Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12

bei uns veröffentlicht am03.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 109/12
vom
3. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 3. Mai 2012 gemäß
§ 206a Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2011 wird das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und die dem Angeklagten jeweils entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten am 20. Dezember 2011 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die zulässige Revision des Angeklagten stellt der Senat das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO ein, denn zwischenzeitlich ist das endgültige Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs eingetreten.
2
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe Mitte Juni 2011 ca. 317 g Marihuana, Wirkstoffgehalt 10,4 % THC, erworben, das er jedenfalls hälftig zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt habe. Er habe das Marihuana zunächst in einem Wald versteckt und es dann in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 2011 unter Benutzung seines Pkw von dort abgeholt. Dabei habe er in der Ablage der Fahrertür ein beidseitig geschliffenes Messer, Klingenlänge 12 cm, griffbereit mit sich geführt. Nach der Abholung sei der Angeklagte, der sich in Begleitung eines Abnehmers befunden habe, mit dem Pkw in eine Polizeikontrolle geraten und festgenommen worden; das transportierte Marihuana sei sichergestellt worden.
3
Eine dem Angeklagten nach der Festnahme entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,43 ‰ sowie Hinweise auf Cannabiskonsum. Insoweit leiteten die Strafverfolgungsbehörden ein gesondertes Verfahren wegen des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) ein, in dem der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss vom 27. Dezember 2011, rechtskräftig seit 19. Januar 2012, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt wurde.
4
2. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt : "Dem weiteren Verfahren steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen , weil durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss, der in seinen Wirkungen einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht (§ 410 Abs. 3 StPO), Strafklageverbrauch eingetreten ist. Der Strafbefehl betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren. Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bezeichnet dabei den geschichtlichen und dadurch zeitlich wie sachverhaltlich begrenzten Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47). Danach stehen die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Verhältnis der prozessualen Tatidentität. Denn die Fahrt diente ... gerade dem Transport der Betäubungsmittel, so dass das Mitführen der Be- täubungsmittel nicht nur in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang , sondern - darüber hinaus - in einem inneren Beziehungs - oder Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang stand (vgl. dazu BGH aaO.; Beschluss vom 27. April 2004 - 1 StR 466/03, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 41). Da der Besitz der für den Weiterverkauf bestimmten hälftigen Menge der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge wiederum einen unselbständigen Teilakt des beabsichtigten Handeltreibens mit dieser hälftigen Menge darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2011 [richtigerweise 2010] - 4 StR 521/10, NStZ-RR 2011, 90), kann der Angeklagte wegen ... bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) insgesamt nicht bestraft werden. Dies gilt mit Blick auf den hierzu in Tateinheit stehenden Besitz der zum Eigenverbrauch bestimmten hälftigen Menge der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und den hiervon als subsidiär verdrängten Erwerb dieser Menge (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 9 BtMG) in entsprechender Weise. Da das Verfahrenshindernis erst nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen , ohne dass es einer Aufhebung des Urteils bedarf. Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Nachprüfung des Urteils, sondern lediglich um die Berücksichtigung eines nach dessen Erlass eingetretenen Ereignisses, das eine neue Verfahrenslage geschaffen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni [Juli] 1968 - 3 StR 117/68, BGHSt 22, 213, 217; Paeffgen, in: SK-StPO, 4. Auflage, § 206a Rn. 8; Schneider, in: KK-StPO, 6. Auflage, § 206a Rn. 4; Stuckenberg, in: LR-StPO, 26. Auflage, § 206a Rn. 15, 17; ferner: Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage , § 206a Rn. 6)."
5
Dem schließt sich der Senat an. Der Vorgang belegt erneut, dass die oft geübte Praxis, Verkehrsdelikte auch dann gesonderter Bearbeitung zuzuführen, wenn sie im Zusammenhang mit Delikten der allgemeinen Kriminalität begangen wurden, nicht unproblematisch ist.
6
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Umstände, welche die Übernahme der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse im Sinne von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO unangemessen erscheinen ließen (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 467 Rn. 18), sieht der Senat nicht.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12 zitiert 10 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 316 Trunkenheit im Verkehr


(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit

Strafprozeßordnung - StPO | § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis


(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

Strafprozeßordnung - StPO | § 410 Einspruch; Form und Frist des Einspruchs; Rechtskraft


(1) Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen. Die §§ 297 bis 300 und § 302 Abs. 1 Satz

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - 3 StR 566/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 566/08 vom 5. März 2009 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesan

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Apr. 2004 - 1 StR 466/03

bei uns veröffentlicht am 27.04.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 466/03 vom 27. April 2004 in der Bußgeldsache gegen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als Senat für Bußgeldsachen hat auf Vorl
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 3 StR 109/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Sept. 2018 - 5 StR 278/18

bei uns veröffentlicht am 12.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 278/18 vom 12. September 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:120918U5STR278.18.0 Der 5. Strafsenat des Bun

Referenzen

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

(1) Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung bei dem Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen. Die §§ 297 bis 300 und § 302 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.

(3) Soweit gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 566/08
vom
5. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. März 2009 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird Urteil des Landgerichts Kiel vom 22. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer mit Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel vom 31. Oktober 2007 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da die Strafklage durch den genannten Strafbefehl verbraucht ist und somit ein Verfahrenshindernis besteht.
2
1. a) Mit Strafbefehl vom 31. Oktober 2007 erkannte das Amtsgericht Kiel gegen den Angeklagten wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 316 Abs. 1, 2 StGB auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 €; daneben wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Nach den Feststellungen des Strafbefehls befuhr der Angeklagte am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr mit seinem PKW die Kaiserstraße in Kiel. Er schwankte beim Aussteigen aus dem PKW und konnte nur mittels eines Ausfallschritts einen Sturz verhindern. Verbale Auskünfte fielen verwaschen und "stolpernd" aus. Die ihm um 18.38 Uhr entnommene Blutprobe enthielt aufgrund vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums Kokainabbauprodukte.
3
b) Mit Anklageschrift vom 21. Februar 2008 wurde dem Angeklagten im hiesigen Verfahren vorgeworfen, in Kiel am 21. Juni 2007 und danach mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei einen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt gewesen sei. Danach erhielt der Angeklagte am 21. Juni 2007 ca. 100 Gramm Heroin zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Anlässlich einer Überprüfung am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel wurden in seinem Besitz noch insgesamt 81,44 Gramm Heroin sowie ein Klappmesser mit zwei Klingen aufgefunden und sichergestellt.
4
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte am 21. und 22. Juni 2007 regelmäßig Kokain. Am Mittag des 22. Juni 2007 traf er sich mit einem Rauschgiftdealer und erhielt von diesem knapp 100 Gramm Heroin sowie ein Streckmittel. Der Angeklagte führte ein Filetiermesser mit zwei Klingen mit sich. Er fuhr zu der Wohnung seiner Bekannten W. und J. und überließ zumindest W. aus Freundschaft einen Teil des Heroins. W. bedeutete dem Angeklagten, dass er das restliche Rauschgift keinesfalls bei sich in der Wohnung lagern bzw. ansonsten übernehmen wolle. Notgedrungen nahm der Angeklagte deshalb die restlichen 81,44 Gramm Heroin wieder an sich, verließ gegen 17.00 Uhr die Wohnung und begab sich zu seinem PKW. Auf eine entsprechende Bitte des J. nahm er diesen ein kurzes Stück mit. Der Angeklagte konnte sich beim Führen des Fahrzeugs kaum noch wach halten und fiel zwei Polizeibeamten auf. Diese überprüften ihn gegen 17.45 Uhr in der Kaiserstraße in Kiel; dabei fanden sie das in seiner Hose mitgeführte Heroin sowie das Klappmesser.
5
d) Das Landgericht hat ausgeführt, die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Strafbefehls stehe der Bestrafung des Angeklagten im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Das Verfolgungshindernis des Strafklageverbrauchs liege nicht vor; es handele sich nicht um dieselbe Tat im materiellen oder prozessualen Sinne. Zwischen dem Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel nach § 316 StGB und dem Sichverschaffen bzw. der Abgabe von Betäubungsmitteln bestehe keine Tateinheit i. S. d. § 52 StGB. Die Betäubungsmitteldelikte seien schon vollendet gewesen, als der Angeklagte das Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Der weiter gegebene unerlaubte Besitz der Betäubungsmittel sei subsidiär und habe deshalb keine eigenständige Bedeutung. Die beiden Taten seien auch prozessual selbstständig, weil ein erkennbarer Beziehungs- und Bedingungszusammenhang nicht gegeben sei. Der Angeklagte habe das Rauschgift nur gelegentlich der "Trunkenheitsfahrt" weiter mit sich geführt.
6
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Strafbefehl des Amtsgerichts Kiel betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren; durch ihn ist deshalb Strafklageverbrauch hinsichtlich des Tatgeschehens eingetreten, das Gegenstand des landgerichtlichen Urteils ist. Der Angeklagte darf somit nach Art. 103 Abs. 3 GG wegen der von ihm begangenen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden.
7
Der Begriff der Tat i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8) und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf welchen Anklage und Er- öffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbstständige Handlungen grundsätzlich nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zu Grunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (vgl. BVerfG, Beschl. vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 25, 45). Hieraus folgt:
8
Die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) stehen - zumindest - im Verhältnis prozessualer Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings besteht zwischen diesen Delikten dann keine verfahrensrechtliche Identität, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel in keinem inneren Beziehungsbzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht (vgl. BGH NStZ 2004, 694, 695 zu § 24 a Abs. 2 StVG mit Anm. Bohnen). Anders liegt dies aber, wenn die Fahrt gerade dem Transport der Drogen dient, also etwa den Zweck verfolgt, sie an einen sicheren Ort zu bringen. So war es hier: Der Angeklagte war nach den Feststellungen des Landgerichts aufgrund der Weigerung des W. gezwungen, das Rauschgift aus der Wohnung fortzuschaffen und an einen anderen Ort zu verbringen. Die Fahrt mit dem PKW diente deshalb primär dem Transport der Betäubungsmittel. Der somit gegebene innere Beziehungszusammenhang zwischen dem Führen des Kraftfahrzeugs und dem Besitz des Heroins wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass der Angeklagte sich aus Gefälligkeit bereit erklärte, zunächst den J. zu einem bestimmten Ort in Kiel mitzunehmen. Hauptsächlicher Zweck der Fahrt war vielmehr weiterhin das Verbringen des Rauschgifts weg von der Wohnung hin zu einem vermeintlich sicheren Ort.
9
Ob darüber hinaus in einem derartigen Fall zwischen der Trunkenheitsfahrt und dem Betäubungsmittelbesitz nicht auch materiellrechtlich eine natürliche Handlungseinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn da die Aburteilung wegen der Trunkenheitsfahrt die Strafklage für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbraucht hat, darf der Angeklagte auch nicht mehr wegen der Delikte bestraft werden, die nur mit diesem Verbrechen sachlichrechtlich in Tateinheit stehen und deshalb prozessual eine Tat bilden. Dies ist für das bewaffnete Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die Abgabe eines - den Grenzwert der nicht geringen Menge nicht erreichenden - Teils dieser Betäubungsmittel jedoch der Fall; denn diese beiden Straftaten werden durch den Betäubungsmittelbesitz in nicht geringer Menge, der als Verbrechen (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht als Auffangtatbestand im Wege der Subsidiarität hinter das Vergehen der Abgabe einer "geringen Menge" (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) aus der Gesamtmenge zurücktritt, zur Tateinheit verbunden (s. demgegenüber BGHSt 42, 162, 165 f.: keine Verknüpfung von Betäubungsmitteleinfuhr in nicht geringer Menge - § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG - und Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - durch den Betäubungsmit- telbesitz in nicht geringer Menge, da dieser als subsidiär hinter die beiden anderen Verbrechenstatbestände zurücktritt). Dies hat im Ergebnis auch das Landgericht nicht verkannt, das zutreffend Tateinheit zwischen dem bewaffneten Sichverschaffen der Betäubungsmittel und der Abgabe von Betäubungsmitteln angenommen hat.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 466/03
vom
27. April 2004
in der Bußgeldsache
gegen
wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden
Mitteln
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs als Senat für Bußgeldsachen hat auf
Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. September 2003 –
2 Ss 356/2003 – am 27. April 2004 beschlossen:
Zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) besteht verfahrensrechtlich keine Tatidentität im Sinne des § 264 StPO, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel im Kraftfahrzeug in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang steht.

Gründe:


I.


1. Gegenstand der Vorlegungsfrage ist die Tatidentität zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln und gleichzeitigem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln.
Als der Betroffene im Mai 2002 einen Pkw führte, wurde er von der Polizei kontrolliert. Er stand unter der Wirkung des berauschenden Mittels Kokain bzw. kokainhaltiger Präparate und führte Kokain bei sich.

Am 30. September 2002 erging gegen ihn ein Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG), der rechtskräftig wurde. Am 3. April 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Ulm wegen des fahrlässigen Fahrens unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) zu einer Geldbuße. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, mit der er geltend machte, die Strafklage sei durch den rechtskräftigen Strafbefehl wegen des Betäubungsmitteldelikts verbraucht.
2. Das Oberlandesgericht Stuttgart beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, sieht sich aber daran durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. August 2001 - Ss 196/01, StV 2002, 240, 241 gehindert. In dem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall war ein Betroffener als Führer eines Personenkraftwagens einer Verkehrskontrolle unterzogen worden. Eine Blutprobe ergab den Nachweis, daß er im Zeitpunkt der Fahrt unter dem Einfluß von Cannabioiden stand; bei der Durchsuchung seines Kraftfahrzeuges wurden zudem in einer Reisetasche im Kofferraum ca. 3,5 Gramm Haschisch aufgefunden. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde von der Staatsanwaltschaft nach Zahlung einer Geldbuße gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt.
Wegen der Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG setzte das Amtsgericht Wildeshausen eine Geldbuße in Höhe von 500 DM fest und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde führte zur Verfahrenseinstellung durch das Oberlandesgericht
Oldenburg. Zur Begründung führte dieses aus, daß mit der endgültigen Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Verhängung einer Geldbuße wegen einer Rauschfahrt im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG das Verfahrenshindernis des (beschränkten) Strafklageverbrauchs nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eingetreten sei. Dem Betroffenen könne lediglich der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG nachgewiesen werden, zu dem die "Rauschfahrt" hinzugetreten sei. Mit der Fahrt werde die Verfügungsmacht über das Rauschgift im Kofferraum aufrechterhalten , diese stelle (stets) einen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zum Betäubungsmitteldelikt dar. Da bereits materiell-rechtlich Tateinheit zwischen beiden Delikten bestehe, liege auch prozessual nur eine Tat im Sinne von § 264 StPO vor.
Das Oberlandesgericht Stuttgart teilt diese Auffassung nicht. Es ist der Ansicht, daß im Vorlegungsfall die Verurteilung wegen der Straftat des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln einer späteren Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG nicht entgegenstehe.
Zwischen beiden Dauerdelikten bestehe materiell-rechtlich Realkonkurrenz. Der Besitz von Betäubungsmitteln setze einerseits weder den Konsum derselben noch das Führen eines Kraftfahrzeuges im berauschten Zustand voraus. Die Ordnungswidrigkeit des § 24a Abs. 2 StVG knüpfe andererseits nicht an den Besitz von Betäubungsmitteln, sondern lediglich an deren - für sich genommen straflosen - Konsum und die anschließende Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr an. Eine isolierte Wertung beider Delikte sei daher möglich, ohne daß hinsichtlich des jeweils anderen Delikts ein tatbestandserheblicher Beitrag fehlen würde. Beide Delikte seien lediglich gleichzeitig, nur
bei Gelegenheit des jeweils anderen Delikts begangen worden. Im Vorlegungsfall bestehe auch keine verfahrensrechtliche Tatidentität im Sinne von § 264 StPO. Beide Verhaltensweisen seien hier innerlich nicht derart miteinander verknüpft, daß ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Die Aufrechterhaltung des Betäubungsmittelbesitzes stehe - von der zufälligen zeitlichen Koinzidenz abgesehen - in keinem erkennbaren inneren Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang. Beide Handlungen beruhten auf einem für sich genommen völlig selbständigen Tatentschluß. Der Fahrvorgang sei aus subjektiver Sicht des Betroffenen zweckneutral und habe nicht der Aufrechterhaltung des Betäubungsmittelbesitzes gedient. Der Umstand, daß der Betroffene aus tatsächlichen Gründen nur aufgrund des Auffangtatbestandes des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln während der "Rauschfahrt", nicht aber wegen des vorangegangenen Erwerbs derselben, einer zweifelsfrei eigenständigen Tat, verurteilt werden könne, dürfe nicht dazu führen, daß er hinsichtlich der Reichweite des Strafklageverbrauchs "zusätzlich" privilegiert werde. Im übrigen gebiete die Bedeutung und Eigenständigkeit des betroffenen Schutzgutes der Verkehrssicherheit, daß die Ordnungswidrigkeit des § 24a Abs. 2 StVG einer eigenständigen Aburteilung zugänglich bleibe. Das Prinzip des Vertrauensschutzes stehe dem nicht entgegen.
3. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat deshalb die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
"Besteht zwischen dem Besitz eines Kraftfahrzeugführers an Betäubungsmitteln, die im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden
(§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG), und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Fahrens dieses Kraftfahrzeuges
unter der Wirkung von berauschenden Mitteln gemäß § 24a Abs. 2 StVG verfahrensrechtlich Tatidentität im Sinne des § 264 StPO?"

II.


Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG in Verbindung mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind erfüllt.
1. Das vorlegende Oberlandesgericht Stuttgart kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne hierbei von den tragenden Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg abzuweichen.
2. Die Vorlegungsfrage erfaßt aber nach ihrem Wortlaut über die Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren hinaus auch solche Fallkonstellationen , wie etwa die Fälle der Transport- oder Fluchtfahrten, in denen eine verfahrensrechtliche Tatidentität eher in Betracht kommen könnte. Der Senat hat deshalb – entsprechend dem des Generalbundesanwalts - die Frage wie folgt präzisiert:
„Besteht zwischen dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) und der zeitgleich begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von berauschenden Mitteln (§ 24a Abs. 2 StVG) verfahrensrechtlich Tatidentität im Sinne des § 264 StPO, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel im Kraftfahrzeug in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszu-
sammenhang mit dem Fahrvorgang steht?“

III.


Der Senat tritt – dem Generalbundesanwalt folgend - der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart bei.
Zwischen beiden Taten – der Rauschtat und dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln – besteht schon keine Tateinheit. Die objektiven tatbestandlichen Ausführungshandlungen dieser beiden Delikte decken sich nicht einmal teilweise; sie stellen bei natürlicher Betrachtungsweise - ungeachtet der zeitlichen Überschneidung bei der Tatbegehung - zwei selbständige, auf gesondert gefaßten Tatentschlüssen beruhende körperliche Willensbetätigungsakte dar. Der Täter würde die tatsächliche Sachherrschaft über das Rauschgift auch dann nicht verlieren, wenn er nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnähme.
Sachlich-rechtlich selbständige Taten sind grundsätzlich auch prozessual selbständig. Eine unlösbare innere Verknüpfung zweier Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit ihrer Ausführung hinausginge, liegt demgegenüber nicht vor, wenn der Täter - wie im Vorlegungsfall - mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung berauschender Mittel fährt und hierbei Betäubungsmittel ohne einen erkennbaren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang als Teil seines persönlichen Gewahrsams mit sich führt. Beide Tatbestände knüpfen zwar an die Existenz eines Betäubungsmittels (im Blut bzw. als körperliche Sache ) an, greifen aber in ihrer Struktur nicht ineinander. Die Fahrt verfolgt in einem solchen Fall - anders als in den Transport- oder Fluchtfällen - nicht den
Zweck, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern; die Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit dient nicht dazu, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Die Verlagerung des Besitzes ist lediglich ein notwendiger Reflex bzw. eine zwangsläufige Begleitfolge der mit dem Kraftfahrzeug bewirkten und bezweckten Ortsveränderung des Täters. Die Mitnahme der Betäubungsmittel bezieht sich andererseits auch nicht auf die Fahrtätigkeit als solche; sie dient dem Fahrer insbesondere nicht dazu, sich durch den Konsum der Drogen als Genuß- oder Aufputschmittel die Fahrt zu erleichtern.
Herr Richter am BGH Hebenstreit ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Boetticher Nack Elf Graf

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.