Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Mai 2014 - 3 StR 113/14

bei uns veröffentlicht am27.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 1 3 / 1 4
vom
27. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
alias:
alias:
alias:
wegen Nachstellung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. Mai
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 25. September 2013 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nachstellung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 27. Juni 2012 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verliebte sich der Angeklagte im Sommer 2009 in die Nebenklägerin. Obwohl diese ihm unmissverständlich erklärte, an einer Beziehung zu ihm nicht interessiert zu sein, belästigte er sie in der Folgezeit während eines halben Jahres beständig durch Telefonate , Kurzmitteilungen und Besuche an der Wohnanschrift und der Arbeitsstelle. Hiervon ließ er sich auch durch eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Moers nach dem Gewaltschutzgesetz nicht abhalten. Die Nebenklägerin bekam Alpträume, musste über mehrere Monate ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und verkroch sich aus Angst in ihrer Wohnung. Zuletzt zog sie in eine andere Wohnung und wechselte den Telefonanschluss.
3
Das Landgericht hat - dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen folgend - festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit aufgrund einer bei ihm bestehenden paranoiden Schizophrenie in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war. Aufgrund der Erkrankung leidet der Angeklagte an Wahnvorstellungen. Es dominiert bei ihm der Glaube, er sei Angehöriger des indischen Geheimdienstes und sei nach Deutschland gekommen mit dem Auftrag , die Freundschaft zwischen Indien und Deutschland zu verbessern. Er sei Teil einer geheimen Mission, um den dritten Weltkrieg zu verhindern. In diesen Wahn ist nun auch die Nebenklägerin eingebunden, von der der Angeklagte überzeugt ist, sie führe ein Doppelleben, von denen eines vom indischen Kanzler unterstützt und eines "von hier aus den Akten geführt" werde. Da der Angeklagte nicht krankheitseinsichtig und nicht therapiewillig ist, muss mit vergleichbaren Nachstellungshandlungen und mit erheblichen Körperverletzungsdelikten gerechnet werden.
4
2. Der Schuld- und Strafausspruch ist ohne Rechtsfehler. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Der Tatrichter muss die die Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen , dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5).
6
b) Durch die Urteilsgründe wird der notwendige Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Tat nicht hinreichend belegt. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass sich in der Nachstellung durch den Angeklagten zum Nachteil der Nebenklägerin gerade das festgestellte Störungsbild manifestiert hat. Die Straftat ist nach bisherigen Feststellungen vielmehr das Resultat einer Verliebtheit und der Unfähigkeit des Angeklagten, mit der ablehnenden Haltung der Nebenklägerin rational umzugehen.
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass eine erneute Verhandlung zur Feststellung führen wird, dass die verfahrensgegenständliche Straftat in einem symptomatischen Zusammenhang mit der Schizophrenie des Angeklagten steht. Die Sache bedarf deshalb insoweit der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

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bei uns veröffentlicht am 29.03.2017

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforder- liche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13 mwN). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.