Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2017 - 2 StR 418/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im gesamten Strafausspruch,
b) im Ausspruch über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
c) im Ausspruch über die Einziehung des Kraftfahrzeugs Jaguar , amtliches Kennzeichen : , sowie
d) im Ausspruch über den Verfall, soweit die Anordnung einen Betrag von 3.200 Euro übersteigt, aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere – allgemeine – Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und in einem weiteren Fall „in Tateinheit mit der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich einem besonders schweren Raub“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre und zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Darüber hinaus hat es einen Pkw eingezogen und den Verfall in Höhe von 35.000 Euro angeordnet.
- 2
- Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Während der Schuldspruch aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hat der Strafausspruch insgesamt keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung auch der Entscheidung über die Einziehung des Kraftfahrzeugs.
- 4
- a) Die Einziehung des im Urteil näher bezeichneten Kraftfahrzeugs hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Stra- fe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 17. August 2016 – 2 StR 123/16, BGHR StGB § 74 Rechtsfolge 1).
- 5
- b) Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Den Wert des Fahrzeugs hat es nicht festgestellt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht , hätte es die oben dargelegten Grundsätze beachtet, die von dem Angeklagten verwirkten Einzelstrafen und damit auch die Gesamtstrafe milder bemessen hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633).
- 6
- c) Der Wegfall des Strafausspruchs entzieht auch der Anordnung des Vorwegvollzugs der Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB die Grundlage, bei dessen Berechnung das Landgericht im Übrigen rechtsfehlerhaft nicht von dem nach § 67 Abs. 2 StGB maßgeblichen Halbstrafen-, sondern vom ZweiDrittel -Zeitpunkt ausgegangen ist. Die rechtsfehlerfreie Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB bleibt davon unberührt.
- 7
- d) Der Wegfall des gesamten Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung, die mit der Bemessung der Strafe in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht (Senat aaO). Die Einziehung des Kraftfahrzeugs ist darüber hinaus auch rechtsfehlerhaft, weil den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, dass es sich bei dem eingezogenen Jaguar des Angeklagten um das von ihm bei den Beschaffungsfahrten in den Fällen 10 bis 13 der Urteilsgründe sowie bei der Tat im Fall 16 der Urteilsgründe verwendete Tatfahrzeug handelt.
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- 2. Auch die Verfallsanordnung in Höhe von 35.000 Euro kann keinen Bestand haben; diese ist, soweit sie einen Betrag von 3.200 Euro übersteigt, rechnerisch nicht nachvollziehbar.
- 9
- Aus den Feststellungen ergibt sich nur hinsichtlich des Falles 1 der Urteilsgründe sowohl die von dem Angeklagten gehandelte Rauschgiftmenge von insgesamt 400 Gramm Marihuana als auch der von ihm vereinnahmte Grammpreis von 8 Euro und damit der erzielte Verkaufserlös von insgesamt 3.200 Euro. Im Übrigen – d.h. hinsichtlich der Fälle 2 bis 6, 8 und 10 – ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, welche Erlöse der Angeklagte konkret durch den Verkauf der Betäubungsmittel erzielte. Die Strafkammer hat sich insoweit hinsichtlich des Verkaufspreises auf die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten beschränkt, wonach der Mitangeklagte K. für das Marihuana einen Grammpreis von 6 Euro und „andere Kunden im Durchschnitt 6,5 bis 7 Euro“ bezahlten. Hieraus ergeben sich selbst bei Zugrundelegung des höchsten Grammpreises von 7 Euro lediglich Einnahmen von insgesamt 26.390 Euro aus den von dem Angeklagten in den zuvor genannten Fällen selbst getätigten Rauschgiftverkäufen (jeweils 500 Gramm Marihuana in den Fällen 2 bis 6 und 8 der Urteilsgründe sowie etwa 770 Gramm Marihuana im Fall 10 der Urteilsgründe ), unter Einbeziehung der Erlöse aus Fall 1 der Urteilsgründe mithin eine Summe von nur 29.390 Euro. Zwar liegt nahe, dass der Angeklagte überdies an den Einnahmen des Mitangeklagten Z. beteiligt war, die dieser durch die von ihm getätigten Verkäufe von Teilen des gemeinsam beschafften Marihuanas erzielte. Hierzu hat das Landgericht jedoch keine Feststellungen getroffen.
- 10
- 3. Die den aufgehobenen Aussprüchen jeweils zu Grunde liegenden Feststellungen werden von den Rechtsfehlern nicht berührt und können daher gemäß § 353 Abs. 2 StPO bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird ergän- zende Feststellungen zu treffen haben, die zu den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen dürfen.
- 11
- 4. Da sich die Strafsache nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, ist die Zuständigkeit der Jugendkammer nicht mehr gegeben.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.