Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2014 - 2 StR 8/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem anderen rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.
- 2
- Die im Übrigen offensichtlich unbegründete Revision des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO) führt lediglich zur Ergänzung des Tenors um den Teilfreispruch. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung hat sich die der - unverändert zugelassenen - Anklageschrift zugrundeliegende Annahme einer Tat im Rechtssinn als offensichtlich fehlerhaft erwiesen; hinsichtlich der weiteren in Betracht kommenden selbständigen Taten hat das Landgericht indes keine Feststellungen treffen können. Insoweit hat Freispruch zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1991 – 4 StR 463/91, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 7; Senatsurteil vom 1. Juni 2011 – 2 StR 90/11; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 20 mwN). Der Senat hat aus diesem Grunde den Teilfreispruch mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO nachgeholt. Fischer Appl Krehl Ott Zeng
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Bewertung des mehraktigen Tatgeschehens als einheitliche Tat. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand.
- 3
- a) Das Landgericht hat das Tatgeschehen vom Eindringen des Angeklagten in die Wohnung der Geschädigten bis zu deren Verlassen rund 10 Stunden später als einheitliche Tat gewürdigt und den Angeklagten, der nach den Feststellungen die Geschädigte unmittelbar nach seinem Eindringen bis zur Bewusstlosigkeit würgte, wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt. Einen kurz vor Verlassen der Wohnung erfolgten zweiten Würgevorgang und "weitere Körperverletzungsdelikte" hat das Gericht als nicht gesondert verfolgbare Teilakte angesehen (UA S. 25).
- 4
- b) Für die Annahme von Tateinheit fehlt es bereits an einer zumindest teilweisen Identität der Ausführungshandlungen in einem für die verwirklichten Körperverletzungsdelikte notwendigen Teil. Die beiden Würgevorgänge liegen zeitlich weit auseinander, dazwischen gab es wiederholt friedliche Phasen, in denen die Beteiligten auch Zärtlichkeiten austauschten; weitere Körperverletzungen , deren Ausführungshandlungen diesen Zeitraum überdauert haben könnten, hat die Kammer nur seitens der Geschädigten festgestellt. Auch die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit liegt fern (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 453/10).
- 5
- c) Der Angeklagte ist wegen des anfänglichen lebensbedrohlichen Würgens der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und wegen des späteren Würgens der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig. Die insoweit mangels Strafantrags der Geschädigten gemäß § 230 StGB erforderliche Annahme des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung wurde seitens der Strafverfolgungsbehörde im Rahmen des Revisionsverfahrens erklärt.
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- Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst geändert, da ergänzende Feststellungen - auch im Hinblick auf weitere Körperverletzungsdelikte - nicht zu erwarten sind. § 358 Abs. 2 StPO steht der Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, da er das Risiko einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht ausschließt (vgl. BGH NStZ 2011, 212, 213; Beschluss vom 27. Juli 2010 - 4 StR 165/10). Auch § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich insoweit nicht anders verteidigen können.
- 7
- 2. Wegen der veränderten Bewertung der Konkurrenzverhältnisse war der Angeklagte im Übrigen freizusprechen um klarzustellen, dass die angeklagte Vergewaltigung dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnte.
- 8
- Im Eröffnungsbeschluss war für alle Gesetzesverletzungen Tateinheit angenommen worden, weil dort, in Übereinstimmung mit der Anklage, ein die ganze Zeit über andauerndes Verbrechen der Geiselnahme gemäß § 239b StGB angenommen wurde. Da aber die Geiselnahme in der Hauptverhandlung nicht erwiesen werden konnte, ist die durch sie bewirkte rechtliche Klammer zwischen den untereinander in Tatmehrheit stehenden Körperverletzungen und der mit diesen in keinem Zusammenhang stehenden, angeklagten Vergewaltigung entfallen. Erweist sich aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Annahme von Tateinheit als offensichtlich fehlerhaft und ist eine der Taten nicht erwiesen, so ist jedenfalls aus Billigkeitsgründen ein Teilfreispruch geboten (BGH NStZ 1992, 398; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 260 Rn. 12 mwN). Dies gilt auch für den Fall des Wegfalls einer Dauerstraftat, wenn dadurch der tateinheitliche Zusammenhang mit mehreren rechtlich selbständigen Taten, von denen eine nicht erwiesen werde konnte, verloren geht (vgl. BGH VRS 21, 341, 343). Der Senat hat aus diesem Grunde den Teilfreispruch mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO nachgeholt.
- 9
- 3. Die auf Grundlage der Annahme des Vorliegens einer einheitlichen Tat für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe war wegen des zu Lasten des Angeklagten zugrunde gelegten, erhöhten Schuldumfangs aufzuheben. Zwar muss allein eine fehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen bei insgesamt gleich bleibenden Schuld- und Unrechtsgehalt nicht zwingendauch den Strafausspruch im Ergebnis gefährden (BGH NJW 1996, 936, 938; BGH Beschluss vom 17. März 2011 - 1 StR 407/10 vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 46 Rn. 58). Hier muss der Strafausspruch aber schon deshalb aufgehoben werden , weil für die vorsätzliche Körperverletzung noch eine Einzelstrafe festzusetzen ist.
(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.
(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.
(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er
- 1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder - 2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.
(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.