte Gesamtgeldstrafe als (Einzel )Geldstrafe fest.
27
2. Bezüglich der Angeklagten K. und H. weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler auf.

C. Revisionen der Nebenbeteiligten
28
I. Das Landgericht war für die Entscheidung, gegen die Nebenbeteiligten Geldbußen gemäß § 30 OWiG festzusetzen, zuständig. Die gemäß § 82 Satz 1 GWB grundsätzlich ausschließlich zuständige Kartellbehörde hat vorliegend von der in § 82 Satz 2 GWB vorgesehenen Möglichkeit der Abgabe an die Staatsanwaltschaft Gebrauch gemacht (Band III, AS 68 f. aus 770 Js 29530/12 sowie Band III, AS 37 f. aus 170 Js 16930/09).
29
II. Die Voraussetzungen für die Verhängung von Geldbußen waren gegeben. Die Angeklagten K. (Fälle II. 2 a) und b) der Urteilsgründe) und D. (Fall II. 2. e) der Urteilsgründe) begingen - wie oben unter B. ausgeführt - als jeweils vertretungsberechtigtes Organ Straftaten und verletzten dadurch Pflichten aus § 1 GWB, die die Gesellschaften trafen, § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.
30
Da die auf die Sachrügen der Angeklagten gebotene umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben hat, können die Angriffe der Nebenbeteiligten gegen den Schuldspruch ebenfalls nicht durchgreifen. Es bedarf daher keiner abschließenden Klärung, ob der herrschenden Lehre (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 444 Rn. 33; Meyer-Goßner aaO, § 444 Rn. 18; KK-Schmidt, StPO, aaO, § 444 Rn. 12) darin gefolgt werden kann, dass gemäß § 444 Abs. 2 Satz 2, § 437 Abs. 1 Satz 1 StPO auf das (alleinige) Rechtsmittel eines Nebenbeteiligten der Schuldspruch gegen das Organ nur dann zu überprüfen sei, wenn dieser in der vorangegangenen Instanz hierzu nicht gehört wurde (zu beachtlichen Bedenken, insbesondere mit Blick auf die fehlende Vergleichbarkeit zum Einziehungsbeteiligten und auf die - nicht einleuchtend - abweichende Regelung für das selbständige Verfahren nach § 444 Abs. 3 Satz 1, § 441 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StPO vgl. Müller, Die Stellung der juristischen Person im Ordnungswidrigkeitenrecht, 1985, 109 f.; ebenso für den Fall einer Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat KKOWiG /Rogall, 3. Aufl., § 30 Rn. 222; Göhler/Gürtler, OWiG, 16. Aufl., § 88 Rn. 13). Entsprechendes gilt bezüglich der durch die K. GmbH erhobenen , den Schuldspruch berührenden Verfahrensbeanstandungen, die sich mit denen des Angeklagten K. decken.
31
III. Die Überprüfung der Rechtsfolgenaussprüche führt lediglich zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Verringerung der gegen die K. GmbH im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe verhängten Geldbuße; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel der Nebenbeteiligten erfolglos.
32
1. Das Landgericht ist von einem Bußgeldrahmen von 5 bis 1 Million € zuzüglich 10 % des Umsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahres ausgegangen. Die konkreten Geldbußen hat es derart festgesetzt, dass es einen Ahndungs- und einen Abschöpfungsanteil bestimmt hat. Bei Bezifferung des Ahndungsanteils hat es sich an den Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts vom 15. September 2006 orientiert und im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe einen Grundbetrag von 5 %, in den beiden anderen Fällen einen Grundbetrag von 10 % des tatbezogenen Umsatzes veranschlagt. Zu den insoweit maßgeblichen Umsätzen hat es festgestellt, dass die K. GmbH im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe den Zuschlag auf ihr Angebot zu brutto 95.871,90 € und im Fall II. 2. e) der Urteilsgründe die N. GmbH den Zuschlag auf ihr Angebot zu brutto 930.818,03 € erhielt; im Fall II. 2. b) derUrteilsgründe kam es hingegen zu keiner Annahme durch den Ausschreibenden, da sämtliche eingereichten Angebote die Kostenschätzung von 40.000 € übertrafen.
33
Unter Abwägung der Einzelfallumstände hat die Strafkammer im Fall II. 2. e) der Urteilsgründe hinsichtlich des Ahndungsanteils einen Abschlag auf "gut 5 %" vorgenommen, im Übrigen es bei den Grundbeträgen belassen. Den wirtschaftlichen Vorteil hat es in den Fällen II. 2. a) und e) der Urteilsgründe jeweils mit 10 % bemessen, im letzteren Fall diesen Wert jedoch als bereits abgeschöpft erachtet, da die N. GmbH wegen des diesbezüglichen Wettbewerbsverstoßes an den Auftraggeber Schadensersatz in Höhe von rund 113.000 € geleistet hatte. Dementsprechend hat die Kammer gegen die K. GmbH zwei (§ 20 OWiG) Geldbußen in Höhe von 19.000 € (Fall II. 2. a) der Urteilsgründe) und 2.200 € (Fall II. 2. b) der Urteilsgründe) und gegen die N. GmbH eine solche in Höhe von 50.000 € (Fall II. 2. e) der Urteilsgründe) festgesetzt.
34
2. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung im Wesentlichen stand; soweit nicht im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe die Herabsetzung der Geldbuße veranlasst war, enthalten sie jedenfalls keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenbeteiligten. Im Einzelnen:
35
a) Nicht gänzlich rechtsbedenkenfrei ist allerdings die Bestimmung der Obergrenze des Bußgeldrahmens. Diese lag, da es sich bei den von den Angeklagten begangenen Straftaten nach § 298 Abs. 1 StGB zugleich um Ordnungswidrigkeiten gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1, § 1 GWB handelte, nicht bei 1 Mil- lion € zuzüglich 10 % des vorjährigen Geschäftsumsatzes, sondern bei 10 % des vorjährigen Geschäftsumsatzes, mindestens jedoch 1 Million €, § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 OWiG in der Fassung vom 22. August 2002, § 4 Abs. 3 OWiG, § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar2013 - KRB 20/12, NJW 2013, 1972, 1973 ff.). Hierauf beruht das Urteil jedoch ersichtlich nicht. Angesichts der moderaten, fernab der Obergrenze des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG aF festgesetzten Geldbußen kann der Senat ausschließen , dass diese durch den Fehler beeinflusst wurden.
36
b) Die Festsetzung des Ahndungsanteils erweist sich im Ausgangspunkt als rechtsfehlerfrei. Sie bedarf lediglich in Fall II. 2. b) der Urteilsgründe einer (rechnerischen) Korrektur.
37
Zu Recht hat das Landgericht insoweit auf § 17 Abs. 3 OWiG abgestellt, wobei dieser wegen der Eigenart des § 30 OWiG dahingehend zu verstehen ist, dass die Bedeutung der Straftat des § 298 Abs. 1 StGB und der Vorwurf, der das handelnde Organ trifft, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 1991 - KRB 5/90, wistra 1991, 268, 269).
38
Soweit sich die Kammer in dem Bemühen, die insbesondere angesichts des weiten Bußgeldrahmens für sich betrachtet wenig aussagekräftige Regelung des § 17 Abs. 3 OWiG handhabbar zu machen, an der Systematik der aufgrund § 81 Abs. 7 GWB erlassenen Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamts vom 15. September 2006 orientiert hat, ist dies nicht zu beanstanden.
39
Da es sich, wie das Landgericht erkannt hat, bei den Leitlinien um allgemeine Verwaltungsgrundsätze handelt, die eine Bindung der Gerichte nicht bewirken können, ist nicht von Bedeutung, dass das Bundeskartellamt mit Wirkung vom 25. Juni 2013 zwischenzeitlich neue Leitlinien erlassen hat, die eine Reaktion auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 2013 (KRB 20/12, aaO) darstellen, mit der dem Verständnis des § 81 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 GWB durch das Bundeskartellamt als Kappungsgrenze des ansonsten nach oben offenen Bußgeldrahmens die Grundlage entzogen wurde. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob die Anwendung der den Leitlinien aus dem Jahr 2006 zugrundeliegenden Grundsätze im konkreten Fall mit der gesetzlichen Bestimmung des § 17 Abs. 3 OWiG in Einklang steht. Dies ist der Fall. Die vorrangige Orientierung am tatbezogenen Umsatz lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen, sie wird vielmehr der Maßgeblichkeit des Unrechtsgehalts der Bezugstat für die Bestimmung des Ahndungsanteils ausdrücklich gerecht (vgl. BGH aaO). Der Einwand der Revision, es bestünde keine zwingende Korrelation zwischen Umsatzhöhe und dem entstandenen Schaden bzw. Gewinn, geht insofern fehl, als § 298 StGB als Bezugsnorm den Eintritt eines Schadens oder die Realisierung eines Gewinns gerade nicht verlangt. Entscheidend ist vielmehr das dementsprechende Potential der Tathandlung. Dass dieses in allen Fällen konkret dadurch abgeschwächt war, dass die Absprachen lediglich bilateral getroffen wurden, hat die Kammer im Rahmen der die Angeklagten betreffenden Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt. Dass das Landgericht diesen Gesichtspunkt im Rahmen der Geldbußenbemessung aus den Augen verloren haben könnte, schließt der Senat aus.
40
Soweit das Landgericht sich in diesem Zusammenhang mit der Frage der wirtschaftlichen Verhältnisse der Nebenbeteiligten nicht ausdrücklich befasst hat, begegnet dies angesichts der innerhalb des eröffneten Rahmens sehr moderaten Geldbußen ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Denn die Kammer hat festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Urteils bei der K. GmbH noch 15, bei der N. GmbH noch 60 Mitarbeiter beschäftigt waren. Daraus lässt sich jedenfalls schließen, dass beide Unterneh- men einen Umsatz erwirtschaften, der die Leistungsfähigkeit bezüglich der verhängten Ahndungsanteile nicht in Frage stellt.
41
Allerdings ist dem Landgericht im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe bei Bestimmung des tatbezogenen Umsatzes insofern ein Fehler unterlaufen, als es auf den Angebotspreis des günstigsten Bieters abgestellt hat. Dies wäre nur zutreffend, wenn diesem der Zuschlag erteilt worden wäre. Da es hierzu nicht kam, hätte das Landgericht von seinem zutreffenden Ausgangspunkt aus, dass es auf den von einem Dritten erlangten Bruttowert ankomme, die Höchstgrenze der Kostenschätzung als den Betrag heranziehen müssen, zu dem der Zu- schlag erteilt worden wäre, mithin 40.000 €. Der Senat kann den sich daraus zu errechnenden Ahndungsanteil von 2.000 € (5 %) in entsprechender Anwen- dung des § 354 Abs. 1 StPO selbst festsetzen (vgl. zur Korrektur der Tagessatzhöhe durch das Revisionsgericht BayObLG, Beschluss vom 12. Januar 1988 - RReg 2 St 468/87, StV 1988, 389).
42
c) Bei der Bestimmung des Abschöpfungsanteils gemäß § 30 Abs. 3, § 17 Abs. 4 OWiG ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sogenannte Deckungskosten (Fixkosten in Form von Abschreibungen auf Anlagevermögen , Miet- und Zinskosten) bei Bestimmung des wirtschaftlichen Vorteils nicht als Abzugsposten berücksichtigt hat. Zwar gilt insoweit - anders als bezüglich des erlangten Etwas beim Verfall gemäß § 73 Abs. 1 StGB bzw. § 29a Abs. 1 OWiG - nach herrschender Ansicht das Nettoprinzip (OLG Hamburg , Beschluss vom 3. März 1971 - 2 Ss 90/70 OWi, NJW 1971, 1000, 1003; KK-OWiG/Rogall aaO, § 30 Rn. 122; hiergegen mit beachtlichen Argumenten Göhler/Gürtler aaO, § 17 Rn. 38 f.). Einen wirtschaftlichen Vorteil stellt es aber auch dar, wenn Gemeinkosten, die selbst ohne Ausführung des infolge des abgesprochenen Angebots bemakelten Auftrags angefallen wären, mit den Er- lösen aus diesem bezahlt werden können. Dies führt dazu, dass solche Kosten als Abzugsposten unberücksichtigt bleiben müssen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. September 1973 - 3 Ss 331/73, VRS 46, 144, 146; FKKartellrecht /Achenbach, Stand: Oktober 2006, § 81 GWB Rn. 301; Tiedemann in HwWiStR, Gewinnabschöpfung, S. 1; aA KK-OWiG/Rogall aaO, Rn. 124 mwN). Aus den Ausführungen des Landgerichts zu den Deckungskosten ergibt sich im Übrigen zugleich, dass es - entgegen der Ansicht der Revision der N. GmbH - bei der Bestimmung des abzuschöpfenden wirtschaftlichen Vorteils nicht ausschließlich auf die Richtsatzsammlung der Bundesfinanzverwaltung abgestellt hat, sondern neben dieser auch die seitens der Angeklagten vorgelegte Übersicht zur Umsatzrentabilität sowie das Erfordernis der Berücksichtigung der Fixkosten in die Abwägung einbezogen hat.
43
Rechtlich bedenklich ist es allerdings, dass das Landgericht die mit der Abschöpfung verbundenen steuerrechtlichen Auswirkungen nicht erörtert hat. Denn es wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar , wenn für eine Abschöpfungsmaßnahme der Bruttobetrag des erlangten Gewinns zugrunde gelegt wird und zugleich der gesamte Bruttobetrag besteuert würde (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1990 - 1 BvL 4/87, BVerfGE 81, 228, 241 f.; zu § 73 StGB: BGH, Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, NJW 2002, 2257, 2259). Dem hat der Gesetzgeber insoweit Rechnung getragen, als § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG bestimmt, dass das grundsätzliche steuerrechtliche Abzugsverbot für Geldbußen nicht gilt, soweit mit diesen der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft wurde. Daraus folgt für den Tatrichter, dass er bei der Bußgeldbemessung zu überprüfen hat, ob für den Veranlagungszeitraum, in dem die abzuschöpfenden Erlöse erzielt wurden, das Besteuerungsverfahren bereits durch einen bestandskräftigen Bescheid beendet wurde. Ist dies nicht der Fall, so bleibt die Steuerlast unberücksichtigt. Der Betroffene kann vielmehr den ihm auferlegten Bruttoabschöpfungsanteil bei den Finanzbehörden gewinnmindernd geltend machen. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, in welcher Höhe die Geldbuße ahndender und in welcher Höhe abschöpfender Natur ist. Ist dagegen das Besteuerungsverfahren endgültig abgeschlossen, so ist der auf § 17 Abs. 4 OWiG entfallende Geldbußenanteil um die Steuerlast zu mindern (vgl. zu alledem BGH, Beschluss vom 25. April 2005 - KRB 22/04, NStZ 2006, 231, 232; KK-OWiG/Rogall aaO, Rn. 124; Göhler/Gürtler aaO, Rn. 43).
44
Da sich das Urteil zum Stand des Besteuerungsverfahrens nicht verhält, vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die unterbliebene Berücksichtigung der Steuerlast zu beanstanden ist. Dieser Darstellungsmangel nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils. Denn während in Fall II. 2. e) der Urteilsgründe das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht, erweist sich die in Fall II. 2. a) der Urteilsgründe verhängte Rechtsfolge als angemessen, § 354 Abs. 1a StPO.
45
aa) Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht in Fall II. 2. e) der Urteilsgründe eine niedrigere Geldbuße festgesetzt hätte, wenn es die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Frage der Steuerlast erkannt hätte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in diesem Fall auf einen Abschöpfungsanteil nicht erkannt wurde.
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bb) Dagegen lässt sich in Fall II. 2. a) der Urteilsgründe, in dem das Landgericht einen isolierten Abschöpfungsanteil ausgewiesen hat, nicht ausschließen , dass die Höhe der verhängten Geldbuße auf dem Rechtsfehler beruht. Diese erweist sich jedoch als angemessen, § 354 Abs. 1a StPO. Dessen Anwendbarkeit über § 444 Abs. 2 Satz 2, § 433 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Nebenbeteiligte stehen schon deshalb keine Bedenken entgegen, da bei der - wegen der Regelung des § 82 Satz 1 GWB - originär vorgesehenen getrennten Verfahrensführung über § 79 Abs. 6 OWiG dem Rechtsbeschwerdegericht sogar die Möglichkeit eingeräumt wäre, die Geldbuße selbst festzusetzen (vgl. Göhler/Seitz aaO, § 79 Rn. 45a, 47). Dabei genügt es, die Geldbuße insgesamt auf ihre Angemessenheit hin zu beurteilen. Einer ausdrücklichen wertmäßigen Differenzierung zwischen Abschöpfungs- und Ahndungsanteil durch den Senat zur Ermöglichung einer späteren gewinnmindernden Geltendmachung des ersteren durch die Nebenbeteiligte gegenüber dem Finanzamt bedarf es dagegen nicht, da der aufgezeigte Rechtsfehler überhaupt nur durchgreift, wenn das Besteuerungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen ist. § 17 Abs. 4 OWiG verlangt lediglich, dass die Geldbuße den aus der Tat gezogenen wirtschaftlichen Vorteil überschreitet; dies ist vorliegend der Fall.
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Mit dem Urteil liegt ein rechtsfehlerfrei ermittelter und vollständiger Sachverhalt vor, der die Aufrechterhaltung der Geldbuße gestattet. In Anbetracht der Dauer des Verfahrens, des Ausmaßes der medialen Begleitung, der Doppelbelastung des Angeklagten K. als Angeklagter und Gesellschafter der Nebenbeteiligten, der Eintragung der Bußgeldentscheidung in das Gewerbezentralregister gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3a GewO sowie des Umstandes, dass es sich lediglich um eine bilaterale Absprache handelte, auf der einen Seite , des Auftragsvolumens sowie der Umstände, dass es wiederholt zu Wettbewerbsverletzungen kam und im konkreten Fall die Initiative vom Angeklagten K. ausging, andererseits, erweist sich der ohnehin moderate Betrag von 19.000 € als angemessen.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

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1. Der Senat weist darauf hin, dass er den Gründen des angefochtenen Urteils eine ausdrückliche Erörterung der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung (§ 62 StGB) ebenfalls nicht entnehmen kann. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich nicht, dass diese Frage geprüft und (konkludent) bejaht wurde. Deren Nichterörterung begründet aber im Rahmen der Prüfung einer Maßregel nach § 63 StGB schon für sich genommen regelmäßig einen durchgreifenden Erörterungsmangel.