Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 1 / 1 4
vom
25. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. März 2014 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 22. August 2013 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) und in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) unter Voranstellung der Entziehungsanstalt (§ 72 Abs. 3 Satz 1 StGB) und Vorwegvollstreckung von drei Jahren der zehnjährigen Gesamtfreiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Näherer Erörterung bedarf nur die Annahme der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB.
Der Sachverständige hat angesichts der ausgeprägten Dissozialität des Angeklagten eine Therapiedauer von zwei Jahren und neun Monaten für voraussichtlich notwendig erachtet. Er hat weiterhin ausgeführt, dass es im Strafvollzug im Rahmen von Gruppen- oder Sozialtherapien Möglichkeiten gebe, eine Therapie nach § 64 StGB vorzubereiten. Hierauf könne sodann im Maßregelvollzug aufgebaut werden, was die Behandlungszeit verkürzen könne. Das Landgericht hat mangels Kenntnis vom Betreuungsangebot in der für den Angeklagten zuständigen Justizvollzugsanstalt nicht mit Bestimmtheit vorhersagen können, dass sich die Behandlungsdauer auf zwei Jahre verkürzen könnte. Es hat trotzdem, ungeachtet der möglicherweise über zwei Jahre hinaus andauernden Behandlungszeit, die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht bejaht.
Dies ist in der hier gegebenen, besonderen Fallkonstellation nicht zu beanstanden. Hierzu im Einzelnen:
a) Im Grundsatz besteht die von § 64 Satz 2 StGB geforderte hinreichend konkrete Erfolgsaussicht nicht, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB (zwei Jahre) überschreitet (BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292; vom 17. Juli 2012 - 4 StR 223/12, juris Rn. 6, sowie vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7; Urteil vom 27. März 2013 - 2 StR 384/12, StV 2013, 698). Dabei kommt es auf die geschlossene Unterbringung in der Maßregeleinrichtung an. Notwendige ambulant durchzuführende Nachsorgemaßnahmen zählen nicht zu diesem Zeitrahmen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 377/12, StV 2013, 698 (nur LS)). Nichts anderes gilt für Gruppen- oder sozialtherapeutische Maßnahmen, die die eigentliche Entwöhnungsbehandlung vorbereiten.

b) An die Feststellung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB dürfen keine überspannten Maßstäbe angelegt werden, wenn - wie hier - neben der Unterbringung in der Entziehungsanstalt auch diejenige in der Sicherungsverwahrung in Frage steht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember2007 - 3 StR 355/07, StV 2008, 300). Sofern nämlich der Hang zur Begehung erheblicher Straftaten (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) vom Hang des Täters zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln im Sinne von § 64 Satz 1 StGB verursacht ist - was die Verhängung der Sicherungsverwahrung nicht in Frage stellt (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09, NStZ-RR 2011, 5, 6 und vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10, juris Rn. 15) -, bietet die erfolgreiche Suchttherapie die einzige Möglichkeit für den Angeklagten, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu vermeiden.

c) Hinzu kommt, dass durch die Regelung des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl I, 2425) derjenige Angeklagte, gegen den Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, nunmehr einen Anspruch darauf hat, dass ihm bereits im Vollzug der vorangehenden Freiheitsstrafe eine intensive , in § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB näher beschriebene Betreuung, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung angeboten wird (§ 66c Abs. 2 StGB).
Ziel dieser Betreuung ist es, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung möglichst entbehrlich zu machen. Dem Beschwerdeführer wird deshalb diejenige therapeutische Betreuung anzubieten sein, die der vom Landgericht gehörte Sachverständige für notwendig gehalten hat, um die Behandlungsdauer in der Entziehungsanstalt zu verkürzen.
Becker Pfister Schäfer Gericke Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


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(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

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(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 65/12
vom
17. April 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 Satz 2 StGB) besteht nicht, wenn die voraussichtlich notwendige
Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB
überschreitet.
BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12 - LG Kleve
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. April 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 24. November 2011 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von der Unterbringung der opiatabhängigen und unter einer rezidivierenden depressiven Störung leidenden Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es sachverständig beraten abgesehen , weil es eine Behandlungsdauer von "deutlich mehr als zwei Jahren" prognostiziert hat. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Ergänzend zur Zuschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
3
1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erforderliche hinrei- chend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie (§ 64 Satz 2 StGB) nicht besteht, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet.
4
a) Gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB darf die Unterbringung nach § 64 StGB nicht länger als zwei Jahre dauern. Der insoweit eindeutige Wortlaut gründet auf der Überzeugung des Gesetzgebers, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei nur innerhalb einer bestimmten Frist, konkret innerhalb eines Zeitraums von bis zu zwei Jahren, sinnvoll und erfolgversprechend (vgl. Protokolle des Sonderausschusses "Strafrecht", 4. Wahlperiode, S. 803 ff., 819, 936 f., und 5. Wahlperiode, S. 427; außerdem BT-Drucks. 5/4095, S. 33; bekräftigt BT-Drucks. 16/1110, S. 14; vgl. auch LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 167; SK-Sinn, StGB, Stand: Juli 2009, § 67d Rn. 2; MünchKommStGB /Veh, § 67d Rn. 5; Satzger/Schmitt/Widmaier/Jehle, StGB, § 67d Rn. 9; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 7. Aufl., S. 283 Rn. 486).
5
b) Aus der Systematik der Bestimmungen zu den freiheitsentziehenden Maßregeln ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB nicht entnehmen, der Gesetzgeber halte Unterbringungen über zwei Jahre hinaus in Einzelfällen für therapeutisch sinnvoll. § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB knüpft die Höchstfristverlängerung nicht an die tatrichterliche Prognose, eine die Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitende Therapie werde ausnahmsweise erfolgreich sein, sondern will ausschließlich Systembrüche korrigieren, die sich aus der Vollstreckungsreihenfolge ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 10 mwN; zu § 89 Abs. 5 StGB E 1962 vgl. BTDrucks. 4/650, S. 219; zur Vorbildfunktion des § 89 Abs. 5 StGB E 1962 für den späteren § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB vgl. BT-Drucks. 5/4095, S. 34).
6
c) Die Auffassung des Gesetzgebers, eine auf länger als zwei Jahre prognostizierte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt biete keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg und habe deshalb von vornherein zu unterbleiben , findet ihre Bekräftigung in § 67 Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327). Nach dessen Satz 2 soll das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen , dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach Satz 3 ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden, auf die Strafe angerechneten Unterbringung die Vollstreckung der verbleibenden Hälfte der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, erfolgversprechende Behandlungen dauerten "nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt" ein Jahr, eine "sinnvolle Entziehungstherapie" sei "spätestens nach zwei Jahren beendet" (BT-Drucks. 16/1110, S. 14; zur durchschnittlichen Behandlungsdauer bereits die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung , BT-Drucks. 14/8200, S. 10, und zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt, BT-Drucks. 15/3652, S. 13 f.).
7
d) Ob ein rechtspolitisches Bedürfnis besteht, Verurteilten, die aufgrund einer mit der Suchterkrankung kombinierten Persönlichkeitsstörung nicht von einer auf höchstens zwei Jahre befristeten Unterbringung nach § 64 StGB profitieren können, im Rahmen einer Maßregel anderen Zuschnitts Heilungschancen zu eröffnen, hat nicht der Senat, sondern der Gesetzgeber zu entscheiden. Dem Senat ist es verwehrt, einem verschiedentlich artikulierten Bedürfnis nach einer Eingliederung solcher Verurteilter in das Maßregelsystem des Strafgesetzbuchs (vgl. Trenckmann, JR 2010, 501, 502 f.) mittels einer den Wortlaut, die Systematik und den Sinn und Zweck der Vorschriften verfehlenden Interpretation der § 67d Abs. 1, § 67 Abs. 2 StGB Rechnung zu tragen und das Institut der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf Fälle auszuweiten, auf die es nach dem Willen des Gesetzgebers keine Anwendung finden soll.
8
2. Der Senat ist an einer Verwerfung der Revision aufgrund der tragenden Erwägung (bisher nur obiter Beschlüsse vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 10, und vom 5. August 2010 - 3 StR 195/10, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 11), die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB komme bei einer prognostizierten Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren nach geltendem Recht nicht in Betracht , nicht durch den Beschluss des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 6. Februar 1996 (5 StR 16/96) gehindert. Zwar beruhte dieser Beschluss seinerseits tragend auf der Gegenauffassung, in die Frist, innerhalb derer der Erfolg der Maßregel erwartbar sein müsse, sei auch eine gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB eintretende Verlängerung der Unterbringungsdauer einzubeziehen. Mit der Einführung des § 67 Abs. 2 StGB im Zuge der grundlegenden Reform des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Jahr 2007 ist dieser Auslegung indessen endgültig die Basis entzogen; Anlass für ein Verfahren nach § 132 GVG besteht damit nicht (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 132 Rn. 21).
Becker RiBGH von Lienen befindet Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben Becker Mayer Menges
6
Das Urteil teilt keine tragfähigen Gründe dafür mit, dass eine (nur) zweijährige Therapie bei dem Angeklagten erfolgversprechend ist. Der vom Landgericht zutreffend erkannte Umstand, dass nach § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB die Unterbringung nicht länger als zwei Jahre dauern darf (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12), reicht als Begründung für einen zu erwartenden Behandlungserfolg bei dem Angeklagten in diesem Zeitraum nicht aus. Dies gilt hier umso mehr, als möglicherweise der Drogenkonsum nur Ausdruck der dissozialen Persönlichkeitsfehlentwicklung des Angeklagten ist, was einen Heilungserfolg insgesamt oder jedenfalls innerhalb von zwei Jahren in Frage stellen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 2 StR 209/09; Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11 Rn. 24; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 7). Bei einer Therapiedauer von drei Jahren, wie sie der gehörte Sachverständige prognostiziert hat, fehlt es aber an der notwendigen konkreten Erfolgsaussicht (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – 3 StR 538/09 Rn. 10 ff., NStZ-RR 2011, 5, 6 f.; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 195/10 Rn. 10; Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12 Rn. 3).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 279/12
vom
8. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 4. April 2012
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung schuldig ist,
b) im Straf- sowie im Maßregelausspruch aufgehoben, im Hinblick auf den Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unter- bringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger Körperverletzung nach den §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 229, 52 StGB. Die Strafkammer hat es jedoch - worauf sie selbst in den Urteilsgründen (UA S. 13) hingewiesen hat - versäumt, die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Ur- teilsformel durch die Bezeichnung der Tat als „besonders“ schwere räuberische Erpressung zum Ausdruck zu bringen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt, weil die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der begangenen Qualifikation erfordert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a).
3
Der Strafausspruch und die Maßregelanordnung weisen dagegen durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: „1. Rechtlich zutreffend hat die Strafkammer zwar zunächst ohne Be- rücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB und unter alleiniger Heranziehung der allgemeinen Strafmilderungsgründe geprüft, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zu werten ist (UA S. 14 f.). Auch hält sich die Wertung der Strafkammer, dass die allgemeinen Milderungsgründe allein die Annahme eines minderschweren Falles nicht tragen können , im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die Strafkammer hätte jedoch im Anschluss an die Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände weiter prüfen müssen, ob der mildere Sonderstrafrahmen unter zusätzlicher Heranziehung des gesetzlich ver- typten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB der Strafzumessung im engeren Sinne hätte zu Grunde gelegt werden können. Erst wenn sie danach weiterhin keinen minderschweren Fall für gerechtfertigt gehalten hätte, hätte sie - wie geschehen (UA S. 15) - den wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen der Strafzumessung zu Grunde legen dürfen (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271; BGH, Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 449/07, NStZRR 2008, 105; Fischer, StGB, 59. Auflage 2012, § 50 Rn. 4 m.w.N.). Diese rechtlich zwingende Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei zusätzlicher Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht hätte. Zwar wäre der gesetzlich vertypte Straf- milderungsgrund damit „verbraucht“ gewesen (§ 50StGB), der Sonderstrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ) wäre jedoch für den Angeklagten günstiger gewesen als der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB (2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate). Im Hinblick auf die von der Strafkammer festgestellten gewichtigen allgemeinen Strafminderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB eine mildere Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Deshalb bedarf es einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Strafausspruch. Da die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen von diesem Rechtsfehler nicht berührt werden, können diese indes bestehen bleiben. 2. Die Maßregelanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB weist ebenfalls durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Zwar hat die Strafkammer einen Hang des langjährig opiatabhängigen Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum mit rechtlich tragfähiger Begründung bejaht (UA S. 3, 12). Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass die verfahrensgegenständliche Tat eine Symptomtat im Sinne des § 64 Satz 1 StGB war. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die verfahrensgegenständliche Tat in einem (hinreichenden ) symptomatischen Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten stand. Insbesondere sind keine An- haltspunkte dafür erkennbar, dass die Tat der Beschaffung von Finanzmitteln zum Drogenerwerb dienen sollte. Hiergegen spricht zum einen, dass der Angeklagte mit Methadon substituiert wurde (UA S. 3, 7), und zum anderen, dass seine (erhebliche) bisherige Delinquenz nicht durch Taten gekennzeichnet ist, die dem Bereich der Beschaffungskriminalität zuzuordnen sind. Zwar hatte der Angeklagte im unmittelbaren Tatvorfeld erhebliche Mengen Alkohol konsumiert (UA S. 7), was die sachverständig beratene Strafkammer veranlasst hat, in Verbindung mit dem konkreten Methadon- und Rohpynolkonsum des Angeklagten am Tattag von einer rauschbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit auszugehen (UA S. 12). Dies genügt jedoch nicht zum Beleg für eine Rauschtat im Sinne des § 64 StGB. Denn zum einen hat die Strafkammer den angenommenen Rauschzustand bei der Tatbegehung maßgeblich auf den stattgehabten Alkoholkonsum zurückgeführt, zum anderen ist sie von der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten ausgegangen, dass dieser in den letzten drei Jahren vor der Tat keinerlei Alkohol konsumiert hatte, mithin kein Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum vorlag (UA S. 3, 11 f.). Einem alkoholbedingten Rausch zur Tatzeit kann damit kein Symptomwert für einen Hang im Sinne des § 64 StGB zuerkannt werden, weil sich der vorhandene Hang des Angeklagten zum Rauschmittelkonsum nicht auf Alkohol, sondern auf Betäubungsmittel bezieht.
b) Im Übrigen hat die Strafkammer die konkrete Erfolgsaussicht einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargetan. Denn die Strafkammer ist - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen - zu der Feststellung gelangt, dass eine Therapiedauer von etwa drei Jahren erforderlich sei (UA S. 18). Die maximale Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beläuft sich allerdings gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB auf „lediglich“ zwei Jahre. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Satz 2 StGB kann deshalb nicht bejaht werden, wenn sie die voraussichtlich notwendige Dauer einer Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12).“
4
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Berger Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 384/12
vom
27. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 16. März 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Hierbei hat es Einzelstrafen von zwei Jahren und einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt und in die Gesamtstrafe vier Einzelstrafen in Höhe von zweimal drei Monaten, einmal sechs Monaten und einmal neun Monaten aus früheren Verurteilungen einbezogen. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie ihn im Adhäsionsverfahren verurteilt, an eine der beiden Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die umfassend eingelegte , auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist in vollem Umfang begründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts infizierte sich der heute 30-jährige, an Politoxikomanie leidende Angeklagte im Jahr 2001 oder 2002 mit dem HI-Virus. Dies wurde anlässlich einer Inhaftierung festgestellt und ihm vor seiner Entlassung im Jahr 2002 mitgeteilt. Im Rahmen eines weiteren Aufenthalts in einer Haftanstalt wurde er im Jahr 2003 umfassend über die Risiken der Infektion und die von ihm einzuhaltenden Sicherheitsmaßregeln aufgeklärt. Ihm war daher bekannt, dass bei ungeschützten Sexualkontakten die Gefahr einer Infektion des jeweiligen Sexualpartners bestand. Nicht geklärt werden konnte, ob er Kenntnis davon hatte, dass das bei Analverkehr bestehende Infektionsrisiko vielfach höher ist als bei vaginalem Geschlechtsverkehr.
3
Der Angeklagte kümmerte sich nach seiner Haftentlassung nicht weiter um seine Infektion und setzte auch die insoweit in der Haft begonnene Therapie nicht fort. In der Folgezeit hatte er mit mehreren Frauen ungeschützten vaginalen und analen Geschlechtsverkehr.
4
Zwischen August 2008 und November 2010 hatte der Angeklagte eine intime Beziehung zu der damals 18 bis 20 Jahre alten Nebenklägerin S. . Es kam regelmäßig zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr, häufig auch zu Analverkehr. Der Angeklagte klärte die Nebenklägerin nicht über seine Infektion auf. Er nahm eine von ihm für möglich gehaltene Infektion der Nebenklägerin billigend in Kauf. Bei einem der Sexualkontakte in der vorgenannten Zeit infizierte sich die Nebenklägerin. Sie ist hierdurch, obgleich sie bislang noch keine Dauertherapie benötigt, psychisch stark belastet.
5
In der Woche vor dem 11. November 2010 kam es zwischen dem Angeklagten und der damals 23 Jahre alten Zeugin H. mehrfach zu ungeschütztem vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehr. Hierbei infizierte sich die Zeugin mit dem HI-Virus. Der Angeklagte klärte sie über seine Infektion nicht auf und nahm ihre Infektion billigend in Kauf.
6
Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten angenommen, dass beide Infektionen in einem drogeninduzierten Rauschzustand verursacht wurden , durch welchen die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten jeweils erheblich vermindert war.
7
2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.
8
a) Die Beweiswürdigung weist weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Soweit das Landgericht dem Sachverständigen Dr. K. darin gefolgt ist, dass die Infektionen beider Geschädigter dem Angeklagten zuzurechnen sind, begegnet dies keinen Bedenken. Schon aufgrund der Identität der Virenstämme ist danach mit einer "an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" von einer Verursachung durch den Angeklagten auszugehen. Diese Wahrscheinlichkeit wurde hier noch durch den häufigen bzw. mehrmaligen Vollzug des Analverkehrs gesteigert, der ein besonders hohes Infektionsrisiko birgt. Andere Geschlechtspartner der Geschädigten wiesen nach den Feststellungen des Landgerichts keine HI-Infektion auf. Die Annahme der Ursächlichkeit des Angeklagten ist daher rechtsfehlerfrei. Eine zur Verurteilung hinreichende Überzeugung des Tatrichters setzt nicht den Ausschluss jeder theoretischen Möglichkeit eines abweichenden Verlaufs voraus.
9
Auch die Annahme des bedingten Vorsatzes ist rechtsfehlerfrei. Dass das Landgericht dem Angeklagten aufgrund rechtsfehlerfreier Erwägungen seine Einlassung nicht geglaubt hat, er habe bereits nach dem ersten Sexualkontakt mit der Nebenklägerin S. geglaubt, nun sei es "zu spät" – was entgegen seiner Einlassung gerade für seine Kenntnis und daher seinen Vorsatz gesprochen hätte – nötigt entgegen der Annahme der Revision nicht dazu anzunehmen, der Angeklagte habe beim ersten Sexualkontakt keinen (bedingten ) Vorsatz gehabt. Dies hat der Tatrichter aufgrund der Aussagen der Zeugen , die den Angeklagten aufgeklärt und belehrt hatten, als widerlegt angesehen. Die unklare und an sich widersprüchliche Erwägung, der Angeklagte habe "gedankenlos gehandelt und die Infektion damit billigend in Kauf genommen" (UA S. 13), beruht ersichtlich nur auf fehlerhafter Formulierung.
10
b) Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Keinen Bedenken begegnet insbesondere, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB als nicht gegeben angesehen hat. Soweit die Revision die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB vermisst, hätte auch eine solche Prüfung hier ersichtlich nicht zu einer Strafmilderung führen können. Denn das bloße Anerkenntnis einer Schmerzensgeldzahlung führte hier offenkundig nicht zu einem umfassenden Ausgleich mit dem Tatopfer. Ein "kommunikativer Prozess" der Versöhnung ist nicht ersichtlich; ob der mittellose Angeklagte jemals Leistungen erbringen wird, ist mindestens fraglich. Die Zumessung der Gesamtstrafe ist nicht zu beanstanden.
11
3. Keinen Bestand kann aber der Maßregelausspruch haben. Dies beruht zwar nicht, wie die Revision rügt, auf einem angeblichen Vorrang des § 35 BtMG gegenüber § 64 StGB. Nach ständiger Rechtsprechung ist vielmehr gerade umgekehrt für § 35 BtMG kein Raum, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB gegeben sind.
12
Die Anordnung ist aber rechtsfehlerhaft, weil – wie auch die Staatanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des § 301 StPO zutreffend rügt – ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zu Rauschmitteln und den Taten weder festgestellt noch vom Landgericht näher geprüft worden ist. Eine nähere Erörterung eines solchen Zusammenhangs, welcher der Natur der Sache nach nicht nahelag, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht "zu Gunsten" des Angeklagten angenommen hat, seine Steuerungsfähigkeit sei aufgrund akuten Drogenrausches bei allen möglichen Infektionsgelegenheiten erheblich vermindert gewesen.
13
Überdies hat das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen angenommen, die erforderliche Therapiedauer liege bei "zweieinhalb Jahren". Da die Höchstfrist der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 1 S. 1 StGB auf zwei Jahre beschränkt ist, ist damit eine hinreichend konkrete Erfolgsmöglichkeit nicht dargetan; die Anordnung war vielmehr unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292). Auf die rechtsfehlerhafte Bezugnahme des Landgerichts auf den seit geraumer Zeit nicht mehr geltenden "§ 64 Abs. 2" alter Fassung und auf den seit nunmehr 18 Jahren für verfassungswidrig erklärten Maßstab der "Aussichtslosigkeit" einer Therapie kommt es daher nicht mehr an.
14
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich zu Lasten des Angeklagten nur gegen den Strafausspruch wendet, ist in diesem Umfang begründet.
Die Annahme minderschwerer Fälle, zu der das Landgericht jeweils unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrunds gemäß § 21 StGB gelangt ist, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
Das Landgericht hat sich der Annahme des Sachverständigen angeschlossen , es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es mit beiden Geschädigten (auch) dann zum Sexualverkehr gekommen sei, wenn die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen Drogenkonsums erheblich vermindert gewesen sei. Diese pauschale Annahme reicht, wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, angesichts der Umstände der Einzelfälle nicht aus. Es fehlt an jeglichen konkretisierenden Feststellungen außer den Einlassungen des Angeklagten, er habe vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit der Zeugin S. "Extacy konsumiert", habe seine Infektion dauerhaft "verdrängt", habe "nicht daran gedacht" oder gedacht, jetzt sei es "schon zu spät" (UA S. 8/9). Beim ersten Verkehr mit der Zeugin H. sei er "sauer gewesen" (UA S. 9). Diese Einlassungen hat das Landgericht gerade nicht geglaubt (UA S. 9/10). Es war daher im Einzelnen zu erläutern, wieso gleichwohl eine erhebliche Verminderung von Steuerungsfähigkeit angenommen wurde und welche konkrete Ausprägung dieser Zustand beim Angeklagten gehabt haben könnte. Eine Annahme "zu Gunsten", also unter Anwendung des Zweifelssatzes , würde eine abgeschlossene Beweiswürdigung voraussetzen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar dargelegt werden muss. Die Anwendung des Zweifelssatzes kann eine sachgerechte Beweiswürdigung nicht ersetzen, sondern setzt sie ihrerseits voraus.
16
Soweit das Landgericht angenommen hat, es lägen "außergewöhnliche Tatumstände" vor (UA S. 14), erschließt sich diese Bewertung auch im Übrigen aus den Urteilsfeststellungen nicht.
17
5. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Dies gilt auch im Hinblick auf die Maßregelanordnung. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass aufgrund neuer Feststellungen die rechtsfehlerfreie Anordnung einer Maßregel möglich und geboten ist.
Fischer Schmitt Berger Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 377/12
vom
20. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. April 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt , seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt , dass zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision auf den Maßregelausspruch beschränkt; sie erstrebt dessen Wegfall. Das Rechtsmittel hat vorläufig Erfolg.
2
1. Die seitens der Beschwerdeführerin erklärte Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der Maßre- gelanordnung beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Der Senat schließt es insbesondere aus, dass das Landgericht, hätte es von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen, zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Zwar ist das sachverständig beratene Landgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die den Gegenstand der Verurteilung bildenden Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen; ebenso wenig ist die Prognose des Landgerichts zu beanstanden, infolge dieses Hanges seien auch in Zukunft vergleichbare Gewalttaten des Angeklagten zu erwarten (§ 64 Satz 1 StGB).
5
b) Dagegen tragen die Feststellungen nicht die Annahme des Landgerichts , es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB).
6
aa) Das Landgericht hat die zur Herbeiführung eines Behandlungserfolgs voraussichtlich erforderliche "Therapiedauer" auf drei Jahre geschätzt. Wie insbesondere der angeordnete Vorwegvollzug von zwei Jahren Freiheitsstrafe belegt (§ 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB), ist das Landgericht dabei davon ausgegangen , dass es über den gesamten Zeitraum von drei Jahren hinweg der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als geschlossener Einrichtung bedürfe. Danach bestünde die erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Therapie indes bereits deshalb nicht, weil dieser Zeitraum die nach § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überhaupt zulässige Gesamtdauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von zwei Jahren deutlich überschreitet (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292). Angesichts des klaren Wortlauts von § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB kann entgegen der Ansicht des Verteidigers auch aus Satz 3 dieser Vorschrift nicht abgeleitet werden , der Gesetzgeber halte Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt über zwei Jahre hinaus im Einzelfalle für therapeutisch sinnvoll (BGH aaO).
7
bb) An einer eigenen Sachentscheidung, wie sie der Generalbundesanwalt beantragt hat, sieht sich der Senat gleichwohl gehindert.
8
Allein die Feststellung einer erforderlichen "Therapiedauer" von drei Jahren vermag nicht hinreichend zu belegen, dass ein Behandlungserfolg nur dann zu erwarten ist, wenn der Angeklagte über den gesamten Zeitraum von drei Jahren hinweg in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Jedenfalls dann, wenn die insgesamt erforderliche Therapiedauer - wie hier - den in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmten Zeitraum deutlich übersteigt, wird vielmehr differenzierend zu prüfen und darzulegen sein, inwieweit eine Verkürzung der eigentlichen Unterbringungszeit dadurch möglich ist, dass einerseits vorbereitende soziale Therapien noch während des Vorwegvollzugs von Strafe erfolgen, andererseits etwaige nach Erreichen des Halbstrafenzeitpunkts noch notwendige Nachsorgemaßnahmen ambulant durchgeführt werden und einem Bewährungsbeschluss nach § 57 Abs. 3 Satz 1, § 56c StGB vorbehalten bleiben können.
9
Der Senat kann nicht ausschließen, dass ein sachverständig beratener neuer Tatrichter nach diesen Maßstäben zu der Prognose gelangt, die erforderliche Dauer einer geschlossenen Unterbringung des Angeklagten werde zwei Jahre nicht überschreiten. Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Gericke

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 538/09
vom
11. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4. März 2010 in der Sitzung am 11. März 2010, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 4. März 2010 -
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 4. März 2010,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 11. März 2010
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. August 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Auf die allein gegen den Maßregelausspruch gerichtete, mit dem Ziel der Verhängung von Sicherungsverwahrung durchgeführte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat das Urteil im Maßregelausspruch aufgehoben, weil das Landgericht die notwendige Erfolgsaussicht der Suchtbehandlung nach § 64 StGB nur widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft begründet hatte. Zugleich hatte er darauf hingewiesen, dass der neue Tatrichter angesichts der Vielzahl von Straftaten, Verurteilungen und Strafverbüßungen des Angeklagten auch zu prüfen habe, ob bei dem Angeklagten die Sicherungsverwahrung anzuordnen sei (BGH, Urt. vom 12. Februar 2009 - 3 StR 569/08 = NStZ 2009, 442). Auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuld- und Strafausspruchs hat das Landgericht nunmehr erneut die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeord- net; die Sicherungsverwahrung hat es abgelehnt, weil der hierzu erforderliche Hang beim Angeklagten nicht festzustellen sei. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat erneut Erfolg.
2
1. Das Rechtsmittel richtet sich gegen den gesamten Maßregelausspruch. Zwar bekämpft die Beschwerdeführerin mit Einzelausführungen allein die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung, indes geht sie, wie auch aus dem uneingeschränkten Aufhebungsantrag zu ersehen ist, zutreffend davon aus, dass eine Beschränkung der Revision hier wegen des Zusammenhangs der Maßregeln nach §§ 64 und 66 StGB unzulässig wäre, was der Senat schon in seiner ersten Entscheidung in dieser Sache ausgesprochen hat.
3
2. Die Ablehnung der Sicherungsverwahrung hält erneut rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat einen Hang des Angeklagten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint. Hierzu hat es unter Bezugnahme auf den gehörten Sachverständigen ausgeführt, die langjährige strafrechtliche Delinquenz des Angeklagten sei ausschließlich auf dessen Suchterkrankung zurückzuführen ; der Angeklagte habe keine antisoziale Persönlichkeit und keinen dissozial -delinquenten Lebensstil, er stehe seiner Delinquenz nicht zustimmend gegenüber, bei ihm seien Reue und Empathie festzustellen; es bestehe keine persönlichkeitsgebundene Bereitschaft zur Begehung von Straftaten, die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit sei nicht in Umständen jenseits seiner Sucht begründet.
4
Gegen diese Begründung bestehen in zweifacher Hinsicht durchgreifende Rechtsbedenken:
5
a) Zum einen werden die Urteilsgründe ihrer Aufgabe nicht gerecht, dem Revisionsgericht die sachlichrechtliche Nachprüfung der Entscheidung zu ermöglichen. Sie geben lediglich die Schlussfolgerungen des Sachverständigen wieder, teilen aber nicht die diesen zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen mit. Sie enthalten - nahezu wortgleich mit dem ersten Urteil - erneut keine Angaben zu Art und Umfang der Straftaten, die dazu führten, dass der Angeklagte seit 1978 - als er wohl schon als 16jähriger - eine Jugendstrafe von einem Jahr verbüßen musste, mehrfach zu - auch langjährigen - Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Die Behauptung, die Delinquenz sei "ausschließlich auf die Suchterkrankung des Angeklagten zurückzuführen", hätte der Begründung bedurft , zumal eine solche monokausale Betrachtung im Schrifttum auf Kritik stößt (vgl. Schöch in LK 12. Aufl. § 64 Rdn. 127; Rasch R&P 1991, 109, 113; Schalast FPPN 2009, 294, 295).
6
b) Zum anderen ist zu besorgen, dass das Landgericht seiner Entscheidung ein unzutreffendes Verständnis des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zugrunde gelegt hat dahingehend, dass der für die Sicherungsverwahrung erforderliche Hang zur Begehung erheblicher Straftaten ausscheide, wenn die wiederholte Delinquenz eines Täters allein auf dessen Hang zum übermäßigen Konsum berauschender Mittel beruht. Eine solche Überlegung mag für den psychowissenschaftlichen Sachverständigen hilfreich sein, um sich der Frage nach den Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Ausschlussverfahren zu nähern (vgl. Leygraf in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 5. Auflage S. 483, 486 f.). Für die richterliche Entscheidung über die Verhängung der Maßregel ist dies nicht zutreffend.
7
Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straf- taten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Nach der ständigen Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (BGH NJW 1980, 1055; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1, 3). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 StGB (neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB) nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung. Ob sodann die Unterbringung des Täters in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist, beurteilt sich nach der Regelung in § 72 StGB. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von ihnen zu erreichen, was ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraussetzt (BGH NStZ 2009, 442), so wird nur die weniger beschwerende Maßregel, hier die Unterbringung in der Entziehungsanstalt , verhängt. Andernfalls sind beide anzuordnen und deren Vollstreckungsreihenfolge zu bestimmen. Vor dem Ende des Vollzugs der ersten Maßregel ist sodann zu entscheiden, ob der Zweck der zweiten Maßregel deren Vollstreckung noch erfordert.
8
Diese Regelung ermöglicht zweierlei: Sofern die Gefährlichkeit eines Täters nach der Behandlung in der Entziehungsanstalt entfallen ist, kommt der Vollzug der angeordneten Sicherungsverwahrung nicht mehr in Betracht (vgl. § 72 Abs. 3 Satz 2 StGB). Andererseits kann ein gefährlicher Täter, dessen Behandlung im Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB ohne Erfolg bleibt oder gar wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen werden muss (§ 67 d Abs. 5 StGB), auf diese Weise zum Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten - nach Verbüßung des durch Anrechnung (§ 67 Abs. 4 StGB) nicht erledigten Teil der Strafe - in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden.
9
3. Die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist schon wegen ihres hier bestehenden untrennbaren Zusammenhangs mit der erneut notwendigen Prüfung der Sicherungsverwahrung aufzuheben.
10
Unabhängig davon hätte der Senat im Hinblick auf die von § 64 Abs. 2 StGB geforderte hinreichend konkrete Erfolgsaussicht Rechtsbedenken gegen die Anordnung dieser Maßregel, da das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen "von einer voraussichtlichen Dauer der Suchtbehandlung bis zur Erzielung eines Behandlungserfolges von drei Jahren" ausgegangen ist. Er ist der Auffassung, dass in einem solchen Fall die notwendige Erfolgsaussicht zu verneinen ist.
11
a) Hierfür spricht die Gesetzeslage. Nach § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre nicht übersteigen. Dieser Begrenzung liegt die Überzeugung des Gesetzgebers zugrunde, dass eine Unterbringungsdauer von mehr als einem Jahr äußerst selten und eine Behandlung über den Zweijahres-Zeitraum hinaus nicht erforderlich, vielmehr eher schädlich sei (vgl. Horstkotte in LK 10. Aufl. § 67 d Rdn. 4 unter Hinweis auf die Beratungen des Sonderausschusses; Schöch in LK 12. Aufl. § 64 Rdn. 167; Sinn in SK-StGB § 67 d Rdn. 2; Veh in MünchKomm-StGB § 67 d Rdn. 5; SSW-StGB/Schöch § 67 d Rdn. 9). Auch die Änderung der Vorschriften über die teilweise Vorwegvollstreckung der Strafe in § 67 Abs. 2 StGB durch das Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) zeigt, dass der Gesetzgeber eher von kürzeren Unterbringungszeiten ausgeht (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 14: " … sinnvolle Entziehungstherapie [ist] spätestens nach zwei Jahren beendet"; … voraussichtliche Dauer der Therapie bis zur Erzielung eines Behandlungserfolgs zu orientieren, die nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt bei etwa einem Jahr liegt"), da er bei Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe nicht für angezeigt hält. Suchttherapien von mehr als zweijähriger Dauer werden durchweg nicht für sinnvoll gehalten (vgl. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug 6. Aufl. S. 254).
12
b) Die Verlängerung der Höchstfrist in den Fällen, in denen vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen wird (§ 67 d Abs. 1 Satz 3 StGB), spricht nicht dagegen, Therapien als aussichtslos anzusehen, sofern sie länger als zwei Jahre andauern müssten. Der gegenteiligen Ansicht des 5. Strafsenats, dass die Vorschrift gerade für Fälle längerer Therapienotwendigkeit geschaffen worden sei (Beschl. vom 6. Februar 1996 - 5 StR 16/96), könnte sich der Senat nicht anschließen. Die Verlängerungsvorschrift steht nicht in einem Zusammenhang mit der für eine Suchtbehandlung für notwendig erachteten Zeit, sondern mit den sich aus der Länge der neben der Maßregel verhängten Freiheitsstrafe ergebenden Problemen. Sie soll die sich durch die Anrechnung der Maßregel auf die Freiheitsstrafe ergebende Besserstellung gegenüber dem Untergebrachten, bei dem die Strafe vor der Maßregel vollstreckt wird, ausgleichen. Sie ermöglicht zugleich, dass die neben einer Strafe angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB nicht nach Ablauf von zwei Jahren erledigt ist, sondern zur Bewährung ausgesetzt oder zur Vermeidung einer Rückverlegung in den Strafvollzug weitervollstreckt werden kann (SSW-StGB/Jehle § 67 d Rdn. 12; Sinn in SK-StGB § 67 d Rdn. 4; Veh in MünchKomm-StGB § 67 d Rdn. 8).
13
c) Auch die in verschiedenen Untersuchungen festgestellten durchschnittlichen Unterbringungszeiten (vgl. hierzu im Einzelnen Metrikat, Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB S. 251 ff., insbesondere Fn. 577 und 586) zeigen, dass Entwöhnungstherapien weniger als zwei Jahre benötigen. Sie liegen weitgehend unterhalb dieser Grenze. Soweit sie diese in Einzelfällen überschreiten, beruht dies gerade auf der durch § 67 d Abs. 1 Satz 3 StGB eingeräumten Möglichkeit, die Höchstfrist im Hinblick auf die Dauer der daneben erkannten Freiheitsstrafe aus vollzugspraktischen und nicht unmittelbar therapeutischen Gründen zu verlängern. Zwischen der Höhe der Freiheitsstrafe und der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit besteht ein signifikanter Zusammenhang (vgl. Metrikat aaO S. 257). Hinzu kommt, dass in die festgestellten Durchschnittszeiten auch jene Suchttherapien einbezogen worden sind, die zuletzt doch wegen Erfolglosigkeit abgebrochen worden waren, was die ermittelten Werte erhöht hat.
14
4. Über den Maßregelausspruch muss deshalb erneut entschieden werden. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO).
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert Schäfer
15
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 2 StR 193/02, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 11; BGH, Urteil vom 11. März 2010 - 3 StR 538/09; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 66 Rdn. 25 m.w.N.). Deshalb scheidet, selbst wenn sich eine Monokausalität der Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ausnahmsweise feststellen ließe, die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB nicht aus. Der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Hang hätte seine Ursache in einem solchen Fall ausschließlich in der Suchterkrankung.

(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die

1.
dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten,
a)
die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und
b)
die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,
2.
eine Unterbringung gewährleisten,
a)
die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und
b)
die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und
3.
zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels
a)
vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie
b)
in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.

(2) Hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil (§ 66), nach Vorbehalt (§ 66a Absatz 3) oder nachträglich (§ 66b) angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten (§ 66a Absatz 1 und 2), ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder deren Anordnung (§ 66a Absatz 3) möglichst entbehrlich zu machen.